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CHINA: DIE EPOCHENWENDE 1895

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China: Die Epochenwende 1895
 
Unter dem Eindruck der militärischen Niederlage gegen Japan um die Oberhoheit über Korea brach 1895 das internationale Ansehen Chinas zusammen. Auf Befehl der regierenden Kaiserinwitwe Cixi waren die für den Aufbau einer Kriegsflotte vorgesehenen Mittel unter anderem in den Bau eines Marmorpavillons im Garten der kaiserlichen Sommerresidenz geflossen. Der wachsenden Begehrlichkeit der Großmächte ließ sich jetzt kaum noch etwas entgegensetzen. Die Balance der Jahre seit 1860 zwischen dem Kaiserreich und den westlichen Mächten zerbrach.
 
 Verschärfte wirtschaftliche Abhängigkeit
 
Japan, neu in den Kreis der Großmächte eingetreten, machte den Anfang mit der Annexion der Provinz Taiwan. Zugleich diktiertees China eine immens hohe Kriegsentschädigung, die nur über den internationalen Kapitalmarkt finanziert werden konnte. Beides machte Schule: Anleihe folgte auf Anleihe, stets zu Konditionen, die für China sehr ungünstig waren. Als Sicherheiten ließen sich die ausländischen Gläubiger immer neue Posten der chinesischen Staatseinnahmen verpfänden. Nach Taiwan folgten nach 1895 weitere Abtretungen: die Erweiterung Hongkongs um die New Territories, die Übernahme des Hafens Tsingtau und seiner Umgebung in Nordchina durch das Deutsche Reich, ferner französische Eisenbahnkonzessionen in der südlichen Provinz Yunnan, russische in der Mandschurei.Die reichen Provinzen des chinesischen Kernlandes gerieten jedoch niemals unter fremde Kontrolle. Gegen das schon vor 1895 besonders aggressive Zarenreich konnte sich die Qingdynastie erstaunlich gut behaupten. Wichtiger als die relativ geringfügigen territorialen Verluste waren die nun offen arrogante Haltung der Großmächte und der Hochfinanz gegenüber China und die Intensivierung seiner wirtschaftlichen Durchdringung. Seit 1895 war es Ausländern erlaubt, in den treaty ports Industrie anzusiedeln; ausländisch finanzierte Eisenbahnen wurden in großen Nord-Süd-Trassen durch das Land gelegt; westliche Konsumgüter von multinationalen Konzernen bis in die hintersten Winkel des Reiches direkt verbreitet.
 
Das Jahr 1895 war für China ein noch wichtigeres Epochenjahr als 1842. Es bedeutete deshalb eine beispiellos tiefe Zäsur, weil sich nicht nur die Strukturen der Einbindung des Reiches der Mitte in das internationale System änderten, sondern nun auch die politisch wache Öffentlichkeit in China rasch auf die Ereignisse reagierte. Es verbreitete sich schnell das Gefühl einer tiefen nationalen Krise. Für manche schien sogar die Existenz der chinesischen Zivilisation auf dem Spiel zu stehen. Die Staatsführung reagierte gegenüber dieser Herausforderung desorientiert. Der listige und beharrliche Li Hongzhang stand als alter Mann ratlos vor den Trümmern seiner Politik. Erstmals in der neueren Geschichte Chinas gingen Impulse der Veränderung nicht von inneren Hofzirkeln und den Spitzen der Bürokratie aus. Aus Hongkong wandte sich Sun Yatsen an den großen Vizekönig Li Hongzhang und bot ihm seine Dienste an. Dieser aber ging nicht darauf ein, und Sun Yatsen begann nun seine revolutionäre Karriere als Organisator und Agitator.
 
 Die »Reform der hundert Tage«
 
Viel wichtiger aber war zunächst eine andere Initiative. In Peking waren im Frühjahr 1895 die brillantesten jungen Gelehrten des Reiches versammelt, um in den Palastprüfungen, der höchsten Stufe des Prüfungssystems, miteinander zu wetteifern. Koordiniert durch zwei der klügsten Köpfe des damaligen China, Kang Youwei und seinen Schüler Liang Qichao, verfassten sie ein Reformmanifest. Es gelangte tatsächlich an den konservativen Höflingen vorbei in die Hände des zweiundzwanzigjährigen Kaisers Guangxu, der soeben begann, sich aus dem Schatten seiner übermächtigen Tante, der de facto regierenden Cixi, zu befreien. Das Manifest trug Überlegungen vor, die insgeheim in Gelehrtenzirkeln schon vor 1895 diskutiert worden waren: China benötige eine moderne Armee westlichen Typs, eine eigene Industrie, ein staatliches Bankensystem, Eisenbahnen in nationaler Kontrolle, ein modernes Postwesen. Die Landwirtschaft müsse systematisch gefördert und technisch verbessert, die Kompetenz der Auslandschinesen solle planmäßig genutzt werden. Noch wichtiger als diese Argumentation war die Tatsache, dass sie von einem Teil der geachteten geistigen Elite des Landes vorgetragen wurde. Kang Youwei erhielt in der Folgezeit direkten Zugang zum Kaiser und erarbeitete für ihn und mit ihm eine Reihe von Reformedikten. Sie wurden zwischen Juni und September 1898 erlassen, deswegen auch »Reform der hundert Tage« genannt. Erstmals wurde nun auch von höchster Stelle die Reform des bis dahin sakrosankten Erziehungs- und Prüfungswesens, besonders seine Öffnung für westliches Wissen, gefordert. Die Korruption innerhalb der Bürokratie solle bekämpft, die Wirtschaft nach modernen Grundsätzen gefördert werden. Dahinter stand Japan als das große Vorbild. Am 19. September 1898 erschien die Kaiserinwitwe überraschend in der Verbotenen Stadt. Der Kaiser wurde unter Arrest gestellt, sechs seiner angeblich radikalen Berater sofort hingerichtet. Kang Youwei und Liang Qichao entgingen diesem Schicksal nur durch die Flucht ins Ausland. Cixis Putsch beendete die reformerische Phase.
 
Prof. Dr. Jürgen Osterhammel, Freiburg
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Boxer: Der Boxeraufstand und seine Folgen
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
China: Reformansätze 1860 bis 1895


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