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ARABISCHE WISSENSCHAFT

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arabische Wissenschaft,
 
Sammelbegriff für die im islamischen Kulturkreis etwa vom 8. Jahrhundert bis ins 15. Jahrhundert hinein betriebenen und geförderten Wissenschaften, besonders für Astronomie, Mathematik und Medizin. Während bereits unter den ersten Kalifen eine sich auf Theologie, Jurisprudenz, Geschichte und Philologie erstreckende eigenständige islamische Wissenschaft entstand (arabische Literatur), setzte mit Beginn der Abbasidenherrschaft (750 n. Chr.) zuerst die Übersetzung praktisch wichtiger Werke der Medizin, Astronomie und Astrologie, Landwirtschaft, Logik u. a. aus dem Persischen und Indischen und dann unter dem Einfluss der damals maßgebenden theologischen Richtung der Mutasila die Übersetzung griechischer Texte ein. Innerhalb weniger Jahrzehnte waren die wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten aus der Antike ins Arabische übertragen.Diese Arbeit leisteten nicht nur islamische, sondern auch christliche und heidnische Gelehrte, v. a. syrische Ärzte und Geistliche im Solde hoch gestellter Muslime. Tatkräftigster Förderer dieser Bemühungen war nach dem Kalifen Harun ar-Raschid ab 813 der Kalif al-Mamun, der in Bagdad eine Übersetzerakademie, das »Haus der Weisheit«, gründete und den christlichen Arzt Hunain Ibn Ishak al-Ibadi (lateinisch Johannitius, * 809, ✝ 877) mit ihrer Leitung betraute. Dieser legte eine große Sammlung v. a. in Byzanz gekaufter griechischen Handschriften an und übersetzte vorbildlich die Werke von Platon und Aristoteles sowie die Arbeiten von Hippokrates, Galen und Dioskorides, den Begründern der griechischen Medizin. Aus dieser Akademie stammen auch Übersetzungen der Werke von Plotin u. a. Neuplatonikern sowie einer großen Zahl von Werken aus der Physik, der Zoologie, Botanik und Mineralogie, der Geographie, der Mathematik, der Astronomie und der Alchimie. Manche Schriften der Klassiker (z. B. von Proklos, Alexander von Aphrodisias, Galen, Archimedes, Heron von Alexandria) sind nur in arabischer Übersetzung erhalten.
 
In der Folgezeit haben einheimische Gelehrte, größtenteils nichtarabischer Herkunft, das neue Wissensgut verarbeitet, mit dem Wissen der Babylonier, Ägypter, Perser, Inder, später auch der Chinesen (über die mongolischen Eroberer) verknüpft und es in vieler Hinsicht selbstständig weiterentwickelt. Bedeutend waren besonders die enzyklopädischen Abhandlungen der Ichwan As-Safa sowie die Werke der Philosophen al-Kindi (✝ um 870), Alfarabi (✝ um 950), Ibn Sina (lateinisch Avicenna, zugleich Arzt, ✝ 1037) und Ibn Ruschd (lateinisch Averroes, ✝ 1198), der Physiker Ibn al-Haitham (lateinisch Alhazen, ✝ nach 1039) und Chasini (✝ um 1125), des Universalgelehrten al-Biruni (✝ nach 1048) und viele andere. Ihre Synthese orientalischen und antiken Geistes hat die islamische Kultur entscheidend geformt, obwohl die »fremden Wissenschaften« (Philosophie, Medizin, Mathematik, Astronomie, Natur- und Geheimwissenschaften) niemals in den normalen Ausbildungsgang der Theologen und Juristen aufgenommen wurden. Manche Wissenszweige, z. B. Religionswissenschaft, Soziologie, Chronologie, Experimentalphysik, Trigonometrie und Algebra, sind von islamischen Gelehrten geschaffen worden oder fanden durch sie ihre erste gültige Ausprägung.
 
Die arabische Wissenschaft erreichte ihren Höhepunkt um 1000 n. Chr., konnte aber mit dem Erstarken der wissenschaftsfeindlichen Orthodoxie (besonders durch den Einfluss von Ghasali, ✝ 1111) sowie infolge allgemeiner Verschlechterung der politischen und wirtschaftlichen Lage diesen hohen Entwicklungsstand mit Ausnahme der Astronomie nicht halten. Sie erstarrte dann gegen Ende des 15. Jahrhunderts und wehrte sich seitdem beharrlich gegen Einflüsse aus dem inzwischen weit fortgeschrittenen Abendland. Durch die Spaltung der arabischen Welt in ein ost- und ein westarabisches Kalifat bestanden zeitweise nur sehr lose Beziehungen zwischen den Gelehrten im Osten (mit dem Zentrum Bagdad, daneben Isfahan, Buchara, Samarkand und Ghasai) und denjenigen im Westen (Spanien mit Zentrum Córdoba und Toledo), der so bedeutende Gelehrte wie die Astronomen Sarkala (lateinisch Arzachel, ✝ 1100) und Djabir Ibn Aflach (lateinisch Geber Hispalensis, 12. Jahrhundert), den Pharmakologen Ibn al-Baitar (✝ 1248), die Philosophen Ibn Ruschd und Ibn Badjdja (lateinisch Avempace, ✝ um 1139) und den Historiker Ibn Chaldun (✝ 1406) hervorbrachte. Diese nur lose Verbindung brachte es mit sich, dass nur eine begrenzte Auswahl der arabischen Wissenschaften im Abendland bekannt wurde, als besonders in Spanien und Sizilien unter der Herrschaft der Omaijaden im 11. bis 13. Jahrhundert Werke aus Medizin und Astrologie, Astronomie, Mathematik und Philosophie, aber auch alchimistische und geheimwissenschaftliche Schriften ins Lateinische übersetzt wurden. So gelangten die Kenntnisse griechischer Klassiker, darunter nahezu der gesamte Aristoteles, über das Arabische ins abendländische Europa. Bedeutende Übersetzer waren u. a.: Adelard von Bath (um 1120), Johannes von Sevilla (um 1140), Hermann von Dalmatien und Robert von Chester (um 1145), Gerhard von Cremona (✝ 1187) und Michael Scotus (✝ um 1235). Die Bearbeitungen und Kommentare der arabischen Gelehrten, deren Namen in spanisch-latinisierter Form bald im ganzen Abendland bekannt waren, gaben Anlass zur Wiederaufnahme der wissenschaftlichen Tradition des Griechentums, aber auch zur Übernahme und Weiterbildung der scholastischen Methode. Insgesamt liegt die historische Bedeutung der arabischen Wissenschaften in der Vermittlerrolle, die sie für die wissenschaftliche Entwicklung im Abendland spielte. Vom Einfluss der arabischen Astronomie zeugen bis heute Ausdrücke wie Zenit, Azimut und viele Sternnamen, in der Mathematik Ausdrücke wie Algebra, Algorithmus, Sinus und Cosinus.
 
 Astronomie
 
Durch die religiösen Vorschriften des Islam waren zahlreiche Aufgaben in der mathematischen Astronomie vorgegeben, v. a. in Verbindung mit der Zeitmessung und dem Kalenderwesen. Bei der Lösung dieser Probleme, die sich v. a. durch das strikte Gebot eines Mondkalenders, der Ausrichtung der Gebete und der Moscheen in Richtung Mekka sowie durch die Festlegung der Gebetszeiten und des Ramadanbeginns ergaben und eine recht hoch entwickelte sphärische Geometrie erforderten, gelangten die islamischen Gelehrten weit über den Wissensstand und die Methoden der Griechen hinaus. Zentren astronomischer Tätigkeit waren Bagdad, Kairo und Toledo (wo die einflussreichen großen Tafelwerke für die Berechnung von Planetenörtern, die Toledanischen Tafeln und die Alfonsinischen Tafeln, entstanden) und in späterer Zeit Samarkand, wo der Tatarenfürst Ulug Beg 1420 eine Sternwarte errichtete. Neben der (ab dem 8. und 9. Jahrhundert durch syrische und indische Übersetzungen geförderten) Rezeption der geozentrischen Astronomie des Ptolemäus, u. a. in Bagdad durch al-Farghani (lateinisch Afraganus, ✝ nach 861) mit seinen »Elementen der Himmelskunde« und Thabit Ibn Kurra (✝ 901) mit einem Kommentar zum Almagest, und ihrer späteren Vermittlung an das Abendland (seit dem 12. Jahrhundert), liegt die Bedeutung der arabischen Astronomie besonders in der Erweiterung und Verbesserung von Planetenbeobachtungen, v. a. durch al-Battani (lateinisch Albategnius, ✝ 929). Das von Ptolemäus überlieferte Sternverzeichnis gab die Anregung zu Arbeiten ähnlicher Art, so z. B. das Sternverzeichnis von as-Sufi (✝ 986), das besonders zuverlässige Helligkeitsangaben aufweist. Bedeutende arabische Astronomen waren in der Folgezeit Chodjandi (✝ um 1100) in Persien, Sarkala und Djabir Ibn Aflach in Spanien, Nasir ad-Din at-Tusi (✝ 1274) in Persien und al-Hasan (* um 1262) in Marokko. Besonders zu erwähnen sind die Verbesserungen an astronomischen Beobachtungsgeräten, z. B. am Astrolabium und an der Armillarsphäre, durch arabische Astronomen, die Erfindung des Mauerquadranten und die Errichtung der ersten größeren Sternwarten.
 
 Mathematik
 
Die arabische Mathematik hat nach Zusammenfassung des mathematischen Wissens der Griechen, Ägypter, Inder und Perser diese Kenntnisse wesentlich weiterentwickelt. Gegenüber der griechischen Mathematik betonte sie dabei v. a. rechnerische Verfahrensweisen.
 
In der Arithmetik führte al-Charismi (✝ nach 846) zu Beginn des 9. Jahrhunderts das Rechnen mit den aus Indien übernommenen Ziffern ein. Er benutzte auch bereits Stamm- und Sexagesimalbrüche, während Dezimalbrüche erst al-Kaschi (✝ 1429) in einer 1427 vollendeten Abhandlung einführte, in der er auch ein Verfahren zum Ziehen von Wurzeln beschrieb. Nasir ad-Din at-Tusi behandelte schon 160 Jahre vor al-Kaschi den binomischen Lehrsatz und das Ziehen von Wurzeln durch dessen Anwendung. al-Biruni betrachtete auch irrationale Zahlen als Gegenstand der Arithmetik und Algebra. - Über Zahlentheorie schrieben Thabit Ibn Kurra, der eine Regel zur Konstruktion befreundeter Zahlen angab, und der um 900 in Ägypten lebende Abu Kamil sowie, an Diophantos anknüpfend, der Perser al-Karadji (um 1000). - Die Algebra erhielt ihren Namen durch Verballhornung des Titels von al-Charismis Lehrbuch, in dem er auch den einfachen Dreisatz behandelte. al-Biruni verfasste eine eigene Abhandlung darüber.
 
In der Trigonometrie baute die arabische Mathematik auf der von Hipparchos und Ptolemäus entwickelten Sehnentrigonometrie und auf der von den Indern im 6. Jahrhundert entwickelten Halbsehnentrigonometrie auf. Von al-Charismi und Abu l-Wafa al-Busdjani (✝ 998) stammen Sinustafeln. Habasch al-Hasib al-Marwazi (✝ nach 864) waren auch Tangens und Kotangens bekannt. Nasir schrieb mit seiner »Abhandlung über das vollständige Vierseit« die erste selbstständige Darstellung, in der er einen abgerundeten Aufbau der ebenen und sphärischen Trigonometrie gab. - Die arabische Geometrie knüpft in der Hauptsache an Euklids »Elemente« an. Omar-i Chajjam (✝ 1131) löste schon Ende des 11. Jahrhunderts kubische Gleichungen mithilfe von Kegelschnitten. 1424 schloss al-Kaschi eine Untersuchung ab, in der die Kreiszahl π auf 17 Dezimalstellen genau bestimmt wurde.
 
Bei Infinitesimalbetrachtungen erzielten die Araber des 10. und 11. Jahrhunderts mit der Exhaustionsmethode neue Ergebnisse. Thabit Ibn Kurra quadrierte das Parabelsegment und ermittelte das Volumen bestimmter parabolischer Kuppeln; die Kubatur weiterer Rotationskörper gelang Alhazen.
 
 Medizin
 
Die medizinischen Kenntnisse der Araber des Mittelalters beruhten im Wesentlichen auf griechisch-byzantinischen Quellen (Hippokrates, Aristoteles, Galen u. a.). Die Blütezeit der arabischen Medizin ist geprägt durch die beiden arabischen Ärzte Rhazes (✝ nach 921) und Ibn Sina. Letzterer übte mit seinem systematisch aufgebauten Lehrbuch der gesamten antiken und arabischen Heilkunde (lateinisch »Canon medicinae«) den größten Einfluss auf die Medizin des europäischen Mittelalters aus. - Mit dem Vordringen der Araber nach Nordafrika und Spanien bildeten sich auch hier Zentren medizinischer Aktivität. Eine bedeutende Medizinschule entstand in Kairouan in Tunesien. Ihr wichtigster Vertreter war der jüdische Arzt Abu Jakub Ishak Ibn Sulaiman al-Israili (lateinisch Isaac Judaeus, ✝ um 900). Seine Schriften über Diät, über das Fieber und über den Harn fanden im europäischen Mittelalter große Verbreitung. - Im Unterschied zum arabischen Osten war die arabische Medizin im maurischen Spanien stärker praxisorientiert und weniger dogmatisch. Der bedeutendste arabische Chirurg war Abu l-Kasim (lateinisch Abulcasis, ✝ um 1013), der die im arabischen Osten sonst tabuisierten Disziplinen Chirurgie, Geburtshilfe und Gynäkologie beschrieb. - Der jüdisch-spanische Arztphilosoph Moses ben Maimon (lateinisch Maimonides, ✝ 1204), der in Ägypten Leibarzt des Sultans Saladin war, galt im islamischen Kulturkreis als Autorität. Von ihm stammen u. a. Abhandlungen über Hygiene.
 
Die einzelnen medizinischen Disziplinen erfuhren in der arabischen Medizin unterschiedliche Beachtung. Die Anatomie folgte in allen Zügen Galen. Selbstständige Forschungen waren aus religiösen Gründen verpönt. Als einziger arabischer Mediziner hat Abd al-Latif (✝ 1231) menschliche Skelette untersucht und dabei Galen einige Irrtümer nachgewiesen. Ebensowenig hat sich die Chirurgie weiterentwickelt. Selbstständig und erfolgreich war die arabische Medizin in der diätetischen Therapie und in der Arzneimittellehre. Der Arzneimittelschatz der Griechen wurde mit Kenntnissen aus dem ostasiatischen und indischen Bereich stark erweitert, und das Apothekenwesen gewann große Bedeutung. Als Einzeldisziplin hatte die Augenheilkunde die größte Bedeutung. Sie wurde von wissenschaftlich gebildeten Spezialisten betrieben und ausführlich in Abhandlungen dargestellt. Der Ausbau des Krankenhauswesens im arabischen Kulturkreis ist für die damalige Zeit beispielhaft.
 
Literatur:
 
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 D. E. O'Leary: Arabic thought and its place in history (London 21939, Nachdr. 1954);
 R. Paret: Der Islam u. das griech. Bildungsgut (1950);
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 J. Kraemer: Das Problem der islam. Kulturgesch. (1959);
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 F. Rosenthal: Das Fortleben der Antike im Islam (Zürich 1965);
 H. A. R. Gibb u. J. M. Landau: Arab. Lit.-Gesch. (a. d. Engl., Zürich 1968);
 M. Ullmann: Die Medizin im Islam (Leiden 1970);
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The legacy of Islam, hg. v. J. Schacht u. C. E. Bosworth (Oxford 21974);
 G. Strohmaier: Denker im Reich der Kalifen (1979).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
arabische Wissenschaft = muslimische Wissenschaft
 
muslimische Bildungszentren
 


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