Значение слова "CHRISTEN IM MITTELALTER" найдено в 1 источнике

CHRISTEN IM MITTELALTER

найдено в "Universal-Lexicon"

Christen im Mittelalter
 
Die Kirche der ausgehenden Antike zeigt trotz aller Prägung durch die hellenistische und römische Kultur eine Vielzahl von Facetten mit unterschiedlichen geographischen und religiösen Schwerpunkten. So löste sich nach den Konzilien von Ephesos und Chalkedon im 4. und 5. Jahrhundert ein erheblicher Teil der Christen in Ägypten und Syrien aus dem Verband der byzantinischen Kirche; die armenische und die koptische Kirche entstanden. Insgesamt führte die wirtschaftliche, politische und religiöse Entwicklung der Spätantike jedoch zur baldigen Trennung des Westens vom Osten und damit im Abendland zur Ausbildung einer durchgängig vom Christentum geprägten Gesellschaftsordnung, die schließlich das stilisierte Bild vom scheinbar einheitlichen christlichen Mittelalter hervorbrachte.
 
Mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches und seines Staatsapparates veränderten sich im Übergang von der Spätantike zum Mittelalter neben den politischen, militärischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten auch die Rahmenbedingungen für Bildung, Wissenschaft und Kirche.Zwischen den Jahren 350 und 500 verschwand nicht nur die Führungselite, sondern mit ihr auch die finanziellen Grundlagen der Muße, ihres Bildungsideals. Die mittelalterliche Wissenschaft wurde von nun an im Wesentlichen kirchliche Wissenschaft, sie diente primär kirchlichen Zielen, selbst wenn die Kirche ihrerseits jetzt auch Allgemeininteressen wahrnahm. In neu gegründeten großen Klöstern wie Montecassino, Fleury oder Cluny wurde sie nicht nur Trägerin und Verwalterin der antiken Bildung, sondern entwarf zugleich das idealtypische Bild einer Gesellschaftsform, die sich stärker an der apostolischen Gemeinschaft in Jerusalem aus den ersten Tagen der Christenheit orientierte - auch wenn sie in der Praxis mehr darum bemüht sein musste, ihre Stiftungen und Ländereien gegen die ständigen Begehrlichkeiten von außen zu verteidigen. Immerhin wurden die Klöster neben den Städten und bald auch den Universitäten zu den Trägern neuer Ideale und Ideen. Die Ausbreitung des Christentums und die Zunahme der Gemeinden machten neue Organisationsformen erforderlich: Der Ausbau der Kirchenverfassung, in deren Mittelpunkt der Klerus stand, war die Folge. Dies führte vor allem zu einem verstärkten Zentralismus. Missstände bei den Wahlverfahren bis hin zur Stimmenwerbung durch Geldgeschenke waren der Anlass für die Beschränkung der Rolle des Volkes bei der Bischofswahl, die zum klerikalen Zentralismus noch das Ihre beitrug.
 
Kirchliche und weltliche Ordnung durchdrangen sich wechselseitig, nicht zuletzt dank des massiven Stiftungswesens. Damit fielen weltliche Aufgaben wie Rechtsprechung und Heeresaufgebot immer häufiger in den Aufgabenbereich der geistlichen Herrschaftsträger. Auch wenn die Immunität des Klerus nicht angetastet wurde und ihm die Ausübung von Blutgerichtsbarkeit und Kriegshandwerk seitens der Kirche untersagt blieb, so zeigte sich die weltliche Seite zunehmend interessiert an der Besetzung geistlicher Ämter. Dies führte zu einer regelrechten Privatisierung von Kirchen. In der Folge verkauften oder verpachteten adlige Laien örtliche Kirchen als persönlichen Besitz wie Mühlen oder Backhäuser und erhoben Gebühren für die Inanspruchnahme ihrer Dienste. Diesen Ansprüchen des Königs und anderer Eigenkirchenherren stand das Selbstverständnis der Kirche entgegen, die sich unmittelbar von Gott bevollmächtigt sah und sich gegen die Einmischung des Staates und eine Investitur durch Laien zur Wehr setzte. Dies wiederum bereitete den Boden für massive Konflikte im Verhältnis von Kirche und Staat, die schließlich im Investiturstreit eskalierten.
 
Es dauerte bis ins 11. Jahrhundert, bis die verbreiteten und gesellschaftlich allgemein anerkannten Verfahrensweisen wie der Kauf von Ämtern und Würden, die Simonie, oder die Ehe von Geistlichen ernsthaft bekämpft wurden. Diese Reformbemühungen verknüpfen sich mit der Person Papst Leo IX., der auf eine Neuordnung des Priestertums drängte und sich von der Vorstellung eines an mönchischem Leben orientierten Klerus leiten ließ. Unter dem Pontifikat Gregors VII., der der Reform ihren Namen gab (»Gregorianische Reform«), brach der Machtkampf von Kaiser und Papst schließlich auch offen aus.
 
In den Gemeinden klafften Lebenspraxis und Glaubensverkündigung weit auseinander. Der formale Übertritt breiter Bevölkerungsteile zum Christentum war bereits seit der Spätantike erfolgt, als das Christentum Staatsreligion geworden war, allerdings oft eher um äußerer Vorteile willen denn aus innerer Überzeugung. Die klassischen disziplinierenden Maßnahmen wie die Glaubensunterweisung im Katechumenat und die Institution des alten Bußverfahrens vermochten aber im Mittelalter nicht mehr, die Sitten unter den Gläubigen zu bessern. Im Gegenteil: Rigorose Forderungen wie die nach mehrtägiger geschlechtlicher Enthaltsamkeit vor dem Eucharistieempfang erwiesen sich eher als kontraproduktiv; denn sie führten statt zur Hebung der Moral zum Rückgang des Kommunionempfangs - selbst bei der Glaubenselite. Erst die Einführung der Privatbeichte trug dem sittlichen Anspruch stärker Rechnung.
 
Heiligenverehrung und damit einhergehend Wallfahrtswesen und Reliquienkult etablierten sich als neue Ausdrucksformen der Frömmigkeit. So konnten neben die Märtyrer der Verfolgungszeit gleichberechtigt Christen treten, die sich in ihrer Lebensführung in besonderer Weise hervorgetan hatten und ebenso als Vorbild wirkten. Allerdings verband sich mit deren Verehrung eine kommerzialisierte Praxis. Bis gegen Mitte des 11. Jahrhunderts war nahezu ganz Westeuropa christlich geworden, auch wenn etliche ehemalige Provinzen an den Islam verloren gegangen waren. In diesem weiten Gebiet, das sich vom Mittelmeerraum bis nach Norwegen, Polen und Russland erstreckte, hatte sich die Kindertaufe durchgesetzt; das Christentum durchdrang scheinbar alle Bereiche, auch wenn der religiöse Alltag weitgehend geprägt war von Gleichgültigkeit auf der einen und Aberglaube auf der anderen Seite. Die Alltagsgeschäfte der Menschen konnten nur durch das Eingreifen Gottes aufrechterhalten werden, die Regierung hing vom König ab, der im Namen Gottes gesalbt war, Gerechtigkeit wurde durch Gottesurteile garantiert, die eine Entscheidung bezeugten, und Heilung wurde durch die Macht der Heiligen und die Zauberkräfte von Heilern gewährt. Es war Aufgabe der Mönche und Priester zu beten und die Pflicht der Laien, jene durch Almosen zu unterhalten. Bischof Odo von Cambrai fasste diese Einstellung um 1113 mit den Worten zusammen: »Wir beten beim Messopfer gegen die Feuergefahr für unsere Häuser, gegen Dürre oder Unwetter für unsere Ernte, gegen Krankheit für unsere Tiere und gegen alle anderen Schäden für alles andere.« Heiliges und Profanes lagen nahe beieinander. Dies zeigt sich bis heute in den Visitationsprotokollen: Da ist die Rede davon, dass die jungen Männer ihren Mädchen während der Messe den Hof machten, dass in den Kirchen Handel getrieben wurde. Was der Geistliche während der Messe an Riten vollzog, erschien dem gewöhnlichen Volk bestenfalls unverständlich, wahrscheinlich aber wurde es als magische Handlung missverstanden. Auch wenn diese Verhaltensweisen immer wieder moniert wurden, so ließen sie sich offenbar doch nicht abstellen.
 
Das lag nicht zuletzt daran, dass die Kirche des Mittelalters der persönlichen Frömmigkeit des Einzelnen wenig Interesse entgegenbrachte, sondern sich stärker auf die feierliche Liturgie konzentrierte. Daran änderte auch die Gregorianische Reform zunächst nicht viel. Sie betonte zwar die Notwendigkeit priesterlicher Enthaltsamkeit in Bezug auf Frauen und Geld für die ordnungsgemäße Darbringung der Messe; sie hatte jedoch statt auf den Klerus wichtigere Auswirkungen auf die Religion der Laien. Die Laienreligion war im 12. Jahrhundert in erster Linie Standesreligion, die jedem Stand die entsprechenden Sitten vorschrieb. Die Ehe galt als Sakrament des Laienstandes, der Priestern nicht zugänglich war; Pflichten- und Tugendkataloge wurden für die verschiedenen Stände definiert: Wie sich der Ritter bei der Aufnahme in seinen Stand zu Treue und Schutz seiner Schutzbefohlenen verpflichten musste, wurden ethische Maßstäbe zum Beispiel auch für Kaufleute, etwa die Zinsnahme, explizit geregelt. Darüber hinaus wurde das Feld des karitativen Engagements erweitert: Nicht nur, dass die Zünfte stolz darauf sein durften, ein Fenster mit ihren Handwerkeremblemen für die großen Kirchen zu stiften - auch wenn ein Angebot der Prostituierten von Paris, ein Fenster der Maria Magdalena zu stiften, abgelehnt wurde -, die besseren Kreise der Städte wurden gedrängt, Kranken-, Aussätzigenhäuser oder Schulen zu finanzieren.
 
Hatten die Veränderungen des 12. Jahrhunderts überwiegend privilegierte Kreise zum Gegenstand, widmete das 13. Jahrhunderts den einfachen Gläubigen insgesamt mehr Aufmerksamkeit. So wurde die Praxis eingeführt, Weihnachtskrippen einzurichten, um die Geburt Christi zu veranschaulichen. Auch kirchenamtlich versuchte Innozenz III. auf dem vierten Laterankonzil 1215 die Seelsorge und das Glaubensverständnis der einfachen Leute programmatisch stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Sein Dekret »Omnis Utriusque Sexus« (»Jeder beiderlei Geschlechts«) legte die Mindestanforderungen an jeden. Christen fest: Wenigstens einmal im Jahr Beichte und Kommunionempfang. In der Praxis scheiterte selbst dieses Minimalprogramm zunächst jedoch an der mangelnden Ausbildung der Landgeistlichen, die mit der Predigt oder dem Rat im Beichtstuhl überfordert waren. Folgerichtig richteten sich die weiteren Bemühungen auf die Priesterfortbildung durch die Einrichtung regelmäßiger Synoden und die Verbreitung schriftlicher Anleitungen und Handbücher, die die Geistlichen über ihre Pflichten belehren sollten. Angesichts der neuen, vielschichtigen Probleme der Folgezeit, von der Finanzierung der Kreuzzüge über den Aufstieg der Nationalstaaten und der damit einhergehenden Zurückdrängung päpstlicher Autorität bis hin zum Infragestellen päpstlicher Macht im Konziliarismus und der Demütigung durch das Exil der Kirche in Avignon, verliefen diese Bemühungen allerdings weitgehend im Sande. Die Probleme wurden dadurch nicht gelöst und brachen — verschärft - in der Reformationszeit von neuem auf.
 
Dr. Ulrich Rudnick
 
Literatur:
 
Southern, Richard W.: Kirche und Gesellschaft im Abendland des Mittelalters. Aus dem Englischen. Berlin u. a. 1976.


T: 27