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ALTAMERIKANISCHE KULTUREN: MUSIK UND TANZ

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altamerikanische Kulturen: Musik und Tanz
 
»Wenn kein Wild an dir vorüberzieht, dann tanzt du mit dem wayku in deinen Händen.
 
Wenn kein Hirsch sich zeigt, tanzt du mit dem wayku unter deiner Nase.
 
Ay, Brüderchen, ay, Brüderchen.«
 
So singen die Frauen bei indianischen Festen, und sie begleiten sich selbst auf Rahmentrommeln, die von ihren hocherhobenen Händen herabhängen. Die reich geschmückten Männer tanzen dazu und spielen dabei auf ihren mit Geweihenden verzierten Gefäßflöten, die offenbar »wayku« genannt wurden. Die Instrumente waren - wie die Quelle, eine umfangreiche Beschreibung Perus kurz nach der Eroberung durch die Spanier, nebenher erwähnt - aus den Schädeln von Hirschen gefertigt, oder man hatte sie, kleiner allerdings, den Tierköpfen aus Ton nachgeformt. In dieser Gestalt haben sich Flöten der Inka in der Archäologie Perus erhalten, wenn auch nur sehr selten. Und keine andere Abbildung außer der hier wiedergegebenen zeigt dieses seltsame Klangwerkzeug. Der Zeichner, gleichzeitig der Autor des Textes, war selbst Indianer, und zwar königlich-inkaischer Abkunft. Seine Schilderungen stellen damit einen sehr seltenen Fall einheimischer Berichterstattung dar, denn von nur wenigen indianischen Bewohnern des Landes sind Beschreibungen aus dieser frühen Zeit erhalten - mussten die schreibunkundigen Indios bei ihren Eroberern doch zunächst die Schrift und das Lesen erlernen.Und nur dieses vorliegende Manuskript ist bebildert. Felipe Guamán Poma de Ayala, der dieses wichtige Werk, die »Neue Chronik...« zwischen 1580 und 1615 in Peru verfasste, gibt im ersten Teil das Leben der Indios im Jahresablauf wieder, ihre zahlreichen Tätigkeiten und Handlungen zwischen Aussaat und Ernte, Gebräuche zwischen Geburt und Tod, Organisation und Zustand des Gemeinwesens sowie die vielfach jahreszeitlich und brauchgebundenen Feste mit Musik und Tanz, wie das hier wiedergegebene Lied, das mit der Jagd zu tun gehabt haben mag. So erfährt man von verschiedenen Musikinstrumenten, die zur Zeit der Inkaherrscher üblich waren, über den Aufbau ihrer Tänze und Gesänge, über ihre Kostüme, die sie beim Feiern trugen, und über ihren Schmuck. In einem weiteren Teil seines groß angelegten Buches setzt sich Poma de Ayala kritisch mit der Christianisierung der Indios und der sich damit verändernden musikalischen Praxis auseinander. Er bildet zum Beispiel indianische Chorknaben in langen europäischen Gewändern ab, die singend vor aufgeschlagenen Chorbüchern stehen und offensichtlich europäische Blockflöten in den Händen halten. Unmittelbarer und eindringlicher kann die einschneidende Veränderung im Leben der Andenbewohner wohl kaum demonstriert werden, nirgends ist sie so beispielhaft fassbar wie in diesem Werk.
 
Anders als im Andenbereich der Inka und der südamerikanischen Küsten- und Waldbewohner kannte man im mittelamerikanischen Mexiko der späten Kulturentwicklung des 14. und 15. Jahrhunderts eine Bilder- und Symbolschrift, und zwar bei den Mixteken und Azteken des mittleren und südlichen Hochlands sowie bei den Maya (Yucatán, Belize, Chiapas, Honduras, Guatemala). Sie war bis zur Eroberung durch die Spanier in tausenden von Handschriften, den Codices, überkommen. Bis auf einige wenige Exemplare, die heute sorgfältig in Bibliotheken aufbewahrt werden, verbrannten die Eroberer die wertvollen Schriftzeugnisse, die ihnen »scheußliche« Sitten und Gebräuche wiederzugeben schienen und als heidnisch verteufelt wurden. In einigen Codices sind Musikinstrumente zusammen mit ihren Bezeichnungen abgebildet, und man bekommt einen Eindruck von ihrer Handhabung und von den Lebenszusammenhängen, in denen sie erklangen. Außerdem berichteten viele spanische Chronisten, vor allem Missionare der frühen Zeit der Eroberung, über die ihnen sehr fremdartig und abstoßend erscheinenden Einzelheiten aus dem Leben der Indios, über ihre Religion und ihre Feste, die alsbald verboten wurden. Nach allen diesen Zeugnissen waren die Musiker der Azteken häufig gleichzeitig Priester, Sänger und Instrumentalisten. Sie scheinen gut ausgebildet gewesen zu sein und genossen ein hohes soziales Ansehen, denn soweit in den Schriftzeugnissen wiedergegeben, war Musik an Kult und Ritus gebunden. Musikinstrumente wie zum Beispiel die hölzerne Schlitztrommel »Teponaztli« oder die Felltrommel »Huéhuetl« wurden neben ihrer musikalischen Funktion als Idole göttlichen Gehalts verehrt. Ins Teponaztli zum Beispiel goss man das Blut der Geopferten zur königlichen Verfügung. Gefangene und zum Opfer Ausersehene mussten vor den heiligen Opferhandlungen die Stufen des Tempels erklimmen und dabei tönerne Kernspaltflöten mit langem Schnabel, wie sie häufig im Bereich der Azteken gefunden wurden, rituell von Stufe zu Stufe zerbrechen. Deren Spiel hatten sie zuvor erlernen müssen. Höfische Musik war bekannt, außerdem wurde auch in den Häusern einflussreicher Kaziken (Häuptlinge) musiziert.
 
Überlieferte Bezeichnungen für Rasseln, Schellen, mit Hirschgeweih zu schlagende Schildkrötenpanzer, Kupfergongs, Schraper aus Menschenknochen und Namen für Trommeln in verschiedenen Formen und Größen belegen die Vorliebe der Azteken für Schlaginstrumente. Hinzu kamen unterschiedliche Flötentypen und Trompeten. Rohrblatt- und Saiteninstrumente wurden erst durch die Spanier in die Neue Welt eingeführt. Vielseitig und variantenreich war vor allem das Instrumentarium der Maya, das zum Teil in den wenigen erhaltenen Bilderhandschriften wiedergegeben und auch in Wandmalereien überliefert ist, zum Beispiel in Bonampak in Chiapas (Mexiko), sowie auf Vasen. Wie bei den Azteken scheinen die Klangwerkzeuge eng mit der Religionsausübung verbunden gewesen zu sein. Einzel- und Doppeltrommeln, die Schlitztrommel, lange Trompeten verschiedener Typen, Flöten, Rasseln und Schellen sind wiedergegeben. Festlich geschmückte, oft auch maskierte Gestalten, die Musikinstrumente halten oder spielen, schreiten in Prozessionen oder vollziehen Tanzbewegungen. Bemerkenswert sind die archäologisch erhaltenen Flöten: Auf den Rohren von Tripel- und Quadrupelflöten mit Grifflochbohrungen in verschiedener Höhe konnte zum Beispiel so gegriffen werden, dass Mehrstimmigkeit entstand. Wie diese Instrumente indes gespielt worden sind, findet sich nirgends beschrieben. Sie scheinen zur Zeit der schriftlichen Überlieferung nicht mehr existiert zu haben, denn die Zivilisationen der Maya, die sich vom 3. Jahrhundert an über weite Teile Mexikos und Zentralamerikas entfalteten, verfügten über regional und zeitlich höchst unterschiedliche, variantenreiche Kulturmerkmale. Auch Pfeifen und Eintonflöten waren oft so konstruiert, dass raffinierte, heultonartige und schnarrend durchdringende Klänge erzielt werden konnten.
 
Andernorts in Mittel- und Südamerika wurden diese spärlichen, schriftlich und ikonographisch überlieferten Dokumente zu Instrumenten und Tanz durch Bodenurkunden ergänzt. Diese sind für musikethnologische Erkenntnisse unentbehrlich, weil sie die einzigen Zeugnisse für die Existenz von Musik in den damaligen Kulturen Altamerikas darstellen und oft so gut erhalten sind, dass man sie erklingen lassen kann. Diese Kulturen waren den späten hochzivilisierten Völkern der Inka, Maya und Azteken zeitlich lange vorausgegangen, und sie lassen, zum Teil bis ins 2. Jahrtausend v. Chr. zurückreichend, bereits musikalische Traditionen erkennen. Die große Menge archäologischer Funde führt indes zu durchaus zwiespältigen Interpretationen. Die erhaltenen Stücke, Musikinstrumente meist aus Ton, aber auch aus Holz, Knochen, Früchten und Metallen, sowie Musikszenen auf Gefäßen und Wandbemalungen sind zeitlich und räumlich sehr unterschiedlich verteilt, sodass das tatsächliche Bild der jeweiligen Musikkultur sicherlich nicht vollständig zu erkennen ist. Deutlich tritt jedoch hervor, dass die meisten Kulturen je nach Material über einen facettenreich klirrenden, scheppernden, sirrenden und oft voluminösen Rasselschmuck in unzähligen Formen (Nordperu, Ecuador, Kolumbien) verfügten, manche auch über metallene Schellen und Glocken (Süd- und Nordperu, Ecuador, Kolumbien, einige Völker Mexikos) sowie Rasseln mit Handgriff. In vielen Kulturen finden sich daneben Trommeln, Trompeten und Pfeifen in unzähligen Gestalten. Allen gemeinsam waren als Melodieinstrumente Flöten von regional großer typologischer Vielfalt, die die verschiedenen Kulturen geradezu charakterisieren. An den südlichen Küsten Perus (Nazca, Ica-Chincha) waren dies überwiegend Panflöten in verschiedenen Größen und Farben, manche fantasievoll bemalt, an der mittleren Küste Kerbflöten aus Knochen, an der nördlichen ebenfalls Längsflöten, doch treten im Instrumentarium der hier siedelnden Moche und Chimú eher tönerne Trompeten und reliefgeschmückte Pfeifen sowie Musikszenen auf Topfwandungen und als figürliche Aufsätze hervor. In Ecuador waren es unendlich vielgestaltige randgeblasene Gefäßflöten, in Kolumbien Längsflöten mit rautenförmigem Längsschnitt sowie Gefäßflöten, beide Typen mit Windkanal, Schneide und Aufschnitt sowie oft mit schnabelförmiger Anblasvorrichtung wie bei europäischen Blockflöten. Diese technischen Details haben auch Gefäßflöten Panamas und Costa Ricas, wo sie in großer Zahl und in vielen Varianten meist wie Tiere geformt vorkommen. Im Mayabereich fanden sich - neben den erwähnten kunstvoll ausgearbeiteten Langflötentypen - randgeblasene Gefäßflöten oft mit mehrfacher Schallkammer, die offenbar auch an der Golfküste von Veracruz verbreitet waren oder dorthin bereits in vorspanischer Zeit geraten waren. Weitreichende Handelsbeziehungen lassen eindeutige Zuordnungen in Mexiko häufig nicht zu. Typisch für die frühen Kulturen Mexikos sind Figuren von Tänzern als bewegte Einzelfigurinen und in Gruppen.
 
Als Charakteristikum altindianischer Ideen von Klanglichkeit und von musikalischen Äußerungen aller Art im ganzen südlichen Amerika dürfen multifunktionale Geräte gelten. So waren die Pfeiftöpfe, verzierte Einzel- und Doppelgefäße aus feiner Keramik, weit verbreitet, zum Beispiel in Peru, Kolumbien und bei den Maya. Ihre menschen- oder tiergestaltigen Aufsätze machten zahllose Varianten möglich. In den Aufsätzen sind Pfeifvorrichtungen angebracht, die einen dünnen Ton erklingen lassen, wenn man das eingefüllte Wasser in Bewegung setzt oder in die Tülle hineinbläst. Weitere hochinteressante Objekte, wie kultische Grabbeigaben, Spielzeuge, Pfeifen oder Flöten, die alle mehrere Funktionen gehabt haben dürften, sind Menschen, meist Frauengestalten, nachempfundene Objekte aus Ton, mit Rasselkugeln im Innern (Peru, Costa Rica, frühe mexikanische Kulturen, Azteken, Maya) oder auch mit Blasloch und einfacher oder doppelter Pfeifvorrichtung (vor allem Ecuador, Süd-Kolumbien, Costa Rica, Mayagebiete, Golfküste von Veracruz, Nordwestküste Mexikos).
 
Weder lag den altindianischen Völkern offenbar an normierten Tonskalenbildungen noch an Notationen der von ihnen geschaffenen Melodien und Rhythmen. Daher bleibt für den Europäer das archäologische Material trotz der Fülle seiner Erscheinungen und seiner klanglichen Möglichkeiten weitgehend stumm. Die Musik heutiger Indios, soweit sie die ursprüngliche Bevölkerung beziehungsweise Spuren von ihnen noch repräsentieren, weist die in ihrer schillernden Variabilität kaum fassbare Vielseitigkeit altamerikanischer Klanglichkeit nicht auf. Daher sind Rückschlüsse vom Heute auf das Gestern einer doch fernen, dabei 500 Jahre lang stark europäisch beeinflussten Welt bezüglich ihrer Musik äußerst problematisch.
 
Prof. Dr. Ellen Hickmann
 
Literatur:
 
Die Indianer. Kulturen und Geschichte, Band 2: Münzel, Mark: Mittel- und Südamerika. Von Yucatán bis Feuerland. München 51992.
 Lavallée, Danièle und Lumbrerars, Luis Guillermo: Die Andenvölker. Von den frühen Kulturen bis zu den Inka. Aus dem Französischen und Spanischen. München 1986.


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