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BEN GURION: GRÜNDUNGSVATER DES STAATES ISRAEL

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Ben Gurion: Gründungsvater des Staates Israel
 
Die Entstehungsgeschichte des Staates Israel, der politische und militärische Kampf um seine Gründung sowie die Konsolidierungsphase in den ersten 15 Jahren seiner Existenz, ist eng mit der Persönlichkeit David Ben Gurions verbunden. Sowohl im Bewusstsein seines Volkes als auch in der geschichtlichen Bewertung wird er — mit großer Berechtigung — als der Gründungsvater dieses Staates und als ein Staatsmann von herausragender Bedeutung geachtet.
 
 Der junge Zionist
 
Geboren wurde er als David Gruen am 16. Oktober 1886 in Plonsk, einer polnischen Stadt, die damals noch ein Teil des zaristischen Russlands war. Sein Vater, Awigdor, einer der Führer des Chovevei Zion — die Liebenden von Zion — in dieser Stadt, hatte seinen Sohn im nationalen Sinne erzogen. Der Zionismus Ben Gurions — wie er sich später im Zuge der Hebräisierung seines Namens nannte — war für ihn stets eine Verpflichtung und nicht nur ein Lippenbekenntnis. Er zog daraus die Konsequenzen, wanderte 1906 nach Palästina aus, damals noch eine Provinz des Osmanischen Reiches. Die Einwanderung für Einzelpersonen und kleine Gruppen war in dieser Zeit noch möglich, wenn auch das Ziel, das von Theodor Herzl auf dem ersten Kongress der Zionisten 1897 in Basel angesprochen worden war, in Palästina eine Heimstätte für das jüdische Volk zu schaffen, noch in weiter Ferne lag. Ben Gurion trat dem »Haschomer« (»Der Wächter«) bei, einer Schutzorganisation, die von Juden, die bereits in Palästina eingewandert waren, gegründet worden war; er arbeitete in den jüdischen Kolonien und war trotz seiner jungen Jahre bald ein führendes Mitglied der Partei »Poalei Zion« — Die Arbeiter von Zion. Innerhalb der Juden Palästinas wuchs er allmählich zu einer Persönlichkeit von Bedeutung heran. Während des Ersten Weltkriegs begriff Ben Gurion, dass die Tage der türkischen Herrschaft über Palästina gezählt seien. Vor dem Krieg hatte er noch die Hoffnung gehegt, dass es im Rahmen des Osmanischen Reiches möglich sein würde, für die Juden eine Autonomie zu erwirken. Deshalb begann er sogar in Konstantinopel, türkisches Recht zu studieren. Aber als Realist — ein Wesenszug, der ihn prägte — sah er von Anfang an die Umwälzung, die dieser Krieg mit sich bringen würde, voraus. Die Türken, die die Änderung seiner Haltung spürten, haben ihn, zusammen mit Izhak Ben Zwi, der später der zweite Präsident des Staates Israel werden sollte, im April 1915 nach Ägypten deportiert. Von dort ging Ben Gurion nach Amerika, wo er zu einem der Initiatoren des hebräischen Bataillons wurde. Es war eines von zwei hebräischen Bataillons — das zweite entstand in England —, die während des Krieges in der britischen Armee an der Palästinafront eingesetzt wurden. Das amerikanische Bataillon setzte sich aus Freiwilligen — Juden mit zionistischer Gesinnung — zusammen. Als Korporal erreichte Ben Gurion im Juli 1918 Palästina und nahm dort an den Endkämpfen teil.
 
 Der Aufbau vorstaatlicher Strukturen in Palästina nach dem Ersten Weltkrieg
 
Am 2. November 1917 verkündete die britische Regierung die »Balfour-Erklärung«, in der — wenn auch in einer verklausulierten Sprache — den Juden die Unterstüzung für die Gründung eines Nationalheims in Palästina — dessen Grenzen allerdings noch nicht feststanden — zugesichert wurde. England hatte während des Ersten Weltkrieges Palästina und andere arabische Länder von den Türken erobert und erhielt später (1922) Palästina vom Völkerbund als Mandatsgebiet zugesprochen. »Palästina« umfasste nach der mandatorischen Definition des Völkerbundes im Wesentlichen das Gebiet des heutigen Israel und der Westbank. Mit der Errichtung des Palästinamandates wurde in diesem Raum eine neue politische, soziale und gesellschaftliche Wirklichkeit geschaffen.
 
Ben Gurion amtierte von 1921 bis 1935 als Generalsekretär der Gewerkschaft »Histadrut«. Die Histadrut hatte eine tiefere Dimension: Sie sollte auch eine Mitgestalterin einer neuen Gesellschaft sein, und zwar durch die ausgedehnte Besiedlungsarbeit, die sie förderte, durch die Schaffung von Industrie- und Baukonzernen sowie der »Solel Bone«. All das hatte zur Folge, dass eine »vorstaatliche« Infrastruktur entstand, die es Ben Gurion später ermöglichte, am 14. Mai 1948 den ersehnten Staat Israel zu proklamieren, wobei die Histadrut eine der Fundamente dieses Staates in der Phase seines Entstehens war. Die Histadrut musste in den ersten Jahren ihres Bestehens auch Aufgaben übernehmen, die in einer »normalen« Gesellschaft natürlich nichts mit gewerkschaftlicher Tätigkeit zu tun haben: besonders die Unterhaltung und Unterstützung der »Hagana« (»Verteidigung«), der paramilitärischen Schutzorganisation der Juden Palästinas, nachdem sich der »Haschomer« anfangs der 20er-Jahre aufgelöst hatte. Die meisten Mitglieder der Hagana waren auch mit der Histadrut verbunden. Trotz der Beschränkungen seitens der britischen Regierung wurden in den Unternehmungen der Histadrut Waffen und Munition produziert und in ihrem Rahmen Geheimdienstaktivitäten entfaltet.
 
Die Gesellschaft in Palästina war demokratisch, in ihrem Wesen und ihren Institutionen musste sie stets durch die Wähler legitimiert werden. 1930 hatte Ben Gurion maßgeblichen Anteil an der Gründung der Mapai, einer Partei, die bald zur stärksten innerhalb der Histadrut und der anderen Institutionen wurde. Die Linie, die Ben Gurion als Generalsekretär der Histadrut und als führendes Mitglied der Mapai einschlug, war bestimmt von den Ideen des reformorientierten Flügels der Sozialdemokratie in Europa, natürlich unter Berücksichtigung der Besonderheit jüdischen Lebens und zionistischer Ziele in Palästina. Dies kam auch in einem seiner grundlegenden Werke — »Mimamed Leam« — Von einer Klasse zu einem Volk — von 1933 zum Ausdruck. Mapai lehnte die Idee des Klassenkampfes, die bei den linken Parteien innerhalb des Zionismus maßgeblich war, ab. Infolge des Erstarkens seiner Partei wurde Ben Gurion 1935 zum Präsidenten der Zionistischen Exekutive und der Exekutive des Jewish Agency gewählt. Die Regierung lag in den Händen der Briten. Entsprechend den Statuten des Mandats war Großbritannien aber verpflichtet, eine jüdische Regierung aufzubauen. Die Zionistische Bewegung und ihre Institutionen, vor allem die Jewish Agency, repräsentierten noch die nationalen Institutionen — der »Rat der Gewählten« — aus dessen Mitte der »Nationalrat« entstand. Diese Institutionen umfassten nur jene Juden, die Einwohner Palästinas waren. Nirgends gab es klare Definitionen und Abgrenzungen von Befugnissen; diese Unklarheiten kamen dem pragmatischen Ben Gurion sehr gelegen, der darauf bedacht war, während des Mandats durch Einwanderung, Besiedlung und Industrialisierung dem Zionismus eine reale Macht zu schaffen — teilweise mit, teilweise ohne Zustimmung der britischen Verwaltung. Seine Partei, die Mapai, war seit den Wahlen von 1933 die stärkste Partei im Zionistischen Kongress geworden und auch — je nach Wahlergebnissen — die stärkste Partei in den nationalen Institutionen in Palästina. In der Histadrut hatte sie die absolute Mehrheit. Das führte dazu, dass alle Institutionen praktisch an einem Strang zogen und durch die oft informellen Einvernehmlichkeiten Kompetenz-streitigkeiten vermieden wurden. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Zionistischen Exekutive war Ben Gurion auch nominell zweiter Mann in der Zionistischen Bewegung geworden — nur der Präsident der Bewegung, Chaim Weizman (1874—1952), hatte einen höheren Rang als er, aber allmählich wurde es deutlich, dass der eigentliche Führer Ben Gurion hieß. Ab 1935 spürte man bei Ben Gurion eine neue Haltung, die sich allerdings auch schon vorher bemerkbar gemacht hatte — er erachtete sich als nationaler und nicht primär als Arbeiterführer. Er übertrug die Verantwortung für die Schutzorganisation »Hagana« von der Histadrut zum Jewish Agency und amtierte praktisch auch als Sicherheitsminister des Jischuws — die jüdische Gemeinde in der vorstaatlichen Zeit. Ein Teil der Histadrut-Mitglieder — vor allem die Gruppe um Izhak Tabenkin und die Kibbuzbewegung — sahen darin eine Relativierung der Rolle der Histadrut, aber Ben Gurion setzte sich durch.
 
Die Opposition von rechts, die für Ben Gurion zu einer Herausforderung wurde, hat vor allem Vladimir Jabotinsky artikuliert. Dieser war eine respektable Persönlichkeit, die zusammen mit Chaim Weizman im Ersten Weltkrieg für die Erreichung der Balfour-Erklärung und vor allem für die Gründung der hebräischen Bataillone gekämpft hatte. Auch er war ein Mitglied der Zionistischen Exekutive gewesen. Allerdings, als England 1922 Transjordanien, das ursprünglich — nach den Entwürfen von 1920 — ein Teil des Mandats über Palästina war, abtrennte und dort ein Emirat von Transjordanien gründete, trat Jabotinsky aus der Zionistischen Exekutive aus. Er gründete 1925 die Revisionistische Bewegung. Ben Gurion lehnte seinerseits auf dem Zionistischen Kongress 1931 die Forderung Jabotinskys ab, die Schaffung eines jüdischen Staates zu beiden Seiten des Jordans als »Endziel« des Zionismus zu proklamieren. Ben Gurion vor allem erkannte sehr früh, dass nur eine Teilung des Landes möglicherweise den Konflikt mit den Palästinensern entschärfen konnte. Obwohl von Wahl zu Wahl die Partei Jabotinskys wuchs, hat er — was sicherlich unüberlegt war — 1935 einen entscheidenden Fehler begangen: Er trat aus der Zionistischen Bewegung aus, weil diese seine Ziele nicht teilte, und gründete die »Neue Zionistische Organisation«. Auf diese Weise isolierten sich die Revisionisten selbst, erst 1946 kehrten sie in die Zionistische Bewegung zurück. Sie blieben stets, weil sie eine beträchtliche Anhängerschaft — sowohl in der Diaspora, als auch in Palästina — hatten, für Ben Gurion eine ernst zu nehmende Opposition und forderten seine Führerschaft oft heraus.
 
Ben Gurions Überzeugung, dass nur die Teilung des Mandatsgebietes eine mögliche Lösung des nationalen Konflikts mit sich bringen könne, vertiefte sich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland und dem Erstarken des Antisemitismus in Mittel- und Osteuropa. Es begann eine beträchtliche Einwanderung von Juden aus Deutschland. Trotz der Einschränkungen der mandatorischen Regierung gelangten 1935 um die 60 000 deutsche Juden nach Palästina, und es folgten noch andere. Der Jischuw wurde, vor allem was seine Wirtschaft und seine technisch industriellen Kapazitäten anging, zu einem nicht zu ignorierenden Faktum. Zählte dieser Jischuw 1931 nur 175 000 Menschen, so waren es 1939 bereits 400 000 Juden gegenüber etwa 1,2 Millionen Araber in Palästina. Diese Einwanderung verstärkte den palästinensischen Nationalismus, der vom Mufti von Jerusalem geführt und artikuliert wurde. Im Sommer 1936 begann jener Generalstreik der Palästinenser, der sehr bald zu einem Aufstand heranwuchs mit dem Ziel, die jüdische Einwanderung zu verhindern, auf lange Sicht, die zionistische Tätigkeit in Palästina rückgängig zu machen. Im Gegensatz zu den Ausschreitungen von 1921 und 1929 hatten — auch wegen der zugespitzten internationalen Lage — diesmal die Ereignisse in und um Palästina regionale und internationale Dimensionen. Die britische Mandatsmacht war einerseits darauf bedacht, die Araber zu befriedigen, konnte aber andererseits die Juden nicht mehr ignorieren. Sie setzten eine Untersuchungskommission ein, deren Vorsitzender Lord Peel war. Diese Kommission gelangte 1937 zu der Schlussfolgerung, dass nur eine Teilung Palästinas den Konflikt entschärfen konnte. Die Grenzen des anvisierten Jüdischen Staates waren sehr eng gezogen, dennoch plädierte Ben Gurion für die Annahme des Planes. Er tat dies auch im Hinblick auf die bedrängten Juden in Europa. Er wusste, dass nur ein — und sei es noch so kleiner — souveräner jüdischer Staat den Juden der Diaspora wirksam helfen konnte. Seine Tagebucheintragungen sowie auch interne und öffentliche Äußerungen aus der Zeit 1937—39 verdeutlichen, dass er sich der Gefahr für die Juden sehr bewusst war. Im November 1937 lehnten die Araber den Peel-Plan ab, die Unruhen flackerten nunmehr erneut auf, und die Briten verkündeten das, was sie als »Ausweg« erachteten, im Mai 1939 in einem Weißbuch: Die jüdische Einwanderung sollte für die kommenden fünf Jahre auf 75 000 Menschen beschränkt sein. Nachher sollte ein Volksentscheid der Bewohner Palästinas — Juden und Araber — über die zukünftige Entwicklung befinden. Aber dieses »nachher« bekam eine unvorhersehbare Wendung, denn am 1. September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus.
 
 Der Kampf für den jüdischen Staat im Zweiten Weltkrieg
 
Das Weißbuch — noch mehr die Verordnung vom Februar 1940 — die es den Juden praktisch unmöglich machte, Grund und Boden in Palästina zu erwerben, verdeutlichten die britischen Intentionen — die Araber zu beschwichtigen, um sie nicht in die Arme Hitlers und Mussolinis zu treiben. Ben Gurion erkannte die Ausweglosigkeit und sagte, dass die Juden an der Seite Englands kämpfen würden, als ob es kein Weißbuch gäbe, und sie würden gegen das Weißbuch kämpfen, als ob es keinen Krieg gegen Hitler gäbe. Ben Gurion war vielmehr bestrebt, innerhalb der britischen Armee jüdische Brigaden aufzustellen: ein Ziel, das erst 1944 erreicht wurde. Diese Brigaden nahmen an den Kämpfen an der italienischen Front teil. Ben Gurion förderte den Beitritt freiwilliger Jugendlicher aus Palästina in die britische Armee. Sein tiefer gehender Gedanke war es, dass die militärischen Erfahrungen, die diese Jugendlichen im Rahmen der modernen britischen Armee erwerben würden, nach dem Krieg für die Gründung eines Staates nur von Nutzen sein könnten. Ben Gurion erkannte 1939 — ähnlich wie er es 1914 erkannte —, dass dieser Krieg große Umwälzungen mit sich bringen werde. Er hegte eine starke Sympathie und Bewunderung für den Mut des britischen Volkes. Aber er begriff auch, dass England nach dem Kriege nicht mehr die Weltmacht sein würde, die sie vorher gewesen war. Zunehmend wandte er seine Aufmerksamkeit und Orientierung Amerika zu.
 
Das kam auch im »Biltmore-Programm« zum Ausdruck: Im New Yorker Hotel »Biltmore« fand zwischen dem 9. und 11. Mai 1942 die Konferenz der amerikanischen Zionisten statt, die, bedingt durch die Auswirkung des Krieges, als gesamtzionistische Konferenz galt. Ben Gurion, der in jenen Monaten in Amerika war, hatte diese Konferenz — sehr zum Leidwesen seines Rivalen Chaim Weizman, der zunehmend an Einfluss verlor — initiiert und folgende Forderungen oder Hoffnungen und Erwartungen zum Ausdruck gebracht. Nach dem Krieg sollte ein »jüdisches Commonwealth« in Palästina — verbunden vor allem mit Amerika — entstehen. Die Tore Palästinas sollten für eine uneingeschränkte jüdische Einwanderung geöffnet sein. Die Jewish Agency sollte die Regierung des Landes werden. Diese Beschlüsse wurden mit Bedacht und in vager Form formuliert, jeder verstand jedoch die wahre Intention. Gemeint war ein Jüdischer Staat in Erez Israel — keineswegs ganz Erez Israel als ein Jüdischer Staat. Die Grenzen wurden nicht umrissen und auch die zukünftigen Beziehungen zu den Arabern nicht angesprochen. Alles blieb vage und deutlich zugleich. »Biltmore« führte zu schärferen innerjüdischen Auseinandersetzungen und war 1944 einer der Anstöße zur Spaltung der Mapai.
 
Bereits im November 1942 verfügte Ben Gurion über verlässliche Informationen über die Wannseekonferenz und über die Pläne der Nazis, systematisch das jüdische Volk auszurotten. Während einer öffentlichen Kundgebung, die vom »Rat der Gewählten« am 30. Dezember 1942 organisiert wurde, verlas er in Jerusalem im Namen der Juden Palästinas seinen »Aufruf an das Gewissen der Welt«. Er wandte sich dabei eindringlich an Roosevelt, Churchill und Stalin. Er verlangte von den Alliierten, die Deutschen vor der Verübung von Kriegsverbrechen zu warnen. Er hoffte, auf diese Weise den inneren Widerstand in Deutschland gegen Hitler zu stärken. All das war aber vergeblich. Die britische Zensur verbot sogar, seinen Aufruf zu veröffentlichen. Vielmehr achteten die Briten darauf, die jüdische Einwanderung zu unterbinden. Nicht nur die Tore Palästinas, auch die Häfen anderer Länder blieben für die Juden verschlossen. Die wenigen Möglichkeiten, die der Jischuw hatte, Juden zu retten, nahmen Ben Gurion und die Jewish Agency wahr, ohne den Holocaust verhindern zu können. Am 8. Mai 1945, dem Tage des Sieges der Anti-Hitler-Koalition, notierte Ben Gurion in sein Tagebuch: »Ein sehr trauriger Tag.« Das Jüdische Volk hatte keinen Grund zu feiern. Es gehörte nicht zu den Siegern sondern nur zu den Geschlagenen. Nur ein Rest war geblieben. Aber fortan wollte Ben Gurion mit diesem Rest und für diesen Rest den jüdischen Staat gründen.
 
In England löste nach dem Ende des Krieges eine Labour-Regierung, die von Clement Attlee und seinem Außenminister Ernest Bevin geführt wurde, die Regierung Churchill ab. Die Hoffnungen vieler Juden, die diese in die Labour-Regierung gesetzt hatten, erfüllten sich nicht. Es kam sogar zu einer Verhärtung des Verhältnisses zwischen England und dem Zionismus. Bevin versuchte die Einwanderung zu unterbinden und lehnte die Vorschläge zur Gründung eines Jüdischen Staates ab, um die Beziehungen zwischen England und den Arabern nicht zu gefährden. Ben Gurion begriff, dass es an der Zeit war, den Kampf gegen England aufzunehmen. Zwischen Oktober 1945 und Juli 1946 koordinierte er die »Bewegung des hebräischen Aufstands«. An ihm nahmen die vier paramilitärischen Organisationen, die innerhalb der Judenschaft in Palästina existierten und die oft auch gegeneinander gekämpft hatten, weil sie verschiedene Ziele verfolgten, teil. Es waren die Hagana und der Palmach. Diese waren Elitestoßtruppen, die von den Briten 1941, als die Gefahr gegeben war, dass deutsche Truppen Palästina erobern würden, gegründet wurden. Als die Gefahr, von den deutschen Truppen unter Rommel erobert zu werden, gebannt war, versuchten die Briten, den Palmach aufzulösen. Ein Vorhaben, das ihnen aber misslang. Der Palmach rekrutierte seine Mitglieder aus dem aktivistischen Teil der Arbeiterbewegung und der Kibbuzim. Er war mit der Hagana liiert und stand auf latente Weise in einer Opposition zu ihr. Ebenfalls operierte im Jischuw der Etzel, die national militärische Organisation, die der revisionistischen Partei nahe stand und seit 1943 von Menachem Begin geführt wurde, und es gab noch den Lehi (Die Kämpfer für die Freiheit Israels), der von Izhak Schamir geführt wurde. Die Briten machten neue Vorschläge, die aber den Gedanken zur Gründung eines jüdischen Staates verwarfen. Ben Gurion kämpfte weiter. Im April 1947 gab Bevin bekannt, dass England die Palästinafrage der UNO überträgt. Die UNO setzte eine Untersuchungskommission ein, die eine Teilung als Ausweg vorschlug — in Palästina sollte ein Jüdischer und ein palästinensischer Staat entstehen. Die Sowjetunion und somit der Ostblock unterstützten diesen Plan in der Debatte und bei der Abstimmung in der UNO am 29. November 1947. Ben Gurion gab im Namen der maßgeblichen politischen Kräfte der Juden Palästinas bekannt, dass der Jischuw diesen Plan akzeptiert. Er traf dabei allerdings auf die Opposition des Etzels und Lehis, die einen Staat zu beiden Seiten des Jordans forderten; Vorbehalte gab es auch innerhalb des Palmachs.
 
 Ben Gurion, der erste Ministerpräsident Israels
 
Ben Gurion wurde am 18. April 1948 zum Vorsitzenden des Volksrates, der als provisorische Regierung amtierte, ernannt. Er behielt auch die Zuständigkeit für die Sicherheit. Seine Ernennung war die nominelle Bestätigung all dessen, was er praktisch seit 1935 war — der Regierungschef und Sicherheitsminister des im Werden begriffenen Staates. Seine Partei war im Volksrat die stärkste, war jedoch auf eine Koalition mit anderen Gruppen angewiesen. Gleichwohl — auf seine Partei und auf ihn als Person kam es an. Ben Gurion verwarf alle (auch von den USA geförderten) Pläne zur Verschiebung der Staatsgründung. Er wurde von der Gewissheit getragen — »jetzt oder niemals«. Am 14. Mai 1948, als der britische Mandatsvertrag erloschen war und die Briten ihre letzten Soldaten aus dem Land abgezogen hatten, verlas er im Stadtmuseum die Proklamation über die Gründung des Staates Israel, allerdings, ohne die Grenzen von 1947 und den Teilungsplan zu erwähnen.
 
Einen Tag nach der Proklamation brach der Krieg aus, der diesmal regionale, sogar internationale Dimensionen annahm. Ägypten, Irak, Jordanien, Syrien und der Libanon waren mit Israel im Krieg — die Beteiligung anderer arabischer Staaten war eher von symbolischer Natur. In der ersten Phase erzielten die arabischen Armeen beträchtliche Erfolge, ägyptische Kolonnen standen bereits 25 Kilometer südlich Tel Avivs — die jordanische Armee hielt große Teile der Westbank besetzt. Aber Israel war ab dem 15. Mai 1948 ein souveräner Staat mit allen Möglichkeiten, die dies mit sich brachte. Ben Gurion hatte eine moderne Armee auf die Beine gestellt, die sehr bald etwa 90 000 Soldaten umfasste; aus der Tschechoslowakei, wie auch aus anderen Ländern, kamen vor allem Waffen, Flugzeuge und andere Geräte nach Israel, die sofort an der Front eingesetzt wurden. Schon am 22. Mai wurde der Vormarsch der ägyptischen Armee gestoppt. Am 11. Juli 1948 wurde eine einmonatige Feuerpause vereinbart.
 
Während der zweiten Phase des Unabhängigkeitskrieges, der bis Januar 1949 andauerte, wandte sich das Blatt zugunsten der Israelis. Ben Gurion bremste allerdings während dieser Phase eher die Armee, als dass er sie anspornte. Er ließ König Abd Allah Ibn al-Husain von Jordanien jene Teile der Westbank, die entsprechend des UNO-Plans zu dem geplanten palästinensischen Staat gehören sollten, besetzen. Im Dezember 1948 stand die israelische Armee in El Arisch auf ägyptischen Territorien im Sinai, jenseits der internationalen Grenze. Infolge eines britischen Ultimatums vom 30. Dezember 1948 und amerikanischen Drucks, zwei Problemen, die für Ben Gurion fast gelegen kamen, befahl Ben Gurion die Räumung ägyptischer Territorien. Dabei nahm er die Auseinandersetzung mit Ygal Allon, dem ehemaligen Kommandeur des Palmachs, der diesen Frontabschnitt befehligte und die Räumung für übereilt hielt, in Kauf. Ebenso lehnte er die Forderung Begins und der von diesem 1948 gegründeten Cherut Partei ab, die Westbank zu erobern. Israel in den Waffenstillstandslinien von 1949 war um ein Drittel größer, als im ursprünglichen Teilungsplan vorgesehen. Ben Gurion hoffte, dass die Probleme der entstandenen Palästinaflüchtlinge nun lokalisiert und von Jordanien gelöst werden konnten. Er kam der Forderung der Amerikaner, Mäßigung an den Tag zu legen, nach, auch mit dem Ziel, auf lange Sicht mit Amerika und auch England gute Beziehungen zu unterhalten. Ihm gelang es auch — innenpolitisch — alle paramilitärischen Verbände aus der Mandatszeit aufzulösen und in einer einheitlichen Armee — der Zahal — zu integrieren. Bei den ersten Wahlen zur Knesset — dem israelischen Parlament — im Januar 1949, gewann seine Partei 46 von 120 Sitzen. Er vereinbarte eine Koalition mit den Religiösen und der Liberalen Partei (Die Progressiven). Er strebte die Integration der neuen Einwanderer, sowohl aus den Displaced-Persons-Lagern in Europa als auch aus den Ländern des Orients, an. Er setzte auf Konsolidierung und hoffte auch, dass die Araber dieses Israel anerkennen werden.
 
Im Dezember 1953, aller Wahrscheinlichkeit nach infolge hochgradiger Erschöpfung, trat Ben Gurion von seinem Amt als Regierungschef und Sicherheitsminister zurück und siedelte nach Sede Boker, einem Kibbuz im Negev, über. Er setzte die Ernennung von Moshe Dayans als Oberbefehlshaber der Armee und von Pinchas Lavon als Sicherheitsminister durch. Regierungschef, der zugleich auch als Außenminister amtierte, wurde Moshe Scharett.
 
 Die Sicherung des Staates Israel
 
Infolge einer gescheiterten Sabotage- und Spionageunternehmung in Ägypten, die später von den Israelis während der »Lavon-Affäre« als »Das Fiasko« bezeichnet wurde, trat Lavon von seinem Amt zurück und Ben Gurion wurde erneut, im Februar 1955, Sicherheitsminister; Regierungschef blieb jedoch Moshe Scharett. Einige Tage, nachdem er wieder ernannt wurde, genehmigte Ben Gurion einen groß angelegten Vergeltungsschlag im Gazastreifen, in dessen Verlauf mehrere ägyptische Soldaten getötet wurden. Nasser wandte sich an den Ostblock und vereinbarte im Herbst 1955 ein großes Waffenabkommen mit der Tschechoslowakei. In Israel wurde nach den Wahlen vom November 1955, bei denen die Mapai herbe Verluste hinnehmen musste, eine neue Koalitionsregierung mit Ben Gurion als Regierungschef und Sicherheitsminister gebildet. Fortan richtete dieser seine Bemühungen auf das Ziel, Nasser zu stürzen. Moshe Scharett, der nicht in seinem Sinne dachte, wurde im Juli 1956 aus dem Kabinett gedrängt und an seiner Stelle Golda Meir zur Außenministerin berufen.
 
Nachdem Nasser im Juli 1956 den Suezkanal verstaatlicht hatte und zunehmend die algerische Rebellion gegen die Herrschaft Frankreichs unterstützte, erkannte Ben Gurion, dass es — aus unterschiedlichen Motiven — ein gemeinsames Interesse zwischen seinem Land, Paris und London gab: den Sturz Nassers. Ein Plan, der dieses Ziel verfolgte, wurde vereinbart: Am 29. Oktober 1956 eroberten israelische Fallschirmjäger den Mittlapass im Sinai. Binnen einer Woche brachte die israelische Armee fast die gesamte Sinaihalbinsel unter ihre Kontrolle. Gleichzeitig landeten französische und britische Streitkräfte in der Suezkanalzone. Die Unternehmung scheiterte jedoch. Nasser wurde nicht nur nicht gestürzt, sondern er ging aus diesem Krieg sogar politisch gestärkt hervor. Es folgte am 7. Dezember 1956 ein sowjetisches Ultimatum sowohl an Israel als auch an England und Frankreich. Auch die Amerikaner drängten auf Räumung sowohl der Suezkanalzone als auch der Halbinsel Sinai. Trotz innerer Widerstände vor allem seitens der Cherut Partei kam Ben Gurion bis März 1957 dieser Forderung nach. In Israel begann nun eine Ära relativer Ruhe an den Grenzen, vor allem die Ära großen Aufbaus. Die Wiedergutmachungsabkommen begannen wirksam zu werden. Es begann eine Zeit der Prosperität und Zuversicht. Bei den Wahlen zur 4. Knesset, am 3. November 1959, erreichte Ben Gurion den Zenit seines Ansehens und seiner Macht. Seine Partei führte den Wahlkampf unter dem Motto: »Sagt dem Alten Ja«. Die Mapai, die bei den Wahlen von 1955 nur 40 Mandate errungen hatte, erhielt diesmal 48 Mandate — eine Stärke, die sie niemals mehr erreichte. Von diesem Zeitpunkt an war Ben Gurions Ansehen einem zunehmenden Verfall ausgesetzt.
 
Pinchas Lavon, der seit seinem Rücktritt aus dem Sicherheitsministerium im Februar 1955 als Generalsekretär der Histadrut amtierte, wendete sich 1960 an Ben Gurion und verlangte mit Hinweis auf neue Beweise von ihm die Rehabilitation seines Namens. Ben Gurion weigerte sich, worauf dieser sich an Presse und Öffentlichkeit wandte. Ben Gurion, der seine Meinung oft änderte, geriet zunehmend in die Defensive. Die Regierung setzte eine Untersuchungskommission ein, die am 25. Dezember 1960 zu der Schlussfolgerung gelang, dass Lavon von einer Verantwortung freizusprechen sei. Ben Gurion weigerte sich jedoch, dies zu akzeptieren, trat am 31. Januar 1961 aus seinem Amt zurück und amtierte bis zu den vorgezogenen Wahlen am 15. August 1961 als Chef einer Übergangsregierung. Nach den Wahlen, bei denen seine Partei geschwächt wurde, amtierte er erneut als Ministerpräsident und Sicherheitsminister. Er forcierte, zunächst mit französischer Hilfe, dann aus eigener Kraft, die atomare Industrie seines Landes, was zu Spannungen mit den USA unter Präsident J. F. Kennedy führte und auch in Israel selbst umstritten war. Zunehmend jedoch machte sich Impulsivität und Unausgewogenheit in Ben Gurions Handeln und Reagieren bemerkbar. Man vermisste die Nüchternheit und Stetigkeit, die für ihn so bezeichnend gewesen waren. Am 17. Juni 1963 trat er, völlig unerwartet und auch nicht zwingend, von seinem Amt zurück und ging wiederum nach Sede Boker. Der langjährige Finanzminister, Levi Eschkol, wurde sein Nachfolger.
 
 Deutschlandbild und Deutschlandpolitik
 
Eine prägende Wirkung hatte Ben Gurion auf die deutsch-israelischen Beziehungen. Sehr früh sah er die Entwicklung in Europa nach dem Krieg voraus. Er glaubte, dass die Bundesrepublik Deutschland ein neues, demokratisches Deutschland sein werde, das in Frieden mit seinen Nachbarn lebt. Er hegte niemals Hass gegen das deutsche Volk, sondern nur gegen die Nationalsozialisten. Zusammen mit Nahum Goldmann leitete er die Verhandlungen mit Bundeskanzler Konrad Adenauer und stellte die Forderung des jüdischen Volkes und Israels — als Staat der Überlebenden — nach Wiedergutmachung.
 
Ihm kam sehr zugute, dass Adenauer die moralischen Dimensionen des Problems erkannte. Trotz innerer Widerstände seitens der rechten und linken Parteien — eine Ablehnung, die Israel an den Rand eines Bürgerkriegs brachte — setzte Ben Gurion im Januar 1952 die Wieder-gutmachungsverhandlungen im Parlament durch. Er weitete die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland aus und überstand mehrere Regierungskrisen, als infolge von Indiskretionen 1957 und 1959 bekannt wurde, dass Israel auch im militärischen Bereich mit der Bundesrepublik Deutschland kooperierte. Im März 1960 kam es zu der historischen und zukunftsweisenden Begegnung zwischen Adenauer und Ben Gurion in New York. Weitere Kooperationen auf kulturellem, technischem und wissenschaftlichem Gebiet wurden vereinbart — die Bundesrepublik Deutschland förderte auch die Urbarmachung des Negevs. Ben Gurion hatte natürlich auch aus pragmatischen Gründen an der Wiedergutmachung Interesse gehabt, um die Überlebenden in Israel integrieren zu können. Er hatte auch darüber hinaus außenpolitische Gründe: Er wollte die Abhängigkeit seines Landes von Amerika reduzieren und Israel mit deutscher Unterstützung Europa näher bringen. Mit seiner ausgestreckten Hand wollte er auch den Deutschen helfen — moralisch, politisch, ideengeschichtlich —, die Werte der Demokratie zu verinnerlichen. Deutschland solle nicht isoliert bleiben, sondern im Gegenteil seinen geachteten Platz in der Völkergemeinschaft finden. Mit Konrad Adenauer verband ihn zugleich auch die Ablehnung des Kommunismus und des Totalitarismus. Die Vergangenheit sollte nicht vergessen werden — der Eichmann-Prozess 1960—1961 hat dies verdeutlicht —, aber Ben Gurion wollte in seiner Politik stets zukunftsorientiert sein.
 
Die Beziehungen beider Länder wurden getrübt, nachdem 1962 bekannt geworden war, dass eine Gruppe deutscher Wissenschaftler für Nasser bakteriologische und ballistische Waffen baute. Es handelte sich meist um Wissenschaftler der zweiten Garnitur. Die Bundesrepublik Deutschland, so sehr das Ganze ihr höchst ungelegen kam, konnte die Wissenschaftler nicht hindern, in Ägypten zu arbeiten. Das Problem wurde in Israel über jede Proportion hinaus aufgebauscht und wurde auch — losgelöst vom »deutschen Kontext« — von Ben Gurions Widersachern in der eigenen Partei, als auch seitens der Opposition benutzt, um seine Position und sein Ansehen zu beschädigen. Ben Gurion wusste, dass der Nutzen, den Nasser aus dem Werk der Wissenschaftler zog, nicht groß war und auch, dass, gerade auf dem militärischen Gebiet, die Bundesrepublik für Israel von großer Bedeutung werden würde, und wollte die Beziehungen zu Bonn nicht belasten. Er konnte — teilweise auch aus Sicherheitserwägungen — seine Position der Öffentlichkeit nicht vermitteln. In Israel wurde allerdings eine Hysterie entfacht, die einer der Gründe für seinen übereilten und nicht zwingenden Rücktritt war.
 
 Die letzten Lebensjahre
 
Im April 1964 kehrte Ben Gurion, zur Überraschung vieler, in die Politik zurück. Er forderte eine Untersuchungskommission, die die Verantwortung für den Verlauf der »Lavon-Affäre«, in all ihren Verästelungen, klären sollte. Er äußerte sich abfällig über seinen Nachfolger Eschkol und forderte seinen Rücktritt. Seine Partei weigerte sich, ihm politisch zu folgen, vielmehr wurde er im Juli 1965 aus seiner Partei ausgeschlossen. Daraufhin hat er eine neue Bewegung — die Rafi-Liste — gegründet, der auch Shimon Peres und Dayan beitraten. Die Linie von Rafi war nicht klar. Sie forderte mehr Staatlichkeit, Relativierung der Rolle der Histadrut, Innovationen im technisch-wissenschaftlichen Bereich und überhaupt »neue Horizonte«. Bei den Wahlen im November 1965 konnte diese Partei trotz des Ansehens Ben Gurions nur 10 Mandate erringen. Als im Juni 1967, vor dem 6-Tage-Krieg, die Regierung der Nationalen Einheit gebildet wurde, trat Rafi — gegen den Willen Ben Gurions — dieser Regierung bei und Dayan wurde in ihr Verteidigungsminister. Im Januar 1968 kehrte Rafi zur Arbeiterpartei (1965 eine Vereinigung zwischen Mapai und Achdut Haavoda) zurück und wurde letztlich ein Teil von ihr. Ben Gurion hat bei den Wahlen im Oktober 1969 mit einer eigenen Liste kandidiert, die nur vier Mandate errang. Er trat 1970 aus dem Parlament aus.
 
Die letzten Jahre waren sehr qualvoll und tragisch. Es setzte ein körperlicher Verfall ein. Ben Gurion verlor sein phänomenales Gedächtnis. Seine öffentlichen Auftritte waren peinlich. Sein berühmter »Morgenspaziergang« in Sede Boker begann zunehmend für Touristen eine Attraktion zu werden und eine Gelegenheit den Staatsgründer zu fotografieren. Zunehmend wurde er lächerlich. Der große alte Mann siechte langsam dahin. Im Oktober 1973, als der Staat, den er gegründet hatte, während des Jom-Kippur-Krieges sich behaupten musste, erlitt er einen Gehirnschlag. Einige Wochen lag er im Koma und wurde am 1. Dezember 1973 durch den Tod, 87-jährig, von seinen Qualen erlöst.
 
Noch ist es zu früh, ein abschließendes Urteil über Ben Gurion zu fällen. Er hat keine fest umrissene Lehre entworfen, äußerte sich zu vielen Themen, darunter auch zu Wissenschaft und Philosophie. Er befasste sich zunehmend mit der Bibelinterpretation, wobei er vor allem die Ära des Ersten Tempels als die erhabenste in der jüdischen Geschichte erachtete. Er sah darin auch eine biblische Kontinuität. Die Israelis kämpfen erneut um all das, was gewaltsam durch die Zerstörung des Tempels und Exil unterbrochen wurde. Ja, sie überwinden die Diaspora. Niemals allerdings benutzte er die Bibel im Sinne von Rechtfertigungen weiterer Gebietsansprüche Israels. Intuitiv spürte er, dass all das, was während des Palästinakrieges (1948—49) erreicht und von dem meisten Völkern der Welt auch anerkannt wurde, das Maximum war. Er plädierte nach dem Sechs-Tage-Krieg für einen Frieden ohne Annexionen. Er hoffte stets, dass die Araber mit Israel, das er schuf, Frieden schließen würden, und er wusste auch, dass sein Land den Frieden erst vereinbaren könnte, wenn es stark sein würde. Sein ganzes politisches Wirken stand unter diesen Vorzeichen — jüdische Kraft, feste Infrastruktur, wissenschaftliche Innovation, politische und seelische Stärke zu schaffen. Neuere Untersuchungen und erschlossene Quellen verdeutlichen, dass Ben Gurion das Araberproblem bewusster war, als gemeinhin angenommen wird. Er strebte nach friedlichem Ausgleich und sah darin auch eine biblische Verpflichtung. Indessen den Frieden zu vereinbaren, war ihm nicht vergönnt.
 
Nachum Orland
 
Literatur:
 
Rafael Gideon: Der umkämpfte Frieden. Die Außenpolitik Israels von Ben Gurion bis Begin. Aus dem Amerikanischen. Frankfurt am Main 1984.
 Martin Gilbert: Israel. A history. London 1998.
 Angelika Timm: Israel. Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung. Neuausgabe Bonn 31998.
 Michael Krupp: Die Geschichte des Staates Israel. Gütersloh 1999.


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