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ERWECKUNGSBEWEGUNGEN: »AUFERWECKUNG« AUS SÜNDENSCHLAF UND TOD

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Erweckungsbewegungen: »Auferweckung« aus Sündenschlaf und Tod
 
Gegen den Absolutismus und die Aufklärung als die bestimmenden Größen des 18. und 19. Jahrhunderts formierte sich der Widerstand der Erweckungsbewegungen. Sie bildeten die erste religiöse Massenbewegung, die zwar auf den Barockpietismus zurückgreifen konnte, die aber gleichzeitig aus der Subjektivität und Enge der kleinen pietistischen Gemeinschaften ausbrach und bewusst missionieren und bekehren wollte. Dabei zerfielen die Erweckungsbewegungen, die auch im französisch-, vor allem aber im englischsprachigen Raum aufkamen, in eine Vielzahl kleiner und großer Gruppierungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Ihnen gemeinsam ist das Bedürfnis nach Erneuerung, nach »Auferweckung« (englisch »revival«, französisch »réveil«) aus Sündenschlaf und Tod sowie nach Heiligung des familiären Alltags. Daraus erwuchs eine umfassende Frömmigkeitsbewegung, in der sich die Anliegen der Romantik im kirchlichen Bereich niederschlugen.
 
Die Ursprünge der Bewegung sind in England zu suchen, wo sich bereits ab 1700 vorwiegend Männer der gehobenen Gesellschaft in religiösen Gemeinschaften, »religious societies«, zusammenschlossen, und angesichts wachsender Armut und religiöser Vernachlässigung der Jugend im Großraum London ein Armenschulwesen ins Leben riefen.Zu ihnen stießen auch Mitglieder der Herrnhuter Brüdergemeine, die kleinere Gemeinden zu einer ersten englischen Erweckungsgemeinde, der bis heute bestehenden »Moravian Church«, formierten.
 
Trotz dieser Vorläufer verstand es erst der Methodismus als erste der großen Erweckungsbewegungen im 18. Jahrhundert unter John Wesley, die in den viktorianischen Tugenden wie Selbstdisziplin, Fleiß und Ordnungsliebe tradierten Werte des Puritanismus nutzbar zu machen und weiterzuführen. Zusammen mit dem Erweckungsprediger George Whitefield verbreitete Wesley seine Bewegung durch unermüdliche Predigttätigkeit im gesamten angelsächsischen Sprachraum und schließlich bis nach Amerika, was - nach seinem Tod - 1795 auch zur Trennung von der anglikanischen Kirche beitrug. Neben der Orientierung an der urkirchlichen Gemeindepraxis und der Bibel war auch die Laienpredigt den Methodisten wichtig. Wegen ihres Interesses an der sozialen Frage zunächst unter den englischen Bergarbeitern und Gewerkschaftlern verbreitet, predigte Whitefield in Amerika vor allem in Freilichtgottesdiensten und Missionszelten, zu denen teilweise bis zu 20 000 Menschen zusammenströmten. Die Gestalt Jesu Christi stand im Mittelpunkt der Predigt, in der man in einfacher, plastischer Volkstümlichkeit auch unter Hinweis auf Hölle und Teufel auf Bekehrung drängte. Aus der anfangs von ihren Kritikern als »Holy Club« belächelten Studentenverbindung in Oxford, die »methodisch« - von daher rührt auch der Name der Bewegung - mit Übungen, Bekehrungsstunden und Selbstkontrolle die bewusste Hinwendung zu Christus praktiziert hatte, war die letzte umfassende christliche Kirchengründung der Neuzeit hervorgegangen.
 
Evangelikale Kreise der Erneuerungsbewegungen, die mit dem Methodismus auf breiter Ebene einsetzten, bildeten in England die praktisch-sozial ausgerichtete »Evangelical« oder »Low Church«. Dagegen blieb die liberal ausgerichtete »Broad Church«, die zweite der drei Richtungen innerhalb der anglikanischen Kirche, mit ihrem aufklärerischen Programm eines an Wissenschaft und Kultur ausgerichteten vernunftorientierten. Christentums eine Minderheit. In der eher konservativen »High Church«, die stärker auf altkirchlich-katholische Traditionen zurückgriff und einen Mittelweg zwischen anglikanischer Kirche und Katholizismus einschlug, leitete die Oxford-Bewegung unter John Henry Newman die Erneuerung ein. Auch hier betätigte man sich intensiv auf sozialem Gebiet wie der Einrichtung von Kranken- und Waisenhäusern, von Bibliotheken, Tages- und Sonntagsschulen in den Londoner Slums. Daneben brachte die Erweckungsbewegung weitere Vereinigungen hervor wie 1843 die »Freie Kirche von Schottland« und die 1846 gegründete ökumenisch orientierte »Evangelische Allianz«, die allerdings des öfteren in fundamentalistischen oder sektiererischen Zirkeln endeten. Zu ihnen zählte die enthusiastisch-apokalyptische Anhängerschaft des schottischen Erweckungspredigers Edward Irvingebenso wie die nach Militärprinzipien organisierte Heilsarmee des einstigen Methodistenpredigers William Booth.
 
Noch deutlicher konnten die Erweckungsbewegungen in den nordamerikanischen Kolonien bzw. in den seit 1776 für unabhängig erklärten USA Fuß fassen. Hatten schon die Methodisten durch berittene Reiseprediger und die Baptisten mit ihren Farmerpredigern die Ausbreitung nach Westen begleitet, so bildete sich in Kentucky und Tennessee die Tradition riesiger öffentlicher Versammlungen, der Camp-Meetings, heraus. Die großen amerikanischen Erweckungswellen (»Great Awakenings«) mündeten schließlich einerseits in die Pfingstbewegungen mit ihren charakteristischen Merkmalen wie Geisttaufe und Glossolalie, also der geisterfüllten ekstatischen Rede, andererseits in den Evangelikanismus: Letzterem gelang eine Verbindung von Amerikanismus und endzeitlich gestimmter Evangelisation. Seit seinem Aufkommen kennzeichnet den Evangelikanismus eine suggestive, die Mittel der Rhetorik und Psychologie einsetzende Verkündigung, er brachte in der Folgezeit bekannte »Evangelisten« hervor wie den populären Fernsehprediger Billy Graham unserer Zeit.
 
Der ausgeprägte Missionseifer der Erwecker wurde in einer Reihe bedeutsamer Institutionen - wie Biebl- und Missionsgesellschaften - organisiert. In Kontinentaleuropa fasste die Erweckungsbewegung vor allem mit der Gründung der »Deutschen. Christentumsgesellschaft« 1780 in BaselFuß. Diese verschrieb sich der äußeren und inneren Mission, es kam zur Einrichtung von Bibelvereinen: In Verbindung mit der Erweckungsbewegung standen auch Dichter wie Matthias Claudius, Friedrich Gottlieb Klopstock oder Johann Heinrich Jung, der nach den Trägern der Erweckung, den »Stillen im Lande«, mit dem Beinamen »Stilling« bedacht wurde.
 
Die Erweckungsbewegungen vermochten es, große Bevölkerungsteile für soziale Belange zu aktivieren und mit ihren Programmen zu einer christlichen Durchdringung des Alltags Wohltätigkeit und Humanität zu fördern, erreichten aber auch ein Zurückdrängen des Rationalismus. Schon früh traten sie für die Abschaffung der Sklaverei ein und griffen die soziale Frage auf, während die etablierten Kirchen noch lange die soziale Frage als zentrales kirchliches Anliegen vernachlässigten; sie wurden damit zu Vorreitern christlicher Sozialethik. Das 19. Jahrhundert ging in die Geschichte als »Anstaltsepoche« ein; indem die Erweckungsbewegungen schließlich das Interesse an Bibel und Mission mit der Einrichtung zahlreicher Institutionen, Vereine, Zirkel und Verbände auffingen, leisteten sie ihren Beitrag dazu.
 
Dr. Ulrich Rudnick
 
Literatur:
 
Beyreuther, Erich: Die Erweckungsbewegung. Göttingen 21977.
 
Geschichte des Christentums, Band 3: Krumwiede, Hans-Walter: Neuzeit. 17.—20. Jahrhundert. Stuttgart u. a. 21987.
 
Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur, herausgegeben von Jean-Marie Mayeur u. a. Deutsche Ausgabe herausgegeben von Norbert Brox. Band 11: Liberalismus, Industrialisierung, Expansion Europas (1830—1914). Aus dem Französischen. Freiburg im Breisgau u. a. 1997.
 Moeller, Bernd: Geschichte des Christentums in Grundzügen. Göttingen 61996.
 Mühlenberg, Ekkehard: Epochen der Kirchengeschichte. Heidelberg u. a. 21991.
 Wallmann, Johannes: Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation. Tübingen 41993.


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