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ENVIRONMENT, HAPPENING, PERFORMANCE, FLUXUS: DIE AKTIVIERUNG DES BETRACHTERS

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Environment, Happening, Performance, Fluxus: Die Aktivierung des Betrachters
 
Bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Bemühungen, das kommunikative Potenzial von Kunst dadurch zu steigern, dass man ihren Betrachter unmittelbar in das Kunstwerk einband und ihn so vom passiven Konsumenten zum aktiven Teilhaber von Kunst verwandelte. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die einzelnen Ansätze, die Kluft zwischen Kunst und Lebenswirklichkeit zu überwinden, von einer jüngeren Künstlergeneration, aufgegriffen. Kunst konnte nun »auf die Straße gehen«, sich an außerkünstlerischen Gegenständen inspirieren, gattungsübergreifende Gesamtkunstwerke schaffen und sogar politische Aktion sein. Bevorzugte Mittel dafür wurden in den Fünfziger- und Sechzigerjahren das Environment und das Happening; eng verwandt mit ihnen sind Performance und Fluxus.
 
Allan Kaprow, einer der wichtigsten Künstler und Theoretiker des Happenings, definierte das Environment als Kunstform, die ganze Innen- und Außenräume fülle, aus jedem beliebigen Material - einschließlich Licht, Klang und Farbe - bestehen könne und den Betrachter völlig umgebe. Das Happening stehe eher dem Theater nahe, da es in einem vorgegebenen Raum und Zeitablauf ausgeführt werde. Struktur und Inhalt seien die logische Erweiterung des Environments. Tatsächlich kann bereits die Installation eines Environments aktionalen Charakter haben, das Aktionsfeld eines Happenings auch den Charakter eines Environments. Im Gegensatz zum Happening, an dem der Künstler nicht notwendigerweise selbst teilnehmen muss, Außenstehende jedoch als Teilnehmer einbezogen werden können, ist der Künstler bei der Performance meistens der eigentliche Ausführende, dem allenfalls einige wenige Eingeweihte assistieren. Die Grenzen zwischen den einzelnen Formen sind jedoch in der Praxis fast immer fließend.
 
Erste Ansätze zu einer aufführenden Kunst außerhalb der Theater und Varietees fanden sich seit 1909 in den provokativen Aktionen der italienischen Futuristen. Einen weniger aggressiven als vielmehr antikünstlerisch-ironischen Ansatz verfolgten die dadaistischen Aufführungen im Züricher »Cabaret Voltaire« seit 1916. Frühe, noch sehr private Formen von Environments finden sich im Werk von Kurt Schwitters, der in den frühen Zwanzigerjahren seine Wohnung in Hannover allmählich in ein plastisches Gesamtkunstwerk verwandelte, das er als »Merzbau« bezeichnete. Ein weiterer Vorläufer war die 1938 in der Pariser »Galerie des Beaux-Arts« eingerichtete Internationale Surrealismus-Ausstellung, in der einzelne Künstler, etwa Salvador Dalí und Max Ernst, regelrechte Erlebnisräume installierten, die alle Sinne der Besucher aktivierten. Gemeinsam war all diesen Werken, dass sie die herkömmlichen Grenzen der Malerei sprengten, aus der Fläche heraustraten.
 
Einen wichtigen Anstoß für aktionistische Darbietungen gab sicherlich der amerikanische Komponist John Cage: Bereits um 1950 organisierte er am »Black Mountain College« außergewöhnliche Vortragsabende, an denen zum Beispiel der Pianist David Tudor, der Tänzer Merce Cunningham und der Maler Robert Rauschenberg agierend teilnahmen. Die bedeutendsten der späteren Happening-Künstler gingen aus Cages Kompositionsklasse an der »New School for Social Research« in New York hervor - etwa George Brecht und Kaprow, der 1958/ 59 in New York seine ersten Happenings veranstaltete. Diese ähnelten zunächst noch sehr dem experimentellen Theater, da sie dem Publikum nur wenig Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme einräumten. Auch einige amerikanische Künstler der Pop-Art - etwa Jim Dine, Robert Whitman und Claes Oldenburg - führten Happenings auf. Die Zielsetzungen von Pop-Art und Happening waren sehr ähnlich gelagert: Beide suchten die alltägliche Wirklichkeit in die Vorstellungswelt der Kunst einzubringen sowie irreale und absurde Elemente mit der Realität zu mischen.
 
Auch die ersten Environments wurden von Künstlern der Pop-Art geschaffen. So stellte George Segal seine weiß belassenen Gipsabformungen von Menschen in Raumensembles. Oldenburg eröffnete im Dezember 1961 in New York »The Store«, ein Ladengeschäft, das er mit von ihm hergestellten Objekten bestückte; diese Attrapen von Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken und anderen Gegenständen konnte das Publikum zu niedrigen Preisen erwerben, was einem Happening gleichkam. Ähnliche Aktivitäten unternahmen Les Levine 1969 in New York und Daniel Spoerri 1970 in Düsseldorf. Den konsequentesten Beitrag zum Environment dürfte jedoch Edward Kienholz geleistet haben. Seine Figuren sind meist surreal wirkende Kombinationen von realen Körperabgüssen und ausgedienten Gebrauchsgegenständen, bearbeitet in einer Mischung aus minutiösem Realismus und einer freien malerischen Oberflächenbehandlung, oft unter Zuhilfenahme von Kunstharz als Konservierungsmittel; sie bevölkern Totalenvironments, vollständig ausgestattete Innenräume, die Kienholz häufig im Stil der Vierzigerjahre gestaltete.
 
Auch in Europa bildeten sich schon früh Künstlergruppen, die neue Wege beschritten. Bereits um die Mitte der Fünfzigerjahre entstand in Wien aus jungen Dichtern, Musikern und Architekten die »Wiener Gruppe« um Hans Carl Artmann, Oswald Wiener, Konrad Bayer, Gerhard Rühm und Friedrich Achleitner, die zwar vorwiegend literarisch arbeiteten, aber auch Vorformen der Konzeptkunst und des Happenings praktizierten. Daran konnten in den Sechzigerjahren die Künstler des »Wiener Aktionismus«, besonders Hermann Nitsch, Otto Muehl und Günter Brus, anknüpfen: Mit extremen, äußerst provokanten, ritualhaften Aufführungen - sexuellen Exzessen, dem Zerreißen und Ausweiden von Tierkadavern, dem Verschütten von Blut und Exkrementen - behaupteten sie einen Beitrag zur Behandlung von Verklemmungen und zur Befreiung von Ängsten und Aggressionen zu leisten.
 
Anfang der Sechzigerjahre sammelte der in Europa lebende Amerikaner George Macunias Gleichgesinnte - unter ihnen Nam June Paik und Joseph Beuys - um sich. Ihre neodadaistische Fluxus-Bewegung, eine offene Kunstform, bei der alles im »Fließen« begriffen sein sollte, zielte auf die Unterhöhlung und Aufhebung des herkömmlichen Kunstbegriffs. Sie folgte Cages Vorstellung, dass das oft zufallsbedingte und improvisierte, auch aktionale Kunstwerk die Veränderung einer geistigen Haltung lediglich anregen solle, seinen Sinn aber dann verloren habe, wenn der erwünschte Zustand eingetreten sei. Im Zusammenspiel von Musik, Theater und bildender Kunst sollten die Grenzen zwischen den Künsten, aber auch zwischen Künstlern und Publikum aufgehoben werden. In Deutschland trat außer Beuys besonders Wolf Vostell als Environment- und Aktionskünstler hervor. Seine vielfältigen, häufig destruktiv wirkenden Akte sind engagiert und kritisch: Wie viele Happeningkünstler wollte auch Vostell die politisch-gesellschaftliche Wahrnehmungskraft und Kritikfähigkeit seiner Zuschauer steigern.
 
Prof. Dr. Matthias Bleyl
 
Literatur:
 
Kunst des 20. Jahrhunderts, herausgegeben von Ingo F. Walther. 2 Bände. Köln u. a. 1998.
 Thomas, Karin: Bis heute. Stilgeschichte der bildenden Kunst im 20. Jahrhundert. Köln 101998.


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