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BAROCKARCHITEKTUR IN MITTELEUROPA

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Barockarchitektur in Mitteleuropa
 
Mit Ausnahme seiner nördlichen und westlichen Randzonen entspricht das heute als »Mitteleuropa« bezeichnete Gebiet im Wesentlichen dem 1806 aufgelösten »Heiligen Römischen Reich deutscher Nation«. In diesem lockeren Bund unterschiedlicher Territorien mit teilweise ausgeprägt eigenständigen Traditionen verlief die künstlerische Entwicklung nicht immer geradlinig. Vor allem fehlte hier im 17. und 18. Jahrhundert - anders als etwa in Frankreich mit Paris - ein dominierendes Zentrum, in dem vorbildliche künstlerische Standards hätten festgelegt werden können: Wien, die Haupt- und Residenzstadt des Reichs, spielte lediglich zwischen etwa 1690 und 1730 eine führende Rolle im Bauwesen.
 
Im mehrfachen Wechsel zwischen »Zentrum« und »Provinz« bietet sich somit in Mitteleuropa ein außerordentlich weit gefächertes Gesamtbild barocker Kunst. Dies zeigt sich bereits am Beginn der Epoche: In den Jahren nach 1600 war zwar der Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag der zentrale Ort für die Bildkünste und das Kunstgewerbe, die bedeutenden Erstlingswerke barocker Architektur entstanden jedoch andernorts, etwa im politisch fast bedeutungslosen Fürsterzbistum Salzburg.Der dort von den Erzbischöfen Wolf Dietrich von Raitenau und Markus Sittikus, Graf von Hohenems, ins Werk gesetzte Dom wurde zu einer Musterlösung des frühbarocken Kirchenbaus nördlich der Alpen. Zeitgleich führte der Neubau der Residenz, deren regelmäßige Baublöcke sich effektvoll gegen die kleinteilige, dicht bebaute Altstadt Salzburgs absetzen, neue Maßstäbe für den fürstlichen Profanbau ein.
 
Schon während des Dreißigjährigen Krieges - besonders nach dem Sieg der katholischen Partei in der Schlacht am Weißen Berg bei Prag (1620) -, vor allem aber nach dem Westfälischen Frieden (1648) wurde der Bau von Kirchen und Klöstern vom Kaiserhaus entschieden gefördert. Doch auch die Kurfürsten und der kaisertreue katholische Adel vergaben bedeutende Aufträge. Der Kirchenbau lag bis ins späte 17. Jahrhundert vorwiegend in den Händen von oberitalienischen Wanderkünstlern und Bautrupps - etwa der Familien Carlone und Canevale -, welche die neue Formensprache rasch über ganz Mitteleuropa verbreiteten: Die Gliederung der Innenräume des »Stuckbarock« wurde wesentlich von der reichen Ausstattung mit hellfarbigem oder weißem Stuck getragen. Den vielleicht monumentalsten Raum dieser Prägung schuf der aus Prag berufene Carlo Lurago mit dem Umbau des Passauer Doms. Eine Sonderlösung bildeten die »Friedenskirchen« im rekatholisierten Schlesien, die sich in der Ausstattung dem Reichtum katholischer Kirchen anzugleichen suchten.
 
Für den repräsentativen Profanbau setzte Wallenstein bereits ab 1625 mit seinem Prager Palast sowie seinen Schlössern in Gitschin und Sagan außergewöhnliche Akzente. In den folgenden Jahren entstanden dann für alle »großen« Adelsfamilien in Böhmen und Mähren, bald darauf auch in den sächsisch-thüringischen Herzogtümern aufwendige Paläste und Residenzen. Das größte dieser Gebäude wurde ab 1668 in Prag von Francesco Caratti für Graf Humprecht von Čzernín errichtet; es stellt in seiner wuchtigen Monumentalität selbst die zeitgleichen Bauten am Wiener Kaiserhof, etwa den Leopoldinischen Trakt der Hofburg, in den Schatten.
 
Im Klosterbau setzte nach 1660/70 in allen katholischen Regionen des Reichs ein regelrechter Boom ein. Die nunmehr konsolidierte Macht der Orden, ihre Konkurrenz untereinander, die Baufreude einzelner Äbte und das Vorbild des spanischen Königsklosters El Escorial waren dafür in gleicher Weise verantwortlich. Frühe Beispiele solch regelmäßiger Großbauten finden sich in Heinrichau oder Leubus - als Zeichen der in Schlesien erneut etablierten Macht der katholischen Kirche. Einen Höhepunkt dieser Entwicklung bilden die um und nach 1700 entstandenen Klöster entlang der Donau. Schrittweise wurden hier, etwa in Melk, modernste Formen des italienischen Hochbarock integriert. In einzelnen Fällen, zum Beispiel in Göttweig und Klosterneuburg, wurde das regelmäßige Rasterschema des Escorial direkt aufgegriffen. Zumeist blieben die Gesamtanlagen jedoch durch ihre mittelalterlichen Vorgängerbauten sowie die topographischen Gegebenheiten bestimmt, sodass sich eine Vielfalt an gestalterischen Lösungen findet.
 
Ab etwa 1680/90 setzte nahezu überall und fast schlagartig eine Orientierung am italienischen Hochbarock ein, besonders an der Kunst Roms, aber auch Oberitaliens. Alle führenden Architekten dieser Jahrzehnte - Enrico Zuccalli in München, Jean-Baptiste Mathey in Prag, Johann Bernhard Fischer von Erlach und Johann Lucas von Hildebrandt in Wien, Andreas Schlüter in Berlin - hatten sich auf Studienreisen direkt mit der »Magnificenza« der italienischen Kunst vertraut gemacht. Und auch die Bauherren hatten auf ihren »Kavalierstouren« das internationale Niveau hochbarocker Kunst kennen und schätzen gelernt. Der früheste Sakralbau rein römisch-hochbarocker Ausprägung dürfte die kleine, aber materiell aufwendig gestaltete Elisabeth-Kapelle am Dom zu Breslau sein, die ab 1680 von einem Team römischer Künstler für Kardinal Friedrich von Hessen-Darmstadt gebaut und ausgestattet wurde. Etwa zeitgleich schuf Mathey in Prag im Auftrag des Erzbischofs Johann Friedrich von Waldstein die Kreuzherrenkirche. Ab 1693/94 inszenierte Johann Bernhard Fischer von Erlach für den Salzburger Erzbischof Johann Ernst von Thun und Hohenstein innerhalb weniger Jahre an verschiedenen Kirchen eine Fülle römischer Barockideen. Bei all diesen Beispielen ist die enge Beziehung zwischen Architekt und Auftraggeber bemerkenswert: Mehrfach dürften die Bauherren die Motoren des künstlerischen Geschehens gewesen sein.
 
In kreativer Auseinandersetzung mit diesen italienischen Impulsen entwickelten sich in den unterschiedlichen Regionen Mitteleuropas bald überaus selbstständige lokale Bauschulen mit durchaus individuellem Gepräge. Als führender Kopf der »radikalen« Gruppe des böhmischen Barock gilt heute Christoph Dientzenhofer. Ihm werden die Nikolauskirche der Jesuiten auf der Kleinseite in Prag und die Klosterkirche von Břevnov bei Prag zugeschrieben. Ihre kompliziert geführten Wölbungen eröffneten der Raumgestaltung im Kirchenbau völlig neue Möglichkeiten und begründeten eine lange Nachfolge: In der Raumkunst Balthasar Neumanns wurden diese Ideen kongenial weiterentwickelt.
 
In völliger Abkehr vom »Stuckbarock« wurden nun schwere Farben in Marmortönen - Rot, Grün, dunkles Honiggelb (»giallo antico«) -, vergoldete Partien und ausgeklügelte Lichteffekte zu den wesentlichen Mitteln der Raumgestaltung im Kirchenbau. Andrea Pozzo schuf ab 1703 mit der Wiener Universitätskirche ein Musterbeispiel für einen solchen »Farbraum«. In der Stiftskirche von Melk oder in den Kirchen der Gebrüder Asam in Bayern wurde diese neue Formensprache in immer neuen Variationen durchgespielt. Die Ausstattung mit Malerei und Skulptur wurde dabei zum integralen Bestandteil architektonischen Gestaltens. Die heute hierfür übliche Bezeichnung »Gesamtkunstwerk« ist zwar problematisch, da die Barockzeit diesen Begriff noch nicht kannte; sie trifft aber dennoch ein wesentliches Charakteristikum dieser Bauten - den engen, fast unauflöslichen Zusammenklang aller Künste.
 
Die Faszination, die von dieser Formensprache ausging, hinterließ auch im Kirchenbau des protestantischen Nordens des Reichs Spuren: Die monumental konzipierten Hauptkirchen der Residenzstädte Berlin und Dresden waren ebenfalls von der Auseinandersetzung mit Vorbildern des italienischen Barock und seinen mitteleuropäischen Variationsformen geprägt. »Römisch« - freilich nicht nur im barocken Sinn - ist der kaiserliche Votivbau der Karlskirche in Wien. Auch die Profanbauten der Landesfürsten und des Adels orientierten sich ab 1680/90 fast durchweg an neuen überregionalen Standards. In den habsburgischen Erblanden waren es vorwiegend adlige Auftraggeber, die erstmals einen damals »modernen« Architekten wie Johann Bernhard Fischer von Erlach beschäftigten oder einen in Rom geschulten Künstler wie Domenico Martinelli verpflichteten. Gerade in dieser Gründungsphase des hochbarocken Stils tritt die dezentrale Struktur der Barockkunst in Mitteleuropa besonders deutlich vor Augen: Folgenreiche Frühwerke Johann Bernhard Fischer von Erlachs entstanden auf entlegenen Ländereien in Mähren oder Böhmen, Prinz Eugen ließ sich ab 1701 durch Johann Lucas von Hildebrandt im ungarischen Ráckeve ein »Lustgebäude« errichten. Die intensive Kommunikation der miteinander konkurrierenden Auftraggeber und Architekten sorgte dann für die rasche Verbreitung dieser neuartigen Bauideen.
 
In der Residenzstadt Wien wurde das Baugeschehen zunächst ebenfalls von adligen Auftraggebern bestimmt. Der große Gartenpalast des Prinzen Eugen, das »Belvedere«, ist das aufwendigste Beispiel eines adligen Sommersitzes vor den Toren der Stadt. Erst nachdem die Weichen der künstlerischen Entwicklung bereits gestellt worden waren, trat in der Person Kaiser Karls VI. auch das habsburgische Herrscherhaus als prominenter Mäzen in Erscheinung - ein sehr erstaunliches Phänomen im Zeitalter des Absolutismus. Dem Selbstverständnis der Habsburger entsprach es überdies, dass sich die kaiserliche Repräsentation zunächst in sakralen Monumenten äußerte. Doch auch im profanen Bereich kam es nun zu Neuerungen: Die dem historisch gewachsenen Ensemble der Wiener Hofburg ab 1716 hinzugefügten Neubauten - die Hofstallungen, die Hofbibliothek, die Reichskanzlei - setzten der kaiserlichen Residenz moderne Glanzlichter auf.
 
Ganz offensichtlich reagierten Karl VI. und sein Beraterstab in diesen Werken des »Kaiserstils« mit einiger Verspätung auf Entwicklungen im Residenzbau, die bereits seit dem späten 17. Jahrhundert in anderen Regionen des Reichs eingesetzt hatten. Denn sowohl in Bayern, wo die Wittelsbacher 1623 die pfälzische Kurwürde erhalten hatten, als auch in den Kurfürstentümern Sachsen und Brandenburg, die 1697 beziehungsweise 1701 zu Königreichen geworden waren, wurde zeitgemäße Baukunst gezielt als Mittel zur Veranschaulichung der neu gewonnenen Würde eingesetzt. In Berlin schufen Johann Arnold Nering mit dem Schloss Charlottenburg (ab 1695) und besonders Andreas Schlüter mit dem Stadtschloss in Berlin (ab etwa 1698) hochbarocke Ensembles modernsten Zuschnitts: Beide Künstler waren zuvor zu Studienreisen nach Italien gesandt worden. In Dresden gelang Matthäus Daniel Pöppelmann mit dem »Zwinger« ein höchst origineller Beitrag zur Residenzbaukunst.
 
Um 1720 löste dann eine verstärkte Orientierung am »französischen Vorbild« die Vorherrschaft italienisch-hochbarocker Muster ab. Es ist sehr bezeichnend, dass etwa Johann Bernhard Fischer von Erlach, der seine Karriere der Vertrautheit mit der Barockkunst Italiens verdankte, nun seinen Sohn Joseph Emanuel zum Studium nach Frankreich schickte. Auch Balthasar Neumann reiste 1723 nach Paris: Erfahrungen dieser Studienreise flossen direkt in die Gestaltung der Würzburger Residenz ein. Für den preußischen König Friedrich II., den Großen, war es bereits selbstverständlich, das in seiner neuen Residenzstadt Potsdam 1744 begonnene Lustschloss Sanssouci nach französischem Modell zu errichten. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts dominierte der Ausstattungsstil des französischen Rokoko die Schlossbauten ganz Europas.
 
Auch im Kirchenbau des fortgeschrittenen 18. Jahrhunderts lässt sich die Ausrichtung an der Formensprache des Rokoko nachweisen. Hier kam es allerdings zu einer wesentlich eigenständigeren Umformung in regionalen Sonderlösungen, besonders in Süddeutschland: Bei der Wallfahrtskirche »Wies« von Dominikus Zimmermann stammt nur das Vokabular aus Frankreich, die geschmeidige Gestaltung und die Lichtregie des Raumes führen dagegen die hochbarocken Traditionen dieser Region selbstständig weiter. In Bayern und Schwaben, aber auch in Oberösterreich und Tirol hielt sich diese Form des Kirchenbaus bis in die Zeit um 1800, als andernorts bereits die ersten Werke des Klassizismus einen abrupten Bruch mit der barocken Raumgestaltung vollzogen hatten.
 
Prof. Dr. Hellmut Lorenz
 
Literatur:
 
Bauer, Hermann: Barock. Kunst einer Epoche. Berlin 1992.
 
Die Kunst des Barock. Architektur, Skulptur, Malerei, herausgegeben von Rolf Toman. Köln 1997.
 
Die Kunst des 17. Jahrhunderts, bearbeitet von Erich Hubala. Beiträge von Per Bjurström u. a. Sonderausgabe Berlin 1990.


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