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ALTAMERIKA: ANFÄNGE UND FORMATIVE PHASE

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Altamerika: Anfänge und formative Phase
 
Ende der letzten Eiszeit, irgendwann zwischen 18000 und 13000 vor heute, betrat der erste Mensch den amerikanischen Doppelkontinent. Er und seine Verwandten stammten aus Nordostasien, und sie gelangten über die damals landfeste Beringstraße in die Neue Welt. Die Neuankömmlinge waren Großwildjäger, doch mögen sich einige auch entlang der vom Japanstrom erwärmten Westküste ausgebreitet haben, wo sie Robben und Seevögeln nachstellten, fischten, Muscheln und essbaren Tang sammelten. Man weiß wenig über die ersten Amerikaner, doch vermuten Archäologen, dass sie rasch mit der neuen Umgebung vertraut wurden und dort verschiedene, auf Jagd und Sammelwirtschaft fußende Strategien der Lebensführung erprobten.
 
Aus Jägern und Sammlern werden Bauern
 
Die Kulturentfaltung im alten Amerika nach der Besiedlung ist durch die Abfolge mehrerer Stufen gekennzeichnet. Allerdings vollzog sich diese Entwicklung nicht regelhaft, sondern wurde von den ökologischen Gegebenheiten, die sich von Fall zu Fall hemmend oder stimulierend auswirkten, beeinflusst. Das Ende der Eiszeit erzwang erhebliche wirtschaftliche Umstellungen. Auf die paläoindianische Periode der Großwildjäger folgte das spätestens um 5000 v. Chr. einsetzende Archaikum.Es ist durch Artefakte einfacher Niederwildjäger-, Sammler- und Fischerkulturen belegt. Örtlich, in Naturräumen mit knappem Nahrungsangebot, bewahrten kleine Volksgruppen das archaische Kulturbild bis zum Eintreffen der Europäer. In Gebieten aber, wo die Natur den Tisch reicher deckte und Ressourcen in überschaubaren, oft jahreszeitlichen Zyklen verfügbar waren, spezialisierte sich die Bevölkerung, wählte nur bestimmte Nahrungsquellen aus. Hier erlaubten effizientere Methoden des Sammelns ein immer längeres Verweilen an einem Ort und die Versorgung von mehr Menschen. Schließlich lernten einige Gemeinschaften die planvolle Vermehrung und dann Veredelung von Wildpflanzen. Dies geschah offenbar in Landstrichen mit größerer Vielfalt an Tieren und Pflanzen, die aber gleichwohl ökologischen Schwankungen, etwa extremen Klimaeinflüssen, unterlag, was die Bewohner veranlasste, natürliche Engpässe bei der Nahrungsbeschaffung durch zielgerichtete Ergänzung der wirtschaftlichen Grundlage auszugleichen. Bohnen als kultivierte Pflanzen erscheinen in der peruanischen Guitarrerohöhle bereits im 8. Jahrtausend v. Chr., Flaschenkürbis, Gartenkürbis und Pfefferschoten im mexikanischen Tamaulipas ab 7000 v. Chr. Viele Kulturen des alten Amerika lösten mit dem Erwerb der Landwirtschaft gewissermaßen die Eintrittskarte in das Formativum, eine Phase, die über die Schwelle städtischer Zivilisation führen sollte.
 
Sesshaftigkeit und ihre Folgen
 
Bodenbau erlaubte die Versorgung von wiederum mehr Menschen. Geriet durch deren Zahl die Natur an die Grenzen ihrer ökologischen Belastbarkeit, galt es, durch besondere Anpassungen wie künstliche Bewässerung, Terrassierung von Anbauflächen, Fruchtfolgen und Ähnliches die natürliche Balance wiederherzustellen. Sesshaftigkeit, Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Überschüsse, Umverteilung von Gütern, Handel und Wettbewerb begünstigten eine stärkere soziale Verzweigung, die Freistellung bestimmter Personengruppen, zum Beispiel von Handwerkern, Trägern religiöser Funktionen und Kriegern, von der Produktion und den Aufstieg eines herrschenden Standes. Insbesondere in Mesoamerika, dem Raum zwischen den Wüsten Nordmexikos und den Tropenwäldern der zentralamerikanischen Landenge, sowie an der peruanischen Küste und in den Anden blühten komplexe Gesellschaften dieses Zuschnitts auf.
 
Der Mais erobert Amerika
 
Warum es gerade hier zur Entfaltung entsprechender Kulturen kam, beschäftigt die Forschung noch immer. Zum einen spielte gewiss der Vorsprung eine Rolle, den beide Regionen bei der Nutzpflanzenkultivierung hatten. Dank solcher Vorkenntnisse gelang vor etwa 7000 Jahren in Zentralmexiko die Domestizierung des Maises. Um 3000 v. Chr. taucht dieses Getreide an der Küste Ecuadors auf und behauptet fortan seinen Platz als wichtigstes Grundnahrungsmittel, in den Anden freilich in Konkurrenz zur Kartoffel. Andernorts in Amerika wurde der Mais erst sehr viel später zur Ernährungsgrundlage der Bauern. Fortschritte bei der Züchtung ertragreicher, umweltangepasster Pflanzensorten waren zwar der Garant, immer mehr Menschen ernähren zu können, gleichwohl drängten die Unwägbarkeiten der Landwirtschaft in beiden Großräumen die Bauern zur Kooperation: Angesichts häufiger Trockenperioden und der schwierigen Wasserversorgung half man sich in Notzeiten gegenseitig oder versuchte, durch gemeinsame Anstrengung den Schaden zu begrenzen. Aus derlei Netzwerken erwuchsen politische und wirtschaftliche Einrichtungen, die Versorgungs- und Regulierungsmaßnahmen zentral steuerten, Überschüsse horteten und Fernhandelskontakte anbahnten. Es entstanden Märkte, die Produkte aus unterschiedlichen geographischen Zonen austauschten. Solche Handelsverbindungen wurden bald unerlässlich, da sie den Zusammenhalt entfernt lebender Bevölkerungsgruppen schmiedeten und Kommunikationswege öffneten, auf denen sich religiöse Vorstellungen, aber auch gesellschaftliche Werte fortpflanzten und so über weite Strecken für kulturelle Homogenität sorgten.
 
Städtische Siedlungen in Peru
 
In Peru wird das Formativum um 1800 v. Chr. von einer Reihe bisher erst in groben Umrissen erkannter Lokalkulturen (Las Haldas, Cerro Sechín, Garagay, Pampa de las Llamas, Monte Grande, Huaca Florida u. a.) an den nördlichen und zentralen Küstenabschnitten eingeleitet. Überall bildeten sich jetzt städtische Siedlungen mit monumentaler Lehmarchitektur. Flüsse sind die Lebensadern des wüstenhaften Küstenstrichs, dessen Bewohner wegen des Fehlens nennenswerter Niederschläge auf künstliche Bewässerung zurückgreifen mussten. Ihre hydraulischen Werke fordern uns, was deren Ausmaß und Güte angeht, Respekt ab. Dämme, Rückhaltebecken, Kanäle, Aquädukte, Berieselungsfurchen, Schleusen und Kollektoren für die winterlichen Garuanebel machten umfassende Erdbewegungen nötig. Konstruktion und Betrieb dieser Anlagen kann man sich ohne ausgereiftes Ingenieurwissen nicht vorstellen. Ebenso sicher scheint, dass es zur Umsetzung der gestellten Aufgaben gemeinsamer Bemühungen bedurfte, die zentral geplant und überwacht werden mussten. Eine Gliederung innerhalb der Siedlungen in administrative und sakrale Bereiche ist archäologisch nachgewiesen, ferner, als Ergebnis der zunehmenden Arbeitsteilung und Spezialisierung, Ansätze einer sozialen Schichtung, wie man sie an der Wohnsituation ablesen kann: Neben Armeleutehütten aus Walrippen treten repräsentative Bauten hochrangiger Mitglieder der Gesellschaft.
 
Die Chavínkultur
 
Aus diesem Entwicklungshorizont erhob sich gegen 1400 v. Chr. die Chavínkultur mit ihrem religiösen Machtzentrum, das — zumindest stilprägend — auch auf andere Landesteile Einfluss nahm. Chavín, am Ostabfall der Anden gelegen, erblühte im Kreuz alter Handelswege, die von der Küste über die Kordilleren ins Amazonastiefland führten. Ihre eindrucksvollen von Tribünen eingefassten Kultplätze, Rundhöfe, Tempel und geheimnisvollen unterirdischen Labyrinthe weisen die Stätte als weithin angesehenes Heiligtum und vielleicht Wallfahrtsziel aus, an dem man, nahe den Quellen Fruchtbarkeit spendender Flüsse und am »Geburtsort« der Regenwolken, bizarren Göttern huldigte. Weihgaben, Reliefs und Skulpturen zeigen die Allgegenwart dieser Mächte auf und legen Zeugnis ab von einer Weltsicht, die den Menschen in ein geordnetes Universum stellte. Das von den Naturgewalten abhängige Leben der Sterblichen fand Deutung und Sinn in sakralen Regeln, deren Aussagen sich dem Gläubigen in künstlerischer Form vermittelten.
 
Der Aufstieg der Olmeken
 
Einer der vielleicht überraschendsten Befunde der Archäologie ist die Erkenntnis, dass Meso- und Südamerika schon relativ früh in regem Handels- und Kulturaustausch standen. Mais und der eigenartige, als Luxustier und lebende »Wärmflasche« gehaltene mexikanische Nackthund gelangten auf dem Seeweg von Nord nach Süd, während unter anderem Kakao und Tongefäße mit Steigbügelausguss die Reise in umgekehrter Richtung antraten. Möglicherweise auch als Folge solcher Kontakte wuchsen vor 3200 Jahren die Olmeken an der südmexikanischen Golfküste in die Rolle einer regionalen Vormacht. Wie man heute weiß, schnellte damals die Bevölkerungskurve in diesem Gebiet steil nach oben. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Die Ernährungsbasis muss breiter, der Feldbau ertragreicher geworden sein. Aus Südamerika eingeführte Nutzpflanzen (Maniok, Süßkartoffel, Erdnuss) hatten gewiss Anteil daran, vor allem aber der einheimische, durch Einkreuzung ortsfremder Sorten wesentlich verbesserte Mais. Die im Schnittpunkt wichtiger Handelsrouten siedelnden Olmeken konnten sozusagen »aus dem Vollen« schöpfen: Alte und neue, veredelte und ökologisch angepasste Sorten standen ihnen in reicher Auswahl zur Verfügung und ermöglichten einen Produktivitätsschub.
 
Da die Olmeken in ihrer Heimat kein brauchbares Gestein in ausreichender Menge vorfanden, errichteten sie Gebäude aus Lehm. Alle Tempel der Zeremonialzentren Tres Zapotes, San Lorenzo oder La Venta erhoben sich auf angeschütteten Rampen und waren nach kosmischen Achsen ausgerichtet. Die uns bekannten Kunstwerke bestechen durch archaische Strenge oder formalen Realismus. Anatomische Treue fällt besonders bei den als idealisierte Porträts hoch gestellter Personen gedeuteten kolossalen Basaltköpfen auf — der Rohstoff musste übrigens von weit her beschafft werden —, springt aber auch bei Vollplastiken ins Auge. Darstellungen von Mischwesen aus Mensch und Jaguar illustrieren das Aufkommen einer später in Mesoamerika verbreiteten Vorstellung von Tieren als menschlichen Doppelgängern (Nagualismus). Wichtige Vertreter der mesoamerikanischen Götterwelt waren schon bei den Olmeken vorhanden: der Alte Feuergott, der Maisgott, der Regengott, eine Gottheit der Vegetationsperiode und der Erneuerung, ein Vorsteher des Totenreiches und die Gefiederte Schlange, der Gott des Lebens, der Weisheit und der Winde. Ebenfalls mit der olmekischen Zivilisation ist die Erfindung des Kalendersystems und der Hieroglyphenschrift verbunden.
 
Anders als in Südamerika, wo Chavín bereits fest gefügte hierarchische Ordnungen vorfand, stieß die olmekische Tradition auf vom Gleichheitsprinzip geprägte Gesellschaften, bei denen sie das Herrscher-und-Untertanen-Modell einführte und anstelle des gewachsenen Entscheidungspluralismus dörflicher Gemeinschaften Schaltzentralen religiöser Machthaber schuf.
 
Der Wohlstand olmekischer Eliten gründete auf Fernhandel (u. a. Jade, Obsidian, Zinnober gegen Harze, Gummi, Kakao und Schmuckfedern). Ein verästeltes Bezugs- und Vertriebsnetz, das von Chayal in El Salvador bis Tlatilco und Chalcatzingo in Zentralmexiko reichte, war die Voraussetzung dafür. Auf den vom Handel gebahnten Wegen, eventuell gestützt durch diplomatische Beziehungen, Heiratsallianzen und missionarische Tätigkeit, verbreiteten sich gesellschaftliche wie religiöse Ideale der Olmeken weithin. Ungeachtet solcher Einflüsse aber entwickelten städtische Gemeinwesen wie San José Mogote (im heutigen Staat Oaxaca), Tlatilco oder Metropolen im Hochland Guatemalas durchaus ein eigenständiges kulturelles Profil. Das olmekische Kernland selbst und seine Bewohner verloren im Wettbewerb mit erstarkten Konkurrenten ihre herausragende Stellung um 200v. Chr. Allein ein Kultzentrum, Cerro de las Mesas, strahlte noch jahrhundertelang schwachen Glanz aus.
 
 Die mexikanische Klassik
 
Mit den ersten Hochkulturen auf amerikanischem Boden lassen wir in der Geschichte der Kulturentfaltung die vorklassische Phase hinter uns. Als Endstufe der formativen Entwicklung leitet sie zur Protoklassik, den Anfängen der klassischen Zeit, über. Dieser Phase, die etwa von 500 v. Chr. bis 200 n. Chr. dauerte, folgt die eigentliche Blüte altamerikanischer Kultur, die Klassik von 200 bis 900 n. Chr., die sich durch den Ausbau bestehender gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und religiöser Strukturen auszeichnet und vor allem im künstlerischen Bereich einen einmalig hohen Standard erreichte. In Mesoamerika fällt der Beginn der Protoklassik mit den Anfängen der Teotihuacánkultur in Zentralmexiko, der Kultur von Monte Albán in Oaxaca sowie der Mayakultur des Petén im Norden Guatemalas zusammen.
 
Der Aufstieg Teotihuacáns
 
Den nachhaltigsten Einfluss auf die Entwicklung des gesamten Raumes übte Teotihuacán aus. Das Monopol an Obsidian, einem für Schneidinstrumente wichtigen Rohstoff, weit gespannte Handelsverbindungen und eine berühmte Kulthöhle, in der der Legende nach Sonne und Mond erschaffen wurden, waren Voraussetzungen für den Reichtum der Metropole und ihren Aufstieg zur überregionalen Macht. Zudem profitierte Teotihuacán vom Untergang des konkurrierenden Cuicuilco im Hochtal von Mexiko, das 100 n. Chr. bei einem Ausbruch des Vulkans Xitle in Trümmer sank. Gegen Ende der protoklassischen Periode wurden die großen, das Stadtbild beherrschenden Pyramiden fertig gestellt. Danach scheint Teotihuacáns Ruf als Pilgerzentrum jedoch verklungen zu sein, und die religiöse Seite der Außenbeziehungen verlor an Bedeutung. Stattdessen wandte sich Teotihuacán nun verstärkt der Machtpolitik und der Handelstätigkeit zu.
 
Die Stadt im Schatten der Pyramiden
 
Im Zenit der höchsten Entfaltung, um 450 n. Chr., erstreckte sich die Stadt über fast 25 km2. Mehr als 120000 Menschen lebten zu dieser Zeit dort. Wohnbauten, Plätze und Heiligtümer waren schachbrettartig angeordnet; als Orientierungsmarke diente der zentrale Prozessionsweg. Am Nordende dieser Achse erhob sich die 42 m hohe Mondpyramide, im rechten Mittelabschnitt die gewaltige Sonnenpyramide — mit 222 × 225 m Grundfläche und einer Höhe von 63 m das drittgrößte Kultbauwerk der Erde. Wie alle altamerikanischen Pyramiden dienten auch diese Kolossalbauten nicht als Grabdenkmäler, sondern bildeten, heiligen Bergen nachempfunden, himmelstrebende Stiegen zum Allerheiligsten, dem jeden Pyramidenstumpf krönenden Tempel. Ein Marktplatz und der Verwaltungssitz (Ciudadela) schlossen den Hauptkomplex nach Süden ab. Bemerkenswert ist der »internationale« Charakter der Stadt, denn in den einzelnen Bezirken wohnten verschiedene Volksgruppen: Neben Totonaken, die wohl die herrschende Schicht stellten, waren dies überwiegend Nahuastämme aus der Nachbarschaft, aber auch »Ausländer« wie die als Handwerker oder Kaufleute zugereisten Maya und Zapoteken. Ihre Unterbringung in gesonderten Quartieren verrät den Arm der Obrigkeit, die sich davon bessere Kontrolle versprach.
 
Kunst und Wirtschaftsleben in Teotihuacán
 
Architektur und Kunst Teotihuacáns waren für die mesoamerikanische Kultur wegweisend. Erstmals wandten indianische Baumeister hier zur Gestaltung der Gebäudefassade das Talud-Tablero-System an. Fassaden und Innenräume trugen reiche Bemalung. Ganz offensichtlich bedienten sich die Herrscher im schriftlosen Teotihuacán bewusst der Malerei, um ihrer Macht Ausdruck zu verleihen — ein Anliegen, das in den zeitgleichen Zentren der Maya und Zapoteken durch andere Kommunikationsmittel (einschließlich der Schrift) erreicht wurde. Die große wirtschaftliche Bedeutung der Stadt lässt sich an den über 400 Werkstätten erkennen, die innerhalb ihrer Mauern ans Licht kamen. Knapp ein Drittel der Manufakturen stellte Keramik her, weitere Betriebe bearbeiteten Obsidian, schliffen und polierten Halbedelsteine oder fertigten aus importierten Schneckenschalen Schmuckgegenstände. Im Gegenzug erhielt die Stadt exotische Güter. Um neue Märkte zu erschließen oder um Vasallen gefügig zu machen, setzten die Handelsmagnaten auch militärische Mittel ein. Sogar weit entfernte Stätten im Gebiet der Maya oder das im Hochland Guatemalas gelegene Kaminaljuyú sind von Spuren solcher Interventionen gezeichnet.
 
Der Untergang Teotihuacáns
 
Bis etwa 550 n. Chr. scheint das Herrschaftsmodell Teotihuacáns funktioniert zu haben. Danach setzte schleppender Verfall ein, der um 650 in einer Brandkatastrophe endete. Die meisten Prachtbauten gingen in Flammen auf und wurden nie wiederhergestellt. Da eine Intervention von außen archäologisch nicht nachzuweisen ist, liegen die Gründe für den Niedergang wohl im ökonomischen Bereich. Erschöpfte Obsidianvorräte und immer erdrückendere Konkurrenz vonseiten des benachbarten Cholula lähmten den Koloss. Vermutlich zwang man in dieser Situation die Bauern, den außenwirtschaftlichen Schaden durch Steigerung der Produktion wettzumachen. Als jene der Belastung nicht länger standhielten, erhoben sie sich, so jedenfalls eine These, und fegten die Regenten von ihren Thronen.
 
Monte Albán — Die Stadt der Priesterfürsten
 
Eng mit dem Schicksal Teotihuacáns verwoben war zeitweilig das von Monte Albán in Oaxaca, der zweiten bedeutenden Kulturprovinz Mesoamerikas nach Zentralmexiko. Die Anfänge Monte Albáns datieren um 500 v. Chr., als sich die Bewohner dreier aneinander grenzender Täler entschlossen, die Bergkuppe im Scheitel ihrer Territorien als Fluchtburg und Zentralsitz auszubauen. Dabei standen offenkundig strategische Erwägungen Pate, denn im Lande tobte Krieg. Dies lassen zumindest die zahlreichen im Flachrelief ausgeführten Figuren, Danzantes genannt, vermuten, in denen die Forschung gegenwärtig die Abbildung geopferter Gefangener zu erkennen glaubt. Denkbar ist, dass zu dieser Zeit Zapoteken, gegen den Widerstand Ortsansässiger, in ihr historisches Siedlungsgebiet einrückten. Aus der Reibung verschiedener ethnischer Traditionen jedenfalls gewann Monte Albán jene Kontur, die das Zentrum vom olmekischen Umland und Zentralmexiko unterschied.
 
Etwa gegen 250 n. Chr. begann auf dem Bergplateau mit reger Bautätigkeit ein neuer kultureller Abschnitt. Möglicherweise markiert das Datum die endgültige Machtübernahme durch zapotekische Herrscher und den Auftakt zu engen Kontakten zu Teotihuacán. Die Monumentalgebäude der Anlage sahen ihrer Vollendung entgegen: Um den zentralen Hofkomplex, ein Areal von 280 × 180 m, gruppieren sich mehrere Baukörper, u. a. die palastartige Residenz und ihr gegenüber der Sakralbezirk. Einige Gebäude dienten dem Empfang hochrangiger Beamter und auswärtiger Diplomaten. Auch die Architekten Monte Albáns schätzten Talud und Tablero als Gestaltungselemente; ihre Vorliebe aber galt breiten Treppenverbindungen und Säulengalerien. Im Untergeschoss mancher Bauwerke trifft man auf prunkvoll ausgemalte Totenkammern, Zeugnisse eines aufwendigen Grabkultes, den sich nur Adelige leisten konnten. Mit den Beisetzungsriten verbunden sind die vielen in den Kammern geborgenen Figurengefäße aus Ton — Bilddokumente von Gottheiten, unter deren Schutz der Verstorbene zu Lebzeiten gestanden hatte oder denen er sich auf seiner letzten Reise anvertraute.
 
Monte Albáns ökonomische Ausstrahlung war vergleichsweise gering. Macht und Einfluss der Regierenden beruhten, wie meist in Mesoamerika, auf ihrer Befähigung, die Bedingungen des Bodenbaus mit der vorgeblich von den Göttern erworbenen Kenntnis der Schrift, der Astronomie, der Mathematik und des Kalenders zu verzahnen. Diese Leistung ließen sich die Priesterfürsten durch bombastische Baudenkmäler bestätigen und über den Einzug von Tributen vergüten. Dass das System aber krisenanfällig war und beim geringsten Versagen der Obrigkeit in eine Katastrophe münden konnte, beweist der Fall Teotihuacáns. Monte Albáns Abstieg setzte zwischen 650 und 700 n. Chr. ein, also annähernd zeitgleich mit dem Niedergang der Handelsmetropole. Vielleicht sind beide Zentren der gleichen Entwicklung erlegen. Während Teotihuacán wohl über gewandelte Marktbedingungen stürzte und seinen Prestigeverlust nicht länger durch die bewährte Verknüpfung von landwirtschaftlichem Erfolg und darauf abzielendem Ritual auffangen konnte, scheint die hausgemachte Bauernrevolte in Form des Dominoeffektes weitergerollt zu sein und auch an den Grundfesten Monte Albáns gerüttelt zu haben. Auch hier wurden Palast und Tempelanlagen schlagartig geräumt, was aber ohne tiefere Wirkung auf die ringsum siedelnde Wohnbevölkerung blieb. Immerhin erhielt sich das Fluidum der Stätte bis zur Herrschaft der Mixteken, da man die Grabkammern weiter für Bestattungen nutzte.
 
Ballspiele in Veracruz
 
Zu den wenigen Gebieten, die vom Untergang Teotihuacáns profitierten, gehört Zentralveracruz. Obwohl Stammland der Totonaken, die vermutlich zu den Gründern Cholulas und Teotihuacáns selbst zählten, setzte die tropische Umgebung hier doch völlig andere Akzente. Wichtigstes Zentrum war das um 500 n. Chr. aufstrebende El Tajín mit seiner siebenstufigen, dem namengebenden Wettergott geweihten Pyramide, das im Spiegel üppigster Vegetation zum Experimentierfeld wild wuchernder Architektur geriet.
 
Außerordentlicher Wertschätzung erfreute sich in Veracruz das rituelle Ballspiel, das schon die Olmeken kannten; allein El Tajín verfügte über sieben Wettkampfplätze. Das Spiel bezieht sich auf eine Legende, nach der die Sonne einst in die Nacht zu stürzen drohte und von einem Gott gerade noch aufgefangen werden konnte. Weil das Gestirn aber so heiß war, schleuderte er es einem anderen Gott zu, der es weiter zum nächsten warf. Viele Völker Altmexikos erklärten sich so den scheinbaren Sonnenlauf. Gewissermaßen um der Sonne zu demonstrieren, was sie zu tun habe, spielte man den Vorgang auf Erden nach. Zwei Teams nahmen Aufstellung und versuchten, eine Hartgummikugel — Sinnbild des Tagesgestirns — durch Zielringe zu bugsieren. Berührte der Ball den Boden, wurden Strafpunkte verteilt.
 
 Die peruanische Klassik
 
Die »klassischen« Kulturen Altperus ähneln in vielfacher Hinsicht denen Mesoamerikas. Hier wie dort errichteten Sterbliche zum Ruhme der Götter und ihrer irdischen Statthalter monumentale Bauwerke. Priesterfürsten lenkten die Geschicke der Menschen. Die zwischen Hoch- und Tiefland seit dem Formativum bestehenden Kontakte erfuhren durch kontrollierten Handel oder Tributbeziehungen, zudem wahrscheinlich durch Missionstätigkeit wesentliche Verstärkung und Erweiterung.
 
In eisigen Höhen oder inmitten sonnenglühender Wüsten siedelnd, nahm die Bevölkerung die Herausforderung ihrer Umwelt an und rang der oft feindseligen Natur beträchtliche Zugeständnisse in puncto Lebensqualität ab. So verstanden es die alten Peruaner, eklatante Niveauunterschiede vorteilhaft auszunutzen, indem sie spezielle, den jeweiligen Höhenstufen angepasste Kulturpflanzen züchteten. Auf den steppenartigen Hochflächen, wo das Klima keinen Anbau mehr zulässt, hüteten sie Lama- und Alpakaherden. Diese Tiere lieferten Wolle und Fleisch, ihre Ausscheidungen Dünger und Brennstoff. Andere Volksgruppen verwandelten die Ufer der Wüstenflüsse in fruchtbare Oasen.
 
Das Bilderbuch der Nazca
 
Um 300 v. Chr. begannen die Umrisse der Chavínkultur zu verblassen. Das einigende Band, das diese Kultur in Peru geschlungen hatte, zerfranste zu höchst unterschiedlichen regionalen Spielarten. Vor allem in den Flusstälern der Küstenwüste wob sich ein überraschend bunter Flickenteppich geographisch isolierter und durch zeitlich gestaffelte Kunstepochen gegliederter Traditionen, die zum Gesamtbild ein jeweils neues Muster beisteuerten: An der Nordküste etablierte sich u. a. die Vicúskultur (300 v. Chr. bis 700 n. Chr.), im Süden florierten die Kulturen von Moche (200 v. Chr. bis 700 n. Chr.) und Nazca (200 v. Chr. bis 540 n. Chr.), die ältere Entwicklungen fortsetzten.
 
Laienforscher und Fantasten haben viel zur Popularität der Nazcakultur beigetragen. Nicht wegen des Alltags, der sich kaum von dem anderer Küstenbevölkerungen unterschied — die Nazca waren Bauern, Fischer, Robbenschläger und Walfänger —, sondern wegen ihrer geheimnisvollen Religion. Besonders die eigenartigen Bodenzeichnungen, die Geoglyphen, dieses Volkes waren immer schon Gegenstand ungezählter Spekulationen. Bei den Geoglyphen handelt es sich um in die Wüstenkrume gescharrte, oft kilometerlange Geraden und Zickzack- linien, geometrische Flächen und Umrisse von allerlei Tieren. Restlos geklärt ist das Phänomen keineswegs, doch verdichten sich Hinweise auf ein riesengroßes mythologisches »Bilderbuch«, das Priester von den Anhöhen ringsum überschauten. Auf den Gipfeln enden auch viele der Geraden, während andere auf Geländemarken und Kuppen der nahen Kordilleren hinweisen. Hier oben weihten wahrscheinlich heilige Männer Jugendliche in das Glaubensbekenntnis der Nazca ein, zelebrierten Fruchtbarkeits- und Regenkulte.
 
Götterburgen aus Lehm — Die Mochekultur
 
Unter allen Traditionen der Küstenbewohner nimmt die Mochekultur den ersten Rang ein. Von ihrer Wiege im Chicamatal breitete sie sich stetig südwärts aus und umfasste schließlich ein Areal von etwa 300 km Länge. Unweit der heutigen Stadt Trujillo im Tal des Río Moche lag das politisch-religiöse Zentrum der Region, ein ausgedehnter Sakralbezirk, dessen herausragendes Bauwerk, die Huaca del Sol, ursprünglich eine Grundfläche von 288×136 m einnahm. Diese größte Pyramide Südamerikas war 50 m hoch und ist ausschließlich aus Adobes — flachen, luftgetrockneten Lehmquadern — aufgetürmt worden. 50 Millionen Ziegel, so hat man errechnet, wurden benötigt, um die Götterburg fertig zu stellen. Aus einer Fülle individueller Markierungen folgern Wissenschaftler, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen vorgeschriebene Mengen an Baumaterial abliefern mussten und deshalb die Ziegel zur Kontrolle mit Herstellerzeichen versahen.
 
Anhand des ungewöhnlichen Reichtums der in Motivmalerei und Gefäßplastik dargestellten Themen und Typen haben Archäologen weitere Einzelheiten dieser bemerkenswerten Kultur rekonstruiert. Lange Reihen von Gefangenen, wogende Schlachtszenen, Kriegssymbole, Rangabzeichen und an verschiedenen Orten aufgefundene Porträts ein und desselben Herrschers lassen zum Beispiel den Schluss zu, dass Moche eine zentral geführte, straff organisierte Monarchie war, die ihre Interessen nach außen expansiv-militärisch vertrat, während sich ihre Macht im Innern auf ein ausgefeiltes Klassensystem stützte.
 
In der Mochekultur gelangten Metallbearbeitung, Töpferei und Textiltechnik zu unübertroffener Blüte. Nirgendwo kommt das besser zum Ausdruck als bei den 1987 in der Huaca Rajada nahe der Stadt Chiclayo unversehrt entdeckten Fürstengräbern von Sipán. So enthielt ein Grab u. a. eine goldene Totenmaske, Geschmeide mit Türkisintarsien, kiloschwere Rückenpanzer aus Gold, einen filigranen kupfernen Kopfschmuck, eine reich verzierte Zeremonialrassel und unzählige wunderschön getöpferte Figurengefäße. Fünf menschliche Begleiter, darunter zwei junge Frauen, und einen Hund hatte man dem Potentaten für die Jenseitsreise geopfert.
 
Im Lauf des 7. Jahrhunderts n. Chr. machten sich im Mochestaat Verfallserscheinungen bemerkbar. Vielleicht beschwor damals Dürre ein landwirtschaftliches Desaster herauf. Allerdings gewannen gleichzeitig fremde Kultureinflüsse an Boden, die die Forschung auf Eroberer aus einer anderen Gegend Altperus zurückführt. Als Ausgangspunkt dieser Expansion gelten die andine Mantaroregion und deren Metropole Huari.
 
Herrscherinnen der Berge — Huari und Tiahuanaco
 
Huari und Tiahuanaco am Titicacasee setzten der klassischen Periode im Andengebiet Glanzlichter auf. Beide Städte verdanken ihr im Wesentlichen einheitliches Gepräge in Architektur und Kunstformen wohl kulturellen, insbesondere religiösen Strömungen aus den waldnahen Ostkordilleren. Während sich aber Huari nur zwischen 600 und 900 n. Chr. in die Geschichtsbücher eintrug, reichen Tiahuanacos Wurzeln in die Zeit um 400 v. Chr. zurück. Auch sonst gibt es Unterschiede. Offenbar entstand von Huari aus ein politisches System aneinander geketteter »Archipele« mit regionalen Unterzentren (u. a. Viracocha Pampa im Gebiet von Cajamarca, Pachacamac an der Zentralküste oder Pikillacta nahe Cuzco), das manche Elemente des späteren Staatsapparates der Inka vorwegnahm, also an Organisation und räumlicher Ausbreitung die örtlich gebundenen Fürstentümer früherer Epochen übertraf. Maßgeblich wirkten dabei Fernhandel, militärischer Druck und Religion zusammen. Demgegenüber blieb der politische Einfluss Tiahuanacos auf dessen Kernzone beschränkt. Die einigende Kraft des dort entwickelten theologischen Konzeptes jedoch und die davon untrennbaren künstlerischen Ausdrucksformen strahlten weithin aus.
 
Tiahuanaco liegt in fast 4000 m Höhe. Es grenzt an ein Wunder, dass die raue Hochsteppe produktiven Anbau zuließ. Dies kann nur mit geregelter Wasserversorgung und dem vom Titicacasee diktierten milderen Mikroklima erklärt werden. Uferpartien waren eingedeicht und von einem Labyrinth schmaler Kanäle durchzogen. Dazwischen wölbten sich Hochbeete, auf denen rund 50 verschiedene Feldfrüchte gediehen, allen voran Kartoffeln und Reismelde. Dank des landwirtschaftlichen Erfolgs ihrer Bauern verfügte die Stadt über ein ansehnliches Wohnareal, das etwa 3 km2 deckte. Beherrscht wurde die Siedlung von den zentral gelegenen Sakralbauten: Herzstück ist der heute stark erodierte Erdkubus der Akapana, einer steinummantelten Pyramidenplattform. Angeschlossen sind der geräumige Kulthof (Kalasasaya) mit dem mächtigen, aus einem einzigen Andesitblock gehauenen, sieben Tonnen schweren Eingangsportal (»Sonnentor«) und die Pumampunku-Anlage, ein Komplex riesiger Steinquader und Plattformen. Erstaunlicherweise stammt nahezu das gesamte Ausgangsmaterial dieser Großsteine von der Halbinsel Copacabana und musste aus 70 km Entfernung über Wasser und Land herbeigeschafft werden!
 
Weit war der Weg von den Walrippenhäusern archaischer Küstenfischer zur überwältigenden Steinarchitektur Tiahuanacos, verschlungen die Entfaltung immer besser organisierter, feiner strukturierter Gemeinwesen — und doch war dies erst eine Vorstufe zum mächtigsten Reich in der Geschichte des alten Amerika, dem der Inka.
 
Wolfgang Müller
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Aztekenreich, seine Vorgänger und Nachbarn: Pyramiden und Menschenopfer
 
Maya: Städte und Tempel
 
Inkareich: Die Herrschaft der Sonne
 
Literatur:
 
Altamerikanistik. Eine Einführung in die Hochkulturen Mittel- und Südamerikas, herausgegeben von Ulrich Köhler. Berlin 1990.
 
Das alte Mexiko. Geschichte und Kultur der Völker Mesoamerikas, herausgegeben von Hanns J. Prem u. a. München 1986.
 
Fischer-Weltgeschichte, Band 21: Séjourné, Laurette: Altamerikanische Kulturen. Aus dem Französischen. Frankfurt am Main 55.-56. Tausend 1992.
 
Illustrierte Geschichte der Menschheit, Band: Kulturen der Neuen und Pazifischen Welt. Kulturen Amerikas, Asiens und des Pazifiks, herausgegeben von Göran Burenhult. Aus dem Englischen. Hamburg 1995.
 
Illustrierte Geschichte der Menschheit, Band: Die Menschen der Steinzeit. Jäger, Sammler und frühe Bauern, herausgegeben von Göran Burenhult. Aus dem Englischen. Hamburg 1994.
 Wurster, Wolfgang W.: Die Schatz-Gräber. Archäologische Expeditionen durch die Hochkulturen Südamerikas. Hamburg 1991.


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