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ZUFALL

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Zufall: übersetzung

Los; Schicksal; Schickung; Fügung; Voraussagung; Vorhersehung; Fatum

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Zu|fall ['ts̮u:fal], der; -[e]s, Zufälle ['ts̮u:fɛlə]:
etwas, was man nicht vorausgesehen hat, wofür keine Ursache, kein Zusammenhang, keine Gesetzmäßigkeit erkennbar ist:
das war purer Zufall; es war ein Zufall, dass wir uns in Paris trafen; durch Zufall erfuhr ich von seiner Heirat; ich glaube nicht an Zufälle.

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Zu|fall 〈m. 1udas Eintreten od. Zusammentreffen von Ereignissen, das nach menschl. Voraussicht nicht zu erwarten war ● ein Spiel des \Zufalls ● und wie es der \Zufall manchmal mit sich bringt ...; das kann doch nicht bloß \Zufall sein!; das wollen wir dem \Zufall überlassen; seine Rettung ist nur dem \Zufall zu verdanken; der \Zufall wollte (es), dass ... ● es war ein glücklicher, unglücklicher \Zufall, dass ...; es war reiner, purer \Zufall, dass wir uns hier trafen ● durch \Zufall erfuhr ich davon; eine Kette, Reihe von Zufällen brachte es mit sich, dass ...; was für ein, welch ein \Zufall (dass ich dich gerade hier treffe)! [<mhd.zuoval, Lehnübersetzung von lat. accidens <ad „zu“ + cadere „fallen“]

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Zu|fall , der; -[e]s, Zufälle [zu zufallen, mhd. zuoval = das, was jmdm. zufällt, zuteilwird, zustößt; Abgabe, Einnahme; Beifall, Zustimmung; Anfall; bei den Mystikern des 14. Jh.s wurde es im Anschluss an lat. accidens, accidentia (Akzidens, Akzidenz) für »äußerlich Hinzukommendes« gebraucht]:
1. etw., was man nicht vorausgesehen hat, was nicht beabsichtigt war, was unerwartet geschah:
ein seltsamer, glücklicher, dummer, ärgerlicher, merkwürdiger Z.;
etw. ist [reiner] Z.;
es ist kein Z. (ist nicht zufällig, hat seinen Grund), dass …;
der Z. hat uns dorthin geführt;
der Z. wollte es, dass … (es war völlig unerwartet, dass …);
der Z. kam uns zu Hilfe (die Sache entwickelte sich ohne unser Zutun in der gewünschten Weise);
das verdankt er nur einem Z. (einem Umstand, der nicht vorauszusehen war);
etw. dem Z. überlassen (nicht beeinflussen o. Ä., sondern so nehmen, wie es sich von selbst ergibt);
ich habe durch Z. (zufällig) davon gehört.
2. <meist Pl.> (veraltet) plötzlich auftretender Anfall (1).

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Zufall,
 
1) das, was ohne erkennbaren Grund und ohne Absicht geschieht, das Mögliche, das eintreten kann, aber nicht eintreten muss (z. B. Zusammentreffen von unabhängigen Ereignisketten; Koinzidenzen, Synchronizitäten); 2) das, was einer Sache nicht wesentlich zukommt, das Akzidentelle (im Unterschied zum Wesen); 3) das, was so oder auch anders sein könnte, das Kontingente (im Unterschied zum absolut Notwendigen).
 
Der eigenen Unfähigkeit, die Ursachen allen Seins und Geschehens zu ergründen, und der Empfindung von Willkürlichkeit und Zufälligkeit der Dinge wurde vom Menschen schon seit jeher der Glaube an eine unerforschliche schicksalhafte oder göttliche Macht entgegengesetzt, die von außen bestimmend in das irdische Geschehen eingreift. Im Altertum wurde Glücksgöttinnen oder Schicksalsgöttinnen (z. B. die Moiren, später Tyche in Griechenland, Fortuna in Rom) die Steuerung des Zufalls durch Zuteilung eines Lebensloses an die Sterblichen, aber auch beim Glücksspiel zugeschrieben. Auch die Bibel kennt Losentscheidungen; aber nicht der »blinde Zufall«, sondern der Wille Gottes machte Saul zum König der Stämme Israels (1. Samuel 10, 20-21). Das »Gottesurteil« des Mittelalters lebte noch ganz in dieser Tradition. In der scholastischen Theologie führte der Zweifel an der Notwendigkeit des Seienden (»Warum ist etwas und nicht vielmehr nichts?«) als ontologische Grundproblem dazu, die Schöpfung als kontingent zu verstehen. Gemeint war damit nicht ihre pure Zufälligkeit, sondern ihre Endlichkeit, vermöge derer sie nicht aus sich selbst, sondern nur aus einem anderen (dem göttlichen Schöpfer) heraus subsistieren, d. h. ihr Sein haben könne. Erst die Renaissance begann schließlich, den Zufall seiner metaphysischen Dimension zu entkleiden.
 
Zufall im erstgenannten Sinne wird vom Determinismus grundsätzlich geleugnet; Zufall beruht danach vielmehr auf vorläufig mangelndem Erkenntnisvermögen in Bezug auf tatsächliche Wirkzusammenhänge. Zufälle verneinten z. B. die Stoiker, Augustinus, B. de Spinoza, D. Hume, P. S. de Laplace (mit dem laplaceschen Dämon als Symbolfigur der klassischen Physik). Ein wesentlicher Faktor der Weltwerdung ist der Zufall dagegen bei Anaxagoras, den Epikureern, später in der Evolutionstheorie (Erklärung der Evolution durch Mutation und Selektion). Für die Wissenschaftstheorie stellt sich ebenfalls das Problem, das Zustandekommen des Zufalls zu erklären. Viele der Gesetze, die das Verhalten der Bausteine der Materie beschreiben, kennen aufgrund ihres deterministischen Charakters nämlich zunächst keinen Zufall. Hier spielen statistische Betrachtungen über Systeme mit einer großen Anzahl von Bestandteilen oder mit quantenphysikalischen Eigenschaften eine wichtige Rolle. Über die Frage der Quantifizierung des Zufalls entwickelte sich ab dem 17. Jahrhundert die Wahrscheinlichkeitsrechnung.
 
Im Horizont der modernen Gesellschaft und der wissenschaftlichen Welt wird über Zufall neu diskutiert, bezogen auf Wissenschaft und Technik, die Evolution und menschliche Praxis. Die Annahme, dass wissenschaftlicher Fortschritt mit den Möglichkeiten der kausalen Erklärung und Prognose Zufall durch zunehmende Einsicht in tatsächliche Wirkzusammenhänge eliminieren könne, scheint nicht erfüllbar zu sein. Es stellt sich nunmehr die Frage nach dem Verhältnis von Zufall und Notwendigkeit zueinander. In den Forschungen nach dem Ursprung des Lebens stehen sich, anknüpfend an C. Darwins Evolutionstheorie, zwei Extrempositionen gegenüber: Versuche, das Leben und die Zweckmäßigkeit in der Natur aus der anorganischen Materie unter Einwirkung von Gesetzen und Zufälligkeiten herzuleiten, sowie auch Versuche, die Leben nicht ohne Bewusstsein und immanente Zielrichtung (Teleologie) erklärbar sehen. - Menschliches Handeln erfolgt im Spannungsfeld zunehmender technisch-instrumenteller Beherrschbarkeit des Geschehens sowie eines Wertepluralismus, mit dem allgemeinen verbindlichen Handlungsorientierungen verloren gegangen sind. Jenseits der Extreme von technisch-pragmatischer Notwendigkeit und Zufall im Sinne anonymer Beliebigkeit stellt sich die Frage nach einem vom Selbstverständnis des Menschen und von seinen Wert- und Zielbildungen abhängigen Handeln in Verantwortung und Freiheit.
 
 Mathematisierung des Zufalls
 
Die intuitive Vorstellung, die der Mensch von den Begriffen Zufall, Zufallsversuch und Ausgang eines Zufallsversuchs hat, lässt sich durch folgendes Modell konkretisieren: Ein Mechanismus sei - zumindest gedanklich - in der Lage, beliebig oft unter gleichen Bedingungen betätigt zu werden, wobei sich endlich viele verschiedene Ausgänge ergeben können. Beispiele hierfür sind das Werfen einer Münze mit den Ausgängen »Wappen« und »Zahl«, das Würfeln mit den Ausgängen 1, 2, 3, 4, 5, 6 oder das Ausspielen von sechs Lottozahlen mit etwa 14 Mio. möglichen Ausgängen.
 
Das Hauptproblem bei allen Zufallsversuchen besteht in der Quantifizierung des Zufalls. Es geht dabei um die Zuordnung von Zahlen (Wahrscheinlichkeiten genannt) zu den verschiedenen Ausgängen, allgemeiner zu jedem Ereignis, d. h. jeder Menge von möglichen Ausgängen. Hierbei soll die dem Ereignis A zugeordnete Zahl P (A) die Chance angeben, mit der das Ereignis A bei einmaliger Durchführung des Zufallsversuchs zu erwarten ist; man nennt dann P (A) die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von A. Dieses Quantifizierungsproblem wurde erstmals im 16. und 17. Jahrhundert bei Glücksspielen betrachtet. Es wurde 1812 durch Laplace für spezielle Zufallsversuche und 1933 durch A. N. Kolmogorows Wahrscheinlichkeitstheorie für allgemeine Zufallsversuche auf eine mathematische Grundlage gestellt. Dies führte zu einem weit reichenden Ausbau der Wahrscheinlichkeitstheorie und der auf ihr basierenden mathematischen Statistik sowie der (im 20. Jahrhundert entstandenen) Theorie stochastischer Prozesse; diese drei Gebiete werden heute unter der Bezeichnung Stochastik zusammengefasst.
 
Die Wahrscheinlichkeitstheorie stützt sich auf eine axiomatische Grundlegung und umgeht damit die Notwendigkeit einer Definition des Zufalls. Schwierigkeiten mit der Interpretation von Zufall und Wahrscheinlichkeit ergeben sich dann erst bei der Anwendung der Theorie auf konkrete Situationen der realen Welt (z. B. bei Risikoabschätzungen, Risiko). Die Wahrscheinlichkeitstheorie liefert zwar Regeln zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses aufgrund von Ausgangsdaten in Form von Wahrscheinlichkeiten genügend vieler anderer Ereignisse. Sie gibt aber keine Hinweise, wie a) diese Ausgangsdaten zu beschaffen und b) die berechneten Wahrscheinlichkeiten P (A) zu interpretieren sind. (Eine spezielle, bei der Erzeugung von Zufallszahlen beziehungsweise Pseudozufallszahlen auftretende Problematik stellt die Beurteilung des Grades der Zufälligkeit [Regellosigkeit] einer beobachteten oder durch einen Algorithmus deterministisch erzeugten Folge von Beobachtungen dar.) Die Lösung der beiden Probleme a) und b) geschieht meist frequentistisch (häufigkeitstheoretisch): Wird der Zufallsversuch n-mal wiederholt, so wird, sofern n groß ist, n P (A) als Prognosewert für die Anzahl der Versuche angesehen, bei denen das Ereignis A beobachtet wurde. Eine zweite Möglichkeit der Interpretation der Wahrscheinlichkeit P (A) besteht in deren Deutung als Grad der subjektiven Überzeugung vom Eintreten von A bei Durchführung des Zufallsversuchs; P (A) kann dabei mittels hypothetischer Wetteinsätze numerisch bestimmt werden.
 
Ist bei der Durchführung eines Zufallsversuchs mit N möglichen Ausgängen keiner vor dem anderen bevorzugt, so erfolgt die Festlegung der Ausgangsdaten durch die auf Laplace zurückgehende Modellannahme, dass jeder Ausgang die gleiche Wahrscheinlichkeit 1 / N besitzt. Man spricht dann von einem Laplace-Versuch. Bei ihm ist die Wahrscheinlichkeit eines aus a Ausgängen bestehenden Ereignisses gleich a / N. Die oben genannten Zufallsversuche des Werfens einer Münze oder eines Würfels und des Ausspielens von Lottozahlen sind typische Laplace-Versuche.
 
Selbst bei einfachen Zufallsversuchen kann es zu falschen Schlüssen und Paradoxa kommen, falls die Ereignisse, deren Wahrscheinlichkeiten berechnet werden sollen, nicht genau festgelegt werden. Tritt z. B. beim mehrmaligen unabhängigen Werfen einer unverfälschten Münze 9-mal »Wappen« auf, so neigt der Laie zur Annahme, dass beim 10. Wurf »Kopf« mit einer größeren Wahrscheinlichkeit als ½ auftreten müsse. Der Trugschluss besteht darin, dass man das Ereignis »beim 10. Wurf tritt Kopf auf« mit dem Ereignis A »unter den ersten 10 Würfen tritt mindestens einmal Kopf auf« verwechselt, welches die große Wahrscheinlichkeit P (A) = 1 — (½)10 ≈ 0,999 besitzt (eine hohe Anzahl von Würfen ohne »Kopf« ist allerdings Anlass zur Überprüfung der Annahme der Unverfälschtheit der Münze). In einem weiteren Beispiel dieser Art liegt beim Lotto 6 aus 49 die falsche Vermutung nahe, der Ausgang {4, 5, 6, 7, 8, 9} trete seltener auf als etwa der Ausgang {5, 9, 11, 17, 37, 44}; beide haben jedoch die gleiche Wahrscheinlichkeit von rd. 1 / 14 000 000. Der Irrtum besteht darin, dass man den ersten Ausgang mit dem Ereignis A »es treten sechs aufeinander folgende Zahlen auf« und den zweiten Ausgang mit dem Ereignis B »es treten keine sechs aufeinander folgende Zahlen auf« verwechselt. Natürlich hat A eine viel kleinere Wahrscheinlichkeit als B; es ist nämlich P (A) ≈ 44 / 14 000 000 = 0,000 003 und P (B) = 1 — P (A ) = 0,999 997. - In dem von D. Bernoulli in der Zeitschrift der Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften veröffentlichten so genannten Petersburger Paradoxon wird eine echte Münze so lange geworfen, bis zum ersten Mal »Zahl« auftritt. Erfolgt dies beim k-ten Wurf, so erhält der Spieler den Gewinn 2 k-1 · Geldeinheit. Das Paradoxon besteht darin, dass - entgegen der Anschauung - der gerechte Einsatz dieses Spiels, d. h. der erwartete Gewinn, nicht endlich, sondern unendlich groß ist.
 
Als Beginn der (elementaren) Wahrscheinlichkeitstheorie gilt das Problem, das A. G. de Méré 1654 seinem Freund B. Pascal vorlegte: Es gab zwei Varianten eines Würfelspiels; bei der ersten Variante sollte mit einem Würfel bei vier Würfen mindestens eine Sechs geworfen werden, bei der zweiten Variante mit zwei Würfeln bei 24 Würfen mindestens eine Doppelsechs. Man könnte intuitiv argumentieren, dass die Chancen gleich stehen, weil man einmal vier Würfe bei sechs Möglichkeiten und einmal 24 Würfe bei 36 Möglichkeiten hat und 4 : 6 = 24 : 36 gilt. Die genaue Analyse durch B. Pascal ergab jedoch bei der ersten Variante eine Wahrscheinlichkeit von 1 — (5/6 )4 ≈ 0,518, bei der zweiten Variante dagegen 1 — (35/36 )24 ≈ 0,491. - Auch alle anderen ParadoxaderWahrscheinlichkeitstheorie lassen sich durch sorgfältige mathematische Analyse aufklären.
 
 Zufall in den Naturwissenschaften
 
Das klassische naturwissenschaftliche Kausalitätsprinzip - »Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen« - steht dem Glauben an den Zufall entgegen. Dieses Prinzip leugnet die Existenz des Zufalls in der realen Welt, das Zufällige kann also nicht in den Dingen geschehen, sondern nur in unserem Bewusstsein. Nur weil die Ursachen und ihr Zusammenspiel nicht analysiert werden können, erfindet man die Modellvorstellung des Zufalls. Beim Werfen einer Münze ist demnach der Ausfall völlig vorherbestimmt, wenn die Münze die Hand des Spielers verlassen hat, und zwar durch Anfangsimpulse, Luftströmungen usw. Man kann aber nicht vorhersagen, auf welche Seite die Münze fallen wird, weshalb man von »Zufall« spricht.
 
I. Kant formuliert in seiner »Kritik der reinen Vernunft« (1781) das klassische Kausalitätsprinzip: »Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetz der Verknüpfung von Ursache und Wirkung.« Laplace drückt seine Auffassung von der Determiniertheit des physikalischen Naturgeschehens folgendermaßen aus: »Es lässt sich eine Stufe der Naturerkenntnis denken, auf welcher alles Weltgeschehen durch eine mathematische Formel vorgestellt würde, durch ein unermessliches System simultaner Differenzialgleichungen, aus dem sich Ort, Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit jedes Atoms im Weltall zu jeder Zeit ergäbe.«
 
Diese Vorstellung der Determiniertheit, wie sie die klassische newtonsche Physik prägt, ist im Bereich der Quantenphysik nicht mehr haltbar, da der Zustand eines beobachteten mikrophysikalischen Systems nicht exakt zu bestimmen ist; die heisenbergsche Unschärferelation besagt etwa, dass Ort und Impuls eines Elektrons im Atom nur mit Ungenauigkeiten beobachtbar sind, deren Produkt eine bestimmte Konstante nicht unterschreitet. Derartige mikrophysikalische Prozesse sind damit für den Beobachter nicht determiniert. An die Stelle der aus der klassischen Makrophysik vertrauten Determiniertheit tritt die Wahrscheinlichkeit und damit die Zufälligkeit für das Eintreten von Ereignissen (Wahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Elektrons in einem gewissen Raumelement, für das Zerfallen eines radioaktiven Atoms in einem bestimmten Zeitabschnitt usw.). In der Quantenmechanik wird also im Gegensatz zur klassischen Physik ein Zustand nicht durch die tatsächlichen Werte eines Satzes beobachtbarer Größen (Observablen) beschrieben, sondern durch die Wahrscheinlichkeiten der möglichen Werte dieser Größen. (Kopenhagener Deutung)
 
Im Bereich der klassischen (deterministischen) Physik benutzt man Wahrscheinlichkeiten nur unter bestimmten Bedingungen, etwa zur Beschreibung von Prozessen im Rahmen der statistischen Mechanik, wo die Komplexität von Systemen sehr großer Teilchenzahl die Verwendung statistischer Methoden erzwingt. In der Chaostheorie beschreibt man Systeme, die durch ein »determiniertes Zufallsverhalten« und die Ausbildung »chaotischer Strukturen« gekennzeichnet sind, wobei insbesondere kleine Änderungen der Einwirkungen große Änderungen der Auswirkungen hervorrufen können. Aufgrund der Komplexität der kausalen Beziehungen ist das Verhalten eines solchen Systems langfristig nicht vorhersagbar, es wirkt zufällig, obwohl es im Prinzip determiniert ist. Das spontane Entstehen neuer Strukturen nennt man auch Selbstorganisation.
 
In der Evolutionstheorie gibt es die Auffassung, jede Mutation trete spontan und willkürlich auf, womit auch der Mensch als ein »zufälliges« Ergebnis der Evolution erscheint. Dem stehen - oft religiös bedingte - Vorstellungen eines Bestimmtseins alles Seienden im Rahmen der Schöpfungsordnung (Augustinus) und einer teleologischen (zielgerichteten) Evolution (Teilhard de Chardin) entgegen. Manche Theorien, die plötzlichen Sprünge in der Naturentwicklung annehmen, erblicken darin das Wirken der schöpferischen Kraft der Natur oder Gottes selber, für andere ist das Auftreten neuer Organisationsmuster von der gleichen Zufallsnatur wie die kleinen Variationen. (Spiel)
 
 Der Zufall als schöpferisches Potenzial
 
In der bildenden Kunst hat der Zufall als Mittel zum Zweck eine lange Tradition. Schon Leonardo da Vinci regte zum Studium der »zufällig« entstandenen Naturphänomene an, um die künstlerische Einbildungskraft zu beflügeln. Im 18. und 19. Jahrhundert (z. B. V. Hugos Klecksographien), besonders aber seit dem Dadaismus bedienten sich Künstler des inszenierten Zufalls (Zufall als Prinzip). Man kann dies einerseits als eine Ausschaltung des bewussten Gestaltens sehen, andererseits aber einen kreativen Freiraum in der Erzeugung und künstlerische Umsetzung des Zufalls erkennen. Zufall wird so als Voraussetzung für die »Freiheit des Möglichen« gedeutet.
 
In M. Ernsts Collagen, den Werken von M. Duchamp sowie dem von den Surrealisten in die Kunst eingeführten Prinzip der Spontaneität (Automatismus) öffnet sich der künstlerische Prozess dem Zufall. Auch jüngere Entwicklungen (Nouveau Réalisme, Fluxus, Happenings) nutzen die Freiheit des Unvorhergesehenen. In neuester Zeit steht der systematisch erzeugte und programmierte Zufall v. a. in mithilfe des Computers erzeugten Bildern im Vordergrund.
 
In der Musik entstand die Aleatorik um 1950 (J. Cage, K. Stockhausen). Dabei ging es zunächst um die Freiheit der Interpretation, doch fanden z. B. auch »zufällige« Umweltgeräusche Eingang in das musikalische Werk. - In der Literatur waren Zufall und Schicksal immer thematische Motive; prinzipielles Gestaltungsmittel wurde der Zufall z. B. im Verfahren der Écriture automatique. Auch öffneten in jüngerer Zeit Autoren dem Leser die Möglichkeit zum willkürlichen Spiel mit sprachlichem Material (R. Queneau, Marc Saporta).
 
 Zufall aus philosophischer Sicht
 
Die philosophische Diskussion des Zufallsbegriffs knüpfte im 20. Jahrhundert an seine Erörterung in der Antike an: daran, dass der Zufall mit einer subjektiven Erwartungshaltung und einem objektivierbaren Wissensbegriff zu tun hat. Als klassisches Beispiel gelten die beiden Sklaven, die sich »zufällig« am Brunnen treffen - ohne zu wissen, dass ihre Herren sie absichtlich zur gleichen Zeit dorthin geschickt haben. Zufall erscheint somit als eine unerwartete und daher begründungsbedürftige Abweichung von einem »Normalzustand«, wobei eine anwachsende Kenntnis der Randbedingungen und der zuständigen Naturgesetze ihn von seinem Zufallscharakter befreit.
 
Während die kausaldeterministischen Auffassungen der Physik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts den Zufall nur als Kennzeichnung des noch nicht vollständigen Wissens zuließen, führte die Einsicht in die notwendige Beeinflussung eines objektiven Vorgangs durch ein Subjekt allein dadurch, dass dieses sich mit jenem befasst (analog der Quantenphysik), zu der Erkenntnis, dass es Vorgänge gibt, die sich einer deterministischen gesetzmäßigen Beschreibung entziehen. Menschliche Freiheit schien somit erklärbar (als spätes Resultat eines Quantenzerfalls im Gehirn, so etwa P. Jordan und H. Haken). Eine andere Auffassung sieht die Entstehung von DNA, Lebewesen und Mensch einerseits als absolut zufällig an; andererseits sei der Mensch immerhin in der Lage, sich selbst als »Zigeuner am Rande des Weltalls« zu erkennen (J. Monod, »Zufall und Notwendigkeit«). Die Anhänger des »anthropischen Prinzips« argumentieren genau umgekehrt: Weil der Mensch »erkennen« könne, müsse wegen der ungeheuren Unwahrscheinlichkeit seiner Existenz ein Prinzip angenommen werden, das den Menschen als diesen »gewollt« habe. Ein weiterer Ansatz folgert, dass bei der Vielzahl von Sonnensystemen im Universum von einer großen Zahl (auch von intelligenten Lebewesen) belebter Planeten ausgegangen werden müsse.
 
All diesen Vermittlungsversuchen zwischen Zufall und Notwendigkeit wurde in neuester Zeit entgegengehalten, dass der Übergang von beschreibbaren Tatsachen nach allgemeinen Gesetzen zu einer normativen, v. a. durch Zielbestimmtheit und Strebevermögen gekennzeichneten Subjektivität, die das Lebendige wesentlich auszeichnet, weder durch Zufall noch durch Mutabilität zu »erklären« sei (R. Spaemann, R. Löw). Die Entstehung von wirklich Neuem im Verlauf der Evolution erfordere vielmehr (wie auch N. Hartmann darlegte) einen ontologischen Schichtwechsel, d. h. eine Veränderung der Seinsebene, und dieser ist rein deskriptiv prinzipiell nicht zu leisten.
 
An diese Voraussetzungen anknüpfend, lässt sich eine Eingrenzung des Zufallsbegriffs am besten durch Gegenbegriffe vornehmen. Dies ist zunächst der von Monod genannte Begriff der Notwendigkeit. Wäre er philosophisches Prinzip, dann wäre der »Zufall« nur die Einschätzung eines Noch-nicht-Wissens oder einer prinzipiellen Unwissbarkeit; Letzterem widersprachen A. Einstein (»Gott würfelt nicht«) und A. Schweitzer (»Zufall ist der Name des lieben Gottes, wenn er inkognito bleiben möchte«). - Der zweite Gegenbegriff ist der der Freiheit. F. W. J. Schelling und H. Jonas etwa sehen menschliche Freiheit im Verlauf der Evolution und in der Geschichte darin begründet, dass sie bereits im Grund der Natur verankert ist. - Der dritte Gegenbegriff ist der des Schicksals. Die widersprüchlichen Expertenansichten und das Fehlen einer wissenschaftlichen Erklärung z. B. des Leidens, des Bösen, der Wechselfälle individuellen Lebens (Theodizee) lassen deren Deutung als Zufall zu. Demgegenüber wird aus religiöser Sicht oftmals davon ausgegangen, dass es keinen Zufall gibt. Alles, was dem Menschen begegnet, manifestiert sich demnach als ein wirkendes Sinngeschehen, durch das er in seinem Handeln und seiner Selbstdeutung zu einer Antwort herausgefordert ist.
 
Literatur:
 
N. Hartmann: Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis (51965);
 R. von Mises: Wahrscheinlichkeit, Statistik u. Wahrheit (Wien 41972);
 M. Oraison: Z. u. Leben. Hat die Biologie das letzte Wort? (a. d. Frz., 1972);
 H. Meschkowski: Was wir wirklich wissen (1984);
 E. Schoffeniels: Anti-Z. (a. d. Frz., 1984);
 W. Stegmüller: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Bd. 2 (81987);
 P. Erbrich: Z. Eine naturwiss.-philosoph. Unters. (1988);
 R. Spaemann u. R. Löw: Die Frage Wozu? Gesch. u. Wiederentdeckung des teleolog. Denkens (Neuausg. 21991);
 A. Engel: Stochastik (Neudr. 1992);
 
Z. als Prinzip. Spielwelt, Methode u. System in der Kunst des 20. Jh., hg. v. B. Holeczek u. L. von Mengden, Ausst.-Kat. Wilhelm-Hack-Museum, Ludwigshafen (1992);
 L. Tarassow: Wie der Z. will? Vom Wesen der Wahrscheinlichkeit (a. d. Russ., 1993);
 D. Ruelle: Z. u. Chaos (a. d. Engl., 21994);
 O. Marquard: Apologie des Zufälligen (Neudr. 1996);
 M. Eigen u. R. Winkler: Das Spiel. Naturgesetze steuern den Z. (Neuausg. 41996);
 J. Monod: Z. u. Notwendigkeit. Philosoph. Fragen der modernen Biologie (a. d. Frz., Neuausg. 1996);
 N. Henze: Stochastik für Einsteiger (1997);
 K. Lorenz: Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgesch. menschl. Erkennens (Neuausg. 1997).

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Zu|fall, der; -[e]s, Zufälle [zu ↑zufallen, mhd. zuoval = das, was jmdm. zufällt, zuteil wird, zustößt; Abgabe, Einnahme; Beifall, Zustimmung; Anfall; bei den Mystikern des 14. Jh.s wurde es im Anschluss an lat. accidens, accidentia (↑Akzidens, Akzidenz) für „äußerlich Hinzukommendes“ gebraucht]: 1. etw., was man nicht vorausgesehen hat, was nicht beabsichtigt war, was unerwartet geschah: ein seltsamer, glücklicher, dummer, ärgerlicher, merkwürdiger Z.; etw. ist [reiner] Z.; Schon dass sie sich getroffen haben, ist purer Z. (Bieler, Bär 113); das ist aber ein Z. (eine freudige Überraschung)!; es ist kein Z. (ist nicht zufällig, hat seinen Grund), dass ...; der Z. hat uns dorthin geführt; der Z. wollte es, dass ... (es war völlig unerwartet, dass ...); der Z. kam uns zu Hilfe (die Sache entwickelte sich ohne unser Zutun in der gewünschten Weise); das verdankt er nur einem Z. (einem Umstand, der nicht vorauszusehen war); etw. dem Z. überlassen (nicht beeinflussen o. Ä., sondern so nehmen, wie es sich von selbst ergibt); ich habe durch Z. (zufällig) davon gehört. 2. <meist Pl.> (veraltet) plötzlich auftretender ↑Anfall (1): mit Rücksicht ... auf die Damen, die sonst leicht Zufälle bekommen (Th. Mann, Zauberberg 77).


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