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BEVÖLKERUNGSEXPLOSION: URSACHEN UND FOLGEN

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Bevölkerungsexplosion: Ursachen und Folgen
 
Ursachen der Bevölkerungsexplosion
 
Rund sechs Milliarden Menschen leben schon heute auf dem Planeten Erde — und jede Woche werden es 1,5 Millionen mehr. Das enorme Bevölkerungswachstum verglich der US-amerikanische Anthropologe Paul Ehrlich schon Ende der 1960er-Jahre mit einer Bombe. Und diese »population bomb« — im Deutschen als Bevölkerungsbombe oder kurz B-Bombe bezeichnet — ist gefährlich. Ihre Sprengkraft droht die Staatsgrenzen zu sprengen und den Planeten Erde zu verwüsten. Wenn die Prognosen stimmen, wird sich die Menschheit noch einmal verdoppeln und als Folge wird daher der Migrationsdruck auf die reichen Industrieländer weiter zunehmen. Schon jetzt sind unzählige Menschen auf der Flucht, entwurzelt durch Krieg, Terror, Umweltzerstörung oder nackte Armut. Wird dieser Flüchtlingstreck in Zukunft noch zu lenken sein? Wird es dem Homo sapiens gelingen, das Bevölkerungswachstum zu bremsen und die B-Bombe zu entschärfen?
 
Über eines sind sich die Experten einig: Ein Patentrezept gegen die Bevölkerungsexplosion gibt es nicht. Eine Trendwende kann man — wenn überhaupt — nur durch Ursachenbekämpfung erreichen. Langfristig lässt sich die Massenflucht nur verhindern, wenn die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern verbessert werden — und zwar durch Technologietransfer, nachhaltige Entwicklung und Familienplanungsprogramme.
 
Das Milliardenwachstum
 
Das Boot Erde scheint voll, aber trotzdem nimmt seine Besatzung ständig zu.Die Zahl der Menschen wächst exponentiell. Die Abstände, in denen sich die Weltbevölkerung verdoppelt, verkürzen sich immer mehr: 1804 erreichte die Menschheit die Ein-Milliarden-Grenze. 1927 — also 123 Jahre später — waren es zwei Milliarden. 1960 erblickte dann schon der dreimilliardste Mensch das Licht der Welt, 1974 der viermilliardste, 1987 der fünfmilliardste. Den 12. Oktober 1999 erklärten die Vereinten Nationen symbolisch zum Geburtstag des sechsmilliardsten Erdenbürgers.
 
Nach Angaben der UN-Population-Division wächst die Weltbevölkerung derzeit um 78 Millionen Köpfe im Jahr, das sind Tag für Tag mehr als 200000 Menschen. Verglichen mit dem Anstieg der vergangenen Jahre ist das vergleichsweise wenig: Zwischen 1985 und 1990 vermehrte sich die Menschheit jährlich sogar um 86 Millionen. Noch vor vierzig Jahren brachte jede Frau durchschnittlich sechs Kinder zur Welt, heute sind es nur noch drei. Das Wachstum hat sich also verlangsamt, doch zum Stillstand wird es noch lange nicht kommen: Ein weiterer Anstieg der Weltbevölkerung um fünfzig bis hundert Prozent ist bereits heute absehbar. Die Vermehrung geht fast ausschließlich auf das Konto der armen Nationen. Dort ist der Anteil an jungen Menschen, die in den nächsten Jahren das fortpflanzungsfähige Alter erreichen, besonders groß. Wegen dieses Altersstruktureffekts wird die Bevölkerung dieser Staaten weiter wachsen, selbst wenn jedes Paar nur zwei Kinder haben sollte.
 
Weil zudem in den armen Ländern die Säuglingssterblichkeit immer noch hoch ist und Kinderreichtum oftmals als Zeichen männlicher Potenz und als zuverlässige Altersversorgung gilt, ist nicht mit einem drastischen Rückgang der Geburtenraten zu rechnen. »Jedes Jahr wächst die Bevölkerung Asiens um 50 Millionen, die Bevölkerung Afrikas um 17 Millionen und die Lateinamerikas und der Karibik um fast acht Millionen«, heißt es im 1998 von der UN-Population-Division vorgelegten Bericht zum Bevölkerungswachstum.
 
In der »Top Ten«-Statistik für Bevölkerungswachstum sind Indien und China die Spitzenreiter, gefolgt von Pakistan, Indonesien, Nigeria, den USA, Brasilien, Bangladesch, Mexiko und den Philippinen. Im Jahre 2025 werden 85 Prozent der Weltbevölkerung in den Entwicklungsländern leben. Makaber dabei ist: Das rasante Wachstum wird durch Aids verlangsamt. Weltweit sind nach UN-Angaben rund 33 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert, die meisten leben in unterentwickelten Ländern. Als Folge von Aids sank in neun afrikanischen Staaten — darunter Kenia, Namibia und Südafrika — die durchschnittliche Lebenserwartung von 58 auf 48 Jahre. In Botswana wird die tückische Immunschwäche das Bevölkerungswachstum bis zum Jahr 2025 um ein Viertel reduzieren — doch wegen der hohen Geburtenraten wird sich die Einwohnerzahl trotzdem bis 2050 verdoppeln.
 
Armut und Bevölkerungswachstum
 
Die Probleme von morgen sind schon jetzt vorhersehbar. Viele der Babys, die heute das Licht der Welt erblicken, werden in gut zwanzig Jahren eine Familie gründen und selbst wieder Kinder haben. Und um ihre Familie zu ernähren, werden sie sich Arbeit suchen müssen. Aber schon jetzt leiden zahlreiche Länder der Erde unter Massenarbeitslosigkeit. Für Milliarden zusätzlicher Erdenbürger wird es nur dann genügend Jobs geben, wenn ein ökonomisches Wunder passiert.
 
So meint etwa der Politikwissenschaftler Peter Opitz von der Ludwig-Maximilians-Universität München: »Nur bei hohen wirtschaftlichen Zuwachsraten wird es möglich sein, die Mehrzahl dieser Menschen in Lohn und Arbeit zu bringen.« Doch ausgerechnet in den armen, stark bevölkerten Ländern, wo in den nächsten Jahren die meisten Arbeitsplätze benötigt werden, kommt die wirtschaftliche Entwicklung nur äußerst schleppend in Gang. Schon die westlichen Industrienationen leiden unter ihrer Jugendarbeitslosigkeit, obwohl nur ungefähr 20 Prozent ihrer Bevölkerung jünger sind als 15 Jahre. Verglichen dazu ist die Situation in Afrika katastrophal: Dort zählt nämlich die Hälfte der Bevölkerung weniger als 15 Jahre.
 
Derzeit lebt rund ein Viertel aller Menschen unter der von der Weltbank definierten Armutsgrenze. Ein Ende der verhängnisvollen Spirale aus hohem Bevölkerungswachstum, Bildungsmangel und großer Armut ist nicht in Sicht. Die Regierungen der armen Länder stehen schon heute vor nahezu unlösbaren Problemen: Die Bevölkerung Indiens beispielsweise zählt derzeit eine Milliarde Einwohner und hat eine Wachstumsrate von fast zwei Prozent. Um das gegenwärtige Ausbildungsniveau auch in naher Zukunft zu sichern, müsste die Regierung jedes Jahr Schulen für zwanzig Millionen zusätzlicher Schüler bauen. Selbst wenn jede Schule von 1000 Kindern besucht würde — was sehr viel ist —, wären das 20000 zusätzliche Schulen, die der indische Staat Jahr für Jahr neu errichten lassen müsste.
 
Das Budget der Entwicklungs- und Schwellenländer reicht häufig weder für die notwendigen Bildungsmaßnahmen noch für Investitionen in die landwirtschaftliche Entwicklung, die notwendig wäre, um die Menschen in einigen Jahrzehnten aus eigener Kraft ernähren zu können. Der indische Staat war bereits 1998 mit fast hundert Milliarden US-Dollar verschuldet. Das Land stand damit auf der weltweiten Schuldnerliste an siebter Stelle hinter Brasilien, China, Mexiko, Indonesien, Thailand und Argentinien. Beim Rekordhalter Brasilien liegt die Staatsverschuldung inzwischen bei 157 Milliarden US-Dollar.
 
Der globale Marsch
 
Im Frühjahr 1999 verließen Hunderttausende von Albanern das Kosovo. Im Sommer nach dem Kriegsende begannen sie, in ihre zerstörte Heimat zurückzukehren, während nun die feindlichen Serben diese Region verließen. So wie auf dem Balkan werden weltweit unzählige Menschen vom Mut der Verzweiflung getrieben. Sie fliehen nicht nur vor Kriegen, politischer Verfolgung und ethnischen Säuberungen; auch Hunger, Überschwemmungen und Dürren treiben sie fort. Die Fluchtursachen sind meist vielfältig und eng miteinander verwoben: Umweltzerstörung, Armut und Terror gehen oft Hand in Hand. Eine statistische Unterteilung der Flüchtlinge ist daher schwierig. Selbst der Versuch, »echte« Flüchtlinge, die gezwungen wurden ihre Heimat zu verlassen, von »freiwilligen« Migranten zu unterscheiden, gleicht einer Gratwanderung.
 
Genaue Zahlen sind schwer zu ermitteln. So fliehen nach Umweltkatastrophen oft Tausende von Menschen, deren genaue Zahl niemand kennt. Die UNHCR (United Nations High Commissioner for Refugees), das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen in Genf, betreute 1998 rund 22,4 Millionen Menschen, die durch Krieg, Terror und Verfolgung zur Flucht gezwungen waren. Hinzu kommt noch eine Dunkelziffer.
 
Experten unterteilen diesen globalen Marsch von Millionen von Menschen in zwei Migrationstypen. Die »interne Wanderung«, auch Binnenmigration genannt, ist weltweit die dominierende Form der Bevölkerungswanderung. Mehr als achtzig Prozent aller Flüchtlinge bleiben nämlich innerhalb ihres Heimatlands. Nur ein relativ geringer Prozentsatz der Migranten überschreitet auf der Flucht auch die Staatsgrenzen und begibt sich damit auf eine »externe Wanderung«.
 
Push- und Pull-Effekte
 
Warum verlassen Menschen ihre Heimat? Wissenschaftler unterteilen die Migrationsursachen in die Push- und Pull-Effekte. Zu den Push-Effekten gehören Naturkatastrophen, Hunger, Armut, Zukunftsängste, soziale Isolation, Rassismus und Unruhen. All diese Faktoren drängen den Menschen fort aus seiner Heimat. Wohin er dann geht, hängt ab von den Pull-Effekten. Sie »locken« die Menschen an durch begründete oder unbegründete Hoffnungen auf ein besseres Leben, auf Reichtum und Freiheit an einem anderen Ort.
 
Niemand geht gern raus. Damit ein Mensch seine vertraute Umgebung verlässt, müssen die Push- und Pull-Effekte ziemlich stark werden. »Es gilt die Regel: Menschen geben ihre Häuser nicht auf und fliehen nicht aus ihren Heimatländern, wenn nicht ihr Leben und ihre Freiheit ernsthaft in Gefahr sind. Flucht ist die letzte Überlebensstrategie, wenn alle anderen Strategien versagt haben«, heißt es in der UNHCR-Agenda »The State of the World's Refugees«.
 
Mit Push- und Pull-Effekten lassen sich alle Wanderungen der Menschheit erklären: Platzmangel trieb die Jäger und Sammler der Vorgeschichte in fremde Regionen. In der alttestamentarischen Zeit folgte das auserwählte Volk Moses, der ein gelobtes Land versprach. Um den Gefängnissen ihrer Majestät zu entkommen, gingen englische Sträflinge im 19. Jahrhundert als Siedler ins ferne Australien. Wenig später trieben Hungersnöte Tausende von Iren nach Amerika.
 
Erst in den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Migrationsrichtung geändert: Jahrhundertelang suchten Menschen aus dem dicht bevölkerten Europa ihr Glück in den dünn besiedelten Ländern der Welt. Mittlerweile aber üben die Ballungszentren der reichen Industrienationen den stärksten Sog auf Auswanderungswillige aus. »Es ist das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass Menschen aus armen Ländern in reiche ziehen«, konstatiert der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Lester Thurow.
 
 Prognosen
 
Mit jeder Minute wächst die Weltbevölkerung um 150 Köpfe. Nach der mittleren Prognose der Vereinten Nationen werden in fünfzig Jahren neun Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Wovon werden sie leben? Wo werden sie wohnen? Werden sie friedlich miteinander auskommen oder sind Verteilungskämpfe und Kriege programmiert? Agrarwissenschaftler, Soziologen und Psychologen suchen schon jetzt Antworten auf Fragen, die sich der Menschheit in den kommenden Jahrzehnten verschärft stellen werden.
 
Wenig Land für Ackerbau
 
Ein Stückchen Land, das heute noch eine Familie ernährt, wird die ständig wachsende Schar der Kinder und Kindeskinder in Zukunft nicht mehr satt machen können. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung wird in den Entwicklungsländern die landwirtschaftliche Fläche pro Person um rund 45 Prozent von derzeit 0,18 Hektar auf 0,10 Hektar im Jahr 2050 sinken. Zum Vergleich: In den Industrieländern stehen pro Kopf 0,53 Hektar fruchtbares Land zu Verfügung. Die Folge der Landverknappung in den Entwicklungsländern könnten Hungersnöte unvorstellbaren Ausmaßes sein: Schon zu Beginn der 1990er-Jahre waren fast eine Milliarde Menschen unzureichend ernährt.
 
Die Welternährungsorganisation der UN, die FAO (Food and Agricultur Organisation), hat den Nahrungsmittelbedarf für das Jahr 2050 am Beispiel Afrikas ausgerechnet. Um ihn zu decken, müsste dort die landwirtschaftliche Produktion in den nächsten Jahrzehnten um sechzig Prozent steigen. Ob eine solche Steigerung überhaupt möglich sein wird, ist unter Experten allerdings umstritten.
 
Die Optimisten unter ihnen verweisen auf die enorme Zunahme der landwirtschaftlichen Erträge in den vergangenen fünfzig Jahren — die weltweite Agrarproduktion hat sich in diesem Zeitraum nämlich verdreifacht. Auslöser dieser »Grünen Revolution« waren vor allem die Züchtung ertragreicher Pflanzensorten sowie der massive Einsatz von Mineraldüngern und von Bewässerungsverfahren.
 
Diese modernen Anbaumethoden sind jedoch nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse der armen Länder übertragbar, sagen die Pessimisten unter den Agrarfachleuten. Die Grüne Revolution, so lautet ihr Argument, ging überwiegend auf das Konto der Industrienationen; den Bauern in der »Dritten Welt« fehlen jedoch häufig Geld und Know-how für eine vergleichbare Modernisierung ihrer Landwirtschaft. In der Tat blieb in den meisten Entwicklungsländern die Agrarproduktion bisher hinter der Bevölkerungszunahme zurück. Für das Jahr 1997 verzeichnete die FAO weltweit nur noch eine Steigerung der Ernteerträge um ein Prozent.
 
Umstritten ist unter Agrar- und Umweltexperten auch, inwieweit die Anbaumethoden der zunehmend industrialisierten Landwirtschaft auf Dauer ökologisch überhaupt sinnvoll sind. Die Folgen von Überdüngung sowie falschem Einsatz von Pestiziden sind heute schon zu sehen. Erhöhte Nitratwerte sowie Rückstände und Abbauprodukte von Herbiziden im Grundwasser können die Trinkwasserversorgung zahlreicher Menschen jahrzehntelang gefährden. Viele Forscher empfehlen daher, den Schwerpunkt bei der Ernährungssicherung nicht auf Ertragssteigerungen, sondern auf eine Verringerung des Bevölkerungswachstums zu setzen.
 
Der Run auf die Städte
 
Nicht nur in Deutschland ist ein »Bauernsterben« zu beobachten. Auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern verlassen immer mehr Kleinbauern ihre Höfe, verkaufen ihr letztes Vieh und ziehen in die Städte. Doch dort leben schon heute Millionen von Menschen in Slums — und zwar oftmals unter katastrophalen wirtschaftlichen und hygienischen Bedingungen. »Die zunehmende Industrialisierung der städtischen Regionen übt auf die ländliche Bevölkerung eine Sogwirkung aus, die — nach erfolgter Abwanderung in die Städte — den Zerfall agrarischer und damit verbundener handwerklicher und kleinindustrieller Erwerbsformen zur Folge hat«, weiß zum Beispiel Thomas Straubhaar vom Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. »Dadurch wird das Arbeitsangebot dieser Regionen erneut vermindert, wodurch regionale Arbeitslosigkeit verstärkt wird. Migration als Folge regionaler Arbeitslosigkeit erfolgt also parallel zum Prozess nationaler Industrialisierung.«
 
Das Ergebnis dieser Entwicklung ist eine verhängnisvolle Kettenreaktion: Die Landflucht beginnt mit dem Abwandern einzelner Individuen und führt nicht selten zum Exodus ganzer Bevölkerungsgruppen. Dorfgemeinschaften und Familien werden zerstört, jahrhundertealte Grundwerte des menschlichen Miteinander verlieren an Bedeutung. »Gemeint ist die Erosion traditioneller Werthaltungen und Weltanschauungen und die sie begleitende geistige Entfremdung und Heimatlosigkeit in vielen Regionen der Welt. Denn sie beschleunigt die durch den Zerfall der materiellen Lebensgrundlagen ohnehin schon vollzogene Schwächung traditioneller Bindungen, Loyalitäten und Lebenswelten und erhöht damit die Migrationsbereitschaft größerer Bevölkerungen«, erläutert der Politikwissenschaftler Peter Opitz, Leiter der Forschungsstelle Dritte Welt am Geschwister-Scholl- Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München.
 
Der Run auf die Städte hat inzwischen gigantische Ausmaße erreicht. Nur noch die Hälfte der Weltbevölkerung lebt auf dem Land. Megastädte wie Mexico City, Sao Paulo, Kalkutta oder Mombai wachsen täglich weiter, das einstige Umland verschwindet unter einem Meer aus Wellblechhütten. Neuen Hochrechnungen zufolge sollen im Jahr 2025 sogar sechzig Prozent der Weltbevölkerung in Städten wohnen.
 
Die ungebremste Zuwanderung stellt die Regierungen und Stadtverwaltungen vor schier unlösbare Probleme. Allein die Trink-, Abwasser- und Stromversorgung der neu »bebauten« Gebiete verschlingt immense Summen. Weil dieses Geld oft gar nicht zur Verfügung steht, müssen viele Bewohner auf Kanalisation und Elektrizität verzichten. Gerald Piel, langjähriger Herausgeber und Verleger von Scientific American, veranschaulicht in seinem Buch »Erde im Gleichgewicht« die enormen ökologischen und logistischen Dimensionen mithilfe einiger Zahlen: Eine Stadt mit zehn Millionen Einwohnern verbraucht täglich mehr als sechs Millionen Tonnen Wasser und zwanzigtausend Tonnen Nahrungsmittel. Im Gegenzug gibt sie fünf Millionen Tonnen Abwasser und zwanzigtausend Tonnen Müll an die Umgebung ab. Für Megastädte wie Mexico City, Sao Paulo und Tokio, die sogar mehr als 20 Millionen Einwohner haben, kann man das Doppelte veranschlagen.
 
Die Welternährungsorganisation FAO prognostiziert bereits Engpässe in der Nahrungsmittelverteilung der Metropolen: »Das Wachstum der Städte und des Verkehrs sowie schlecht funktionierende und zunehmend veraltete Vermarktungsstrukturen führen dazu, dass die Verteilung der Nahrung schwierig und teuer wird.« Die UN-Experten rechnen nicht nur mit einem begrenzten Einkommenszuwachs der städtischen Bevölkerung und mit einer steigenden Zahl von Armen, sondern auch mit einer »sinkenden Ernährungssicherheit in den Städten der Dritten Welt«.
 
Leben in einer vermassten Welt
 
Trotz Smog, Arbeitslosigkeit und hoher Kriminalität üben große Städte auf der ganzen Welt eine Sogwirkung aus. Vor allem junge Menschen empfinden das pulsierende Leben und die Anonymität in den Metropolen als persönliche Befreiung. Der Preis der Freiheit ist allerdings oft psychischer Stress, der durch das enge Zusammenleben von Hunderttausenden auf ein paar Quadratkilometern entsteht. Das Leben in einer derart vermassten Welt verändert daher fast zwangsläufig die Wertvorstellungen sowie das Verhalten des Einzelnen und des Kollektivs.
 
In den verschiedenen Kulturkreisen fallen die Reaktionen auf die psychischen Belastungen des Stadtlebens allerdings unterschiedlich aus: In den reichen Industrienationen werden vordergründig Freiheit und Individualität zu Idealen erhoben. Der Einzelne versucht, sich so gut wie möglich von der Masse abzuheben — durch grün oder blau gefärbte Haare, durch teure Designerkleidung oder durch waghalsige Unternehmungen wie Bungeejumping oder S-Bahn-Surfen. Tatsächlich aber gibt der Einzelne, der sich einer Gruppe von »Individualisten« zugehörig fühlen will, — unbewusst — seine Individualität auf, um akzeptiert zu werden.
 
Umgekehrt stellt sich die Situation in den unterindustrialisierten, armen Ländern Afrikas und Asiens dar: Dort suchen die Menschen in erster Linie Sicherheit und Zugehörigkeit. Oftmals folgen Zehntausende bestimmten religiösen oder politischen Führern, die scheinbar einfache Antworten parat haben und klare Handlungsanweisungen geben. Primär ordnen viele ihre Individualität einem höheren Ideal unter. In bestimmten Fällen — beispielsweise in einem »heiligen Krieg« — sind sie sogar bereit ihr Leben zu opfern. Nach der Vorstellung der Betroffenen bleibt die Individualität des Einzelnen auch innerhalb der Gruppe erhalten.
 
Diese unterschiedlichen Vorstellungen von Individualität in Ost und West kann zu Problemen im Miteinander führen. »Die unterschiedliche Bedeutung des Begriffs Individuum erschwert nicht nur die Kommunikation zwischen den Kulturen, sondern birgt auch Konfliktpotenzial für die Zukunft«, meint etwa der Münchner Soziologe und Gruppenanalytiker Georg Gfäller.
 
Dipl.-Geol. Monika Weiner
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Wanderungen: Menschen auf der Flucht
 
Wanderungen von morgen
 
Bevölkerungsexplosion und Wanderungen: Lösungsansätze
 
Literatur:
 
Der globale Marsch. Flucht und Migration als Weltproblem, herausgegeben von Peter J. Opitz. München 1997.
 Harrison, Paul: Bevölkerung und nachhaltige Entwicklung. Fünf Jahre nach Rio, herausgegeben von der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung. Aus dem Englischen. Hannover 1998.
 
Migration in Europa. Historische Entwicklung, aktuelle Trends und politische Reaktionen, herausgegeben von Heinz Fassmann u. a. Aus dem Englischen. Frankfurt am Main u. a. 1996.
 
Perspektiven der Weltgesellschaft, herausgegeben von Ulrich Beck. Frankfurt am Main 1998.


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