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ANTIAUTORITÄRE ERZIEHUNG

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I
antiautoritäre Erziehung,
 
nichtautoritäre Erziehung, unautoritäre Erziehung, Bezeichnungen für eine gesellschaftspolitische Bewegung, die gegen Ende der 1960er-Jahre im Zusammenhang mit der Studentenbewegung entstand. Ziel war es, durch eine veränderte erzieherische Praxis der Entwicklung einer autoritären Persönlichkeit entgegenzuwirken. Die antiautoritäre Erziehung hat verschiedenartige Ursprünge.
 
M. Horkheimer, T. W. Adorno und E. Fromm untersuchten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts der totalitären Systeme in Europa die Entwicklung der autoritären Persönlichkeit, unter der sie eine von Aggressivität, Intoleranz und Vorurteilen geprägte Grundeinstellung - häufig in Verbindung mit Antisemitismus - verstanden. Der autoritäre Staat wurde als Folge der autoritären Persönlichkeit seiner Bürger angesehen, deren Autoritätshörigkeit v.a. als Konsequenz einer repressiven Erziehungspraxis in der Familie gedeutet wurde. Dieser Zusammenhang begründete das pädagogische Engagement der Bewegung. Auftrieb erhielt diese Grundströmung durch eine Weiterentwicklung der psychoanalytischen Persönlichkeitstheorie (S. Freud, W. Reich, E. Fromm, H. Marcuse u. a.), in deren Zusammenhang Angst, Aggressivität und Konformismus als Ergebnis unterdrückter kindlicher Sexualität gedeutet wurde. Zunächst unabhängig davon hatten sich in der Reformpädagogik eine Reihe von alternativen Schulmodellen entwickelt, die sich auch als scharfe Kritik am Obrigkeitsdenken und am Drill des öffentlichen Schulwesens in verschiedenen Ländern Europas verstanden. Während solche Schulmodelle in Deutschland nach 1933 verboten worden waren, konnte die antiautoritäre Erziehung international an die Erfahrungen von A. S. Neill in seiner Heimschule Summerhill anknüpfen. Obwohl bereits 1924 gegründet, wurde sie erst mit der durch die Studentenbewegung ausgelösten Demokratisierungsbewegung zum gesellschaftspolitischen Reformsymbol. - Die im Zusammenhang der antiautoritären Erziehung entstandenen Teilprojekte (Kindertheater, Kinderläden, »repressionsfreie Sexualerziehung« u. a.) sind im Einzelnen unterschiedlich zu bewerten. Neben ihren verdientsvollen Hinweisen auf die Gefährdungen durch Autoritätshörigkeit ist die antiautoritäre Erziehung insgesamt als wichtiger, wenn auch provokatorischer Schritt zu einer Veränderung des Generationsverhältnisses in Richtung auf mehr Partnerschaftlichkeit im familialen und schulischen Lebenszusammenhang anzuerkennen (Shell-Studie). Unterstützung fanden berechtigte Forderungen der antiautoritären Erziehung in der empirischen Erforschung verschiedener Führungs-, Erziehungs- und Unterrichtsstile (u. a. K. Lewin, R. und A. M. Tausch), die zugleich den oft karikierten Auswüchsen der antiautoritären Erziehung ihre Berechtigung absprach. In der wissenschaftlichen Pädagogik ist die antiautoritäre Erziehung heute nur noch von historisch-systematischem Interesse.
 
Literatur:
 
Studien über Autorität u. Familie, hg. v. M. Horkheimer u. a. (1936);
 T. W. Adorno: The authoritarian personality (1950);
 A. S. Neill: Theorie u. Praxis der a. E. (1969);
 J. Classen: Bibliogr. zur a. E. (1971);
 J. Classen: A. E. in der wiss. Diskussion (1973);
 
Jugend '85 - Die neue Shell-Studie, 5 Bde. (1985);
 E. Weber: Erziehungsstile (81986);
 R. u. A. M. Tausch: Erziehungspsychologie (101991).
II
antiautoritäre Erziehung,
 
eine ausgangs der Sechzigerjahre im Zuge der damaligen Studentenbewegung entstandene Erziehungskonzeption. Theoretisch orientierten sich die Verfechter antiautoritärer Erziehung an den gesellschaftskritischen Positionen der Frankfurter Schule (z. B. T. W. Adorno) und an tiefenpsychologisch begründeten Erziehungsvorstellungen, etwa an den Ansätzen von S. Bernfeld, E. Fromm, A. Neill und W. Reich.
 
Im Wesentlichen bestand das Anliegen der antiautoritären Erziehung darin, den traditionellen Erziehungs- und Sozialisationsinstanzen eine Erziehung gegenüberzustellen, bei der die Kinder weitgehend frei von Zwängen sein, ihre Bedürfnisse - auch die sexuellen - nicht unterdrücken und so frühzeitig Ich-Stärke, Solidarität und politisches Bewusstsein entwickeln sollten. Von den Eltern wurde gefordert, eigene (auch unbewusste) Ansprüche an die Kinder zu erkennen und zu revidieren, was vielfach in speziellen Elterngruppen angestrebt wurde.
 
Nach dem Versuch, der antiautoritären Erziehung in den traditionellen Erziehungs- und Sozialisationsinstitutionen Geltung zu verschaffen, wurde diese Konzeption im Rahmen alternativer Lebensformen (z. B. in Kommunen) oder in eigenen alternativen Einrichtungen (z. B. Kinderläden) praktiziert. Insgesamt erwies es sich aber als schwierig, die Rolle der Erwachsenen schlechthin zu definieren und die Kinder nicht nur gewähren zu lassen, sondern sie bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse auch aktiv zu unterstützen.
 
Heute ist die Bewegung für eine antiautoritäre Erziehung abgeklungen, manche ihrer Forderungen aber haben mittlerweile Eingang in die Gestaltung pädagogisch-psychologischer Institutionen gefunden.


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