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BETTELORDEN: BIBEL CONTRA WELT

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Bettelorden: Bibel contra Welt
 
Während sich das Papsttum dem Höhepunkt seiner weltlichen Macht näherte, suchten zahlreiche Gruppen in und außerhalb der Kirche nach einer Rückkehr zur apostolischen Einfachheit. Das Evangelium wurde individuell und wörtlich verstanden und erhielt dadurch einen neuen, ganz unmittelbaren Bezug: Man erhob die Nachahmung des Lebens Jesu, die »Imitatio Christi«, das apostolische Leben, die »Vita apostolica«, zum neuen Ideal. Materieller Besitz wurde zum Hindernis auf dem Weg zum Heil, Armut wurde von der Not zur Tugend, die Prachtentfaltung der Kirche und ihrer Amtsträger stieß mehr und mehr auf Ablehnung und Kritik. In der Nachfolge Christi durchzogen Wanderprediger in freiwilliger Armut und ohne den Ballast theologisch spekulativer Bildung das Land und lebten von ihrer Hände Arbeit. Sie konnten an die Kirchenreform des 11. Jahrhunderts anschließen und fanden in den aufsteigenden Städten einen idealen Nährboden. So war schon die Pataria, eine revolutionäre Bewegung in Mailand und den meisten lombardischen Städten, in Wahrheit ein Kampf der Frommen gegen den höhreren Klerus (vor allem die bischöflichen Stadtherren) und den Adel.An diese Unruhen in den oberitalienischen Städten konnte beispielsweise Arnold von Brescia (✝ um 1155) mit seinen Anhängern, den Arnoldisten, anknüpfen, als er gegen die Verweltlichung der Geistlichkeit und für die apostolische Armut der Kirche, später gegen die weltliche Herrschaft des Papsttums predigte.
 
Während viele Ansätze solcher Armutsbewegungen wie die radikalen Gegenkirchen der Katharer und Waldenser außerkirchlich in der Häresie endeten, wurden die alternativen Ideen gerade auch innerkirchlich, vor allem im klösterlichen Bereich, rezipiert. Auch hier bestand das Bedürfnis nach Reform und Zurückdrängen der fortschreitenden Verweltlichung, was bereits im 11. und 12. Jahrhundert zu einer Vielzahl neuer Lebensformen, Strukturen und nicht zuletzt zu einer ganzen Reihe neuer Gründungen von Reformorden geführt hatte.
 
Wenn es doch den Reformorden bereits gelungen war, das klösterliche Zusammenleben auf eine neue Basis zu stellen, warum kam es dann zu einer zweiten Welle von Ordensgründungen im 12. Jahrhundert? Zunächst erscheint die Berufung der beiden herausragenden Gründergestalten Dominikus und Franziskus auf das Armutsideal nichts Neues gewesen zu sein, da dies doch bei allen religiösen Bewegungen eine Rolle gespielt hatte. Allerdings war bislang Armut niemals der zentrale, alles bestimmende Faktor gewesen, sondern immer nur ein Element von vielen. Die Regel des heiligen Benedikt hatte eben primären Wert auf Gehorsam gelegt, nicht etwa auf die Armut. Und für die Kartäuser war Landbesitz gar gleichbedeutend mit politischer Repräsentanz gewesen. Im Gegensatz hierzu brachte das 13. Jahrhundert gleich vier große Bettelorden (Mendikanten) hervor, die apostolische Armut als Richtschnur für ihre Gemeinschaft wählten, die Dominikaner und Franziskaner sowie die Karmeliter und Augustiner-Eremiten.
 
Hierbei lebten die ersten beiden Gemeinschaften von ihren beiden Stiftergestalten, die sich aus ganz unterschiedlichen Motiven für das gleiche Ideal einsetzten. Dominikus (✝ 1221), aus altem kastilischem Adel, hatte sich zum Ziel gesetzt, die häretischen Albigenser im Languedoc durch Predigt zu bekämpfen, und musste die Erfahrung machen, dass der übliche kirchliche Prunk auf die Landbewohner eher abstoßend wirkte. Für ihn bildete ein einfaches Leben die Grundvoraussetzung, um angesichts des ethischen Rigorismus seiner Gegner von der Bevölkerung überhaupt ernst genommen zu werden. Er suchte eine Lebensweise, die mit den bisherigen Herrschaftsformen eben nichts zu tun hatte. Von seinem Ziel her, dem Kampf gegen die Häresie, bestimmte sich auch die zweite Säule seiner Gemeinschaft, die systematische theologische Bildung und die fundierte Predigt, ohne die er und seine Mitstreiter den Albigensern intellektuell nichts hätten entgegensetzen können. Erstmals in der Ordensgeschichte war ein seelsorgliches Ziel klar definiert worden: Contemplata predicare, die Askese hatte der Predigt zu dienen.
 
Ganz anders verhielt es sich bei Franziskus (✝ 1226): Er zog 1210 mit elf Anhängern nach Rom, um dem Papst eine neue Lebensweise zu unterbreiten, die auf völligem Verzicht beruhte. Restlos alles sollte verkauft und unter die Armen verteilt werden, ganz wie er es als Sohn eines reichen Tuchhändlers wenige Jahre zuvor selbst praktiziert hatte. Erste Pflicht sollte der Dienst an Menschheit und Kirche in Armut und Buße sein. Die Armut erschien ihm offenbar als solche erstrebenswert, sie machte für ihn das zentrale Moment des Lebens nach der Heiligen Schrift aus, während sie für Dominikus nur Mittel zum Zweck der Bekehrung gewesen war. Trotz aller Gegensätze profitierten die beiden konkurrierenden Orden voneinander: Die Dominikaner »lernten« von den Franziskanern die Armut, diese dagegen übernahmen von jenen das Studium und den priesterlichen Dienst.
 
Während die Dominikaner ihre Aktivitäten ganz auf die Ketzermission und Predigt konzentrierten und zum Aufbau der Inquisition beitrugen, lebten die Franziskaner stärker von der Faszination, die von ihrem Stifter ausging. Ganz abgesehen davon besaßen sie mehr Mitglieder, und Franziskus wurde als Heiliger viel populärer als Dominikus; Franziskus gehört zu den wenigen Gestalten, die durch Persönlichkeit, Geradlinigkeit und nicht zuletzt durch Gewaltlosigkeit, auch über Religions- und Konfessionsgrenzen hinweg, Beachtung fanden.
 
Im Gegensatz zu Dominikanern und Franziskanern fehlte den beiden anderen Orden, den Karmelitern wie den Augustiner-Eremiten, die Gründergestalt. Die Karmeliter sahen ihre Priorität in der Kontemplation, dem alten Mönchsideal, und dem Interesse am Heiligen Land. Die von Berthold von Kalabrien (✝ 1195) gesammelte Gemeinschaft auf dem Berg Karmel verstand sich als Nachfolgerin der alten Prophetenschulen. Gegen Mitte des 13. Jahrhunderts fassten Kardinal Richard Annibaldi und Papst Alexander IV. ältere Eremitengruppen zwangsweise zu einem Bettelorden zusammen und gründeten so die Augustiner-Eremiten, die in allen größeren Städten in Europa Zentren von Seelsorgebrüdern einrichteten.
 
Dr. Ulrich Rudnick
 
Literatur:
 
Feld, Helmut: Franziskus von Assisi und seine Bewegung. Darmstadt 1996.
 Frank, Karl Suso: Geschichte des christlichen Mönchtums. Darmstadt 51996.
 Grundmann, Herbert: Religiöse Bewegungen im Mittelalter. Darmstadt 41977.
 
Kulturgeschichte der christlichen Orden in Einzeldarstellungen, herausgegeben von Peter Dinzelbacher u. a. Stuttgart 1997.


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