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ALTAMERIKANISCHE KULTUREN: IHRE ENTWICKLUNG

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altamerikanische Kulturen: Ihre Entwicklung
 
Die Mythen vieler amerikanischer Völker berichten von einem Ursprung der Menschen in der Nähe ihrer heutigen Wohngebiete; die Wissenschaft geht dagegen von einer Einwanderung der amerikanischen Urbevölkerung aus Sibirien aus. In gewisser Weise sind beide Anschauungen korrekt. Zwar bestehen heute an der asiatischen Herkunft der ersten Amerikaner keine vernünftigen Zweifel, allerdings lehrt uns die Urgeschichte auch, dass die Kulturen der Neuen Welt das Ergebnis weitgehend eigenständiger Entwicklungen sind.
 
Die Wiege der Menschheit lag sicher nicht in Amerika. Dafür sprechen das Fehlen möglicher Vorfahren des Homo sapiens auf dem Doppelkontinent und der Mangel an glaubwürdigen alten Funden. So wie Australien war auch die Neue Welt die längste Zeit durch das Meer von den Entwicklungen in Asien, Europa und Afrika abgeschnitten.Als aber während der Eiszeit die Vergletscherung zu einer deutlichen Absenkung des Meersspiegels führte, bildete sich mehrfach an der Beringstraße eine bis zu 1500 km breite Landbrücke zwischen Nordasien und Alaska. Der genaue Zeitpunkt der ersten Besiedlung Amerikas ist noch strittig, lag aber spätestens zwischen 23 000 und 18 000 v. Chr. Nachdem der Wiederanstieg des Wassers ab etwa 8000 v. Chr. die Erdteile wieder voneinander getrennt hatte, konnte der Kontakt zwischen Alter und Neuer Welt nur noch per Boot erfolgen. Die Vorfahren der heutigen Eskimo, die beiderseits der Beringstraße siedelten, sorgten während der letzten Jahrtausende dafür, dass diese Beziehungen nicht gänzlich abrissen. Indem sie aber nur jene kulturellen Errungenschaften übernahmen und weitergaben, die ihren besonderen Lebensinteressen entsprachen, wurden sie zu einem Filter der alt-neu-weltlichen Kulturbeziehungen. So blieb der Hauptstrom der Kulturentwicklung in Amerika vom Lauf der Dinge in der Alten Welt weitgehend abgeschirmt.
 
Die ersten Einwanderer der Neuen Welt waren Jäger, die den Herden eiszeitlichen Großwilds, wie etwa Mastodon, Mammut, Urbison und Urpferd, in ihre neuen transberingischen Weidegründe gefolgt waren. Die Vielfalt der amerikanischen Lebensräume führte aber schon bald zur stärkeren kulturellen Differenzierung, zu der überdies die Veränderungen nach Ende der Eiszeit - vor allem das Aussterben zahlreicher Wildarten - und die Tatsache beitrugen, dass es mehr als nur eine Einwanderungswelle aus Sibirien gab.
 
Um den Besonderheiten der altamerikanischen Kulturentwicklung gerecht zu werden, haben die Urgeschichtsforscher für die Neue Welt ein eigenes Schema der Periodisierung entwickelt. Es beginnt mit dem Lithikum, der Steinzeit, in der nur Geräte aus behauenem Stein verwendet wurden und eine nomadisierende Lebensweise die Regel war. Das anschließende Archaikum brachte mit wachsender Anpassung an die lokalen Verhältnisse und der steigenden Bedeutung des Fischfangs sowie des Sammelns von Mollusken und Wildpflanzen den Beginn jahreszeitlicher Sesshaftigkeit, technischen Fortschritt (zum Beispiel in Form von geschliffenen Steingeräten) und kulturelle Differenzierung. Damit wurde auch die Grundlage für das Stadium des Bodenbaus gelegt, das aus einer formativen Phase und der Phase der Hochkulturentwicklung besteht. In der formativen Phase setzte sich der Anbau von Kulturpflanzen (vor allem Mais, in den tropischen Tiefländern Knollenfrüchte) durch, und die Verbreiterung einer auf diese Weise gesicherten Lebensgrundlage förderte die Herausbildung stabiler und weitgehend unabhängiger Dorfgemeinschaften. Diese stellten wiederum die Basis dar für die Entwicklung von städtischen Zentren mit wachsender Arbeitsteiligkeit, in denen meist schriftkundige Eliten politische und religiöse Aufgaben wahrnahmen und die Herausbildung »klassischer« Kunststile förderten. Die letzten Jahrhunderte vor der europäischen Eroberung waren in vielen der Hochkulturen des Andenraums und Mesoamerikas durch Säkularisierung, Verrohung der Stile, Militarismus und die Entstehung von Eroberungsreichen gekennzeichnet. Um die Hochkulturgebiete schloss sich zu dieser Zeit ein breiter Gürtel formativer Kulturen, doch herrschten auch, etwa in vielen Teilen Nordamerikas und im südlichen Südamerika, weiterhin archaische Kulturverhältnisse vor.
 
Die altamerikanischen Kulturen kannten weder das Rad - und damit keine Töpferscheibe und kein Spinnrad - noch die Eisenverarbeitung noch - mit Ausnahme des Andenraums - die Großtierhaltung, und somit keine Milchwirtschaft, und keinen Pflugbau. Wohl kannten sie den Wasserverkehr mit Booten, den Großteil der Lasten aber beförderten die Bewohner Altamerikas durch Muskelkraft. Ihre Produktivität blieb aufgrund der nur mäßig technisierten Gerätekultur recht gering, und ihre Produktion war sehr personalintensiv. Eine wichtige Rolle für die Nahrungswirtschaft spielte aber in fast allen Kulturen Amerikas die Jagd.
 
Prof. Dr. Christian F. Feest
 
Literatur:
 
Das Altertum der neuen Welt. Voreuropäische Kulturen Amerikas, herausgegeben von Christian F. Feest. Ausstellungskatalog Museum für Völkerkunde, Wien. Berlin 1992.
 
Amerika vor Kolumbus, herausgegeben von Michael D. Coe u. a. Aus dem Englischen. München 61993.


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