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DUALES SYSTEM: GRÜNES FEIGENBLATT ODER DER PUNKT DER WEISEN??

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Duales System: Grünes Feigenblatt oder der Punkt der Weisen??
 
Die »Duales System Deutschland GmbH« wurde 1990 gegründet, um die sich aus der Verpackungsverordnung von 1991 ergebenden Verpflichtungen von Industrie und Handel zu übernehmen. Ihre Aufgabe ist es, die Erfassung und Verwertung von Verpackungsabfällen zu organisieren, und sie erfüllt diese Aufgabe in Zusammenarbeit mit regionalen Vertragspartnern. 1997 wurde die DSD in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 1994 durch das Kreislaufwirtschaftsgesetz und 1998 durch eine Novelle der Verpackungsverordnung wurden diese Aufgaben konkretisiert und teilweise erweitert. Grundsätzlich hat in diesen Gesetzeswerken die Abfallvermeidung Vorrang vor der Verwertung und diese vor der Deponierung. Die Verwertung ist werkstofflich, rohstofflich oder energetisch möglich. Bei letzterem Verfahren handelt es sich um eine Verbrennung zur Energieerzeugung, wobei Auflagen an die Wirkungsgrade und Emissionsvermeidung beachtet werden müssen.
 
Häufig genannte Kritikpunkte am Dualen System sind die Aufwertung des Recyclingbegriffs, die Monopolstellung der DSD AG und die Begünstigung von »Mülltourismus«.
 
 Geschichte des Dualen Systems
 
Während der »unschuldigen« Zeit des Wirtschaftswunders, als sowohl wirtschaftliches Wachstum als auch natürliche Ressourcen unbegrenzt zu sein schienen, wuchsen die Müllberge in Deutschland (und den anderen westlichen Industrieländern ebenso) dramatisch an. Und es wurde nicht nur immer mehr produziert, die Produkte wurden auch ansprechend und auffällig verpackt, und nach dem Einkauf wurden sie in kostenlosen Plastiktüten nach Hause getragen. Alles Verpackungsmaterial konnte so gut wie kostenlos »entsorgt«, also weggeworfen werden. Die Folgen dieses Verhaltens sind bekannt: überfüllte Mülldeponien und belastete Böden und Grundwässer. In den 1980er-Jahren mehrten sich die Stimmen, die auf eine Verringerung des Müllaufkommens drängten, aber erst am 12. 6. 1991 trat mit der Verpackungsverordnung eine gesetzliche Regelung zumindest zur Vermeidung des Verpackungsmülls in Kraft.
 
Die Verpackungsverordnung von 1991
 
Eines der wichtigsten Ziele dieser Verordnung war das Zurückdrängen von Einwegverpackungen, die fast die Hälfte des Haushaltsmülls ausmachten. Ursprünglich war geplant, dass Einwegverpackungen generell an den Handel zurückgegeben und von diesem beziehungsweise vom Hersteller entsorgt werden sollten. Zusätzlich sollte ein Zwangspfand auf Einweggetränkeverpackungen (zum Beispiel Dosen) eingeführt werden, um diese mittelfristig vom Markt zu verdrängen. Kerngedanke der Verordnung ist die Produktverantwortung: Nicht mehr der Verbraucher, sondern der Produzent und der Verkäufer sind für die Entsorgung eines Produkts verantwortlich.
 
Unter anderem aufgrund von Interventionen der industriellen Interessenverbände wurde eine folgenschwere Ausnahme von der Rücknahmepflicht der Verordnung angefügt: Wenn die Wirtschaft ein System aufbaut, das Verkaufsverpackungen erfasst und einer zulässigen Form von Wiederverwertung zuführt, also die Produktverantwortung übernimmt, entfällt die Rücknahmepflicht. Auch das Zwangspfand wurde eingeschränkt: Erst wenn bestimmte, je nach Stoffart verschieden festgesetzte Verwertungsquoten für mehr als eineinhalb Jahre unterschritten werden, kann das Bundesumweltministerium Zwangsabgaben für Einwegverpackungen erlassen.
 
Kreislaufwirtschaftsgesetz und Novelle der Verpackungsverordnung
 
1994 wurde das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) erlassen, das am 7. 10. 1996 in Kraft trat. Seine wichtigste Konsequenz war, dass die Produktverantwortung auf andere Wirtschaftsbereiche der privaten Entsorgungswirtschaft ausgedehnt wurde, während den öffentlich-rechtlichen kommunalen Entsorgern im Wesentlichen die Zuständigkeit für die Restmüllentsorgung der »Abfälle zur Beseitigung« durch Deponieren und Verbrennen bleibt. Dies erklärt auch den Begriff »duales« System: Während die privatwirtschaftliche DSD AG quasi als Monopolist die verwertbaren Abfälle betreut, werden die übrigen Reststoffe weiterhin kommunal entsorgt. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz hat erstmals das Ziel einer Kreislaufwirtschaft festgeschrieben. Demnach sollen alle eingesetzten Rohstoffe vollständig verwertet und in den Produktionskreislauf zurückgeführt werden. Im Juni 1998 schließlich, nach langwierigen Verhandlungen zwischen CDU-geführtem Umweltministerium und SPD-dominiertem Bundesrat, trat eine Novelle der Verpackungsverordnung in Kraft. Dabei wurde rückwirkend die Mindestquote zur Wiederverwertung von Glas auf 70 % gesenkt (die bis dahin geltende Mindestquote hatte nicht erfüllt werden können), seit 1. 1. 1999 beträgt sie wieder 75 %. Die abfallwirtschaftlichen Ziele wurden umformuliert, sie sind nun in § 1 der Verordnung dargelegt: »Diese Verordnung bezweckt, die Auswirkungen von Abfällen aus Verpackungen auf die Umwelt zu vermeiden oder zu verringern. Verpackungsabfälle sind in erster Linie zu vermeiden; im Übrigen wird der Wiederverwendung von Verpackungen, der stofflichen Verwertung sowie den anderen Formen der Verwertung Vorrang vor der Beseitigung von Verpackungsabfällen eingeräumt. «
 
Die DSD AG als Träger der Produktverantwortung von Industrie und Handel
 
Die »Duales System Deutschland GmbH« mit Sitz in Köln wurde am 28. 9. 1990 von 95 Unternehmen aus Handel, Konsumgüter- und Verpackungsindustrie gegründet; mittlerweile hat sie über 600 Gesellschafter. Wegen der Vielzahl der Gesellschafter wurde sie mit Wirkung vom 1. 1. 1997 in eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft umgewandelt. Aufgabe der DSD war und ist es, eine Lizenzgebühr für Verkaufsverpackungen einzutreiben und mit diesem Geld ein Entsorgungssystem für Verpackungsmaterialien aufzubauen. Die DSD AG ist gesetzlich verpflichtet, Sammel- und Sortierquoten einzuhalten: insgesamt 80 % aller Verpackungen müssen erfasst werden und davon wiederum, je nach Material, zwischen 80 und 90 % sortiert werden.
 
Die DSD ist ein nicht profitorientiertes Unternehmen — alle Einnahmen müssen dem Gesellschaftszweck zugeführt werden. Es betreibt selbst keine Müllerfassung oder -verwertung, sondern organisiert eine Vielzahl von Entsorgungspartnern (Unternehmen, die Erfassung und Sortierung des Verpackungsmülls durchführen) und Garantiegebern (Recyclingfirmen und, zum Teil, produzierende Industriebetriebe). Die DSD erstellt jährlich einen Bericht für die Landesumweltministerien, den Mengenstromnachweis, aus dem hervorgeht, ob und in welchem Maße Abfälle erfasst und wieder verwertet wurden.
 
Die DSD beschäftigt in ihrer Kölner Zentrale zurzeit (Anfang 2000) 375 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. An ihrer Spitze steht der Vorstand, dessen Vorsitz der ehemalige Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, Wolfgang Brück, führt. Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Karl-Josef Baum, Generalbevollmächtigter der Metro AG, Köln, eines der größten Handelsunternehmen Europas, sein Stellvertreter ist Jürgen Seidler, Mitglied des Direktoriums der Henkel KGaA in Düsseldorf. Außer dem Aufsichtsrat gibt es seit 1992 noch ein Kuratorium, dem unter anderem weitere Vertreter von Industrie, Handel, Gewerkschaften und Kommunen, Bundestagsabgeordnete, Wissenschaftler sowie die Vorsitzende des Deutschen Hausfrauen-Bundes angehören — aber keine Vertreter von Umwelt- oder Verbraucherverbänden.
 
Der grüne Punkt: eine Lizenz, kein Umweltzeichen
 
Hat ein Unternehmen das Lizenzentgelt an die DSD bezahlt, darf es auf seine Produkte den berühmten »grünen Punkt« drucken. Dieser sagt also nichts über die Umweltverträglichkeit des Produkts aus, sondern lediglich, dass die Verwertung nicht vom Erzeuger, sondern von der DSD AG verantwortet wird. Das Lizenzentgelt setzt sich aus einem Gewichts- und Stückentgelt zusammen. Es orientiert sich am Verursacherprinzip, und seine Höhe richtet sich nach dem eingesetzten Material sowie der Stückzahl. Die Lizenzentgelte berücksichtigen die unterschiedlichen Kosten für die Sammlung und Sortierung der einzelnen Verpackungsmaterialien und — bei Kunststoffen — auch die Kosten für die Verwertung. Dabei werden nur die Kosten für Verpackungen berechnet, die in Deutschland abgesetzt werden. Die Gewichtsentgelte liegen zwischen 15 Pfennig (Glas) und 2,95 DM (Kunststoff), das Stückentgelt beträgt maximal 1,2 Pfennig (bei Volumina über drei Litern).
 
Die Lizenzentgelte wurden und werden weitgehend über höhere Verkaufspreise an die Verbraucher weitergegeben; nach Berechnungen der Friedrich-Ebert-Stiftung trug die Einführung des grünen Punkts zu einer Erhöhung der Lebenshaltungskosten um ungefähr 0,2 % bei. Durch Reduzierung der Kosten aufgrund effektiverer Abläufe und Verfahren wird ab 1999/2000 eine Senkung der Lizenzentgelte seitens der DSD möglich; inwieweit dies ebenfalls an die Verbraucher weitergegeben wird, ist (im Herbst 1999) noch nicht abzusehen.
 
Was kommt in den gelben Sack?
 
Die Erfassung von verwertbaren Abfällen geschieht grundsätzlich nach zwei verschiedenen Systemen. Das Bringsystem bedeutet, dass Wertstoffe zu festen Sammelorten, etwa Altglas- oder Papiercontainern, gebracht werden. Der Vorteil hierbei ist, dass durch eine entsprechende Anzahl von unterschiedlichen Behältern eine gute Vorsortierung möglich ist, der Nachteil ist der größere Aufwand für die Privathaushalte, der die Erfassungsquote sinken lässt. Im Holsystem werden Wertstoffe weitgehend unsortiert in einer (meistens) gelben Tonne gesammelt und erst nach der Abholung sortiert. Da die Wertstofferfassung dezentral von den Vertragspartnern der DSD durchgeführt wird, ist die Ausgestaltung als Bringsystem, Holsystem oder eine Kombination aus beidem oft von Landkreis zu Landkreis verschieden. Grundsätzlich gesehen sind aber die bekannten gelben Säcke für Leichtverpackungen und verwandte Materialien reserviert: beschichtete Kartonverpackungen für Getränke (zusammengefaltet!), Kunststofffolien, -flaschen und -becher, Einweggeschirr, Dosen und Ähnliches. Wichtig ist: Gebrauchte Lebensmittelverpackungen müssen leer, aber nicht gespült sein (»löffelrein«).
 
 Was heißt überhaupt verwerten?
 
Ein Kernpunkt des Dualen Systems und des heutigen Abfallrechts überhaupt ist die Definition des Begriffs »Verwertung«. Dieser ist nämlich viel weiter gefasst als eine erneute Nutzung des zum Abfall gegebenen Produkts oder seines Materials. Das KrW-/AbfG formuliert (§ 6): »Abfälle können a. stofflich verwertet werden oder b. zur Gewinnung von Energie genutzt werden. Vorrang hat die besser umweltverträgliche Verwertungsart.« Bundesregierung und Bundesrat können für die einzelnen Abfallarten verordnen, welcher Verwertungsweg der jeweils angemessenste ist. Dabei sind verschiedene wirtschaftliche und ökologische Vorgaben sowie die Belange der Kommunen zu berücksichtigen.
 
Werkstoffliche Verwertung
 
Die stoffliche Verwertung (Recycling) kann wiederum unterschieden werden in werkstoffliche und rohstoffliche Verwertung. Bei der werkstofflichen Verwertung werden beispielsweise Kunststoffabfälle zu neuen Produkten aus demselben Kunststoff verarbeitet. Dazu müssen sie sortenrein und möglichst unverschmutzt vorliegen, was bei der Vielzahl der Stoffarten und Verwendungszwecke oft Schwierigkeiten bereitet. Auch sind mehrere, zum Teil recht aufwendige Bearbeitungsschritte nötig, um aus sortierten Kunststoffabfällen neue Produkte herzustellen — und diese sind fast immer von minderer Qualität. Wesentlich einfacher ist die werkstoffliche Verwertung bei Altpapier und vor allem bei Altglas.
 
Rohstoffliche Verwertung
 
Die rohstoffliche Verwertung nutzt nicht das zu Abfall gewordene Produkt, sondern nur das Material, aus dem es besteht, und zwar in einem sehr allgemeinen Sinne. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von gemischten Kunststoffabfällen als Reduktionsmittel bei der Stahlerzeugung — hier wird im Wesentlichen nur der Kohlenstoffgehalt der Abfälle genutzt (und natürlich auch nur einmal), die Abfälle ersetzen hier Kohle oder Koks, die sonst als Zuschlag benutzt werden.
 
Energetisch verwerten
 
Die Wortneuschöpfung »energetisch verwerten« bedeutet, entgegen der Meinung vieler Kritiker, mehr als einen Euphemismus für »Müll verbrennen«. Das KrW-/AbfG legt zum einen fest, dass eine energetische Verwertung nur dann vorliegt, wenn »1. der Heizwert des einzelnen Abfalls, ohne Vermischung mit anderen Stoffen, mindestens 11 000 Kilojoule pro Kilogramm beträgt, 2. ein Feuerungswirkungsgrad von mindestens 75 % erzielt wird, 3. entstehende Wärme selbst genutzt oder an Dritte abgegeben wird und 4. die im Rahmen der Verwertung anfallenden weiteren Abfälle möglichst ohne weitere Behandlung abgelagert werden können.« (Abfälle aus nachwachsenden Rohstoffen brauchen nur die Bedingungen 2.—4. zu erfüllen.) Zum anderen müssen Müllverbrennungsanlagen die »Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft)« erfüllen, die strenge Auflagen bezüglich der an die Umwelt abgegebenen Schadstoffe macht. Insbesondere muss die Brenntemperatur dieser Anlagen so hoch sein, dass die Bildung von Dioxinen verhindert wird.
 
Erlaubte Verwertungswege nach Anhang IIB KrW-/AbfG
 
Eine vollständige Auflistung der vom Gesetzgeber erlaubten Verwertungswege für verschiedene Abfallstoffe findet sich im Kreislaufwirtschaftsgesetz in Anhang IIB (in der Fassung vom 22. 6. 1998); in der linken Spalte sind die offiziellen Kürzel angegeben:
 
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| R1     | Rückgewinnung/Regenerierung von Lösemitteln                                   |
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| R2     | Verwertung/Rückgewinnung organischer Stoffe, die nicht als                 |
|          | Lösemittel verwendet werden                                                              |
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| R3     | Verwertung/Rückgewinnung von Methan und                                        |
|          | Methanverbindungen                                                                          |
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| R4     | Verwertung/Rückgewinnung anderer anorganischer Stoffe                     |
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| R5     | Regenerierung von Säuren oder Basen                                                |
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| R6     | Wiedergewinnung von Bestandteilen, die der Bekämpfung der               |
|          | Verunreinigung dienen                                                                        |
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| R7     | Wiedergewinnung von Katalysatorenbestandteilen                                |
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| R8     | Altölraffination oder andere                                                                 |
|          | Wiederverwendungsmöglichkeiten von Altöl                                         |
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| R9     | Verwendung als Brennstoff (außer bei Direktverbrennung)                     |
|          | oder andere Mittel der Energieerzeugung                                             |
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| R10   | Aufbringung auf den Boden zum Nutzen der Landwirtschaft oder           |
|          | der Ökologie einschließlich der Kompostierung und sonstiger                |
|          | biologischer Umwandlungsverfahren, mit Ausnahme der nach               |
|          | Artikel 2 Abs. 1 Buchstabe b Ziffer iii der Richtlinie                               |
|          | 75/442/EWG (...) ausgeschlossenen Abfälle                                        |
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| R11   | Verwendung von Rückständen, die bei einem der unter R1 bis R10        |
|          | aufgezählten Verfahren gewonnen werden                                            |
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| R12   | Austausch von Abfällen, um sie einem der unter R1 bis R11                 |
|          | aufgezählten Verfahren zu unterziehen                                                |
|--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|
| R13   | Ansammlung von Stoffen, die für eines der in diesem Anhang               |
|          | beschriebenen Verfahren vorgesehen sind, ausgenommen                    |
|          | zeitweilige Lagerung - bis zum Einsammeln - auf dem Gelände der        |
|          | Entstehung der Abfälle.                                                                      |
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 Kritik am Dualen System
 
Schon vor seiner Einführung war das Duale System der Kritik von den verschiedensten Seiten ausgesetzt, und seither ist die Diskussion nicht zum Erliegen gekommen. Während Umweltverbände das System als Etikettenschwindel und Alibiveranstaltung ansahen, stellte es für die Industrie (und natürlich vor allem für die Verpackungsindustrie, die ihren Absatzmarkt verschwinden sah) eine unzumutbare staatliche Gängelung dar. In eine wieder andere Richtung ging die Kritik der kommunalen Entsorger und der Kommunen selbst: Diese sahen sich in ihren Aufgaben beschnitten und in ihrer Selbstverwaltung bedroht. Im Folgenden werden die wichtigsten Punkte der Diskussion um das Duale System angeschnitten.
 
Vermeiden oder verwerten?
 
Einer der Hauptkritikpunkte am Dualen System ist die Sorge, durch Einrichtung des Systems würde der (kommerziellen) Verwertung von Abfällen der Vorrang vor der Vermeidung gegeben. Denn auch wenn das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die Verpackungsverordnungen explizit den Vorrang der Abfallvermeidung festschreiben — warum sollte man Abfälle vermeiden, wenn mit ihrer wie auch immer gearteten Verwertung viel Geld zu verdienen ist? Verbindlich festgelegt werden Verwertungsquoten, nicht jedoch Obergrenzen für die maximal erlaubte Abfallmenge. Darüber hinaus wird kritisiert, dass die Verbrennung von Kunststoffen in Hochöfen oder zur Strom- und Wärmegewinnung kein Recycling mehr im Wortsinne sei — der Begriff »Verwertung« werde so weit gefasst, dass die tatsächliche werkstoffliche Verwertung in den Hintergrund treten könne. Auf diese Weise würden Materialien und Produkte, die nur schwer werkstofflich zu verwerten sind, gegenüber gut recycelbaren Stoffen ungerechtfertigt bevorzugt, da es keinen Anreiz für die Hersteller gibt, ihre Produktion auf wirklich recyclingfähige Materialien umzustellen.
 
Monopoly
 
Ein weiterer Einwand ist ordnungspolitischer Natur: Die DSD AG besitzt ein Monopol auf die Verwertung von Verpackungsabfällen, sodass man das Duale System zwar ein privatwirtschaftliches, aber kein marktwirtschaftliches Entsorgungssystem nennen kann. Dem Verbraucher und der Industrie ist es nicht möglich, etwa zwischen dem DSD und einem anderen, stärker auf Müllvermeidung ausgerichteten (oder auch nur effizienter arbeitenden) Anbieter auszuwählen. Auch das sonstige Abfallrecht ist von Verordnungen geprägt. Marktwirtschaftlichere Lösungen würden nur Obergrenzen für Abfallmengen festsetzen; mit dem Recht, innerhalb dieser Grenzen Abfall zu produzieren, könnte gehandelt werden, wodurch die effektivsten und abfallärmsten Betriebe und Produktionsverfahren bevorzugt würden.
 
Mülltourismus
 
Ein weiterer Schwachpunkt des Dualen Systems in seiner heutigen Ausprägung lässt sich an Punkt R13 der erlaubten Verwertungswege ablesen: Das »Ansammeln von Stoffen« zur späteren Verwertung gilt ebenfalls als Verwertung. Die Folge sind einerseits Halden von »Wertstoffen«, die »später« verwertet werden sollen, aber schon heute nicht mehr in der Abfallstatistik auftauchen, und andererseits das »Versickern« von Grüner-Punkt-Abfällen, die schließlich auf halblegalen und illegalen Wegen nach Osteuropa und in Länder der Dritten Welt gelangen. Aufgrund dieser Entwicklung gibt es in manchen Regionen praktisch keinen gewerblichen Abfall mehr; nach Informationen der Mannheimer Versorgungs- und Verkehrs-AG (MVV) sank in Baden-Württemberg die Menge der offiziell registrierten Gewerbeabfälle zwischen 1990 und 1996 von 266 Kilogramm auf nur noch 71 Kilogramm pro Einwohner und Jahr, mit weiter sinkender Tendenz. Das tatsächliche Aufkommen hat aber wesentlich geringer abgenommen, der überwiegende Teil dieser Abnahme beruht auf dem überregionalen Transport, zum Beispiel zu billigen Deponien oder Zwischenspeichern. Dies hat für den Verbraucher einen unerwünschten Nebeneffekt: Da die regionalen Müllentsorgungskapazitäten auf das prognostizierte tatsächliche regionale Abfallaufkommen ausgelegt worden sind, bestehen nun deutliche Überkapazitäten, die zu einer Erhöhung der Abfallgebühren für Privathaushalte führen — obwohl dort das Abfallaufkommen tatsächlich reduziert wurde und der Aufwand für die Mülltrennung sich gegenüber 1990 deutlich erhöht hat!
 
 Was hat das Duale System gebracht?
 
Seit den 1950er-Jahren wurde die für Verpackungen aufgewendete Materialmenge erheblich reduziert: Statt, wie 1953, 82 Gramm wiegt eine Getränkedose heute im Schnitt nur noch 28 Gramm. Dieser Trend hat sich seit Einführung des Dualen Systems Anfang der 1990er-Jahre verstärkt. Haushaltsprodukte wie zum Beispiel Waschmittel werden als Konzentrat und in Nachfüllpackungen angeboten. Nach Angaben der DSD AG wurden zwischen 1991 und 1995 auf diese Weise 900 000 Tonnen Verpackungsmaterial eingespart. Auch konnten die vorgeschriebenen Erfassungs- und Verwertungsquoten überwiegend eingehalten werden, wenn auch manchmal, wie 1996 bei Getränkeverpackungen, nur durch nachträgliche Senkung der Quote. Ebenfalls zugute halten kann sich die DSD AG, dass heute schätzungsweise 90 % der Bevölkerung ihre Abfälle in Wertstoffe und Restmüll, oft sogar noch wesentlich differenzierter, auftrennen: Die Deutschen sind heute im Ausland als Mülltrenner »verschrien«. Andererseits ist die Abfallvermeidung gegenüber der Verwertung in vielen Fällen in den Hintergrund getreten, bei vielen Stoffen ist eine effiziente, ökologisch unbedenkliche und energetisch günstige werkstoffliche Verwertung nach wie vor nicht in Sicht. Ebenso sind Einwegverpackungen auch bei Getränken immer noch häufig anzutreffen, insbesondere Getränkedosen haben ihren Marktanteil in den letzten Jahren noch steigern können. Daher sind verstärkte Bemühungen um die Vermeidung von Abfällen und hin zu einer Kreislaufwirtschaft mit deutlich reduzierten Stoffumsätzen nach wie vor dringend geboten — ob im Rahmen des Dualen Systems oder außerhalb, ist dabei von geringerer Bedeutung.
 
Literatur:
 
Martin Runge: Milliardengeschäft Müll. Vom Grünen Punkt bis zur Müllschieberei. München 1994.
 Sophie Thomé-Kozmiensky: Die Verpackungsverordnung. Rechtmäßigkeit, »Duales System«, Europarecht. Berlin 1994.
 Werner Hoppe u. Clemens Weidemann: Verwaltungsrechtliche Grundlagen dualer Entsorgungssysteme. Köln 1999.


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