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CHANOYU UND IKEBANA: WEGE DER SELBSTBILDUNG

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Chanoyu und Ikebana: Wege der Selbstbildung
 
Stetige Selbstbildung ist ein Ideal des Konfuzianismus in China, Korea und Japan. Der konfuzianische »Edle« ist nicht edel, weil er im Adelsstand geboren wurde, sondern weil er sich um die Formung zu einer ethischen Persönlichkeit auf bestimmten Wegen der gesellschaftlichen Überlieferung bemüht. Dabei muss er vor allem lernen, das eigene Ich unter das Interesse der ihn jeweils umgebenden Gemeinschaft zu stellen beziehungsweise in das kosmische Ganze einzuordnen.
 
Zu diesen »Wegen« (»dō«/»michi«) gehören in Japan nicht nur die Wege der ethischen Erziehung im engen Sinn (»dō«), also Handlungs-, Tugend-, Sittenlehren oder Charakterschulen, sondern auch die Wege der kulturellen Bildung im weitesten Sinne (»michi«), also auch die Künste, das Kunsthandwerk, der Sport und das Spiel. Es gibt mehrere unterschiedliche Listen dieser Wege. In der chinesischen Chou-Periode (12./13. Jahrhundert v. Chr.) sprach man von den »Sechs Kunstfertigkeiten« des Edlen: Sitte beziehungsweise Etikette, Musik, Bogenschießen, Brettspiel (Go), Schreiben, Rechnen.Auf der japanischen Rollbild-Sammlung »Shorei-zukushi« aus dem 17. Jahrhundert werden in 24 Szenen verschiedene gesellschaftliche Riten geschildert, die die Selbstbildung zum Inhalt haben.
 
Dazu gehören auch die »Wege« Chanoyu und Ikebana. Wörtlich bedeutet »Chanoyu« das »heiße Wasser des Tees«. Als Fachausdruck wird heute aber damit die mit festen Regeln überlieferte »Teezeremonie« gemeint. Der Tee wird zum ersten Mal in japanischen Schriften des 8. Jahrhunderts erwähnt. Die kaiserlichen Gesandtschaften, die zwischen dem Yamato-Hof und dem Hof der Tang-Dynastie hin- und herreisten, haben ihn wohl in Chang'an kennen gelernt und nach Nara gebracht. Aber nicht die Hofadeligen waren es, die das Teetrinken zur rituellen Handlung entwickelten, sondern die buddhistischen Mönche. Der Zen-Meister Eisai (* 1141, ✝ 1215) war zweimal im China der Song-Zeit. Dort hatte er neben der Lehre des Zen auch den Anbau sowie die Verarbeitung des Teestrauches zu Teepulver studiert und von dort brachte er auch Teesamen nach Japan. Eisai und sein Schüler Myōe (* 1173, ✝ 1232) waren die ersten, die in Japan Teepflanzungen anlegten, Eisai im Ryōzen-Tempel (auf Kyūshū), Myōe im Kōzan-Tempel (bei Kyōto). In ihren Klöstern tranken die Mönche den Tee als Erfrischung und als Heilmittel. Eison (* 1224, ✝ 1275), Priester des Tempels Saidaiji bei Nara, schenkte regelmäßig den Gläubigen den Tee aus, der vom Teeopfer vor der Buddha-Statue übrig geblieben war. So verbreitete sich das Teetrinken in allen Schichten und wurde von der nun herrschenden Schicht des Kriegeradels (von den Shōgunen und ihren Vasallen) besonders gefördert. Sie luden zu Teegesellschaften in öffentlichen Teepavillons oder in ihre privaten Residenzen ein. Man trank nun den Tee nicht mehr nur zum Zweck der Erfrischung oder Heilung, sondern auch und vor allem um seiner selbst willen - als symbolische Form des Lebens schlechthin. Die fragmentarische Harmonie der Außenseite, das heißt des Teematerials, des Teegeräts, des Teeraums, der Teezeit, des Teeritus und anderes sollte die momentane Harmonie der Innenseite, das heißt der Herzen der Anwesenden, realisieren und symbolisieren. Die drei »Großmeister« (»sōshō«) der Teezeremonie, die ihre Regeln festlegten, waren Murata Mokichi Shukō (* 1423, ✝ 1502), Takeno Jōō (* 1502, ✝ 1555) und Sen no Rikyū (* 1521, ✝ 1591). Rikyūs einflussreichster Schüler war Kobori Enshū (* 1579, ✝ 1647).
 
Als einer der »Wege« der Selbstbildung wird Ikebana auch »kadō« (»Blumen-Weg«) genannt. Wörtlich übersetzt heißt »Ikebana« zwar nur »Blüten, Blumen oder Pflanzen (= hana) setzen, stecken, stellen, arrangieren (=ikeru)«. Aber das Zeitwort »ikeru« kann auch die Bedeutung »lebendig erhalten«, »frisch erhalten«, beleben«, »aktivieren« haben. Durch die neuartige dreidimensional gespannte Anordnung der ausgewählten »toten« Bestandteile der Natur kommt die Dialektik des endlich-unendlichen Lebens im Ikebana erst recht zur Erscheinung. In der Ikebana-Blumenkunst gilt jedes Arrangement als einmalig. Wenn es zu verfallen beginnt, muss es ganz verfallen. Es kann nicht repariert werden. Jedes Blumen-Arrangement beginnt immer wieder beim chaotischen Nichts des in der Natur gesammelten »toten« Materials. Jedes Blumen-Arrangement ist also eine gemeinsame Neuschöpfung der universalen Natur und des individuellen Blumenkünstlers.
 
Im Hintergrund der Geschichte der Blumenkunst in Japan stehen die Einflüsse des Shintoismus und des Buddhismus. Im Shintoismus verwendet man in den Riten der Schreine vor allem Kiefer, Bambus und Kamelie. Die Blüten der Blumen spielen dabei keine so große Rolle wie im Buddhismus. Im Buddhismus Indiens entwickelte sich der Brauch, vor den Buddha-Statuen Blütenblätter auszustreuen oder in Schalen und Körbchen zu opfern. Man stellt auch Vasen mit Blumen auf. Buddhas beziehungsweise Bodhisattvas werden oft auf Lotos-Blüten sitzend dargestellt. Oder sie halten Lotos-Blüten als Symbol der Lehre Buddhas in der Hand. Über China und Korea kamen diese Bräuche im 6. Jahrhundert auch nach Japan. Der Prinzregent Shōtoku-taishi machte den Buddhismus zur Staatsreligion, ließ Tempel und Klöster bauen und förderte das Studium der buddhistischen Schriften und die Durchführung der Riten. In seinem Auftrag baute Ono no Imoko einen Tempel für den Bodhisattva Avalokiteshvara (japanisch: Kannon Bosatsu). Imoko wurde selbst buddhistischer Priester, übernahm die Durchführung der Riten im Tempel und pflegte das Blumenopfer, wie er es als kaiserlicher Gesandter in China kennen gelernt hatte. Neben dem Tempel, an einem Weiher (»ike«), errichtete er für sich selbst eine Klause (»bō«). Alle japanischen Schulen der Blumenkunst betrachten das Haus Ikenobō (heute: Rokkakudō, Kyōto) als ihren Ursprung. Heute unterscheidet man vor allem drei Stilrichtungen: den prächtigen monumentalen Stil des Tatebana beziehungsweise Rikka (»stehende Blumen der Teezeremonie«) und den schwungvoll eleganten Stil des Nageire beziehungsweise Heika (»spontan hineingeworfene Blumen«). In der Gegenwart konkurrieren die an den tradierten Regeln des Arrangements orientierten Schulrichtungen mit verschiedenen freieren Stilen (»Freie Blumenkunst«: Zen'eibana). Hervorzuheben ist der von Ohara Unshin (* 1861, ✝ 1916) entwickelte Moribana-Stil: flache Schalen »mit Blumen aufgefüllt« (auch mit ausländischen Blumen), zu denen später Gräser, Farne, Steine und andere Materialien kamen. Daraus entwickelten sich dann neuartige »Arrangements von Naturzszenen« (Shizen-sōka oder Shakai-sōka).
 
Prof. Dr. Johannes Laube
 
Literatur:
 
Elisseeff, Danielle und Elisseeff, Vadime: Japan. Kunst und Kultur. Ins Deutsche übertragen von Hedwig und Walter Burkart. Freiburg im Breisgau u. a. 21987.


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