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CHINESISCHE ARCHITEKTUR: BLÖCKE UND BALKEN, HALLEN UND HÖFE

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chinesische Architektur: Blöcke und Balken, Hallen und Höfe
 
Die meisten Gebäude in China sind aus Holz, und die meisten Holzbauten sind in Skelettbauweise errichtet. Bei Skelettbauten ruht das Gewicht der Konstruktion, insbesondere des Daches, auf vertikalen Stützen und nicht auf den Wänden zwischen diesen. Seit Tausenden von Jahren sind unzählige hölzerne Skelettbauten überall in China errichtet und auch noch jenseits seiner Grenzen, insbesondere in Korea und Japan, gebaut worden.
 
Die Skelettbauweise ist ökonomisch, weil Holz reichlich wächst und leichter zu bearbeiten und zu transportieren ist als Stein. Zudem ist das verwendete Bauholz, meist das Holz der weißen Zeder, sehr fest. Es hat etwa die vierfache Zugfestigkeit von Stahl und seine Druckfestigkeit ist sechsmal so hoch wie die von Beton. Auch eignet sich die Skelettbauweise dazu, ein System zu entwickeln, das sich verschiedenen klimatischen Bedingungen und unterschiedlichen Funktionen anpassen kann. Das Gewicht der Ziegeldächer in ostasiatischen Skelettbauten ist beträchtlich. Es reicht von 280 kg pro m² in kleinen Gebäuden bis zu 400 kg in großen.Die Dachschwere ist nötig, um dem Gebäude bei Sturm die nötige Trägheit zu verleihen. Chinesische Holzkonstruktionen sind anfälliger für Windstöße als westliche Steinbauten, da sie leichter und zudem nicht im Erdreich verankert sind.
 
Ungewohnt für einen westlichen Betrachter ist das komplizierte Kraggebälksystem, das es dem Dach erlaubt, weit über die Wandfläche hinauszuragen und die Holzsäulen und die mit Kalk verkleideten Wände vor Regennässe zu schützen. Auch in dem kompliziertesten Kraggebälk findet man nur eine geringe Zahl verschiedener Typen von Baugliedern: Blöcke, Arme, horizontale und diagonale Balken und eventuell Riegel zur Versteifung. Auch Größe und Form der Grundtypen sind innerhalb eines Gebäudes zahlenmäßig begrenzt. Aus einem kleinen Vorrat von Versatzstücken können die unterschiedlichsten Gebälkgruppen zusammengesetzt werden. Nägel sind darin kaum zu finden. Alle Bauglieder sind durch Verfugung und Verzapfung miteinander verbunden. Das verleiht dem Gebäude eine delikate Flexibilität, aber zugleich eine erstaunliche Widerstandskraft, was sich insbesondere wiederum bei Erdbeben positiv auswirkt. Die Spannung und Reibung zwischen den vielen Holzverbindungen federt die Stöße ab und absorbiert sie.
 
Die Entwicklung des Kraggebälksystems war die wirtschaftlichste Lösung der wichtigsten konstruktiven Aufgabe, die sich den chinesischen Baumeistern stellte: Mit ihm konnte das weit überhängende Dach mit seiner außerordentlich schweren Ziegelbedeckung gestützt werden. Indem sie diese Stützkonstruktion aus vielen kleinen Baugliedern statt aus wenigen großen Balken zusammensetzten, nutzten sie optimal das verfügbare Material. Weil sie die Verwendung von langen Balken einschränkten, brauchten sie nicht so lange zu warten, bis ihre Bäume entsprechend hoch gewachsen waren. Weil sie die freitragenden Spannen reduzierten, durften die horizontalen Balken dünner sein und die Bäume dementsprechend jünger. Und weil sie viele kleine Blöcke und Arme benutzten, hatten sie weniger Abfallholz. So senkten sie zudem das Gesamtgewicht des Gebäudes, was es ihnen noch einmal erlaubte, an Größe und Gewicht aller Bauglieder zu sparen.
 
Die Baumeister konnten also mit der gleichen Menge Holz größere Bauten und mehr davon errichten. Allerdings war ihr Verfahren sehr arbeitsintensiv; es verlangte Erfahrung und technische Fertigkeiten. Vor die Wahl gestellt, mehr Holz oder mehr Arbeit zu investieren, entschieden sich die Chinesen für das letztere. Chinesen haben sich nie davor gescheut, menschliche Arbeit und Intelligenz im großen Maßstab zu mobilisieren, wenn sie dadurch einen Mangel an natürlichen Ressourcen wettmachen konnten.
 
Ausgehend von den Proportionen im Kraggebälk entwickelt ein berühmter Traktat von 1103 n. Chr. mit dem Titel »Baunormen« (»Yingzao fashi«) ein umfassendes Maßsystem. Sein Grundelement ist ein Modul (fen). Das Armholz in einem Kraggebälk ist 10 Module breit und 15 Module hoch. Jedes Maß von jedem hölzernen Bauteil in einem Gebäude ist ein Vielfaches des Moduls Fen. So ist etwa ein Geschoss in der Holzpagode von Yingxian 520 Fen hoch, und das Mitteljoch in der Haupthalle des Foguangsi 20 Fen breit. Bemerkenswerterweise sind die Module allerdings keine absoluten, sondern nur relative Maße. Sie variieren entsprechend dem »Grad« (deng) eines Gebäudes. Laut den Baunormen gibt es acht Grade. Die größten Gebäude, die Hallen mit einer Front von neun bis elf Jochen, sind entsprechend Grad Eins gebaut. In diesem Grad beträgt die Länge eines Moduls 0,6 Zoll. Ein Armholz misst 19,2 x 28,8 cm.
 
Gebäude in Grad Zwei sind Hallen mit einer Front von fünf bis sieben Jochen. In Grad Zwei sind alle Maße proportional etwa 9 % kleiner als in Grad Eins. Im niedrigsten, dem achten Grad, sind die Maße nur halb so groß wie in Grad Eins. Diese Dimension eignet sich für kleine Pavillons oder Baldachine. Allerdings scheinen die Baunormen nur ein Idealsystem zu beschreiben, von dem es in der Praxis viele Abweichungen gegeben hat. Viele chinesische Architekturhistoriker des 20. Jahrhunderts sehen eine ihrer Hauptaufgaben darin, durch genaue Bauaufnahmen der wenigen noch stehenden Gebäude die Gültigkeit des Maßsystems nachzuweisen.
 
So gut wie alle Bauten in China stehen innerhalb einer Anlage. Der wichtigste Typ der Anlage ist der Hof, in dem mehrere Gebäuden wie Versatzstücke zu einer Gruppe zusammengefügt sind. Das geschieht nach bestimmten Prinzipien. Ein Hof ist symmetrisch angelegt und von einer Mauer eingefasst. Er ist nach Süden ausgerichtet. Man betritt ihn durch ein Tor im Süden und nähert sich der Haupthalle auf der zentralen Achse. Nebengebäude flankieren den Hof im Osten und Westen. Selbst kleine Höfe haben noch einen Vorhof. Dessen Tür ist an die Seite gerückt. Böse Geister, die sich schwer tun, um Ecken zu biegen, gelangen deshalb nicht in den Hof hinein. Praktischerweise werden auch Nachbarn und Spaziergänger davon abgehalten hineinzuschauen. Eine Hofanlage wächst organisch durch Hinzufügung weiterer Gebäude und auch weiterer Höfe. Auch diese Hinzufügungen werden nach den Prinzipien von Axialität und Hierarchie vorgenommen.
 
Der umfriedete Hof ist der Wohnsitz der Familie. Große Höfe werden von Großfamilien bewohnt, wozu neben den Verwandten auch Diener und Hausgäste gehören. Den verschiedenen Mitgliedern der Wohngemeinschaft sind verschiedene Teile der Anlage zugewiesen. Großeltern und Frauen leben meist im rückwärtigen Teil, Diener im vorderen Bereich. Vorne und Hinten sind auch im Charakter unterschieden. Im ersten offiziellen Hof residiert der Hausherr in der Haupthalle und empfängt die Gäste. Der rückwärtige Hof hat ein privates Gepräge und ist der Familie vorbehalten. So spiegelt die Architektur der Hofanlage die sozialen Verhältnisse zwischen den Familienmitgliedern und trägt zugleich dazu bei, diese zu stabilisieren.
 
Nicht nur Wohnarchitektur sondern auch Klöster und Gräber sind als Höfe angelegt. Ein Besucher betritt auch diese Anlagen von Süden und blickt dann auf die Haupthalle mit der Figur des Buddha beziehungsweise der Ahnentafel darin. Im rückwärtigen Teil der Klöster findet er die Wohngebäude für die Mönche, in dem der Grabanlagen die Privatgemächer der Toten unter dem Grabhügel.
 
Auch innerhalb der Hofanlagen gilt ein Proportionssystem. Wenn die Haupthalle in Grad Eins errichtet ist, haben ihre Seitengebäude und die beiden weiteren Hallen Grad Zwei, deren Seitengebäude und das Torgebäude Grad Drei, und die das Tor flankierenden Bauten Grad Vier. Die größte Hofanlage in China ist der zu Beginn des 15. Jahrhunderts gebaute Kaiserpalast in Peking (Beijing).
 
In Städten sind viele Höfe in einer systematischen Rasteranlage von sich rechtwinklig kreuzenden Straßen zusammengefasst. Das bekannteste Beispiel ist die kaiserliche Metropole Chang'an (heute Xi'an) der Tang-Dynastie, die bereits 582 n. Chr. unter der Sui-Dynastie angelegt wurde. Mit mehr als 1 Million Einwohner und einer Fläche von mehr als 80 km² war Chang'an damals die größte Stadt der Welt. Der über 5 km lange und 150 m breite Boulevard des Zinnoberroten Phönix führt mitten durch die Stadt direkt auf den Kaiserpalast im Norden zu. Weitere Prachtstraßen teilen die Anlage in 110 Stadtteile mit Seitenlängen zwischen 500 und 1125 m. Jeder Stadtteil war durch ein Straßenkreuz in vier Viertel geteilt, die ihrerseits von Gassen durchzogen waren. Die grundsätzliche Ähnlichkeit der Hofanlagen erleicherterte die Austauschbarkeit der Nutzung, falls Bedarf bestand. So konnte etwa ein Privathof in ein Kloster umfunktioniert werden oder ein Kloster in eine Regierungsbehörde.
 
Bis zur vollen Entfaltung des Systems der Holzarchitektur im 8. Jahrhundert n. Chr. bedurfte es einer langen Vorgeschichte. Diese lässt sich archäologisch belegen. Bereits in den etwa 5000 v. Chr. datierten jungsteinzeitlichen Pfahlbauten in Hemudu finden wir mit Steinwerkzeugen ins Holz geschnittene Verfugungen. Seit dem 16. Jahrhundert v. Chr. sind Skelettbauten von symmetrischen Hallen bekannt, deren Breitseite nach Süden zeigt. Einen voll entwickelten Doppelhof hat ein Palastgrundriss aus dem 11. Jahrhundert v. Chr. Das Kraggebälk bildet sich in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende aus, wie man an Darstellungen von Architektur auf Bronzegefäßen und an keramischen Modellen verfolgen kann. Wandgemälde von buddhistischen Paradiesen, die als märchenhafte Palastanlagen vorgestellt und dargestellt wurden, vermitteln einen Eindruck von der Pracht und den konstruktiven Details der weitgehend verlorenen Holzarchitektur der Tang-Zeit. Die ältesten heute noch stehenden Holzgebäude in China sind eine kleine, 3 x 3 Joche messende Halle des Klosters Nanchansi (vor 782 n. Chr.) und die Haupthalle des Klosters Foguangsi mit 5 x 7 Jochen, beide in einem entlegenem Gebiet der Provinz Shanxi.
 
Prof. Dr. Lothar Ledderose
 
Literatur:
 
Watson, William: China. Kunst und Kultur. Ins Deutsche übertragen von Ruth Herold u. a. Farbphotographien von Jean Mazenod u. a. Freiburg im Breisgau u. a. 21982.


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