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AFRIKANISCHE SKULPTUR: UNBEWEGTHEIT UND SYMMETRIE

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afrikanische Skulptur: Unbewegtheit und Symmetrie
 
Die afrikanische Skulptur wirkt oft statisch und ist symmetrisch aufgebaut. Zwar existieren auch Gegenbeispiele, die große Mehrheit der Skulpturen folgt jedoch diesem Schema. Der traditionelle afrikanische Schnitzer arbeitete seine Figur oder Maske in der Regel aus dem Kernholz heraus. Das Herz des Baumes geht fast immer mitten durch Figur und Maske. Das weichere Splintholz schlug er gewöhnlich ganz ab. Erst in der Touristenkunst der Gegenwart findet es Verwendung; es ist meist an seiner helleren Farbe kenntlich. Jede Ethnie verfügt nur über einige wenige Typen von Plastiken: in der Regel einige Masken, nur wenige große Ahnenfiguren, einige Stuhlformen, Küchengeräte und dergleichen
 
Die traditionelle sakrale Statuette - vor allem sofern sie einen Ahnen, einen Geist oder einen Fetisch darstellt - ist kein Porträt einer bestimmten Person, sondern sie stellt einen Typus dar. Am deutlichsten wird dies bei den Urahnen. Ahnen leben im Jenseits, solange ihre Nachkommen auf Erden leben und ihnen opfern können. Je weiter sie sich jedoch vom Diesseits entfernen, das heißt, je weniger ihrer Nachkommen sie noch persönlich kennen, desto mehr verlieren sie ihre individuellen Züge. Sie werden zum »Urahnen«, der in statischer Ruhe in der Fülle der Lebenskraft dargestellt wird.Die Urahnen jedes Klans einer Ethnie sehen als Ahnenfiguren gleich aus. Zwar halten ihre Nachkommen noch eine fiktive genealogische Verbindung zu den Urahnen aufrecht, sie sind jedoch bis dahin zu übermenschlichen mythischen Wesen geworden, was sich auch in der Gestaltung der Ahnenstatuen ausdrückt. Für seine Nachkommen ist der Urahn die Lebenskraft, und von ihm strömt sie in die Lebenden. Von diesem Lebensstrom abgeschnitten zu werden, bedeutet im traditionellen Denken den Tod.
 
Die Ahnenstatue steht gewöhnlich in einem Kulthaus auf der Erde oder ist sogar in die Erde eingegraben, um ihr Standfestigkeit zu verleihen. Daher sind auch viele Figuren an der Unterseite von Termiten zerfressen. Die Arme und Beine sind angewinkelt; die Augen werden sehr stark hervorgehoben. Der Betrachter soll das Gefühl haben, dem mythischen Ahnen gegenüberzustehen. Die Figur wird frontal gezeigt. Da die Seiten und der Rücken relativ bedeutungslos sind, werden sie meist nicht so kunstvoll bearbeitet. Ein afrikanischer Schnitzer beabsichtigt nicht, die Ahnen in naturalistischer Weise darzustellen, sondern er hebt jene Körperteile hervor, die ihm als die wichtigsten erscheinen: Das sind der Kopf und der Rumpf. Die Beine werden verkürzt und können auch ganz fehlen. In der Kunstgeschichte spricht man deshalb manchmal auch von der »afrikanischen Proportion«, bei der etwa ein Drittel der Figur vom Kopf, ein weiteres Drittel vom Rumpf und das dritte Drittel von den Beinen eingenommen wird. Die Arme sind fast immer am Körper angelegt, was sich auch daraus erklärt, dass die Figur aus dem Kernholz des Baumes herausgearbeitet wird.
 
Ahnenfiguren sind wie die Masken belebte sakrale Objekte. Sie dienen kultischen Zwecken. Viele Plastiken werden deshalb auch vor Nicht-Initiierten geheimgehalten. Lediglich eine elitäre Minderheit - Älteste, Priester, Geheimbundmitglieder und Häuptlinge - ist mit ihnen vertraut. Ihnen genügen einige wenige Merkmale, um den ganzen sozio-religiösen Kontext zu verstehen. Die Schnitzer können deshalb sehr abstrakt arbeiten, ohne in ihrer Aussage von diesen Eingeweihten missverstanden zu werden.
 
Ein Mensch erreicht nach traditionellen afrikanischen Glaubensvorstellungen erst im Zusammenleben mit den Ahnen im Jenseits seine volle menschliche Erfüllung und erst, wenn er oder sie selbst zum Ahnen oder zur Ahnin geworden ist, sein Lebensziel. Die Ahnen gehören auch nach ihrem Tod zur Gemeinschaft der Lebenden. Sie sind die Besitzer des Bodens, des Wildes und der Fruchtbarkeit. Wenn man etwas benötigt, muss man es von ihnen erbitten. Die sakrale Figur aber zeigt, dass der Ahn sichtbar unter seinen Nachkommen weilt. Die Ahnenfigur ist jedoch nur eine Repräsentationsform des Ahnen unter seinen Nachkommen. Der Ahn wird nicht in der Figur selbst vermutet. So sollen zum Beispiel die Reliquiarfiguren der Kota in Gabun in einem Körbchen aufbewahrte Überreste der Vorfahren bewachen, andere Völker haben Ahnenhölzer oder pflanzen Ahnenbäume. Daneben gibt es Ethnien, die an die Reinkarnation sich abwechselnder Generationen glauben. Die wesentliche Aussage ist aber immer die, dass die Ahnen sichtbar und greifbar unter ihren Nachkommen leben und der physische Tod keine Barriere zwischen zwei Welten ist.
 
Ein schönes Beispiel einer Ahnenskulptur ist auch der Typ der Tjiwara-Maske der Bambara (heutige Eigenbezeichnung: Bamena) im heutigen Mali. Sie stellt den Urahnen in Gestalt einer Pferdeantilope dar. Den Maskenaufsatz gibt es in männlicher und weiblicher Ausführung: Die männliche hat lange Hörner und eine breite Mähne; auf dem Rücken des weiblichen Tieres steht ein kleines Kitz. Die Mythe erzählt, dass sich der Urahn, als seine Nachkommen hungerten, in Gestalt einer Pferdeantilope in den Himmel begab und dort Hirsekörner stahl. Er brachte sie auf die Erde, scharrte mit seinen Hufen den Boden auf und pflanzte die Körner ein. Wenn zur Aussaat und zur Ernte die Tjiwara-Maske tanzt, wird für die Bambara diese Tat des Urahnen wiederholt. Die Antilope wird zwar in statischer Ruhe dargestellt; wenn sie aber im Tanz agiert, wird die ganze Dynamik der Maske sichtbar. Die Aktion gehört zum Wesen der afrikanischen Skulptur. Und in der Aktion wirkt keine dieser Figuren und Masken, die die Ahnen darstellen, statisch.
 
Prof. Dr. Josef Franz Thiel
 
Literatur:
 
Afrikanische Kunst aus der Sammlung Han Coray 1916—1928, herausgegeben von Miklós Szalay u. a.Ausstellungskatalog Völkerkundemuseum der Universität Zürich. München u. a. 1995.
 
Benin. Kunst einer afrikanischen Königskultur. Die Benin-Sammlung des Museums für Völkerkunde Wien, bearbeitet von Armand Duchâteau. Neuausgabe München u. a. 1995.
 Broszinsky-Schwabe, Edith: Kultur in Schwarzafrika. Geschichte — Tradition — Umbruch — Identität. Köln 1988.
 Eyo, Ekpo und Willett, Frank: Kunstschätze aus Alt-Nigeria. Ausstellungskatalog Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim. Mainz 1983.
 Förster, Till: Kunst in Afrika. Köln 1988.
 Kecskési, Maria: Kunst aus dem alten Afrika. Ausstellungskatalog Staatliches Museum für Völkerkunde, München. Innsbruck 1982.
 
Die Kunst der Dogon, herausgegeben von Lorenz Homberger. Ausstellungskatalog Museum Rietberg, Zürich. Zürich 1995.


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