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DEUTSCHE LITERATUR: LYRIK DES BAROCKS ZWISCHEN PATHOS UND INNERLICHKEIT

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deutsche Literatur: Lyrik des Barocks zwischen Pathos und Innerlichkeit
 
Barocke Lyrik spricht nicht unmittelbar zu Gefühl und Stimmung, wie man das von goethezeitlichen Gedichten gewohnt ist. Sie will nicht origineller Ausdruck einzigartiger Subjektivität sein. Das herrschende Versmaß des Alexandriners mit seinem ausladenden Pomp - sechs Hebungen, feste Zäsur in der Mitte - wirkt sperrig. Der üppige Einsatz rhetorischer Kunstfiguren verrät hohe Künstlichkeit. Das Motivrepertoire ist begrenzt und umkreist die immer gleichen Themen, namentlich Glanz und Eitelkeit der Welt oder Blüte und Hinfälligkeit der Frauenschönheit. Fast alle Autoren schreiben weltliche wie geistliche Gedichte. Hoch ist der Anteil an Gelegenheits- und Gebrauchslyrik. Eine fremde Welt tut sich auf. Nicht verwunderlich also, dass erst die Erfahrung moderner Literatur seit dem Expressionismus den Zugang zur barocken Formenwelt wieder freilegte. »Ein Gedicht entsteht überhaupt sehr selten - ein Gedicht wird gemacht.« Das avantgardistische Aperçu Gottfried Benns gilt ohne Abstriche auch für die Poesie des Barock.
 
Die deutsche Barockliteratur beginnt mit der bangen Frage Theobald Hocks nach dem deutschen Gedicht:
 
»Warumb sollen wir den vnser Teutsche sprachen /
 
In gwisse Form und Gsatz nit auch mögen machen /
 
Vnd Deutsches Carmen schreiben /
 
Die Kunst zutreiben /
 
Bey Mann und Weiben.«
 
Ein Neuanfang war erforderlich. In der eigenen Sprache gab es dafür keine Hilfe. Ernst zu nehmende Dichtung wurde auf Neulateinisch geschrieben. Die anderen westeuropäischen Nationalliteraturen hatten sich bereits glänzend entfaltet. Um so größer war der deutsche Nachholbedarf. Niemand erkannte die Situation besser als der Schlesier Martin Opitz. Und er machte sich ans Werk. Nachdem er schon früh gegen die Verachtung der deutschen Sprache zu Felde gezogen war, legte er 1624 das schmale Büchlein »Von der Deutschen Poeterey« vor, das ihm mit einem Schlag den Rang eines literarischen Reformators sicherte. Auf der Basis der Rhetorik und der reichen Renaissancepoetik unterstrich Opitz Wert und Reinheit der deutschen Literatursprache, forderte er eine strenge metrische Reform, gab er eine Gattungslehre vor, hielt er zur Nachahmung der ausländischen Leistungen an. Übersetzungen fremder Vorbilder und eigene Gedichtsammlungen wie die »Teutschen Poemata« flankierten die Reform auch in der Praxis. Die Phase der Einübung in die neue deutsche Kunstsprache hatte begonnen.
 
Stilistisch bewegte sich Opitz in einer Mittellage, die die Machart barocker Lyrik gut erkennen lässt. Nicht das absolut Neue zählt, sondern die variierende Kombination vorliegender Elemente und Motive. Man erfindet nicht, sondern findet. Topoi stehen als Suchformeln und als feste Versatzstücke bereit. Die Wiederholung ist nicht verpönt. Im Gegenteil, der Lyriker beutet seinen Gegenstand nach allen Seiten aus. Umschreibung und Auffüllung, insistierende Nennung und Abwandlung sind seine bevorzugten Verfahren. Gern summiert er am Schluss alle Topoi, die sein Gedicht durchlaufen hat: »So bitt' ich Himmel / Lüfft / Wind / Hügel / Hainen / Wälder / Wein / Brunnen / Wüsteney / Saat / Hölen / Steine / Felder / Vnd Felsen sagt es jhr / sagt / sagt es jhr vor mich«. Antithetische Konstruktionen sind besonders beliebt, zumal der durch Zäsur geteilte Alexandriner wie das in Quartette und Terzette gegliederte Sonett dazu einladen. Opitz legte den Grund. Überboten wurde er bald;so von Paul Fleming, der die Formelsprache petrarkistischer Liebe mit eigenem Leben füllte.
 
Zum Meister einer wuchtigen Rhetorik wurde Andreas Gryphius. Seine Vanitas-Sonette haben die Zeiten überdauert. Unverkennbar ist hier das ganz persönliche, aus Leiderfahrung gesättigte Pathos. Er vergräbt sich freilich nicht in Melancholie über die Eitelkeit alles Irdischen, sondern verweist im Umschlag auf das ewige Leben. Am krassesten entfalten Gryphius' »Kirchhoffs-Gedancken« dieses Verfahren: In einer Vision öffnen sich die Gräber und geben den Anblick der skelettierten und noch verwesenden Leichen preis. Gottfried Benns »Morgue«-Gedichte wiederholen die gleiche Drastik. Weit ist Gryphius freilich von Benns zynischem Nihilismus entfernt. Der naturalistische Triumph des Todes dient dem barocken Autor als Appell zum Seelenheil, als aggressive Schule des »Memento mori« (= Denke an den Tod).
 
Neben einer weit ausholenden Rhetorik steht in barocker Lyrik die nicht weniger schlagkräftige epigrammatische Verknappung. Ihr bekanntester Vertreter ist Friedrich von Logau, der eine Sammlung von 3000 »Sinn-Gedichten« veröffentlichte. Nur vier Verse benötigt er, um den Unsinn des Krieges zu brandmarken:
 
»Die Welt hat Krieg geführt weit über zwantzig Jahr
 
Numehr soll Friede seyn / soll werden wie es war;
 
Sie hat gekriegt um das / O lachens-werthe That!
 
Dass sie / eh sie gekriegt / zuvor besessen hat.«
 
In lieblichere Gefilde zieht es die Nürnberger »Pegnitz-Schäfer« um Georg Philipp Harsdörffer und Johannes Klaj. Sie entdeckten für sich den daktylischen und anapästischen Vers sowie die Klangmalerei: »Es lispeln und wispeln die schlupfrigen Brunnen. ..«. Über solche Spielereien führte der Weg zum Manierismus der Spätzeit. Keiner beherrschte ihn so virtuos wie der schlesische »Marino«, Hoffmann von Hoffmannswaldau. Zwar kennt auch er noch die dunklen Vanitas-Töne, sie verblassen jedoch vor den freizügigen Galanterien, die alle Register der Pointenkunst ziehen.
 
Über die Grenzen der Rhetorik hinaus und in die Tiefen des Gemüts dringt hingegen die geistliche Lyrik. Das 17. Jahrhundert ist die Blütezeit des Kirchenlieds. Philipp Nicolais »Wie schön leuchtet der Morgenstern« und »Wachet auf, ruft uns die Stimme«, Johannes Heermanns »Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen«, Martin Rinckarts »Nun danket alle Gott«, Joachim Neanders »Lobe den Herren« oder Friedrich Spees »O Heiland reiß die Himmel auf« sind bis heute lebendig. Dem wenig geschmückten, schlichten Stil (»sermo humilis«) dieser Lieder verleiht Paul Gerhardt die wohl eindringlichste Stimme, so im »Sommer-Gesang«: »Geh aus mein Hertz und suche Freud / In dieser lieben Sommerszeit / An deines Gottes Gaben: / Schau an der schönen Garten-Zier / Und siehe wie sie mir und dir / Sich ausgeschmücket haben«.
 
Herausragende Einzelgänger, Mystiker und Vorläufer des Pietistismus, erreichen auch für die geistliche Lyrik höchstes Niveau. Friedrich Spees »Trutz-Nachtigall« und Catharina Regina von Greiffenbergs »Geistliche Sonette, Lieder und Gedichte« leben aus einer persönlich erfahrenen mystischen Frömmigkeit, beherrschen gleichwohl alle Möglichkeiten der barocken Formenwelt. Der ekstatische Außenseiter Quirinus Kuhlmann bedient sich in seinem Gedichtzyklus »Kühlpsalter« eines bizarren religiösen Manierismus, der keine Dunkelheit verschmäht. Die Tradition der spekulativen Mystik fassen Daniel von Czepko und, wie im folgenden Beispiel, Angelus Silesius in ebenso prägnante wie tiefsinnige Epigramme:
 
»Du must was Gott ist seyn.
 
Sol ich mein letztes End / und ersten Anfang finden /
 
So muss ich mich in Gott / und Gott in mir ergründen.
 
Und werden das was Er: Ich muss ein Schein im Schein /
 
Ich muss ein Wort im Wort / ein Gott in Gotte seyn.«
 
Nicht ohne Staunen ist zu beobachten, wie rasch sich die deutsche Literatur aus dem Nichts erhoben hat und über welche Spannweite zwischen rhetorischem Prunk und mystischer Innerlichkeit sie nach wenigen Jahrzehnten verfügte.
 
Prof. Dr. Hans-Jürgen Schings
 
Literatur:
 
Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Beiträge von Wolfgang Beutin u. a. Stuttgart u. a. 51994.
 Dyck, Joachim: Ticht-Kunst. Deutsche Barockpoetik und rhetorische Tradition. Mit einer Bibliographie zur Forschung 1966—1986. Tübingen 31991.
 Hocke, Gustav René: Manierismus in der Literatur. Sprach-Alchimie und esoterische Kombinationskunst. Hamburg 1959.
 Meid, Volker: Barocklyrik. Stuttgart 1986.


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