Значение слова "BANDKERAMIK: SPONDYLUSSCHMUCK EIN LUXUSGUT" найдено в 1 источнике

BANDKERAMIK: SPONDYLUSSCHMUCK EIN LUXUSGUT

найдено в "Universal-Lexicon"

Bandkeramik: Spondylusschmuck - Ein Luxusgut
 
Seit dem Jungpaläolithikum ist Schmuck unterschiedlicher Art bekannt. Die verwendeten Grundstoffe (Muscheln, Knochen, Geweih) blieben bis zur Einführung der Metalle über Jahrtausende hinweg gleich, während im Detail durchaus Unterschiede bestehen. Geradezu als Inbegriff eines neolithischen Schmuckrohstoffes und Schmuckverhaltens gelten die Erzeugnisse aus der Schale der essbaren Meeresmuschel Spondylus gaederopus, deren kulturhistorische Ersterforschung sich mit dem Namen des bekannten Mediziners und Mitbegründers der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte Rudolf Virchow verbindet.
 
Die weiträumige Spondylusverbreitung dient spätestens seit Beginn der 1950er-Jahre als ein Paradebeispiel neolithischer Handelstätigkeit. Wenn Spondylus der vermutete sichere Beleg eines frühneolithischen Fernhandels sein soll, so muss die Herkunftsfrage des Rohmaterials geklärt sein. Isotopenanalysen legen nahe, dass an einigen balkanischen Fundstellen rezente Muscheln aus dem Mittelmeer verwendet wurden. Ein wesentliches Argument bei der Herkunftsbestimmung liefert nach wie vor das Verbreitungsbild.Wenn man davon ausgeht, dass sich das Ursprungsgebiet eines Handelsproduktes mit seiner Hauptverbreitung deckt und von dort bei zunehmender Entfernung die Menge der Objekte beziehungsweise die Zahl der Fundpunkte geringer wird - etwa vergleichbar einem ins Wasser geworfenen Stein, dessen Wellenkreise nach außen hin schwächer werden -, so deutet das zusätzlich auf die westliche Schwarzmeerküste als Ausgangsgebiet hin. Seit jeher galt die Donau mit ihren Zuflüssen als die zentrale Verkehrsader bei der Ausbreitung dieses Muschelschmucks bis nach Mitteleuropa. Nach Norden und Westen wird der Einzugsbereich der Donau sogar noch überschritten.
 
Doch selbst wenn man das Herkunftsproblem dieses Rohmaterials als geklärt betrachtet, so muss das immerhin einige Lücken aufweisende Verbreitungsbild nicht unbedingt ein Beleg für Handel sein. Demzufolge gab es auch die Auffassung, darin einen direkten Hinweis auf eine neolithische Kolonisierung Mitteleuropas erblicken zu können. Die ersten bäuerlichen Siedler wären also vom Balkan aufgebrochen und hätten diesen Schmuck sozusagen als persönlichen Besitz mitgeführt. Allerdings konnte gezeigt werden, dass in der Zeit der ältesten Bandkeramik Spondylusschmuck fehlt, sodass man diese Interpretation verwerfen musste. Dieses Detail mag verdeutlichen, dass die verlässliche Innengliederung einer Kultur als Gerüst für weit reichende kulturgeschichtliche Fragestellungen unverzichtbar ist.
 
Ganz sicher sind diese Schmuckmaterialien Ausdruck von Tausch und Handel im weitesten Sinn. Verhandelt wurde seinerzeit zum Beispiel auch das sozusagen täglich benutzte Werkzeugmaterial Feuerstein oder Obsidian, das allerdings nie systematisch über derart weite Strecken weitergegeben wurde. Es steht außer Frage, dass Schmuckmaterialien eine Sonderstellung einnehmen, die man inzwischen als »Prestige- oder Luxusgüter« fasst, wobei als Besonderheit der verhältnismäßig hohe Anteil von Importmaterial selbst in weit entfernten Gebieten angesehen wird.
 
Von Interesse ist die Frage, ob der Spondylus als Rohmaterial oder aber in Form eines Zwischen- oder Fertigproduktes verhandelt wurde. Da in Mitteleuropa Werkabfall des kostbaren Materials bislang absolut unbekannt ist, muss man sich der Antwort auf diese Frage über die Schmucktypen nähern. In dieser Hinsicht weniger ergiebig sind die sich sozusagen aus der Muschelform selbst ergebenden großen Armringe, die vorzugsweise aus der schwächeren linken Muschelklappe hergestellt wurden, sowie die aus der dickeren rechten Muschelklappe gefertigten, mit ein- bis dreifacher Durchbohrung versehenen Anhänger und große zylindrische Perlen. Diese Gegenstände sind allgemein verbreitet.
 
Demgegenüber ist die Spondylusklappe mit V-Ausschnitt allein auf den westlichen und mittleren bandkeramischen Bereich von Böhmen über Mittel- und Süddeutschland bis ins Pariser Becken beschränkt. Da zur Herstellung dieser spezifisch bandkeramischen Form nur vollständige Schalen infrage kommen, müssen diese demnach unbearbeitet importiert worden sein, wenn man nicht mit speziellen Produktionsorten im Schwarzmeer- oder Mittelmeerküstengebiet rechnen will, die für einen weit entfernten Markt Stücke arbeiteten, die im eigenen Kulturbereich keine Verwendung fanden. Dies geht sicher an den Tatsachen vorbei. Ähnliches könnte auch für große Scheibenanhänger aus Spondylus gelten, die offenbar ihre Hauptverbreitung in Ungarn an Donau und Theiß finden. Die Wertschätzung oder der Prestigewert beider Typen lässt sich unter anderem daran festmachen, dass sie gelegentlich in anderen Materialien (Ton, Stein, Knochen) nachgeahmt wurden.
 
Wie sieht es aber im Bereich des natürlichen Muschelvorkommens aus? Besonders aufschlussreich ist das Spondylusfundmaterial der (spät-)neolithischen Siedlung Dimini in Nordgriechenland. Von den 350 Spondylusfunden weisen mehr als die Hälfte Bearbeitungsspuren auf. Die Objekte wurden offenbar über einen längeren Zeitraum hinweg systematisch deponiert, nachdem sie gezielt durch Verbrennung zerstört oder auf andere Weise wertlos gemacht worden waren. Einer derartigen Maßnahme könnte man deflationäre Wirkung zuerkennen, und dies wirft ein bezeichnendes Licht auf Funktion und Bedeutung des Spondylusschmucks, die offenbar im prämonetären Bereich zu suchen sind.
 
Lange Zeit galt Spondylusschmuck als typische Beigabe in Frauengräbern Mitteleuropas, das heißt als Schmuck- oder Trachtbestandteil der Frau. Offenbar gründete diese Auffassung jedoch mehr auf modernen Konventionen der Schmuckverwendung als auf anthropologischer Geschlechtsbestimmung der Skelettfunde. Einerseits gilt inzwischen als wahrscheinlich, dass die erwähnte Spondylusklappe mit V-Ausschnitt ausschließlich als Beigabe in Männergräbern vorkommt (eventuell als eine Art Gürtelverschluss), während anderer Spondylusschmuck gleichermaßen von Männern und Frauen getragen wurde und auch Kindergräbern beigegeben wurde.
 
Auf einigen Gräberfeldern fehlt entsprechender Schmuck vollständig, wobei allerdings die Bodenverhältnisse (zum Beispiel kalkarme Böden) zu berücksichtigen sind. Auf manchen Gräberfeldern sind 10-15 %, und auf anderen sogar bis zu 25 % der Toten damit ausgestattet. In Menge und Reichhaltigkeit der Schmuckausstattung einzelner Personen existieren zum Teil sehr große Unterschiede. Manche Personen haben nur eine Perle oder einen Armring, der oft am Oberarm getragen wurde, während andere Perlenkette, Armring und Spondylusklappe mit V- Ausschnitt aufweisen können, also einen ausgesprochen »reichen« Eindruck hinterlassen.
 
Für die frühneolithische bandkeramische Gesellschaft wird mit einer relativ egalitären Gesellschaft und dementsprechenden Machtverhältnissen gerechnet. Nimmt man den Spondylusschmuck zum Maßstab, so scheinen nur einzelne Personen, die eventuell bestimmten Familien oder aber Familiengruppen (Clan) zuzurechnen sind, das Recht oder die Möglichkeit besessen zu haben, sich mit diesem seltenen und kostbaren Schmuck auszustatten. Eine erste Differenzierung der neolithischen Gesellschaft deutet sich auf jeden Fall an, denn der Spondylusschmuck diente vermutlich anderen Zwecken als nur der Verschönerung. Macht und Rang einzelner Personen mögen an Menge und Art der Spondylusausstattung abzulesen gewesen sein. Vielleicht handelt es sich sogar um einen echten Wertmaßstab, wie er auch für Muschelmaterial aus dem ethnologischen Forschungsbereich belegt ist.
 
Das aus der nördlichen Ägäis beziehungsweise von der westlichen Schwarzmeerküste stammende Spondylusmaterial ist in der zweiten Phase (»Flomborn«) relativ gut und in den jüngeren Abschnitten der bandkeramischen Kulturentwicklung (bis 5000/4900 v. Chr.) hinreichend belegt. In den nachfolgenden mittelneolithischen Kulturen wird das frühere westliche und nordwestliche Verbreitungsgebiet vermutlich gar nicht mehr oder nur noch sehr sporadisch mit Spondylus versorgt. Mit dem Erlöschen der Kultur der Bandkeramik geht der kulturelle Sinngehalt des Spondylusschmucks verloren, wie wohl auch die traditionellen Kommunikations- und Handelswege, die diese bemerkenswert weiträumige Verbreitung möglich machten. Im Ursprungsgebiet selbst und in der näheren Umgebung wurde dieses Prestigegut zunächst noch weiterhin gefertigt, jedoch mit dem Aufkommen von Gold und Kupfer in seiner ursprünglichen Funktion durch diese Edelmetalle nach und nach ersetzt und verdrängt und zu einem normalen Schmuckrohstoff »degradiert«, um mit der Wende vom 4. zum 3. vorchristlichen Jahrtausend jegliche Bedeutung zu verlieren. Ganz sicher ist der Spondylus auch in Zukunft ein wichtiger Schlüssel für die Erforschung der gesellschaftlichen Verhältnisse innerhalb der frühneolithischen Kultur der Bandkeramik. Er spielt auch eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Entwicklung von Modellen und Vorstellungen über die Anfänge von Handel und goldähnliche Wertmesser.
 
Dr. Christoph Willms
 
Literatur:
 
Kruta, Venceslas: Die Anfänge Europas. 6000 bis 500 v.Chr. München 1993.
 Mellink, Machteld J.und Filip, Jan: Frühe Stufen der Kunst. Berlin 1974. Nachdruck Frankfurt am Main u.a. 1985.
 Probst, Ernst: Deutschland in der Steinzeit. Jäger, Fischer und Bauern zwischen Nordseeküste und Alpenrand. München 1991.


T: 64