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DELPHI: DAS HEILIGE ORAKEL

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Delphi: Das heilige Orakel
 
Das Orakel von Delphi war sicherlich das berühmteste und reichste Heiligtum der ganzen antiken Welt. Spätestens nach dem Sieg des Christentums endete das religiöse Interesse daran. Obwohl der berühmte Reisende Cyriacus von Anconabereits 1438 die Lage des antiken Delphi entdeckt hatte, dauerte es noch bis in das 19. Jahrhundert, bis die archäologischen Ausgrabungen begannen. Wenige antike Texte überliefern, was dort vor sich ging - und hätten wir nicht die Schriften von Plutarch, so wüssten wir fast gar nichts über die Organisation der Orakeltätigkeit. Plutarch war im 1./2. Jahrhundert n. Chr. Apollonpriester in Delphi, ein gebildeter Mann, der - dies alles in Rechnung gestellt - es eigentlich wissen musste. Er sagt uns, dass das Orakel zunächst nur einmal jährlich befragt werden konnte, im Frühling, später dann monatlich. Für die Ratsuchenden wurde von der Stadt Delphi zunächst ein Opfer ausgerichtet, dann durften sie ihre Fragen stellen. In den ersten Jahrhunderten war der Andrang sicherlich groß, sodass die Ratsuchenden eine gewisse Reihenfolge akzeptieren mussten, deren Regeln lauteten: Griechen vor »Barbaren« und Delphier vor allen anderen Griechen.Reiche Städte konnten aber in der Warteschlange immer nach vorne rutschen. Dann mussten die Ratsuchenden eine Art Kuchen opfern, in späterer Zeit einen kleinen Geldbetrag hinterlassen; außerdem hatten sie ein Opfertier darzubringen, dessen Verhalten genau beobachtet wurde, um daraus abzulesen, ob dem Gott Apoll, dem eigentlichen Inhaber des Orakels, der Ratsuchende genehm war: Wenn sich das Opfertier überhaupt nicht bewegte und auch nicht durch Kopfnicken seine Zustimmung ausdrückte, war der Gott eindeutig nicht geneigt, Rat zu erteilen. Nachdem all dies geschehen war, konnte man endlich zur Befragung übergehen: Im Apollon-Pythios-Tempel, oder genauer: im Adyton, dem hinteren Teil des Tempels, erwarteten den Fragesteller die Helfer des Priesters, die »prophétai«, die als »Sprachrohr« Gottes wirkten. Sie übermittelten seine Frage der Pythia, der Apollonpriesterin. Diese Pythia war normalerweise eine ältere Frau, stammte ursprünglich aus einer der vornehmen Familien Delphis und amtierte lebenslang; zu Plutarchs Zeit jedoch stammte sie nicht aus einer aristokratischen Familie, was sicherlich ein Anzeichen abnehmenden Prestiges des Orakels in hellenistischer Zeit ist. Die Pythia musste ihre Herkunftsfamilie verlassen, innerhalb des heiligen Bezirkes wohnen und sich sexueller Beziehungen enthalten. Vor der Beantwortung von Fragen reinigte die Pythia sich in der Kastalia, einer nahe gelegenen Quelle, setzte einen Lorbeerkranz auf und schlüpfte in ein Mädchenkleid - in Erinnerung an jene frühen, mythischen Zeiten, in denen die Pythia immer ein junges Mädchen gewesen war. Dann bestieg sie einen Dreifuß im Adyton, der so hoch war, dass ihre Füße den Boden nicht berührten. Anscheinend konnte der Ratsuchende die Pythia sehen, wenn er seine Frage stellte, was wohl in der Regel mündlich geschah; doch es werden auch schriftliche Anfragen erwähnt. Was dann geschah, ist immer noch ein Rätsel. Plutarch bemerkt, dass die Pythia durch aufsteigende Dämpfe aus einer Erdspalte unter dem Dreifuß in Ekstase fiel. Der Kirchenvater Johannes Chrysostomos vermischt diese zwei Elemente und berichtet, dass üble Dämpfe in den Unterleib der Pythia eindrangen, während sie auf dem Dreifuß saß.
 
Leider kann man beide Aussagen kaum glauben: Was die Dämpfe angeht, so haben die Archäologen keine Felsspalte unter dem Tempel gefunden und die Geologen versichern, die Existenz solcher Dämpfe sei dort sehr unwahrscheinlich. Es wirkt, als habe eine skeptischere Zeit sich bemüht, nachvollziehbare Gründe für die Inspiration der Pythia zu finden, die eine weniger rationalistische Zeit gar nicht benötigt hatte. Könnte es im Falle der »Trance« nicht ähnlich sein? Die Pythia saß auf einem Dreifuß, was mit den intensiven Körperbewegungen wirklicher Ekstase kaum zu vereinbaren ist. Man kann sich die Pythia höchstens in einem Trancezustand vorstellen, doch müsste dieser dann einen ganzen Tag lang angehalten haben, was wiederum unplausibel ist. Vielleicht gehört auch die Trance der Pythia zu späteren Erklärungsversuchen. Wie auch immer sich dies verhält, sie gab jedenfalls stets Auskunft in Hexametern, was eine gewisse Zusammenarbeit mit den »prophétai« nahe legt. Sie könnten, wie es bei afrikanischen Orakeln üblich ist, mit den Ratsuchenden im Vorfeld der Fragestellung gesprochen und so der Pythia geholfen haben, eine befriedigende Antwort zu geben. Das delphische Orakelwesen blühte vor allem in frühgriechischer Zeit, als mächtige Staaten Fragen sandten und Herrscher fremder Länder Geschenke. In klassischer Zeit verlor es an Ansehen, doch ging jahrhundertelang der Orakelbetrieb weiter, bis Kaiser Theodosios es im Jahre 391 n. Chr. schließen ließ.
 
Das Orakel von Delphi ist einerseits für das Verständnis antiker religiöser Praktiken und ihrer zeitlichen Veränderung von großem Wert; andererseits hat Delphi in einzigartiger Weise Einblick in die antike griechische Kunst gewährt. Die Ratsuchenden schickten ja zum Dank für die »Dienstleistung« des Gottes Kunstwerke und Pretiosen nach Delphi, die im Heiligtum aufgestellt wurden. Aber auch einflussreiche Herrscher wie Krösus und die sizilischen Tyrannen machten Delphi reiche Geschenke, um den Gott günstig zu stimmen und sicherlich auch, um ihre Mitmenschen zu beeindrucken. Über 30 griechische Städte (auch einige etruskische) haben dort kapellenartige Schatzhäuser bauen lassen, sodass Delphi zum reichsten Heiligtum von Griechenland geworden war, als es in der Mitte des 4. vorchristlichen Jahrhunderts von den Phokern seiner schönsten Schätze beraubt wurde - sie wollten einen Krieg damit finanzieren. Von diesem Schlag erholte sich das Heiligtum nie mehr.
 
Die Ausgrabungen in Delphi haben immer wieder neue Überraschungen erbracht und unsere Kenntnis antiker Kunst wohl mehr bereichert als irgendeine andere Ausgrabungsstätte. Sehr eindrucksvoll ist auch die Verbindung mit dem Orient. Herodot erzählt, die Könige von Phrygien und Lydien, Midas und Gyges, hätten Votive in Delphi aufgestellt. Vielleicht hat Herodot Legende für Geschichte gehalten; doch sind eben aus der Zeit um 700 v. Chr. bronzene Kesselverzierungen in Form von Greifenprotomen gefunden worden, die aus dem Orient stammen. Im 6. Jahrhundert dann waren die lydischen Könige Alyattes und Krösus die prominentesten Stifter von Votiven. Das 6. und die ersten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts waren die Glanzzeit der delphischen Schatzhäuser. Die griechischen Städte wetteiferten miteinander um die reichste Ausstattung: manche Schatzhäuser bestanden aus mehr Marmor, als der ganze Apollontempel trug.
 
Bestimmt werden die Ausgrabungen noch viele und wertvolle Gegenstände ans Licht bringen. Solche Neufunde liefern einen der Gründe, warum wir immer wieder unsere Vorstellungen von griechischer Religion (und griechischer Kunst) revidieren müssen. Glücklicherweise wird es nie eine abgeschlossene und endgültige Geschichte griechischer Religion geben.
 
Prof. Dr. Jan N. Bremmer
 
Literatur:
 
Bremmer, Jan: Götter, Mythen und Heiligtümer im antiken Griechenland. Autorisierte Übersetzung von Kai Brodersen. Darmstadt 1996.
 Maass, Michael: Das antike Delphi. Orakel, Schätze und Monumente. Darmstadt 1993.


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