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ALTAMERIKA: GLYPHEN UND KALENDER

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Altamerika: Glyphen und Kalender
 
Schrift gilt als unabdingbares Merkmal von Hochkulturen — Ausnahmen, wie der Andenraum und teilweise auch Teotihuacán in Mittelamerika, haben daher die Forscher immer etwas nervös nach einer Erklärung oder nach Belegen für die Spuren von Schriftbesitz suchen lassen. In der Alten Welt lässt sich die Geschichte der Schriftlichkeit auf ökonomische und administrative Wurzeln zurückführen, in Mesoamerika — dazu gehören das zentrale und südliche Mexiko sowie Guatemala, Belize, die daran anschließenden Teile von Honduras und El Salvador — stehen am Anfang der Schriftlichkeit die Religion und das Kalenderwesen. Das Verständnis der Inhalte schriftlicher Dokumente des alten Amerika ist ohne Kenntnis der Zeitrechnung unmöglich; und so haben Kalender und Schrift auch eine gemeinsame Geschichte, die bis in die olmekische Zeit um die Mitte des 1.Jahrtausends zurückreicht.
 
In Mesoamerika bestanden zwei Kalendersysteme, ein Ritualkalender und ein Wirtschaftskalender. Die Grundlage des Ritualkalenders bildet eine 260-tägige Zeiteinheit, die die Azteken als »Tonalpohualli« (= Tageszählung) bezeichneten. Die Vermutung, dass sich die 260 Tage auf die Dauer der Schwangerschaft bezogen haben mögen, ist zwar einleuchtend, ihre Richtigkeit aber nicht zu beweisen. Auf der Grundlage des in Mesoamerika vorherrschenden vigesimalen Zahlensystems, das auf der Basis 20 beruht, wurden die 260 Tage als 20 mal 13 dargestellt, wobei die Tage einer 20-tägigen Zeiteinheit, die nach Naturerscheinungen, Dingen, Tieren und Pflanzen, wie etwa Wind, Haus, Hund, Blume, benannt waren, mit den Tagen einer 13-tägigen Woche kombiniert wurden, die man mit den Zahlen 1 bis 13 bezeichnete. Ähnlich wie unsere Wochen- und Monatstage (beispielsweise Montag, der 1.; Dienstag, der 2.) wurden die beiden Tagesarten des mesoamerikanischen Kalenders nebeneinander fortgezählt (1 Krokodil, 2 Wind, 3 Haus und so weiter), sodass man dieselbe Zahl-Zeichen-Kombination erst nach 260 Tagen wieder erreichte.
 
Dem für das Wirtschaftsleben geltenden Kalender lag das Sonnenjahr von 365 Tagen zugrunde, das aus 18 benannten »Monaten« zu je 20 Tagen bestand, an die sich noch fünf »gefahrvolle« Tage schlossen. Das »Tonalpohualli« wurde im Sonnenjahr laufend fortgezählt, sodass jedes Jahr mit einer anderen Zahl-Zeichen-Kombination begann (die Verbindungen der Zahlen 1 bis 13 mit den vier »Jahresträgern« Haus, Kaninchen, Rohr und Feuerstein), die sich alle 52 Jahre wiederholte und mit der die Jahre bezeichnet wurden. Dieser Zeitraum galt als grundlegender Zyklus der Welterneuerung, und so wurde alle 52 Jahre das Feuer neu gebohrt, die Tempel überbaut und das alte Geschirr zerschlagen. Während man in weiten Teilen Mesoamerikas die 52-Jahr-Zyklen nicht eigens zählte, entstand in nacholmekischer Zeit die später vor allem von den Maya gebrauchte »Langzählung«, bei der die Tage von einem fiktiven Beginn am 13. August 3114 v. Chr. (nach heute gültiger europäischer Zeitrechnung) an gezählt wurden. Die seither verflossene Zeit wurde als fünfstellige Zahl ausgedrückt, wobei die Stellen von hinten beziehungsweise von unten den Wert von 1, 20, 360, 7200 und 144 000 Tagen besaßen.
 
Die Rolle des Kalenders war in Mesoamerika nicht auf die Zeitrechnung beschränkt, da Zahlen und Zeichen mit augurischen Bedeutungen verbunden waren. Kinder erhielten die Zahl-Zeichen-Kombination ihres Geburtstags als ersten Namen, der zugleich ihr Schicksal anzeigte; so wurden beispielsweise die unter dem Zeichen »Blume« Geborenen Künstler oder Sänger. Aber auch Heirat, Krankenheilung und alle Prognosen gründeten auf den Tageszeichen.
 
Die mesoamerikanischen Schriften beruhen teils auf bilderschriftlichen, teils auf hieroglyphischen Grundlagen. In Bilderschriften, wie sie vor allem von den Azteken und Mixteken verwendet wurden, wird der Inhalt als Abfolge stark konventionalisierter Bilder wiedergegeben. Von der rein piktographischen Darstellung wich nur die Schreibung von Namen ab, die in Form phonetisch zu lesender, rebusartig konstruierter Glyphen wiedergegeben sind. Ohne phonetische Namensschreibung waren Personen immer durch ihren Kalendernamen oder durch ihre Tracht identifizierbar.
 
Die Hieroglyphenschriften der Olmeken, Zapoteken und Maya verwendeten hingegen überwiegend Zeichen, die einen bestimmten Lautwert oder eine Funktion in der Satzbildung haben. Aus diesem Grund galten sie lange als nicht entzifferbar, zumal von den Maya neben Inschriften auf Stelen nur vier buchartige Texte erhalten geblieben sind; olmekische und zapotekische Sprachdenkmäler beschränken sich überhaupt auf wenige Inschriften. So konnte man letztlich nur die kalendarischen Textteile lesen, ohne ihren Sinnzusammenhang zu kennen. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Entzifferung der Hieroglyphenschriften Mesoamerikas riesige Fortschritte gemacht, sodass heute mehr als zwei Dritteln der Texte gelesen werden können. Diese Tatsache erlaubt umwälzende Einsichten in die Geschichte des alten Mesoamerika. Die Perspektive dieser Geschichtsschreibung ist freilich allein die der Herrschenden, deren Macht nicht unwesentlich in der Kontrolle von Schrift und Zeitrechnung begründet war.
 
Prof. Dr. Christian F. Feest
 
Literatur:
 
Anders, Ferdinand und Jansen, Maarten: Schrift und Buch im alten Mexiko. Graz 1988.
Die Indianer. Kulturen und Geschichte, Band 2: Münzel, Mark: Mittel- und Südamerika. Von Yucatán bis Feuerland. München 51992.
 Lavallée, Danièle und Lumbrerars, Luis Guillermo: Die Andenvölker. Von den frühen Kulturen bis zu den Inka. Aus dem Französischen und Spanischen. München 1986.


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