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ÄGYPTISCHER TEMPELKULT, ÄGYPTISCHE RITEN UND FESTE

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ägyptischer Tempelkult, ägyptische Riten und Feste
 
Der ägyptische Tempelkult war wesentlich Bildkult. Die Götter sind fern und verborgen, aber sie haben den König auf Erden eingesetzt, sie »zu besänftigen und den Menschen Recht zu sprechen«. Der König besänftigt sie, indem er ihre Bilder »gebiert«, ihnen Tempel baut und ihre Altäre mit Opfergaben ausstattet. Im heiligen Raum des Tempels vermögen die Bilder eine Beziehung zur Götterwelt herzustellen. Dafür muss ihnen ein täglicher Dienst erwiesen werden. Das kann der König nicht in eigener Person leisten; darum hat er überall im Land Priester zum Dienst an den Götterbildern abgestellt. Alles im Kult ist Vermittlung. Es gibt keine unmittelbare Schau eines Gottes, keine Ekstase, Trance, Mystik und Meditation in Ägypten.
 
Die Götterbilder werden nicht geschnitzt, gemeißelt und gegossen, sondern »geboren«. Der Bildhauer heißt ägyptisch »Beleber«. Die Statue ist nicht Bild des Leibes, sondern selbst Leib der Gottheit. Um als solcher dienen zu können, muss sie durch das Ritual der »Mundöffnung« beseelt werden. »Gott hat sich verborgen«, heißt es in einer Weisheitslehre, aber »ehre du Gott auf seinem Wege, (Gott), der aus Edelsteinen gemacht und aus Erz »geboren« ist,
 
wie eine Flut, die durch eine andere Flut ersetzt wird.
 
Es gibt keinen Fluss, der sich verbergen ließe.
 
Er zerstört den Damm, hinter dem er sich verborgen hatte.«
 
Das Kultbild hat zwei Naturen.Der Mensch stellt es her und »gebiert« es, aber der verborgene Gott wirkt durch es hindurch nach seinem Belieben. Der Ägypter drückt in der ihm vertrauten Symbolik des Wasserbaus die übernatürliche Kraft aus, die einem Ding innewohnt. Deutlicher noch kommt die Zweinaturenlehre des Kultbilds in der Schöpfungslehre des »Denkmals memphitischer Theologie« zum Ausdruck. Der Schöpfer »gebar« die Götter und
 
»machte ihren Leib ihnen ähnlich, wie sie es wünschten.
 
So traten die Götter ein in ihren Leib
 
aus allerlei Holz, allerlei Mineral, allerlei Ton
 
und jeglichen Dingen, die auf ihm wachsen,
 
in denen sie Gestalt angenommen haben.
 
Die Ägypter haben genauso gut wie der alttestamentliche Prophet Jeremia gewusst, dass das Bild ein »Machwerk« ist, »das die Hände des Werkmeisters mit der Axt gefertigt und mit Silber und Gold verschönt haben«, aber darüber hinaus haben sie geglaubt, dass sich im Rahmen der heiligen Handlung darin die Gegenwart des Göttlichen ereigne. Die Bilder wären nichts ohne die heilige Handlung, sie wären insbesondere nichts ohne die Sprache.
 
Kult ist Sprache und Handlung. Die Sprache beseelt die Handlung mit einem das Göttliche vermittelnden Sinn. Die kultische Kommunikation beruht auf dem Prinzip, dass es keinen direkten Kontakt zwischen Mensch und Gott gibt. Alles hat symbolisch zu geschehen. Auf der Seite des Göttlichen haben wir das Kultbild, das den Gott repräsentiert. Der Mensch kann sich dem Gott nicht in eigener Sache nähern. Er muss ebenfalls etwas anderes vertreten: den König, der seinerseits die Menschheit insgesamt vor Gott repräsentiert. Daher muss der Priester, wenn er am Morgen das Allerheiligste betritt, versichern:
 
»Ich bin ein Priester, Sohn eines Priesters.
 
Der König schickt mich, den Gott zu schauen.«
 
Sobald aber der Priester mit den Kulthandlungen beginnt, spricht er nicht in der Rolle des Königs, sondern eines Gottes.
 
»Ich löse das Siegel, öffne das Schloss,
 
um das Auge seinem Herrn darzubringen.
 
Ich bin Thot, der das Heile Auge seinem Herrn wiederbringt,
 
der Horus mit seinem Auge besänftigt.«
 
Kultische Sprache muss als Götterrede inszeniert werden, um wirksam zu sein. An den Tempelwänden ist dieselbe Handlung nochmals anders abgebildet. Hier sieht man den König vor der Gottheit agieren. Wir haben also drei Ebenen zu unterscheiden: Handlung (Priester vor Kultbild), Sprache (Priester als Thoth vor Horus) und bildliche Darstellung (König vor Gott).
 
Wenn der Priester das Siegel erbrochen und den Schrein mit dem Götterbild, den Naos, geöffnet hat, wird der Gott geweckt. Das geschieht in der Form einer Beschreibung, die aufzählt, was die Person des Gottes als Summe des ihm Zugehörigen oder »Sphäre des Seinigen« ausmacht:
 
»Mögest du erwachen in Lebendigkeit, du Herr der Götter,
 
Chons in Theben auf dem Großen Thron!
 
Möge dein Haus erwachen, das dein Herz weit sein lässt,. ..
 
Möge deine Barke erwachen, die deine Schönheit trägt,
 
dein Angesicht, das den Schrecken vor dir einflößt.
 
Möge deine Krone erwachen auf deinem Haupt,
 
deine Uräen, die dein Gesicht bewachen.
 
Möge deine Umringlerschlange erwachen um deine Kajüte,. ..
 
Möge deine Doppelfeder erwachen auf deinem Haupt...,
 
das Mekes in deiner Hand.
 
Möge dein Festduft erwachen in deinem Tempel,
 
der goldene Gewandstoff an deinem Gesicht,
 
möge das Was-Szepter und das Ames-Szepter erwachen in deinen Händen
 
Möge die gesamte Neunheit zu dir sprechen,
 
weil ihr Herr in Frieden erwacht ist.
 
Möge deine Nase sich mit Dauer und Heil vereinen,
 
mögest du die beiden Länder ergreifen in Rechtfertigung.
 
Möge dein schönes Angesicht dem Pharao gnädig sein.«
 
So wird jeden Morgen aufs neue die Gottheit durch Zuspruch in ihr Bild versammelt.
 
Das Bildritual umfasst zwei Teile: Speisung und Bekleidung. Jeder Teil gliedert sich in fünfzig und mehr Einzelhandlungen. Mittags und abends werden weitere Gottesdienste abgehalten.
 
All das vollzieht sich Tag für Tag in all den vielen Tempeln des Landes hinter verschlossenen Türen und unter strengstem Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Kontakt mit der Götterwelt konnte nur durch unablässiges Handeln gewährleistet werden, da nicht im Bild, sondern im Handeln das Geheimnis der göttlichen Gegenwart lag. An den Festtagen jedoch öffnen sich die Tempeltore, und der Gott zog aus. Wenn man sich einen ägyptischen Tempel des Neuen Reichs anschaut, stößt man hier regelmäßig auf zwei heilige Räume: einen für das ortsfeste Kultbild und einen für die Barke des Gottes. Der Alltagskult vollzieht sich vor dem Kultbild, beim Fest tritt die Barke in Aktion. Die Barke ist das »Fahrzeug« und als solches das spezielle Prozessionsbild des Gottes.
 
Zur Prozession versammeln sich die Götter eines Tempels, entweder in Gestalt ihrer Barken oder in Gestalt »heiliger Stäbe« und »Standarten«. Wichtig ist aber, dass der Festzug die »soziale Stellung« der in Prozession ausziehenden Gottheit als Haupt und Mittelpunkt einer Göttergesellschaft sichtbar macht. Schon diese Versammlung, das Zueinanderkommen und Miteinanderauftreten im Alltag voneinander getrennter Gottheiten in Gestalt ihrer Kultsymbole, hat festlichen Charakter. An den ganz großen Jahresfesten tritt sogar der König in Person auf. Die am Fest teilnehmenden Menschen bilden zwei Kategorien: Akteure und Publikum. Unter den Akteuren finden wir die Würdenträger, die Priester und Beamten, die genau festgelegte Rollen spielen - dazu gehören auch die Träger der Prozessionsbarke, sofern es sich nicht um eine Flussfahrt handelt -, und auf der anderen Seite die Tänzer, Schaukämpfer, Sänger, Ruderer, die nicht als Personen, sondern als Kollektive an dem Geschehen beteiligt sind. Die Würdenträger treten als namentlich genannte Festteilnehmer mit bestimmten Abzeichen auf, und es ist der höchste Wunsch der Toten, auch im Jenseits oder vom Jenseits aus in dieser Form an den großen Götterfesten teilnehmen zu können. Zum Prozessionsfest gehört aber auch und vor allem das Publikum: die jubelnde Volksmenge. Im Gegensatz zu den Akteuren steht hier die Teilnahme jedem frei.
 
Für das Volk sind die Feste die einzige Form, in der ihm eine Teilnahme am religiösen Leben möglich ist. Daher strömen zu den Prozessionsfesten alle Bewohner der Gegend zusammen. Manche Feste entwickeln eine solche Bedeutung und Ausstrahlung, dass Pilger aus dem ganzen Land anreisen. Sie wollen den Gott schauen an seinem schönen Fest.
 
Im Prozessionsfest ergreift die Gottheit selbst die Initiative. Dabei geschehen unvorhersehbare Dinge. Die ägyptische Bezeichnung für solche plötzlich auftretenden Willensbekundungen bedeutet zunächst etwa »Zeichen und Wunder« und wird dann zum Fachbegriff für »Orakel«. An den Festen gibt der Gott seine Orakel, aber nicht im Medium der Sprache, sondern in Form von Bewegungen des in Prozession ausziehenden Gottesbildes, die in den Texten als »vorrücken, zurückweichen, nicken« beschrieben werden. Beim Erscheinen des Gottes können ihm auf Vergangenheit oder Zukunft bezogene Fragen vorgelegt werden, die er durch eine entsprechende Bewegung nur bejahend oder verneinend beantworten kann. Das Orakel steigert auf diese Weise den ereignishaften, unvorhersehbaren Aspekt des Festes.
 
Mit dem Charakter der Prozession als eines Volksfests hängt die Versorgung der Festmenge zusammen. Zu beiden Seiten der Feststraße sind Lauben aufgestellt, die mit Speisen und Getränken zur unentgeltlichen Versorgung der Festteilnehmer und Zuschauer bestimmt sind. Das Fest ist daher auch eine Demonstration der Fülle. Offensichtlich dienen die Feste auch der Verschwendung des von den Tempeln erwirtschafteten Überflusses. Dadurch erscheint das Fest als eine Inszenierung des Goldenen Zeitalters, der Urzeit, als noch kein Mangel auf Erden herrschte.
 
Die mythische Urzeit ist in Ägypten gekennzeichnet durch die irdische Gegenwart der Götter. Es ist die Zeit, da die Götter auf Erden wohnten und der Sonnengott über Götter und Menschen gemeinsam herrschte. Himmel und Erde waren noch nicht getrennt. Es ist eben diese Trennung von Himmel und Erde, die im ägyptischen Prozessionsfest - für die Dauer des Festes - rückgängig gemacht wird, dadurch nämlich, dass die sonst im Allerheiligsten des Tempels als einem symbolischen »Himmel« hermetisch abgeschirmte Kultgestalt des Gottes der Außenwelt, der »Erde« erscheint. Der Auszug des Gottes aus seinem Tempel hebt die Trennung von Himmel und Erde auf, indem die Ausstrahlung seiner Gegenwart, seine »Schönheit«, die ganze Welt, Himmel und Erde, ergreift und in die Feststimmung hineinzieht:
 
»Himmel und Erde sind voll seiner Schönheit,
 
überschwemmt vom Gold seiner Strahlen.«
 
Prof. Dr. Jan Assmann


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