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CARUSO: DER KÖNIG DES GESANGS

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Caruso: Der König des Gesangs
 
»Zärtlicheres gab es auf Erden nicht, als den Zwiegesang aus einer modernen italienischen Oper. .. — als diese bescheidene und innige Gefühlsannäherung zwischen der weltberühmten Tenorstimme, die so vielfach in den Alben vertreten war, und einem glashell-süßen kleinen Sopran. ..«. Den Namen der »weltberühmten Tenorstimme« unterschlägt Thomas Mann in seinem Roman Der Zauberberg zwar, doch wird und wurde niemals bezweifelt, dass hier der damals wie heute wohl berühmteste italienische Tenor — wenn nicht gar der berühmteste Sänger überhaupt — gemeint sein muss: Enrico Caruso.
 
Thomas Manns Romanheld Hans Castorp, der mit dem Modell »Polyhymnia« den Dernier Cri der damaligen Grammophonproduktion bediente, geriet jedes Mal in Verzückung, »wenn jener tenorale Abgott in Schmelz und Glanz schwelgte, die weltbeglückende Stimme in Kantilenen und hohen Künsten der Leidenschaft sich verströmte.« Doch war es auch für Castorp nicht allein die Stimme, die das Faszinosum Caruso ausmachte. Die ungeheure Modernität des Sängers, die sich vor allem in seiner Offenheit gegenüber dem damals neuen Medium der Schallplatte sowie in seinem Schulterschluss mit der »modernen italienischen Oper«, der Oper des Verismo, zeigt, ist ebenso für Carusos Erfolg verantwortlich wie der unvergleichliche Klang seiner Stimme. Auf die Kunst der Andeutung verzichtend, scheint der Direktor des Archivs der Metropolitan Opera die Antwort auf die Frage gefunden zu haben, worin das eigentlich Faszinierende an dem Phänomen Caruso liegt. Unverblümt und scheinbar erschöpfend formulierte Robert Tuggle: »Er war der größte Sänger der Welt, der bestbezahlte und der berühmteste, und. .. seine Schallplattenaufnahmen sind bis heute Bestseller geblieben.«
 
 Carusos Jugend
 
Enrico (oder wie seine neapolitanischen Landsleute ihn riefen: »Errico«) Caruso kam am 25. Februar 1873 als 18. von 21 Kindern des Schlossers Marcello Caruso und seiner Frau Annarella in Neapel zur Welt.
 
Schon als Zehnjähriger musste er zum Lebensunterhalt der Familie beitragen, widmete aber jede freie Minute dem Singen. Häufig war er — bereits als Solist — mit dem Kirchenchor unterwegs, um Totenmessen zu singen. Nach dem Stimmbruch trat er überall dort auf, wo es Gelegenheiten gab, mit seinem Gesang Geld zu verdienen. So auch in den zahlreichen Konzertcafés Neapels — in einem dieser Cafés saß zuweilen auch ein gewisser Pietro Mascagni am Klavier, der wenig später mit seiner Oper Cavalleria rusticana Weltruhm erlangen sollte. Gesangsunterricht erhielt Caruso ab 1891 bei Guglielmo Vergine.
 
 Der Anfang einer Karriere
 
Nach einem ersten missglückten Debütversuch — Caruso war schon während der Proben an der nervlichen Belastung gescheitert — debütierte er am 15. März 1895 in Domenico Morellis heute völlig vergessener Oper L'amico Francesco im Teatro Nuovo in Neapel. Einem Engagement am Teatro Bellini in Neapel, wo er bereits die Hauptrollen in den Opern Faust, Rigoletto und La Traviata singen durfte, folgte die Einladung zu einer Tournee nach Ägypten. Die Reaktionen auf Carusos Auftritte bewegten sich zwischen Ablehnung — seine Stimme wies vor allem in der hohen Lage noch technische Mängel auf — und Enthusiasmus. Emma Calvé, die berühmteste Carmen ihrer Zeit, hörte den jungen Tenor 1896 und schrieb zu diesem frühen Zeitpunkt seiner Karriere begeistert: »Welch eine wunderbare, welch ganz und gar außergewöhnliche Stimme. Ich habe selten eine so schöne Stimme gehört. Sie ist ein Wunder.« Im November 1896 sprang Caruso in Salerno als Canio in Ruggero Leoncavallos Bajazzo ein und sang damit zum ersten Mal die Partie, die seine berühmteste Rolle werden sollte. Bei seinen Auftritten in Livorno 1897 lernte er in seiner Bühnenpartnerin, der Sopranistin Ada Giachetti, die spätere Mutter seiner zwei Söhne kennen, die für die Karriere Carusos ihre eigene aufgeben sollte. Zuvor musste sich der unbekannte junge Tenor aber noch die Erlaubnis Giacomo Puccinis für sein Auftreten in dessen erst kürzlich uraufgeführter Oper La Bohème einholen und zu diesem Zwecke dem Komponisten eine Arie aus der Bohème vorsingen. Der Legende nach soll Puccini mit dem Ausruf »Wer hat dich zu mir geschickt? Gott?« überwältigt zugestimmt haben.
 
 Der Durchbruch
 
Mit seinem Auftritt anlässlich der Uraufführung von Francesco Cileas L'Arlesiana am Teatro Lirico in Mailand im November 1897 feierte Caruso einen triumphalen Erfolg, der seinen berühmten Kollegen Francesco Tamagno zu der prophetischen Äußerung hinriss: »Er wird der Größte von uns allen sein.« Die Uraufführung von Umberto Giordanos Fedora im gleichen Theater im Jahr darauf markierte endgültig Carusos Durchbruch zum gefeierten Star. Der Komponist, der die Uraufführung seiner Oper selbst dirigierte, beschrieb die Publikumsreaktionen auf Caruso: »Der Applaus war. .. ein explosionsartiger Ausbruch von Leidenschaft. .. Caruso wiederholte seine Arie, sobald ich — völlig überrascht von diesem Beifallssturm — mich gefasst hatte und wieder dirigieren konnte. Es war ein ekstatischer Begeisterungstaumel, und es gab ein zweites und sogar ein drittes Dakapo. .. Der neue Star hatte sich als wahrer Segen für Fedora erwiesen. Carusos Stimme hatte alle Herzen erobert.« Nach diesem Erfolg wurde die ganze Welt auf Caruso aufmerksam. Wie der Sänger selbst schrieb, »prasselten nach jenem Abend die Verträge wie ein Wolkenbruch auf mich hernieder.« Und so startete Caruso 1900 seine erste Gastspielreise nach Übersee, an das bedeutende Teatro Colón in Buenos Aires. Von dort aus teilte der Sänger der Presse mit, er werde in Rom in der mit Spannung erwarteten Uraufführung von Puccinis Tosca den Cavaradossi singen, für den Puccini ihn persönlich auserwählt hätte. Doch hatte sich die Sängerin der Titelpartie in den Kopf gesetzt, dass ihr Liebhaber die männliche Hauptrolle singen sollte, und der Komponist gab dem Wunsch der Primadonna nach. Wenige Monate nach der Uraufführung kam es in Bologna dann aber doch noch zu Carusos verspätetem Debüt als Cavaradossi, und Puccini gab seinen bei der Uraufführung begangenen »Irrtum« zu: »In dieser Rolle ist er weitaus der Beste.«
 
 Arturo Toscanini und die Mailänder Scala
 
Carusos Debüt an der Mailänder Scala in La Bohème im Dezember 1900 war kein solcher Erfolg beschieden. Das Urteil der Kritik fiel dementsprechend hart aus: »Caruso war eine Enttäuschung. Das Publikum hatte von seiner goldenen Kehle wahre Wunder erwartet und war verwirrt und verärgert über die glanzlose Realität. Er war entweder in schlechter Verfassung oder aber vom Lampenfieber förmlich gelähmt.«
 
Der Dirigent der Aufführung, Arturo Toscanini, hatte in den Proben darauf bestanden, dass Caruso alles in der originalen Tonlage aussingen sollte, während Caruso seine Stimme schonen wollte. Zudem wurde die Premiere vorverlegt, sodass Caruso zu wenig Zeit hatte, sich von den nervlichen Strapazen zu erholen. Im Laufe der folgenden Vorstellungen wurde Caruso jedoch immer sicherer und erfolgreicher, sodass er seine Arien sogar häufig wiederholen musste, obwohl der Hausherr der Scala — Toscanini — neue Vorschriften erlassen hatte, die das Wiederholen von einzelnen Nummern eigentlich untersagten.
 
Trotz seiner Vorbehalte gegenüber dem Tenor lud Toscanini Caruso ein, in der Gedenkfeier für den verstorbenen Giuseppe Verdi am 1. Februar 1901 in der Scala im Quartett aus Verdis Rigoletto den Part des Herzogs zu singen. Regelrecht »erobert« hat Caruso das Publikum der Mailänder Scala und ihren Hausherren Toscanini schließlich mit seiner Interpretation des jungen Bauern Nemorino in Gaetano Donizettis Liebestrank. Toscaninis Reaktion spricht deutliche Worte: »Bei Gott, wenn dieser junge Neapolitaner weiterhin so singt, wird die ganze Welt von ihm reden!«
 
 Caruso und die Schallplatte
 
1902 sollte Caruso eine für seine weitere Karriere bedeutende Bekanntschaft machen, die der Schallplatten-»Pioniere« Fred und Will Gaisberg, Mitarbeiter der 1898 gegründeten englischen Gramophone Company. Diese hörten Caruso an der Mailänder Scala in Alberto Franchettis Oper Germania und baten ihn, am 11. April 1902 in einem improvisierten Studio im Mailänder Grand Hôtel zehn Lieder und Arien zu singen. An diesem Tag hatte Caruso, wie Friedrich Kittler (Grammophon — Film — Typewriter, Berlin 1986) schreibt, »seine Unsterblichkeit umgestellt — vom Hörensagen künftiger Opernbesucher auf Grammophonie.« Diesen ersten zehn aufgenommenen Liedern und Arien sollten bis 1921 fast 500 weitere Nummern folgen, die ihren Weg auf die Grammophonplatten fanden. Journalisten gegenüber beurteilte Caruso die neue Technik, die es ermöglichte, den Klang einer Stimme zu konservieren und damit einer weit größeren Zahl Menschen zugänglich zu machen, mit der Feststellung: »So scheppernd, wie sie aus dem Apparat tönt, ist meine Stimme nicht.« Die ersten Aufnahmen Carusos gelangten zu dem Zeitpunkt in den Verkauf, als der Tenor am Royal Opera House Covent Garden in London debütierte. Der Triumph, den Caruso am 14. Mai 1902 bei seinem Londoner Debüt als Herzog in Rigoletto erzielte, und der Erfolg des neuen Mediums Schallplatte befruchteten sich gegenseitig — ein Effekt, den Caruso bis zum Ende seiner Karriere im Sinne einer effektiven Vermarktung seiner Stimme optimal zu nutzen verstand. Dank der Schallplatte und damit der endlosen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks Stimme bzw. Oper erlangte aber auch die Oper als Gattung eine zuvor nicht erlebte Breitenwirkung.
 
 Das Caruso-Fieber
 
Auch aufgrund seiner durch die Schallplatte gewonnenen Popularität entfachte jede Ankündigung eines Gastspiels des berühmten Tenors ein regelrechtes »Caruso-Fieber«. Das Opernhaus in Berlin hätte bei einer Vorstellung einmal dreißigtausend Sitzplätze mehr benötigt, um alle Kartenwünsche zu erfüllen. Und für eine Carmen-Aufführung am gleichen Haus stellten sich die Kartensuchenden in einer Schlange an, die sich zweimal um das Opernhaus wand. Zum Teil brachen an den Theaterkassen sogar regelrechte Schlägereien aus.
 
Dem Caruso-Fieber war auch Kaiser Wilhelm II. erlegen. Bei einem Diner, zu dem der deutsche Kaiser den Tenor eingeladen hatte und zu dem Caruso seinen eigenen Diener namens Martino mitbringen durfte, brachte der Kaiser seine Bewunderung zum Ausdruck: »Wäre ich nicht Kaiser von Deutschland, ich würde gern Martino sein.«
 
In diese Zeit seiner größten Triumphe fallen aber auch einige Misserfolge. Nicht zuletzt die immens hohen Eintrittspreise, die eine Reaktion der Opernhäuser auf die horrenden Gagen Carusos waren, trieben die Erwartungen des Publikums ins Unermessliche.
 
 Carusos »zweite Heimat«, die Metropolitan Opera New York
 
Bereits 1903 hatte Caruso zum ersten Mal an der Bühne gesungen, der er bis zum Ende seiner Laufbahn verbunden bleiben sollte, der Metropolitan Opera New York. Überanstrengung und stimmliche Ermüdungserscheinungen durch zu häufige Auftritte führten 1907 und 1909 zu zwei Operationen, bei denen sich der Tenor Knötchen an den Stimmbändern entfernen lassen musste. Seine Stimme überstand die Operationen schadlos, und so konnte Caruso an der Met 1910 als Dick Johnson in der Uraufführung von Puccinis La Fanciulla del West einen weiteren großen Erfolg verbuchen. Nachdem sich Ada Giachetti von Caruso getrennt hatte, heiratete Caruso im August 1918 die um 20 Jahre jüngere Dorothy Benjamin. Aus dieser Verbindung ging eine Tochter Gloria (* 1919) hervor.
 
 Krankheit und Tod
 
Einige Ärzte äußerten nach Carusos Tod die Vermutung, dass eine durch einen Bühnenunfall verursachte, nicht richtig behandelte Verletzung seine letztlich tödliche Brustfell- bzw. Rippenfellentzündung auslöste.
 
Die Vorstellung von Halévys La Juive am Weihnachtsabend des Jahres 1920 war Enrico Carusos 607. Auftritt an der Metropolitan Opera und gleichzeitig sein letzter Auftritt überhaupt.
 
Da sich seine inzwischen diagnostizierte Rippenfellentzündung verschlechterte und die Gefahr einer Lungenentzündung bestand, mussten zehn Zentimeter einer Rippe entfernt werden. Zur Erholung von der Operation reiste die Familie Caruso nach Sorrent. Nachdem sich Carusos Zustand immer weiter verschlechtert hatte, trat man die Reise zu einer weiteren Operation nach Rom an. Auf dem Weg dorthin starb Enrico Caruso am 2. August 1921 in einem Zimmer des Hotels Vesuvio in Neapel.
 
Der König von Italien ordnete an, dass das Begräbnis des Tenors in der königlichen Basilika von San Francesco di Paola in Neapel stattfinden sollte — eine Ehre, die eigentlich nur Angehörigen des Königshauses vorbehalten war: Ein königliches Begräbnis für den »König des Gesangs«.
 
In seinem Nachruf für die Tageszeitung Il Mezzogiorno charakterisierte der Kritiker Baron Saverio Procida die exzeptionelle Stellung Carusos prägnant in zwei Sätzen: »Der Tenor, dem zu seinen Lebzeiten keiner ebenbürtig war. .., war der Prototyp eines modernen Tenors. .. Er verkörperte den musikalischen Realismus. .., war das Vokabular der neuen Sprache.«
 
 Caruso und der Verismo
 
Carusos Name steht für die Etablierung eines neuen Gesangsstils, der Ablösung der eher artifiziellen Manier des 18. und 19. Jahrhunderts durch ein mehr natürliches bzw. naturalistisches Singen, und damit für die Wegbereitung der für das neue Jahrhundert zeitgenössischen veristischen Oper — Komponisten wie Giordano, Cilea und Puccini verdanken viele ihrer Uraufführungserfolge zu einem großen Teil Carusos Interpretation der jeweiligen Tenorrolle. Caruso war nicht der erste Tenor, der sich für diese neue Art des Singens einsetzte, erst ihm aber ist es gelungen, einen Geschmackswandel beim Publikum und damit den Durchbruch des veristischen Gesangsstils sowie der entsprechenden Kompositionen zu bewirken. »Richtig« und »schön« war jetzt nicht mehr der gekünstelte Belcanto-Stil, sondern die »direktere« und »natürlichere« Art des Singens.
 
Das von Caruso eingeführte veristische Stimmideal für Tenöre hat sich bis heute gehalten, wie er überhaupt in den Worten Jürgen Kestings »dem Tenor auf der Bühne den Primat gesichert hatte«. Damit sollte Caruso in gewisser Weise die Operngeschichte des 19. Jahrhunderts — das Primadonnenzeitalter — zu einem Ende bringen und das Zeitalter der Tenorstars einläuten.
 
 Carusos Stimme
 
Neben seinem Eintreten für einen neuen Gesangsstil war es aber in erster Linie der einzigartige Klang seiner Stimme, der sein Publikum begeisterte. Das Phänomen Caruso zu erklären, sind viele Kritiker, Komponisten, Dirigenten, Intendanten, Sängerkollegen und auch Gesangsexperten angetreten. So viele Versuche, das Stimm-»Wunder« zu beschreiben, hat es wohl bei keinem anderen Sänger gegeben, wobei sich aber drei Grundtendenzen herauszubilden scheinen: Da gibt es Autoren, die die Einzigartigkeit der Stimme gerade dadurch betonen, dass ihnen jede Erklärung als unzureichend erscheine. So schrieb der Komponist Arrigo Boïto an Caruso: »Ihr Gesang besitzt einen instinktiven Adel, den ich gar nicht versuchen will zu beschreiben.«
 
Andere Autoren bemühen entweder den vertrauteren Klang eines Instruments, um den »unerhörten« Klang der Stimme Carusos zu beschreiben, oder sie vergleichen die Stimme mit kostbaren Materialien, um metaphorisch das unfassbar Schöne derselben zu erfassen. Dem Tenor John McCormack, der als Zwanzigjähriger 1904 in London Caruso zum ersten Mal singen hörte, erschien Carusos Gesang »wie ein Strom von flüssigem Gold«, und von Carusos Kollegin, der Sopranistin Frieda Hempel, ist die Bemerkung überliefert, die Stimme klinge so, »als sinke man in einen tiefen, weichen, sanften Sessel aus Samt.«
 
Drittens lässt sich eine Gruppe von Autoren ausmachen, die versuchen, anhand gesangspraktischer oder anatomischer Analysen mit quasi wissenschaftlichem Anspruch hinter das Geheimnis der Stimme Carusos zu gelangen. Salvatore Fucito, Carusos Klavierbegleiter, gab Gesangsstudien heraus, nach denen Caruso täglich geübt haben soll, und dachte, damit das Geheimnis der Stimme Carusos enthüllt zu haben. Und der erste Biograf des Tenors, Pierre Key, meinte, in Carusos Körper- und Kopfhaltungen Ursachen für dessen einzigartige Stimme gefunden zu haben. Weitere Aufschlüsse über die Beschaffenheit der Stimme versprach man sich durch das Studium von Carusos Anatomie. Caruso ärgerten die Analysen, die seine Kunst mit bizarren Diagnosen seiner Kehle, Brust, Lungen oder Stimmbänder zu erklären versuchten. Er selbst pflegte zu bemerken: »Ein Sänger braucht einen breiten Brustkorb, ein großes Maul, neunzig Prozent Gedächtnis, zehn Prozent Intelligenz, harte Arbeit und ein wenig im Herzen.«
 
 Carusos »Schauspielkunst«
 
Übereinstimmend wird von fast allen Kritikern und Autoren bemerkt, wie sehr Caruso einen Charakter glaubhaft darzustellen vermochte. In Carusos schauspielerischem Talent wird aber die Begründung für dieses Urteil nicht zu finden sein. In Carusos ersten Jahren an der Met wurden regelmäßig seine gesanglichen Fähigkeiten gerühmt, im gleichen Atemzug aber auch in herablassendem Ton das Fehlen von »aristokratischem Flair« oder »vornehmer Haltung« bemängelt. Caruso reagierte zwar verbal darauf — »Die Kritiker waren freundlich, solange es nicht um meinen Umfang und meine Kleidung ging. Ich werde also abnehmen und Rock wie Hose nach ihrem Gusto tragen« —, in die Praxis hat er seine Vorsätze jedoch nicht so bald umgesetzt. Geraldine Farrar, Sopranstar der Met, jedenfalls berichtete von dem Eindruck, den der Tenor 1904 in Monte Carlo auf sie machte: »Niemals werde ich die Erscheinung vergessen, die bei der ersten Probe hereinkam. Gekleidet in schreiendes Karo, auf dem Kopf einen grauen Filzhut und mit knallgelben Handschuhen einen Stock mit Goldgriff umfassend. ..« Dieser Eindruck wurde aber, als Caruso zu singen begann, von einer anderen Reaktion völlig überlagert: »Ich vergaß das Theater, die Handlung, alles. Ich saß da und schluchzte wie ein Kind. Als mein Stichwort fiel, hörte ich es nicht. Das Orchester zögerte. Meine Mutter, die in den Kulissen stand, gestikulierte wild. Ich sah sie nicht, ich war so richtig schön altmodisch am Weinen. Dann stand der Souffleur auf und flüsterte: Nun, Miss Farrar, werden Sie singen oder nicht?»«. An dieser Stelle wird deutlich, warum so viele Zeitgenossen von Carusos darstellerischem Talent überzeugt waren. Mit seinem bewusst den äußerlichen Effekt vermeidenden Gesangsstil im Dienst der jeweiligen Rolle lenkte Caruso die Aufmerksamkeit ganz auf die dargestellte Figur, und die Kritiker schlossen dann sofort auf Carusos angeblich so außergewöhnliches schauspielerisches Talent. Nicht unerwähnt bleiben darf dabei aber, dass Caruso sich gegen Ende seiner Karriere immer stärker um die darstellerische Glaubwürdigkeit einer Figur bemühte.
 
 Caruso und der Film
 
Ungeachtet seiner schauspielerischen Ambitionen fanden seine beiden Ausflüge in das Filmgeschäft nicht den erhofften Anklang. 1918 drehte er die Filme My Cousin und The Splendid Romance. »Aber wen wundert es, dass der große Erfolg ausblieb — schließlich handelte es sich ja um einen Stummfilm!. .. Ebenso gut hätte man Schallplatten mit der tanzenden Pawlowa oder dem malenden Picasso produzieren können!«
 
Wesentlich mehr Erfolg war dagegen den Filmen über Caruso beschieden — in erster Linie dem 1951 gedrehten Film The Great Caruso mit Mario Lanza in der Hauptrolle.
 
Eine Reverenz vor dem Mythos Caruso erweist der 1982 von Werner Herzog gedrehte Film Fitzcarraldo, in dem ein hochgradig exzentrischer Opernliebhaber — dargestellt von Klaus Kinski — ein Opernhaus im Dschungel bauen will, nur um Caruso dort auftreten zu lassen. »Carusos Stimme. .., die auf dem Bug des Schiffes aus einem Grammophon ertönt, bahnt dem Traum den Weg, bezaubert die Indios. ..«
 
Und dass als Rahmenhandlung des 1986 entstandenen Opernfilms Aria die Vorbereitung eines Tenors auf seinen Auftritt als Bajazzo gewählt wurde, wobei — wie im Falle des eingangs zitierten Zauberbergs — der Name nicht genannt werden muss, um die Identität des Tenors zu bestimmen, kann schließlich als eindeutiges Zeichen dafür gewertet werden, dass für Carusos Rolle als Archetyp des Sängers noch kein Nachfolger in Sicht ist.
 
Clemens Risi
 
Literatur:
 
Greenfeld, Howard S.: Caruso. Die illustrierte Biographie. Aus dem Englischen. Zürich 1992.
 Scott, Michael: Caruso. Die Jahrhundertstimme. Aus dem Englischen. München 1993.
 Gargano, Pietro und Cesarini, Gianni: Caruso. Aus dem Italienischen. Taschenbuchausgabe. München 1995.
 Vaccaro, Riccardo: Caruso. Neapel 1995.
 Laurens, Jean: Caruso. Son âme, ses techniques, sa voix. Paris 1996.
 Gargano, Pietro: Una vita, una leggenda. Enrico Caruso, il più grande tenore del mondo. Mailand 1997.
 Kesting, Jürgen: Die großen Sänger des 20. Jahrhunderts. Sonderausgabe. München 1998.


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