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ÇATAL HÜYÜK: STADT DER HEILIGTÜMER

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Çatal Hüyük: Stadt der Heiligtümer
 
Der jungsteinzeitliche Wohnhügel Çatal Hüyük liegt im südanatolischen Hochland, 50 km südöstlich der Stadt Konya. Mit anderen Fundstätten Anatoliens bildet er ein Bindeglied zwischen dem Gebiet des »fruchtbaren Halbmondes« und den Landschaften Südosteuropas, in denen sich die neue, auf Ackerbau und Viehhaltung basierende Wirtschaftsweise in Europa zuerst durchsetzen konnte. Doch kommt diesem Wohnhügel unter den archäologischen Fundplätzen im südlichen Teil der Türkei eine besondere Bedeutung zu: Die Größe der Siedlung, der sehr gute Erhaltungszustand der aus Lehmziegeln und Holz errichteten Bauten und deren überaus reiche Ausstattung mit plastischen Darstellungen und mit Wandmalereien heben Çatal Hüyük von den anderen bisher untersuchten Siedlungsplätzen ab.
 
Der Wohnhügel nimmt eine Fläche von etwa 13ha ein, von denen der englische Archäologe James Mellaart in den Jahren 1961 bis 1965 lediglich 4000 m² am Westhang des Hügels untersuchte. Und doch erbrachten seine Grabungen überraschende Ergebnisse: Mit einer Höhe von annähernd 17,5 m erhebt sich der Hügel weithin sichtbar über die Ebene. Die frühen Siedlungsschichten reichen jedoch noch mindestens 4 m tiefer.Mellaart konnte somit jungsteinzeitliche Ablagerungen bis zu einer Mächtigkeit von 20 m nachweisen. Bei den Ausgrabungen wurden 15 m starke Schuttablagerungen mit zwölf aufeinander folgenden Siedlungshorizonten aus der Zeit zwischen 6500 und 5700 v. Chr. erfasst. In einigen Siedlungsschichten haben sich Hauswände bis zu einer Höhe von 2 m und darüber erhalten. In den einzelnen Bauphasen dienten unterschiedlich große luftgetrocknete Lehmziegel als Baumaterial. Sie füllten die Gefache zwischen vertikalen, dachtragenden Holzpfosten aus. Kräftige Holzbalken und Latten trugen die Flachdächer, die zudem mit lehmbeschichteten Rohrbündeln bedeckt waren. Die Ausgrabungen erbrachten keine Hinweise auf ein zweites Stockwerk der Räume, an deren Südseite Licht- beziehungsweise Luftschächte angebracht waren. Straßenführungen oder Durchgänge zwischen den Häusern konnten nicht festgestellt werden; vielmehr lehnten sich die Häuser unmittelbar an die Mauern der benachbarten Trakte an. Den wabenartig angeordneten Räumen einzelner Gebäudeeinheiten war in der Regel ein Hof zugeordnet. Die Räume, die offensichtlich unterschiedlichen Zwecken (Wohnräume, Speicher oder Lagerräume, Korridore) dienten, waren durch Öffnungen bis zu einer Höhe von maximal 0,77 m verbunden. Der Zugang war nur über Holzleitern durch Einstiegsluken im Dach möglich. Die steigbaumartigen Leitern lehnten unmittelbar an der jeweiligen Südwand, zugleich Küchenteil des Hauses, wo sich auch die Herde und Backöfen befanden, letztere zum Teil in die Mauern eingelassen, sodass der Rauch durch die Dachluken entweichen konnte.
 
Die Wände der Räume wurden in der Regel mehrmals mit einer weißen Putzschicht überzogen. Diese Tünche bedeckte nicht nur die Lehmziegelwände, sondern auch die Holzpfosten und die halbplastischen Darstellungen an den Wänden, häufig auch die Wandmalereien. In einigen Räumen wurden zwischen 100 und 120 Putzschichten festgestellt. Erhöhte Plattformen an den Wänden mit höheren quadratischen Sitzflächen, die ebenso wie die Fußböden mit Rohr- oder Binsenmatten beziehungsweise geflochtenen Matten aus Sumpfgras bedeckt waren, dienten als Schlafstätten. Wenn die Räume aus bautechnischen Gründen unbewohnbar wurden, entfernte man die hölzerne Dachkonstruktion sowie die dachtragenden Holzpfosten, riss die oberen Mauerteile ein und verfüllte die Räume mit Bauschutt, um Baufreiheit für neue Räume zu schaffen, die so oftmals direkt über den alten Räumen errichtet wurden. Zu den meisten Häusern gehörten eine Vorratskammer beziehungsweise ein Speicher mit Kornbehältern. In einigen Häusern konnten auch Töpferöfen freigelegt werden, doch fanden sich weder Werkstätten noch für öffentliche Zwecke genutzte Gebäude. Da auch keine Brunnen nachgewiesen wurden, muss davon ausgegangen werden, dass das Trinkwasser dem am Siedlungshügel vorbeifließenden Bach entnommen wurde.
 
Zahlreiche Räume waren an den Wänden aufwendig geschmückt. Mellaart deutet sie als Kulträume, obwohl sie sich in der Einrichtung mit Plattformen, Bänken, Herden und Backöfen nicht von den Wohnräumen unterscheiden. Demnach hätten von den insgesamt 139 freigelegten Räumen 48 als Kulträume gedient. Daraus schließt der Ausgräber, dass in diesen Räumen Priester lebten und ihre Kulthandlungen vollzogen. Hier wird man Mellaart nicht vorbehaltlos folgen wollen, zumal sich auch in den von ihm als Wohneinheiten interpretierten Bauten Wandmalereien, farbige Handabdrücke und vereinzelt plastischer Wandschmuck, zum Beispiel aus Ton modellierte Frauenbrüste, befinden. Schließlich sind auch in den Kulträumen Plattformen als Schlafstätten belegt, unter denen - wie auch in den Wohnräumen - menschliche Bestattungen gefunden wurden. So wäre es ebenso denkbar, dass jede Familie in Çatal Hüyük ihren eigenen Kultraum besaß, in dem Opfer dargebracht und kultische Zeremonien abgehalten wurden. An der religiösen Bedeutung einiger Wandmalereien und plastischer sowie halbplastischer Darstellungen wird man nicht zweifeln wollen. Frauenreliefs an den Wänden, aus Ton modellierte Frauenbrüste, Tierköpfe, häufig bemalt, oder in Bänken eingelassene Stierhörner stehen sicherlich mit dem bäuerlichen Fruchtbarkeitskult in Verbindung. Die in den Kulträumen immer wiederkehrenden Frauendarstellungen und entsprechende Statuetten aus Stein und Ton werden als die »Große Mutter« (Magna Mater), das »göttliche« (numinose) Symbol der Fruchtbarkeit, interpretiert. Wurde ein Kultraum aus bautechnischen Gründen aufgegeben, so zerstörte man Gesicht, Hände und Füße dieser an den Wänden angebrachten Frauendarstellungen, um sie ihrer magischen Kraft zu berauben. Nicht selten wurde über einem alten Kultraum ein neuer errichtet. Wie sehr in der Jungsteinzeit der Kult der Toten in das tägliche Leben verflochten war, ist in Çatal Hüyük anschaulich zu belegen. Nicht nur, dass die Bewohner auf den unter ihren Schlafstätten bestatteten Toten ruhten, sondern auch Darstellungen in den »Geierheiligtümern«, deren Wände mit riesigen Geiern, zum Teil mit einer Flügelspanne von etwa 1,0 m, bemalt waren, die nach kopflosen Menschen hacken, verdeutlichen diese Vorstellungswelt. Auf den Plattformen lagen Menschenschädel. An den angrenzenden Wänden angebrachte Tierköpfe und aus Ton modellierte Frauenbrüste sind wiederum als Attribute des Fruchtbarkeitskultes zu deuten. Dagegen sind aus Ton modellierte Frauenbrüste in anderen Kulträumen, aus deren anstelle der Brustwarzen eingefügten Öffnungen Schädel oder Kiefer von Geiern, Füchsen, Wieseln oder gar von Ebern herausragen, eher mit dem totenkult zu verbinden.
 
Die Farbenvielfalt der Wandmalereien, denen nicht immer kultisch-religiöse Bedeutung beigemessen werden muss (etwa Jagdmotive oder geometrische Muster), überrascht. Nachgewiesen sind Rot, Braun, Gelb, Orange, Rosa, malvenfarbige Töne, Grau, Schwarz und Blau - Farben, die in verschiedenen Abstufungen aus organischen und anorganischen Stoffen hergestellt wurden.
 
Aus Stein gearbeitete oder aus Ton geformte Statuetten, vorwiegend in Frauengestalt, fanden sich verschiedentlich in durch Brand zerstörten Kulträumen. Die bisher bekannten fünfzig Statuetten dürften bei kultischen Zeremonien Verwendung gefunden haben, während roh aus Ton geformte, zum Teil absichtlich zerbrochene tier- und menschengestaltige Plastiken, die in den Wänden der Kulträume steckten oder gruppenweise in Gruben an den Mauern deponiert waren, als Opfergaben, vielleicht sogar als Ersatz für blutige Opfer, zu deuten sind.
 
Die überaus günstigen Erhaltungsbedingungen im Wohnhügel von Çatal Hüyük haben dafür gesorgt, dass Kulturpflanzen, Textilreste, geflochtene Matten und Körbe, Holzgefäße und Nahrungsmittel konserviert wurden. Zusammen mit den Beigaben der Toten (es wurden etwa 400 Skelette freigelegt), mit Schmuck aus Stein, Muscheln, Schnecken, Kupfer und Blei, aber auch Felsgesteingeräten, Feuersteindolchen sowie Pfeilspitzen und Spiegeln aus Obsidian vermitteln sie ein eindrucksvolles Bild vom zivilisatorischen Stand Çatal Hüyüks.
 
Dr. Dieter Kaufmann
 
Literatur:
 
Mellaart, James: Çatal Hüyük. Stadt aus der Steinzeit. Bergisch Gladbach 1967.
 Mellink, Machteld J. und Filip, Jan: Frühe Stufen der Kunst. Berlin 1974. Nachdruck Frankfurt am Main u.a. 1985.


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