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ENERGIEWIRTSCHAFT IN DER ZUKUNFT

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Energiewirtschaft in der Zukunft
 
Die fossilen Energien haben die Industrialisierung der Welt getragen, erst im letzten Fünftel der zweieinhalb Jahrhunderte ihrer Geschichte ergänzt durch einige Prozent Kernenergie. Wenn auch Kohle, Öl, Erdgas, Uran zunächst weiterhin das Rückgrat der Versorgung mit Energierohstoffen bilden werden, so sind doch Anzeichen unverkennbar, die auf die Notwendigkeit einer Energiewende hindeuten: Die Menschheit wächst von derzeit etwa sechs Milliarden um rund 80 Millionen Menschen pro Jahr. Acht, zehn oder gar zwölf Milliarden in den kommenden Jahrzehnten können nicht ausgeschlossen werden. Das Wachstum findet hauptsächlich in den sich entwickelnden Ländern statt. Dort wohnen schon heute 75 Prozent der Menschen, allerdings mit einem Energiebedarf von nur 25 Prozent, während die Industrieländer mit 25 Prozent der Menschen 75 Prozent des Energiebedarfs der Welt auf sich ziehen. Von der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichheit ist die Menschheit auch energetisch weit entfernt.
 
Wahrscheinlich werden auch weiterhin Lagerstätten gefunden, die abzubauen sich lohnen und die über die gesicherten Ressourcen hinausgehen.Gleichwohl ist damit zu rechnen, dass das Fördermaximum für Öl in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts erreicht sein wird, das für Erdgas nicht lange danach. Hinzu kommt, dass die bestehenden Lieferoligopole eher noch stärker werden, da die Vorkommen geographisch außerordentlich konzentriert sind: Gut zwei Drittel des Erdöls lagern in Nahost, 45 Prozent des Erdgases in der GUS. Mit zunehmendem Erschöpfungsgrad sind Verteilungskämpfe nicht auszuschließen. Dabei dürften die Reste im Grunde nicht mehr energetisch genutzt werden, sie müssten als Chemierohstoffe vorgehalten werden.
 
So weit wird es wohl gar nicht kommen, denn eine verantwortliche Umwelt- und Klimapolitik wird nach allem Wissen rechtzeitig Grenzen setzen müssen. Schon heute bewirken die zunehmenden Treibhausgaskonzentrationen einen Anstieg der mittleren Temperatur in der Atmosphäre von 0,1 Grad pro Dekade. In Deutschland ist die Energieversorgung zu 50 Prozent, der Verkehr zu gut 20 Prozent am Treibhauseffekt beteiligt. Die 1992 in Rio de Janeiro beschlossene Klimarahmenkonvention verlangt die Reduzierung der Treibhausgase binnen eines halben Jahrhunderts um 60 bis 80 Prozent, um das irdische Klima zu stabilisieren. Die Umsetzung dieser Forderung kommt faktisch einem Abschied aus der fossilen Energieära gleich.
 
 Das Energiesystem in hundert Jahren
 
Was ist zu tun? Zeichnen wir zunächst eine Vision des Energiesystems im ausgehenden 21. Jahrhundert — wir nennen es die zweite solare Zivilisation. Es liegt im Wesen einer solchen Vorausschau, dass wir nicht sicher sein können, ob unsere Vision sich tatsächlich erfüllt — wer kann schon für einen so langen Zeitraum sichere Voraussagen machen! Aber ein Blick auf unser heutiges Energiesystem zeigt, dass ein Wandel dringend Not tut, und auch die Richtung, in die die Veränderung gehen muss, liegt, zumindest in Teilen, offen vor uns.
 
100 Jahre sind ein angemessenes Zeitmaß für unseren Ausblick, denn Veränderung braucht Zeit. Die Lebensdauer eines Bergwerks zählt Jahrhunderte, die eines Kraftwerks ein halbes Jahrhundert, diejenigen großer Energienutzer wie Häuser und Städte wieder viele Jahrzehnte und länger.
 
Auch technologische Entwicklungen brauchen einen langen Atem. Die Kernenergie ist mehr als ein halbes Jahrhundert alt und brachte es in dieser Zeit auf gerade einmal sieben Prozent Primärenergieäquivalent. Die Gasturbine war in den 1940er-Jahren zuerst Antrieb für Flugzeuge, und erst heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, hat sie in irdischen Kombikraftwerken beeindruckenden Erfolg. Auch der Brennstoffzelle, an der alle Welt arbeitet, wird es nicht anders gehen, es wird wahrscheinlich noch weiterer Jahrzehnte der Entwicklungsarbeit bedürfen, bevor sie an Bord von Automobilen den Hubkolbenmotor oder in den Kellern der Haushalte die Öl- oder Gaskessel ersetzen kann.
 
Dann aber, wenn die Möglichkeiten des technisch Machbaren wesentlich weiter als heute an ihre Grenzen vorgedrungen sein werden, wird die zweite solare Zivilisation eine Niedrigenergiewirtschaft sein. Die Zwei-Kilowatt-Gesellschaft von heute — zwei Kilowatt ist der derzeitige Primärenergiebedarf pro Kopf und Jahr im weltweiten Mittel — wird erhalten bleiben können, aber mit höherem Gleichmaß als heute, also weniger Ausreißern nach oben und nach unten. Eine Technologieentwicklung sondergleichen wird zum Zurückdrängen der Primärenergierohstoffströme auf einen schmalen Rest führen, der zudem geringer an Gewicht sein wird, da der Kohlenstoffanteil zugunsten von Wasserstoff zurückgedrängt werden wird. Die betrieblich energierohstofffreien erneuerbaren Energien werden es sein, die das Rückgrat des Energiegeschehens bilden. Die Potenziale des natürlichen Angebots an erneuerbaren Energien kennen im Prinzip kaum Grenzen!
 
Das Herzstück der zukünftigen Energiewirtschaft wird anstelle des Einsatzes riesiger Mengen von Energierohstoffen die Technik bilden, die hilft, die vorhandenen Primärenergien so effizient wie nur möglich zu nutzen. Dabei wird dem Verbraucher am Ende der Energiewandlungskette eine wesentlich verantwortlichere Rolle zukommen, als dies heute der Fall ist. Er ist es, der durch den vernünftigen Einsatz sparsamer Geräte entscheidet, wie viel oder — besser — wie wenig Primärenergie am Anfang der Wandlungskette eingesetzt werden muss. Die zentrale Energieversorgung durch große Kraftwerksblöcke wird ergänzt (und später abgelöst) werden durch eine dezentrale Verteilung kleinerer Kraftwerkseinheiten, durch die einzelne Regionen in höherem Maße als heute energetisch autark werden können.
 
Warum wird es unumgänglich sein, diese Vision in die Wirklichkeit umzusetzen?
 
 Von der Energievergeudung zur Energienutzung
 
Bei prinzipiell keiner Energieumwandlung kann es dem Menschen gelingen, die Energie, die er einsetzt, restlos in die Energieform umzuwandeln, die er haben möchte. Stets wandelt sich ein Teil in andere Energieformen, meist Abwärme, die sich der gewollten Nutzung entzieht; die Ingenieure haben für diesen Anteil der Energie die Bezeichnung Anergie geprägt. Das natürliche Ziel jeder Energiewirtschaft sollte es folglich sein, den Anergieanteil der Energieumwandlung so klein wie möglich zu halten. Die heutige Realität sieht leider anders aus.
 
Der Zentralheizungskessel eines Wohnhauses mag zwar fast 100 Prozent des Brennstoffgehalts in Wärme umsetzen; davon kann dann jedoch nur ein deprimierend geringer Anteil tatsächlich zur Heizung und zur Erzeugung von warmem Wasser genutzt werden. Es ist eben widersinnig, im Kessel eine Verbrennungstemperatur von 1600 Grad Celsius zu erzeugen, nur um Wärme von 60 Grad Celsius in die Heizkörper schicken zu können, besonders, wenn man bedenkt, dass mit einer modernen Brennstoffzelle, die zusätzlich zur Wärme auch noch elektrischen Strom erzeugt, der Energieinhalt des Brennstoffs zu 80 Prozent und mehr in Nutzenergie umgesetzt werden könnte.
 
Oder das Beispiel Verkehr: Selbst nach 100 Jahren Automobilgeschichte ist die Technik gerade so weit fortgeschritten, dass beklagenswerte zehn bis zwanzig Prozent der chemischen Energie des Benzins in mechanischen Vortrieb des Autos umgesetzt werden. Damit sind Automobile eigentlich Heizgeräte, die den größten Teil des Energieinhalts des Kraftstoffs in unnütze Wärme umwandeln und sie an die Umgebung abgeben und — gleichsam nebenbei — noch für den Antrieb sorgen. Hier wäre ein Wirkungsgrad von immerhin etwa 40 Prozent möglich, wenn eine Brennstoffzelle einen Elektromotor antreiben würde.
 
Was diese Beispiele andeuten, ist Folgendes: Weil in den Industrieländern derzeit immer noch 75 Prozent der eingesetzten Primärenergien ungenutzt verpuffen — im weltweiten Mittel sind es sogar 90 Prozent —, ist das gewachsene Energiesystem der Menschen eigentlich ein Anergiesystem, das quasi nebenbei auch etwas Nutzenergie bereitstellt; ein zweifelhaftes Ergebnis, das wir uns und unsere Nachkommen sich angesichts der Folgen ungehemmten Energierohstoffverbrauchs nicht mehr leisten können.
 
Die zweite solare Zivilisation wird daher hocheffizient mit den vorhandenen Primärenergien umgehen müssen. Worum wir uns bemühen müssen, ist die stetige Maximierung der Wirkungsgrade und die weitestmögliche Nutzung der zwangsläufig immer anfallenden Abwärme. Es ist nicht illusionär zu erwarten, dass sich die Nutzungsgrade verdoppeln werden. Deutschland beispielsweise könnte ohne Wohlstandseinbuße auch mit der Hälfte seines derzeitigen Primärenergiebedarfs mit Energie versorgt werden.
 
Rasch wird das jedoch nicht gehen, wie dies vergleichbare Entwicklungen in den zurückliegende Jahrhunderten der Industriegeschichte zeigen. Dabei ist es im Prinzip schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Thermodynamik bekannt, was getan werden muss, um die Wirkungsgrade von Energiewandlern zu maximieren.
 
Wir haben die Möglichkeiten der Weiterentwicklung noch nicht einmal in Ansätzen ausgereizt: Häuser können gebaut werden, deren spezifischer Energiebedarf von derzeit 250 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr auf ein Zehntel gesunken sein wird; Automobile werden eine Person nicht mehr wie heute mit einer Kilowattstunde über einen Kilometer transportieren, sondern gleichfalls nur mehr mit einem Zehntel dieses Verbrauchs; Kombikraftwerke, die Hochtemperaturbrennstoffzellen, Gasturbinen und Dampfturbinen zusammenarbeiten lassen, werden elektrische Wirkungsgrade von 70 Prozent erreichen.
 
Schon seit langem werden die industriellen Volkswirtschaften, so auch Deutschlands, Jahr für Jahr mit ein bis zwei Prozent energieeffizienter; der Trend ist ungebrochen.
 
 Von der Dampfmaschine zur Brennstoffzelle
 
So grundsätzlich wie die Entwicklung von der Energieverbrauchs- zur Energienutzungswirtschaft ist eine andere, nämlich die Befreiung der Energieumwandlung von der nahezu ausschließlichen Nutzung der herkömmlichen Wärmekraftmaschine. Die Dampfmaschine und ihre modernen Nachfolger in Form von Brennern, Turbinen und Verbrennungsmotoren bilden noch immer das Rückgrat unseres Energiesystems.
 
Seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind die prinzipiellen Möglichkeiten und Beschränkungen dieses Maschinentyps bekannt. Der französische Ingenieur Sadi Carnot fand damals heraus, dass die Effizienz thermodynamischer Prozesse prinzipielle Grenzen hat, die von der Höhe der Eingangstemperatur abhängen: je höher die Temperatur, umso höher der theoretisch mögliche Wirkungsgrad. Aber die immer höheren Temperaturen, mit denen die Wärmekraftmaschinen betrieben werden, werfen Probleme auf: Es gelingt nur mehr mit großem Aufwand, Materialien aus teuren Superlegierungen oder Hochtemperaturkeramiken für Turbinenschaufeln, Einspritzköpfe oder Brennkammern zu entwickeln, die lebensdauerlang hochtemperaturfest sind. Zudem erfordert die Begrenzung des Schadstoffausstoßes der Verbrennung umgekehrt gerade mäßige Temperaturen.
 
In dieser Situation rückte ein etwa gleich altes Energiewandlungsprinzip wieder ins Bewusstsein: die Brennstoffzelle, deren Effizienz nicht von der Betriebstemperatur abhängt. Der Waliser William Grove fand bereits 1839 den elektrochemischen Prozess, der diesem Energiewandlertyp zugrunde liegt. Der Brennstoff wird hier nicht in Wärme umgewandelt, sondern Wasserstoff- und Sauerstoffionen wandern durch eine Membran aufeinander zu und rekombinieren zu Wasser, wobei eine elektrische Gleichspannung entsteht. Man spricht von »kalter Verbrennung«, um die Unabhängigkeit von hohen Prozesstemperaturen anzudeuten. Trotz dieser vorteilhaften Eigenschaften fristete die Brennstoffzelle über lange Jahrzehnte ein Kümmerdasein, vielleicht gerade weil die Wärmekraftmaschine so erfolgreich war und weil es so leicht war und immer noch ist, die mäßige Effizienz eines Energiewandlers durch ein Mehr an billigem Energierohstoff zuzudecken.
 
Bis in die Jetztzeit kam man über spärliche Anwendungen der Brennstoffzelle in der Raumfahrt und der Unterseeboottechnik nicht hinaus. Nun aber hat in allen Industrieländern eine Renaissance begonnen, die sich ein dreifaches Ziel gesteckt hat: Brennstoffzellen als Ersatz für den Hubkolbenmotor der Automobile zu nehmen, sie als Blockheizkraftwerk für die Wärme- und Stromversorgung von Häusern und Kommunen einzusetzen und sie, in weiterer Zukunft, als Vorschaltstufe von Gas- und Dampfturbinenkombikraftwerken zu verwenden. Allen Zielen gemeinsam ist die schadstoffarme Effizienzsteigerung der Energiewandlung.
 
Die Brennstoffzelle hat weitere Vorteile: Sie ist leise, kompakt und vibrationsfrei, weil sie nicht den Umweg über Rotationsenergie nimmt, um elektrische Generatoren anzutreiben. Sie kann mit einer Vielzahl von Brennstoffen betrieben werden, mit Erdgas, Wasserstoff, Kohlegas, Biogas und Methanol. Sie wandelt bis zu 60 Prozent des Energieinhalts der Brennstoffe in elektrische Nutzenergie um. Aber ihr vielleicht hervorstechendster Vorzug ist, dass sie, mit Wasserstoff und Luft betrieben, nur Wasserdampf und warme Luft emittiert; ihre Emissionen sind dann völlig frei von Schadstoffen. Nachteilig ist — noch — ihr Preis und die Tatsache, dass sie in großem Stil nicht vor Ablauf weiterer Jahrzehnte auf dem Markt sein wird. Hier also erneut: Wandel braucht Zeit!
 
 Kein Energierohstoff, kein Abfall
 
Schließlich eine dritte grundsätzliche Eigenschaft des Energiesystems der Zukunft, die es vom heutigen System unterscheiden wird: Abfallarmut bis hin zur Abfalllosigkeit. Wo kein Öl, keine Kohle, kein Gas verbrannt und kein Uran gespalten wird, gibt es auch keine Abfälle, die entsorgt werden müssen. Wir können uns ganz auf die Anlagentechniken der Energiewandler konzentrieren. Hier gilt es, alle nur möglichen Maßnahmen der rationellen Energiewandlung in jeder Wandlungsstufe, der rationellen Energieanwendung bei der Umwandlung von Nutzenergie in Energiedienstleistungen, jedes Quäntchen mehr Effizienz in der Energiewandlung, -speicherung, -verteilung und -nutzung auszureizen. Dann kann der Einsatz von fossilen Energierohstoffen und spaltbarem Material schrumpfen, bis er an der Schwelle zur zweiten solaren Zivilisation beim Übergang auf die Nutzung erneuerbarer Energien auf einen unverzichtbaren Rest gesunken ist. Die Handelsgüter der Energiewirtschaft werden nicht mehr Kohle, Öl, Erdgas oder Uran sein, sondern Wärme, Strom und Wasserstoff sowie die technischen Anlagen zu ihrer Umwandlung. Die Einbahnstraße der fossil-nuklearen Energieproduktion wird zur Kreislaufwirtschaft: Die Energie kommt von der Sonne und wird wieder in den Weltraum abgestrahlt, der Energiestrom ist abfallfrei, elektrolytischer Wasserstoff kommt aus dem Wasser und wird wieder zu Wasser.
 
Nicht dass dieses Energiesystem gänzlich umweltneutral wäre. Nichts, was der Mensch tut, ist gegenüber der Umwelt neutral, das relative Maß ist entscheidend. Bei den erneuerbaren Energien schlagen die Investivstoffe als ökologische Negativposten zu Buche, die nötig sind, um ein Kraftwerk oder einen sonstigen Energiewandler zu bauen, zu betreiben und am Ende der Lebensdauer wieder zu entsorgen. Alle Entscheidungen über Anlagentechniken werden nach den Ergebnissen der über ihren Lebenszyklus ermittelten Ökoinventarbilanzen getroffen werden. Es wird keinen Stoffeinsatz, keine Anlagenkomponente, keine Flächenbelegung, keinen Investivenergiebedarf mehr geben, deren ökologische Inventarbilanz nicht vor der Investitionsentscheidung bekannt ist. Hohe Wiederverwendungs- und Rezyklierraten in der Kreislaufwirtschaft werden die Abfallmengen minimieren, Primärenergie sparen und die natürlichen Rohstofflager schonen.
 
Durch diesen Wandel wird unser Energiesystem auch sicherer, besonders durch das Zurückdrängen der Kernspaltungsenergie: Ohne Radioaktivität, Radiotoxizität und chemische Gefahren sinkt das Risiko. Auch die Versorgungssicherheit wird größer, weil jede einzelne Region ihren eigenen Vorrat an erneuerbaren Energien hat, der sie im Idealfall von einer zentralen Energieversorgung unabhängiger macht. Die steigenden Investivkosten für die Energiewandler — technische Innovationen sind zunächst immer teuer und werden es bleiben — können durch den Wegfall der Energierohstoffkosten aufgefangen werden. Dieses Investivkapital ist zudem zur Gänze vor Inbetriebnahme des Energiewandlers aufzubringen.
 
Dies alles kann aber nur funktionieren, wenn wir dem Prinzip der Energiebedarfswirtschaft folgen und danach leben und arbeiten: Die Erwartung, dass der Strom aus der Steckdose kommt, und zwar immer und in beliebigen Mengen, muss einem intelligenten und verantwortlichen Umgang mit der Energie weichen, der sich auch nach dem natürlichen Angebot richten muss. Jede Kilowattstunde, die wir am Ende der Energiewandlungskette nicht verbrauchen, braucht am Kettenanfang — vermehrt um Faktoren — erst gar nicht erzeugt zu werden.
 
 Nachhaltige Entwicklung
 
Es kann ein Jahrhundert dauern, um das Energiesystem, dessen Grundzüge hier skizziert wurden, aufzubauen, immer vorausgesetzt, die Menschen haben den Willen zu konsequentem Handeln. Was in zweieinhalb Jahrhunderten Energiegeschichte gewachsen ist, kann nicht von heute auf morgen durch etwas anderes ersetzt werden. »Die knappste Ressource ist nicht die Kohle, das Öl oder das Gas — es ist die Zeit, die wir brauchen, um unseren Lebensstil an die nötigen Anforderungen anzupassen«, bemerkte Russel Train, der vormalige Leiter der US-Environmental Protection Agency, bereits 1974.
 
Am Schluss soll eine Analogie aus der Evolutionsgeschichte stehen, die uns ermutigen soll, vor dem weiten Weg in die zweite solare Zivilisation nicht zu kapitulieren. Der amerikanische Biologe Stephen Jay Gould bemerkt in »Wonderful Life« (W. W. Norton, New York 1989), dass immer wieder einmal jener breite Strom langsamer, stetiger Entwicklung unterbrochen wird durch plötzliche Evolutionsschübe, in denen sich Neues Bahn bricht und Altes verdrängt wird, bevor der Entwicklungsstrom mit geradezu glazialer Langsamkeit seinen Weg fortsetzt.
 
Die Technikgeschichte kennt gleichfalls solche Entwicklungssprünge, die jenen Evolutionsbrüchen nicht unähnlich sind. Ganz offenkundig waren das späte 19. und das frühe 20. Jahrhundert geprägt durch einen solchen technischen Entwicklungssprung. Damals löste in nur zwei Jahrzehnten das Auto die Pferdekutsche ab, das elektrische Licht die Gaslaternen, Telefonie und Telegrafie den mühseligen Briefverkehr, der elektrische Generator lieferte den Strom für saubere Fabriken und Städte. Zwar hat sich seither auch das Energiesystem im Zuge der technischen Entwicklung fortentwickelt, aber die Fortschritte blieben von quantitativer, nicht qualitativer Art. Das Automobil fährt heute mit höherer Geschwindigkeit bei gesunkenem Benzinverbrauch, aber seine Grundkonfiguration ist unverändert geblieben. Die Kohlekraftwerke wurden effizienter, es kamen gasgefeuerte Kombikraftwerke hinzu, aber am Prinzip der Energieproduktion durch Verwendung von Energierohstoffen und der strikt zentralen Organisation der Energieversorgung hat sich nichts Grundsätzliches geändert. Schließlich wurde zwar der Kohleofen in der Wohnstube durch den Kokskessel der Zentralheizung, später den Öl- oder Gaskessel ersetzt, aber ihrer aller Wirkungsgrad verbesserte sich im Laufe der Zeit nur bescheiden.
 
Alles wartet auf die Unterbrechung der Gleichform, die in einem anderen der vorgenannten Gebiete bereits eintrat: Mit dem guten alten Telefon ist es vorbei, nach 100 Jahren eher evolutionärer Fortentwicklung wurde es in atemberaubend kurzer Zeit abgelöst durch etwas, mit dem man nicht nur fernsprechen, sondern auch fernsehen, »Electronic Mail« versenden und den Computer zusammenarbeiten lassen kann, und das schnurlos und digital an jedem Punkt der Erde.
 
Wann wird die Unterbrechung der gleichförmigen Entwicklung des Energiesystems, der Aufbruch zu Neuem eintreten? Wir wissen es nicht. Noch blicken wir wie gebannt auf den graduellen Fortschritt am Überkommenen und haben vergessen oder verdrängt, dass eben dieses Überkommene in einer explosionsartig kurzen Phase der Unterbrechung um die Jahrhundertwende entstand und eine ebensolche explosionsartig kurze Phase des Entwicklungsaufbruchs bevorsteht. Aber wir kennen schon die Namen des Neuen, es zeigt sich in Ansätzen: Es heißt Entcarbonisierung, Entmaterialisierung und Hydrogenisierung, es heißt Erneuerbarkeit und Effizienzmaximierung, Dezentralisierung, Energiebedarfswirtschaft und Kreislaufwirtschaft, mit einem Wort: dauerhafte und nachhaltige Entwicklung.
 
Prof. Dr.-Ing. Carl-Jochen Winter, Überlingen
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
erneuerbare Energien: Aufbruch ins solare Zeitalter
 
erneuerbare Energien: Nutzung der Sonnenenergie


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