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DEMOKRATIE: IHRE GEBURT IN ATHEN

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Demokratie: Ihre Geburt in Athen
 
Das Schicksal der Griechen verschmilzt in vielerlei Hinsicht mit dem Schicksal einer Stadt: der Polis Athen. Lange hatte sie im Schatten mächtiger Nachbarn gestanden und war den großen Kolonistenzügen ferngeblieben, an deren Ende die Griechen um das Mittelmeer saßen »wie die Frösche um den Teich« - so sah sie im 4. Jahrhundert v. Chr. der Philosoph Platon. Athens Stunde schlug, als 491 v. Chr. Gesandte des persischen Weltreichs von allen Städten Griechenlands Erde und Wasser als Zeichen der Unterwerfung forderten. Viele kamen dieser Aufforderung nach, wenige scharten sich um Athen und Sparta, töteten die persischen Boten und rüsteten zum Widerstand. 480, in der Schlacht von Salamis, war der Kampf entschieden: Die in den Jahren davor gebauten Kriegsschiffe und der Mut und das Können athenischer Ruderer triumphierten über die Allmacht des »Königs der Könige«.
 
Die siegreiche Stadt riss die Initiative des Krieges an sich, schmiedete einen Seebund, der weiträumigen imperialen Zielen dienen konnte, und beanspruchte, die erste Macht in der Ägäis zu sein.Binnen weniger Jahre sah sich eine Bürgerschaft, die in ihrer bisherigen Geschichte nur selten über die engere Nachbarschaft hinausgeblickt hatte, mit der Politik des gesamten östlichen Mittelmeerraums konfrontiert und auf dem Weg zur Weltmacht. In dieser Rolle entfaltete Athen die Kräfte, die der Stadt den ersten Platz innerhalb des Griechentums und seiner Geschichte einräumen sollten. Die Demokratie, die Tragödie, die Geschichtsschreibung, die Baukunst der Akropolis ebenso wie die politische Rationalität und Philosophie - nichts davon hätte es in einem militärisch gedemütigten Athen geben können.
 
 Im Schatten des Krieges: Die Enstehung der Demokratie
 
Die Demokratie entstand nicht, weil es ein Modell für sie gab oder aufständische Massen politische Mitsprache und soziale Gerechtigkeit gefordert hätten. Sie wurde auch nicht in einem revolutionären Akt geboren, vergleichbar dem Sturm auf die Bastille 1789. Und niemand spornte die Unteren zum Angriff auf die Festungen der herkömmlichen Macht an. Die Demokratie kam auf leisen Sohlen und im Schatten von Krieg und Expansion.
 
Seit den Zeiten, in denen der Bauer als Hoplit, als Schwerbewaffneter, in der Schlachtreihe neben den adligen Herrn getreten war, hatte sich als Grundregel des politischen Handelns durchgesetzt, dass Militärdienst den Anspruch auf Mitsprache ausreichend begründet. Seit dem Tag von Salamis galt dies auch für die Besitzlosen, die Theten, und jedes Kriegsjahr, das die Flotte erfolgreich sah, machte offenkundig, dass Macht und Reichtum Athens von ihr und von den Männern abhingen, die ihre Rücken auf den Ruderbänken krümmten. So nahmen sie sich Sitz und Stimme in der Volksversammlung und den Gerichten, ohne dass es darüber Streit gab. »Jeder von uns«, verkündete den Athenern stolz ihr adliger Führer Perikles, »ist fähig, Recht zu sprechen, jeder von uns ist bereit, für Athen zu kämpfen und zu sterben.«
 
Dies galt für Arm und Reich, für Hoch und Niedrig. So hatte der Adel Zeit, sich auf Veränderungen einzustellen, in die seine führenden Köpfe immer selbst, mal hemmend, mal fördernd, eingegriffen hatten. In keiner Phase der Entwicklung gaben sie die Macht ganz aus den Händen. Dort, wo es um ihre ureigensten Domänen ging, nämlich um Außenpolitik und Krieg, waren sie ohnehin nicht zu ersetzen. So ging die Ausdehnung der politischen Entscheidungsgewalt auf alle Bürger Hand in Hand mit der Übernahme erprobter aristokratischer Spielregeln der Begründung und der Ausübung von Macht. Dazu zählten, getreu dem adligen Grundsatz, immer nach dem Besten Ausschau zu halten, die Wahl für die Staatsämter, die für Krieg und Finanzen zuständig waren, und der Mehrheitsbeschluss, der alle Stimmen als gleichwertig behandelte und einen klar formulierten politischen Willen zustande bringen konnte. Demokratie hieß damit zugleich die Herrschaft der Mehrheit über eine Minderheit, wer auch immer sich darunter befand: »Das demokratische Recht ist nämlich die Gleichheit nach der Zahl, nicht nach dem Ansehen«, formulierte Aristoteles.
 
 Die Ziele und Ideale der Demokratie
 
Das Überleben des alten Adels und die Vergabe der politischen Rechte an die Armen setzten der demokratischen Neuordnung des Staates drei Ziele: Die Beteiligung aller am politischen Leben, die Schwächung der exekutiven Gewalt und die absolute Geltung der Gesetze. Das erste Ziel machte die Volksversammlung zum Souverän des Staates. Sie tagte regelmäßig und nicht nach der Laune eines Beamten oder anderer Institutionen. Ihre Kompetenz erfasste alle Bereiche des öffentlichen Lebens: die Wahlen, die Gesetzgebung, die Entscheidung über Krieg und Frieden, die Steuern, die Verleihung des Bürgerrechts sowie soziale Maßnahmen für die Bevölkerung. Zutritt zu den Abstimmungen hatte jeder freie und mündige athenische Mann, und die Hand, die er hob, entschied über die vorgelegten Anträge.
 
Das zweite Ziel verlangte die Entmachtung der Beamtenschaft. Ihre Kompetenzen verteilte der Gesetzgeber auf eine Vielzahl von kurzfristig regierenden und durch das Los bestimmten Amtsträgern, die jederzeit zur Rechenschaftslegung gezwungen werden konnten. Zehnmal im Jahr setzte allein die Volksversammlung die Amtsführung der Beamten auf die Tagesordnung und gab jedermann Gelegenheit, Beschwerden vorzutragen.
 
Das dritte Ziel hatte bereits Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. Solon vorgegeben. »Gilt das Gesetz, fügt es zu schöner Ordnung das Ganze«, beschwor er in schwerer Zeit seine Landsleute und lehrte sie, Abschied von dem Gedanken zu nehmen, das Recht müsse auf einer unverbrüchlichen, von den Göttern gestifteten Ordnung beruhen. So machte sich Athen auf den Weg, alle in Staat und Gesellschaft auftretenden Probleme einem geschriebenen und für jedermann gültigen Gesetz zu unterwerfen; es wurde von Bürgern geschaffen, hatte ihren Zwecken zu dienen und war korrigierbar, wenn die Vernunft oder die gesellschaftlichen Konflikte dies forderten.
 
Die Athener sahen in ihrer Demokratie keine Heilslehre. Dazu fehlte ihnen der Glaube, einen für alle Menschen vorbildlichen Staat geschaffen zu haben. Verglichen sie allerdings ihre mit anderen Lebensordnungen, so waren sie sich schnell ihrer Überlegenheit gewiss. »Wer ist der Landesfürst?«, fragt in den »Schutzflehenden« des Euripides ein Herold aus Theben die Athener. Was er als Antwort hört, macht ihn zornig und die Athener glücklich: ». .. hier gebietet nicht ein Einzelner; die Stadt ist frei. Die Bürger selbst bekleiden Jahr um Jahr der Reihe nach die Ämter, wobei sie nicht dem Reichtum einen Vorrang geben, nein, auch der Arme gleiches Recht genießen darf.«
 
Der Gedanke der Gleichheit leuchtet über der Freiheit. Sie gewährte die Gleichheit vor dem Gesetz, die Gleichheit von Reich und Arm und die Gleichheit auf der Bühne des Redners. Die Einwände dagegen hörte man, nahm sie aber nicht ernst: Gleichheit orientiere sich nur an der Zahl, nicht aber an erprobten Prinzipien wie Leistung, Herkunft, Reichtum und Ansehen; Politik fordere Erfahrung, Bildung und Sachverstand - alles Eigenschaften, die breite Massen nicht besäßen.
 
 Die Wiedergeburt der Demokratie in Europa
 
Die Demokratie Athens starb, als im 4. Jahrhundert v. Chr. mit Alexander dem Großen die Monarchen obsiegten und ihren Herrschaftsanspruch für viele Jahrhunderte so gründlich festigten, dass selbst der Name »Demokratie« aus dem öffentlichen Bewusstsein schwand. Im 18. Jahrhundert jedoch tauchte er aus dem Dunkel der Gelehrtenstuben, in denen er überlebt hatte, wieder auf, wurde erneut zu einem leidenschaftlich umkämpften politischen Begriff und umschrieb wie im alten Athen eine Ordnung, in welcher der Wille der Bürger über alle staatlichen Angelegenheiten herrscht. Und mit ihm kehrte eine besondere Interpretation von Freiheit zurück: Diese sei, schrieb Aristoteles, zum einen dadurch bestimmt, dass das Regieren und Regiertwerden reihum gehe und der Beschluss der Mehrheit gelte, zum anderen gebe sie jedem die Möglichkeit, so zu leben, wie er wolle.
 
Prof. Dr. Werner Dahlheim


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