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BERNHARDT: DAS LEBEN EINER DIVA

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Bernhardt: Das Leben einer Diva
 
Hätte es den Begriff der Diva nicht schon gegeben, man hätte ihn für Sarah Bernhardt erfinden müssen. »La divine Sarah« nannten sie die Franzosen — Sarah, die Göttliche. Bereits zu Lebzeiten war die große Theaterschauspielerin aus Paris eine Legende, sie selbst arbeitete nicht unerheblich an ihrem eigenen Mythos mit.
 
Schon vor der Erfindung des Massenmediums Film erreichte »die Bernhardt« weltweiten Ruhm. Sie machte seit 1890 groß angelegte Tourneen nach Nordamerika, Europa, Südamerika, Australien, Mexiko und in den Vorderen Orient. Obwohl Sarah Bernhardt zeitlebens ausschließlich in Französisch spielte, hatte sie auch beim fremdsprachigen Publikum einen Riesenerfolg — oft waren die Theater schon Wochen vor ihrer Ankunft ausverkauft.
 
 Die »Dietrich der Jahrhundertwende«
 
Als eine Art »Dietrich der Jahrhundertwende« war sie eine Vorläuferin der »Filmdiva« und der Inbegriff des Stars, wie man ihn heute kennt. Die Bernhardt war »in«. Und damit verband sich auch damals schon eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle: Sehr bald gab es Sarah-Bernhardt-Kleider, -Hüte, -Parfüm, Pralinen und sogar Sarah-Bernhardt-Zigarren zu kaufen.Ihr Name, der, so die Schriftstellerin Gisela von Wysocki, »in den Köpfen kreiste wie ein Droge«, wurde zum Markenzeichen. Nicht unerheblich zu Sarah Bernhardts internationalem Ruhm trug allerdings auch die Industrialisierung des Presse- und Verlagswesens bei. Zeitungen wurden im 19. Jahrhundert zunehmend zum Massenmedium. Die Erfindung des mehrfach verwendbaren Glasnegativs durch den Franzosen André Adolphe Eugène Disdéri im Jahre 1854 machte zudem das nun billiger produzierbare Foto zum Massenartikel. So konnten die ersten Starfotos entstehen. In den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts war die Bernhardt — am 22. Oktober 1844 in Paris als Henriette Rosine Bernard geboren — mit Anfang Dreißig bereits so etwas wie eine Kultfigur. Per Telegraf verbreiteten die Journalisten den neuesten Klatsch über ihr Privatleben und ihre Liebesgeschichten in alle Welt. Ausländische Besucher waren auf sie genauso neugierig wie auf das Lächeln der Mona Lisa. Maler versuchten, die französische Diva zu porträtieren, Dichter nahmen sie als Vorbild für ihre Heldinnen und Marcel Proust setzte ihr in seinem Meisterwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit mit der Figur der Berma ein Denkmal. Die Bernhardt hatte eine ungeheure Ausstrahlung, die durch ihre blau-grünen Augen und die wallenden roten Haare offenbar noch verstärkt wurde. Die sehr zierliche, ausdrucksstarke Schauspielerin zog das Publikum mit ihrer klassisch geschulten, ausgefeilten Sprechtechnik — Victor Hugo nannte es die »Voix d'or«, die Goldstimme — und ihrer unglaublichen Bühnenpräsenz in Bann.
 
 »... skandalträchtig, chimärisch nah und fern zugleich«
 
»Sie faszinierte«, versucht der Theaterwissenschaftler Matthias Müller Sarah Bernhardts Erfolgsgeheimnis zu erklären, »weil sie aufregend war und skandalträchtig, chimärisch nah und fern zugleich. Die Mise-en-scène ihres Lebens schien die Weiterführung ihrer Rollen — oder war es umgekehrt? — und nie war die Bernhardt in den Augen ihrer Kritiker besser als in jenen Momenten, da Lebensrolle und Bühnenfigur zusammentrafen, sich ergänzten und in ein irritierendes Wechselspiel traten; was entstand war mehr als Theater und mehr als ein Frauenleben.« Schon früh erkannte Sarah Bernhardt die Bedeutung einer breiten Öffentlichkeit und arbeitete hartnäckig an ihrem eigenen Image. Genauso wie Oscar Wilde, der sie als Schauspielerin sehr verehrte, war die Bernhardt der Auffassung, dass nur eines schlimmer sei als Klatsch: kein Klatsch. Über Sarah Bernhardt kursierten die abenteuerlichsten Gerüchte; nicht selten war sie allerdings an deren Entstehung selbst beteiligt. Die Bernhardt hatte beispielsweise eine ungewöhnliche Vorliebe für ausgefallene Tiere. So legte sie sich in London drei Hunde, einen Papagei, einen Affen, einen Gepard und sechs Chamäleons zu, in Louisiana kaufte sie einen kleinen Alligator, eine Zeit lang soll sie in Paris sogar einen Löwen gehalten haben. Schon als 10-Jährige hatte sie angeblich in ihrem Mädcheninternat einen kleinen Zoo aus gezähmten Eidechsen, Ringelnattern, Spinnen und Grillen.
 
 Kokettieren mit dem Tod
 
Besonders gern kolportiert wurde seinerzeit die Geschichte um ihren Sarg. Der mit weißem Satin ausgeschlagene Totenschrein diente ihr zeitweilig als Ruhelager und Bett: »Am Fenster stand mein Sarg, in dem ich es mir oft bequem machte, wenn ich meine Rollen lernte«, berichtet Sarah Bernhardt in ihrer Autobiografie Mein doppeltes Leben. Um den Klatsch und Tratsch darum noch zu verstärken, ließ sie sich — ganz in Weiß gekleidet, mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen — von dem bekannten Pariser Fotografen Melandri in ihrem blumengeschmückten Sarg ablichten. Das Bild wurde als Postkarte verkauft und brachte der Bernhardt neben der zweifelhaften Publicity auch ein ansehnliches Honorar. (Es war damals übrigens für Künstler durchaus üblich, mit dem Verkauf von Fotos das Einkommen aufzubessern.) Die Postkarte ist heute noch in Paris zu bekommen. Der Tod übte offenbar schon früh eine große Faszination auf sie aus. Bereits als kleines Mädchen — von ihrer Mutter, einer lebenslustigen Kokotte, hin- und hergeschoben zwischen Ammen, Tanten und Klosterschule — stellte sie sich manchmal vor, wie schön es wäre, einfach tot umzufallen. Sie träumte davon, heißt es in ihrer Autobiografie, sich als Märtyrerin Christus und der Heiligen Jungfrau vor dem Altar zu opfern. Bis zum Alter von 16 Jahren wollte Sarah Bernhardt unbedingt Nonne werden, ein Besuch in der Pariser Comédie-Française, der ältesten und renommiertesten Bühne Frankreichs, »bekehrte« sie: Aus der eifrigen Gläubigen wurde eine echte Theaterfanatikerin. Der Herzog von Morny, ein vornehmer Stammgast im Salon ihrer Mutter, hatte sie 1860 ans Pariser Konservatorium vermittelt, wo sie von den berühmten Schauspielern und Schauspielerinnen der Comédie-Française unterrichtet wurde.
 
 Aufbrausendes Temperament mit Folgen
 
Als 18-Jährige bekam Sarah Bernhardt an der ehrwürdigen Comédie-Française ihr erstes Engagement — allerdings mit leidlichem Erfolg. Sie war keineswegs von Anfang an der gefeierte Bühnenstar. Außerdem störte ihr aufbrausendes Temperament ihre beruflichen Pläne erst einmal: Die Bernhardt hatte eine ältere Kollegin geohrfeigt, weil diese ihre Schwester Régine hinter der Bühne zur Seite geschubst hatte. Der Rauswurf folgte auf dem Fuße — erst zehn Jahre später sollte Sarah Bernhardt an die Comédie-Française zurückkehren.
 
In Zeiten ihres beruflichen Misserfolgs — der Durchbruch gelang ihr schließlich im Alter von 24 Jahren am Odéon -Theater in der Rolle des Jünglings Zanetto in François Coppées Le passant — ließ sich Sarah Bernhardt zeitweise von reichen Männern aushalten. Dennoch sah sie sich später nie als »gefallene« Frau, sondern vielmehr als Aufsteigerin, versuchte dieses Kapitel ihres Lebens allerdings zu vertuschen. Auch ihre unzähligen Liebesaffären mit zumeist jüngeren Männern machten sie für bestimmte Kreise zur »Persona non grata«. Vor allem in Amerika traten religiöse Fanatiker wie der Prediger Dr. Crosby mit Hasstiraden auf den Plan, mieden große Teile der vornehmen Gesellschaft die »verderbte Kokotte«, die zudem auch noch einen unehelichen Sohn hatte. Allerdings hielt auch dieser Umstand die High Society nicht davon ab, ihre Vorstellungen zahlreich zu frequentieren. In Europa hatte man auf dem gesellschaftlichen Parkett weniger Berührungsängste mit dem Bühnenstar. Zu ihrem Bekannten- und Freundeskreis zählten u. a. der Prinz von Wales, der Herzog von Morny, der belgische Fürst de Ligne (der Vater ihres einzigen Sohnes Maurice), Alexandre Dumas (Vater und Sohn), George Sand, Victor Hugo, Gustave Flaubert und Gustave Doré.
 
 Inbegriff weiblicher Anziehungskraft
 
Sarah Bernhardts Leben war voller Widersprüche; doch gerade durch diese Gegensätze — eine attraktive Mischung zwischen Heiliger und Hure — faszinierte sie offenbar. Sie war eine äußerst zähe Person (ihr Motto lautete zeitlebens: »quand même« — »trotzdem«), nach außen hin spielte die Bernhardt jedoch oft mit ihrer Zerbrechlichkeit, die sie durch ihren weiß geschminkten Porzellanteint noch untermalte. Bewunderer versuchten ihre Ausstrahlung mit Begriffen wie »formgewordener Adel« oder »jansenistische Blässe« zu umschreiben. Auf der Bühne legte Sarah Bernhardt großes Gewicht auf den körpersprachlichen Ausdruck und ergänzte das herkömmliche gestische Spiel durch eine vielfältige Mimik. Sie wurde trotz ihrer Magerkeit schnell zum Inbegriff weiblicher Anziehungskraft und würde heute wohl als Sexsymbol bezeichnet. Durch signifikante Darstellungsmittel wie die berühmte Schlangenlinie versuchte sie diesen sinnlich-animalischen Eindruck noch zu untermalen. Der britische Paris-Korrespondent Max Beerbohm beschrieb ihre Art der Bewegung als gelungenes Zusammenspiel von dahinschmelzender Zartheit und raubtierhafter Sexualität. Sie war sich ihrer Wirkung offenbar bewusst, verstand es schon früh, auf die Bedürfnisse des Publikums einzugehen. Kurz vor ihrem Tod beschreibt Sarah Bernhardt in ihrem Buch L'art du théâtre die Schauspielerei als eher weibliche Kunst. Es seien »Kunstgriffe, die in das Gebiet der Frau fallen: der Wunsch zu gefallen, die Fähigkeit Gefühle auszudrücken und körperliche Mängel zu verbergen, die Gabe der Anpassung, die das wahre Wesen der Frau ausmacht«.
 
Zwar begannen spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die bis dahin gültigen Frauenrollen brüchig zu werden — überall in Europa und Amerika forderten die Frauen das Recht auf Gleichberechtigung —, dennoch wurden die meisten Theaterstücke immer noch von Männern geschrieben. Auch Sarah Bernhardt war vor allem Interpretin der von Männern geschaffenen Figuren. Ihre modernen Frauenrollen wie Alexandre Dumas' Kameliendame — eine brisante Mischung aus Hure und unschuldig Liebender — beherrschten das Frauenbild der Zeit. Dieser Frauentypus versprach »zugleich Erlösung, wo bürgerliche Moral die Erotik verdammte, wie auch die Bestrafung für derart unangemessene Wünsche«, so Matthias Müller. »Letztere freilich erreichte im »Pièce bien faite« den männlichen Helden praktisch nie — vielmehr fanden die Frauen zumeist gegen Ende der Aufführung den Tod; so wurde der Schrecken gebannt, nachdem die Autoren ihn zuvor ausgiebig beschworen hatten.« Die Bernhardt feierte vor allem in diesen Todesszenen wahre Triumphe. »Faire sa Sarah« — schon bald entwickelte sich diese Formulierung in Paris zum geflügelten Wort, wenn jemand einen dramatischen Todesfall beschreiben wollte. Sarah Bernhardts Bühnentode wurden zu einem der mitreißendsten Erlebnisse der Theatergeschichte
 
 Höchste technische Raffinesse
 
Obwohl sich Sarah Bernhardt ihren Rollen mit Leib und Seele hingab, war ihre Schauspielkunst weit davon entfernt, naturalistisch zu sein, sie überzeugte vielmehr durch eine höchst artifizielle, technische Raffinesse. Die Bernhardt schuf einen neuen Darstellungsstil, der vor allem in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts in Frankreich als modern galt. Sie fühlte sich nicht an ein Rollenfach gebunden, sondern verband die klassischen Traditionen der ehrwürdigen Comédie-Française mit den neuen Anforderungen des Boulevardtheaters. Ihr Repertoire umfasste dabei sowohl Klassisches wie Jean Racines Phädra — eine Rolle, die sie seit 1874 immer wieder spielte — als auch Zeitgenössisches wie Sardous La Tosca. Wie Hugo glaubte die große Schauspielerin, dass Worte die geheimnisvollen Botschafter der Seele seien: »Les mots sont les passants mystérieux de l'âme.«
 
 Eine Symbolfigur der Frauenbewegung
 
Betroffenheit, Erregung, Gefühlsausbruch — »Sie versteht es«, so der französische Theaterkritiker Auguste Vitu, »dem Zuschauer ein Gefühl wie ein Messer ins Herz zu stoßen.« Sarah Bernhardts Stil zielte auf die Emotionen. Vielleicht hatte sie deshalb auch so viele weibliche Fans — vor allem in Amerika folgte ihr eine riesige Schar von Anhängerinnen. Hier wurde die Bernhardt seit 1890 sogar zur Symbolfigur der Frauenbewegung; denn ihr Lebensstil verkörperte deren erklärte Ideale: freie Selbstbestimmung, wirtschaftliche Unabhängigkeit und beruflichen Erfolg. Auch im Umgang mit Männern lebte die Bernhardt ihren starken Drang nach Unabhängigkeit aus. Nur einmal, von 1882 bis 1889, war sie verheiratet: mit dem 12 Jahre jüngeren Griechen Aristide Damala, eine unglückliche Verbindung, denn er starb mit 32 Jahren an seiner Morphiumsucht. Der einzige Mann, den sie nach eigenen Aussagen bis zu ihrem Tode abgöttisch liebte (und finanzkräftig unterstützte), war ihr Sohn Maurice.
 
 Hosenrollen — auf der Bühne wie im Leben
 
Nicht nur auf der Bühne tauschte Sarah Bernhardt häufig die Geschlechterrolle, zum Beispiel als Shakespeares Hamlet oder Maurice Maeterlincks Pelléas, auch im wahren Leben spielte sie gern die Hosenrollen. Die Bernhardt war nicht nur Schauspielerin, Regisseurin und Theaterprinzipalin in Personalunion (fünf Jahre lang leitete sie das Renaissance-Theater in Paris und seit 1899 das Théâtre des Nations, das sie in Théâtre Sarah Bernhardt umbenannte), sondern versuchte sich auch als Malerin, Bildhauerin und Schriftstellerin. 1878 schrieb sie sogar ein wunderschönes Kinderbuch über eine Ballonfahrt, die sie selbst unternommen hatte. Die Bernhardt garantierte nicht nur künstlerische Perfektion, sondern auch enorme Einnahmen. Immer wenn sie knapp bei Kasse war, ging sie mit einer eigens für sie zusammengestellten Schauspieltruppe auf Tournee. Das brachte ihr gewöhnlich einen Reinerlös zwischen 500 000 und 700 000 Francs. Allein nach Amerika fuhr sie neunmal — fünfmal war sie dabei auf »Abschiedstournee« und kehrte jedes Mal reich zurück.
 
Kein Wunder, dass die Bernhardt geradezu royalistische Vorrechte besaß. Für ihre zahlreichen Gastspiele ließ sie sich und ihrer Truppe sogar extra einen luxuriös eingerichteten Sonderzug anmieten. Der »Sarah Bernhardt Spezial« hatte eine Ausstattung, schreiben Robert Fizdale und Arthur Gold in ihrer Biografie über die Theaterdiva, »die eines Königs würdig gewesen wäre. Sarah wohnte als Königin der Schauspieler im Palace Car, einem Salon auf Rädern, der mit Holzvertäfelungen, bunten Glasfenstern, Messinglampen, Chaiselongues, einem Klavier und einem Holzofen ausgestattet war, der zum Verdruss der Mitreisenden selbst bei wärmstem Wetter geheizt wurde.« Eine zusätzliche Attraktion sei auch der Aussichtswagen mit offener Plattform gewesen: »Hier pflegte die Bernhardt, bis an die Ohren in Pelze und Tücher gewickelt, gelegentlich zu sitzen und die vorbeieilende Landschaft zu betrachten.«
 
 Überwältigende Bewunderung der Fans
 
Sarah Bernhardt blieb nach ihrem Durchbruch in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts Zeit ihres Lebens erfolgreich, füllte noch im hohen Alter die Theater. Nicht immer allerdings war die extreme Bewunderung ihrer Fans angenehm für sie. Vor allem in Amerika stürzten sich begeisterte Anhänger massenhaft auf den Bühnenstar. Sie versuchten, so Fizdale und Gold, »sich an sie heranzudrängen, ihr die Hand zu schütteln und ihren Pelz zu berühren.. .. Eine Frau mit wild verdrehten Augen warf Sarah bei dem Versuch, ihr eine Brosche anzustecken, beinahe zu Boden. Eine andere schnitt eine Feder von Sarahs Hut ab.« Sarah Bernhardts großer Erfolg rief natürlich schon früh Neider auf den Plan. Ihre weniger erfolgreiche Schauspielkollegin Marie Colombier machte sich in Büchern Die Memoiren der Sarah Barnum und Sarah Bernhardt en Amérique mit mehr oder weniger pikanten Halbwahrheiten über sie lustig und verdiente sich so eine goldene Nase. Vielerorts entstanden bösartige Karikaturen oder Spottverse, die die Zeitungen bereitwillig abdruckten. Das tat ihrer Karriere aber keinen Abbruch, sondern erhöhte wahrscheinlich die Werbewirkung des begehrten Markenartikels Sarah Bernhardt, dessen überwältigender Siegeszug sich über einen Zeitraum spannte, der die Regierung Napoleons III., den Krimkrieg und den Versailler Vertrag umfasst; in dem die erste Glühbirne und die Chloroformnarkose erfunden wurden, Sigmund Freud die Traumdeutung schrieb und Henry Ford das erste Auto baute. Das 19. Jahrhundert war die Blütezeit der Oper — die meisten Dramatiker der Zeit waren zugleich Librettisten —, und auch das Sprechtheater war von dieser starken Affinität zur Musik bestimmt. Zu fast allen aufwändigeren Produktionen gab es Orchesterbegleitung. Die Schönheit der Stimme und eine virtuose rhythmische Sprechtechnik standen im Vordergrund, was auch Sarah Bernhardt zu ihrem Erfolg verhalf.
 
 Die Rivalin
 
Die einzige Schauspielerin, die es mit ihrem legendären Ruhm aufnehmen konnte, war die 14 Jahre jüngere italienische Schauspielerin Eleonora Duse, die um die Jahrhundertwende ähnlich erfolgreich durch Europa tourte. Allerdings konnte auch die Duse den Triumphzug der Bernhardt nicht wesentlich erschüttern, trug aber dazu bei, dass sich zwei Lager herausbildeten: auf der einen Seite die begeisterten Anhänger der Duse wie Alfred Kerr, Hugo von Hofmannsthal und George Bernard Shaw, die deren naturalistischen Stil bevorzugten; auf der anderen Seite die Fans der Bernhardt wie Mark Twain, Freud und Hugo, die deren formvollendete, technische Raffinesse bewunderten. Zu ihrer Rivalin befragt, soll sie geantwortet haben: »Was für ein wunderbarer Kopf!. .. Diese verächtlichen Lippen, die weißen Zähne, die ewig lächelnden, unglücklichen Augen. Und dann dieser Charme! Eine große Schauspielerin.« Und nach einer bedeutungsvollen Pause: »Schade, dass sie so arrogant ist!«
 
Sarah Bernhardt führte ein arbeitsreiches Leben (in ihren letzten Jahren arbeitete sie sogar noch beim Film) und spielte bis kurz vor ihrem Tode; auch die zwingende Amputation ihres rechten Beines im Jahre 1915 konnte ihre Bühnenkarriere nicht beenden. Fortan ließ sie sich — auch auf der Bühne — in einer Sänfte herumtragen. Die Bernhardt entwickelte dabei sogar einen bemerkenswerten Humor. In ihrer Garderobe soll sie, von einer Krücke gestützt, herumgehüpft sein und dabei ausgerufen haben: »Sehen Sie doch, ich bin ein Perlhuhn!«
 
Noch aus ihrem Tod am 26. März 1923 in Paris wurde eine wahre Inszenierung: In ihrem berühmten Sarg ruhte die Bernhardt, ganz in Weiß gekleidet und umgeben von einem üppigen Blumenarrangement, eindrucksvoll wie im Leben. Mehr als eine Million Menschen sollen dem Trauerzug zum Friedhof Père Lachaise gefolgt sein.
 
Anne-Jelena Hilpert
 
Theatergöttinnen. Inszenierte Weiblichkeit. Clara Ziegler, Sarah Bernhardt, Eleonora Duse, Beiträge von
 
Literatur:
 
Joanna Richardson: Sarah Bernhardt. Leben, Karriere und Legende. Aus dem Englischen. München 1988.
 Elaine Aston: Sarah Bernhardt. A French actress on the English stage. Oxford 1989.
 Ruth Brandon: Being divine. A biography of Sarah Bernhardt. London 1992.
 Arthur Gold: Der eigensinnige Engel. Das leidenschaftliche Leben der Sarah Bernhardt. Aus dem Amerikanischen. Taschenbuchausgabe München 1994.


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