Deutschland: Deutsch-deutsche Verantwortung
Der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan Ende 1979 löste eine deutliche Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen aus. Eine weitere Verschärfung der Ost-West-Spannungen ergab sich aus der innenpolitischen Entwicklung in Polen, wo sich im Sommer 1980 nach massenhaften Streiks die unabhängige Gewerkschaft Solidarnoáć gebildet hatte. Im Westen schloss man ein militärisches Eingreifen der Sowjets in Polen nicht aus. Als dann der neue amerikanische Präsident Reagan (seit Januar 1981) seinerseits die politische Konfrontation mit der Sowjetunion verschärfte, war vielerorts davon die Rede, dass die am Ende der 60er-Jahre begonnene Ost-West-Entspannung beendet sei.
Das Bemerkenswerte in dieser Situation war nun, dass die Regierungen beider deutscher Staaten bemüht waren, die negativen Auswirkungen der verschärften Ost-West-Spannungen auf das deutsch-deutsche Verhältnis in Grenzen zu halten. Die Kontakte zwischen Bonn und Ost-Berlin wurden in vollem Umfang aufrechterhalten, ja sogar intensiviert. Der Bonner Regierungswechsel im Oktober 1982 stellte dabei keine Zäsur dar, zumal die Regierung Kohl die Deutschlandpolitik der sozialliberalen Koalition fortsetzte und weiterentwickelte.
Eine Reihe praktischer Fragen wurde geregelt.Nach dem Besuch Bundeskanzler Schmidts in der DDR verfügte die DDR im Februar 1982 Erleichterungen im Reiseverkehr in die Bundesrepublik. Am Zustandekommen eines Milliardenkredits westdeutscher Banken an die DDR, für den die Bundesrepublik bürgte, war 1983 maßgeblich Franz Josef Strauß beteiligt. Im Januar 1984 übernahm der Berliner Senat die S-Bahn in West-Berlin von der DDR. Über 10 000 DDR-Bürger konnten zwischen Februar und Mai 1984 auf ihren Wunsch in die Bundesrepublik ausreisen.
Im Zusammenhang mit der Debatte um die Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik (siehe auch NATO-Doppelbeschluss und Stationierungsdebatte) betonten beide deutschen Regierungen, von deutschem Boden dürfe nie mehr ein Krieg ausgehen. Es wurde das Wort von der Verantwortungsgemeinschaft der beiden deutschen Staaten im Hinblick auf die Sicherung des Friedens geprägt. Nach langen Vorsondierungen kam im September 1987 der Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker, zu einem Staatsbesuch in die Bundesrepublik, wo er als Staatsoberhaupt mit allen protokollarischen Ehren empfangen wurde (siehe auch Deutschland: Honeckers Staatsbesuch in Bonn).