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BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND: GROßE KOALITION UNTER KURT GEORG KIESINGER

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Bundesrepublik Deutschland: Große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger
 
Die sich rasch verschärfende wirtschaftliche Rezession mit hohem Haushaltsdefizit und schnell ansteigenden Arbeitslosenzahlen auf der einen Seite, die Sorge um das Anwachsen des Rechtsradikalismus andererseits waren die wesentlichen Motive für den Entschluss der Politiker in beiden großen Parteien, miteinander Gespräche über eine zu bildende Große Koalition zu führen, die ausschließlich zur Bewältigung der Krisenpunkte gedacht war und von vornherein zeitlich begrenzt sein sollte.
 
Am 1. Dezember 1966 wählte der Bundestag den bisherigen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Kurt Georg Kiesinger, zum Bundeskanzler, der noch am selben Tag sein Kabinett der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD vorstellte. Stellvertreter des Kanzlers und Außenminister wurde der Vorsitzende der SPD und bisherige Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt. Der Koalitionswechsel innerhalb einer Wahlperiode und die Bildung einer Großen Koalition bedeuteten einen Markstein in der Geschichte der Bundesrepublik, wie es auch Kiesinger in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck brachte.Die Beseitigung des Haushaltsdefizits und die Überwindung der wirtschaftlichen Rezession, die mit steigender Arbeitslosigkeit verbunden war, lagen als unmittelbare Aufgaben vor der Koalition. Das Stabilitätsgesetz und die Einrichtung der konzertierten Aktion sollten hierzu als Instrumente dienen; sie wirkten lange darüber hinaus. Mit dem Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) und dem Finanzminister Franz Josef Strauß (CSU) standen zwei Ressortchefs von hohem Sachverstand zur Verfügung, deren gute Zusammenarbeit zu den wirtschafts- und finanzpolitischen Erfolgen der Großen Koalition beitrug. In den drei Jahren ihres Bestehens hat die Große Koalition weitere wichtige Reformvorhaben zur Modernisierung von Staat und Gesellschaft verabschiedet: Die Finanzverfassungsreform regelte die Verteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern neu und führte die »Gemeinschaftsaufgaben« ein, die von Bund und Ländern gemeinsam betrieben und finanziert werden. Auf dem Felde von Bildung und Wissenschaft erhielt der Bund erweiterte Kompetenzen; Hochschulbau, Bildungsplanung und überregionale Forschungsförderung wurden Gemeinschaftsaufgaben; die nichtschulische berufliche Bildung wurde erstmals bundeseinheitlich im Berufsbildungsgesetz geregelt. Die Strafrechtsreform brachte die Abschaffung des Zuchthauses und eine Liberalisierung unter anderem im Sexualstrafrecht. Die ursprünglich erwogene Einführung eines Mehrheitswahlrechts, das zu einem Zweiparteiensystem geführt hätte, scheiterte schließlich an der SPD.
 
In der Ostpolitik waren neue Ansätze in der Regierungserklärung nicht erkennbar. Zwar betonte Kiesinger die intensive Fortsetzung der Bemühungen um ein »zunehmendes gegenseitiges Vertrauen« zur Sowjetunion und ebenfalls zu Polen, aber auch diese Bundesregierung beharrte auf dem Standpunkt, »... die einzige deutsche Regierung (zu sein), die berechtigt ist, für das ganze deutsche Volk zu sprechen«. Die uneingeschränkte Geltung der Hallsteindoktrin wurde freilich bereits im Januar 1967 mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Rumänien durchbrochen. Trotz einiger vorsichtiger Sondierungsversuche, zu denen auch ein ergebnisloser Briefwechsel Kiesingers mit dem ostdeutschen Regierungschef Willi Stoph gehörte, gelang es nur in bescheidenen Ansätzen, die ost- und deutschlandpolitische Erstarrung zu überwinden.
 
Die Bildung der Großen Koalition wurde in weiten Kreisen der Bevölkerung zur Bewältigung der wirtschaftlichen und politischen Probleme für notwendig gehalten, von vielen Menschen aber auch sehr kritisch gesehen, weil damit das normale parlamentarische Kräftespiel zwischen Regierungspartei(en) und starker Opposition zum Erliegen kam. Die 49 Oppositionsabgeordneten der FDP konnten der überwältigenden Mehrheit der insgesamt 447 CDU/CSU- und SPD-Abgeordneten keine wirkungsvolle Kraft entgegenstellen. Dies trug mit zur Entstehung von Protestbewegungen außerhalb des Parlaments, der außerparlamentarischen Opposition, bei, die das politische und gesellschaftiche Systeme der Bundesrepublik infrage stellten.
 
Schon in den Vorbereitungen zur Bundestagswahl am 28. September 1969 waren die Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien der Großen Koalition so gut wie verbraucht. Die Wahl des sozialdemokratischen Politikers und bisherigen Justizministers Gustav W. Heinemann zum neuen Bundespräsidenten am 5. März 1969 mit den Stimmen der SPD und der FDP deutete bereits an, dass nach 20 Jahren CDU-geführter Regierungen eine neue politische Konstellation bevorstand.


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