Значение слова "CÄSAROPAPISMUS: BYZANTINISCHER KAISER UND KIRCHE" найдено в 1 источнике

CÄSAROPAPISMUS: BYZANTINISCHER KAISER UND KIRCHE

найдено в "Universal-Lexicon"

Cäsaropapismus: Byzantinischer Kaiser und Kirche
 
Der Begriff »Cäsaropapismus« wurde geprägt, um mit ihm die im Vergleich zum Westen geradezu allmächtige Stellung des byzantinischen Kaisers im Verhältnis zur Kirche auszudrücken. Er stößt allerdings besonders unter Historikern (weniger bei Theologen) auf zunehmende Kritik. Der erste Bestandteil ist der weniger problematische: Die byzantinischen Kaiser waren für den Ostteil des Reiches die Erben der römischen Cäsaren, wenn sie auch diesen Titel zugunsten der griechischen Bezeichnungen »Basileus« (= König) und »Autokrator« (= Selbstherrscher) aufgegeben haben; er wurde für andere hohe Ränge unterhalb des Kaisers weiter verwendet. Die Vorstellung, die mit dem Wort »Papst« zusammenhängt, ist dagegen sehr irreführend. Es gibt in Byzanz überhaupt nichts, was dem Papst in Rom in seiner inner- und außerkirchlichen Machtfülle entsprochen hätte, und die Stellung des Kaisers war insgesamt sehr anders, sodass der Begriff »Cäsaropapismus« mehr falsche als richtige Assoziationen erweckt. Er setzt vor allem voraus, dass weltliche und kirchliche Macht als zwei sich einander gegenüberstehende Institutionen gedacht sind, wobei - auch das unterstellt der Begriff - die weltliche Macht sich in negativ zu beurteilender Weise in die Belange der Kirche und des Glaubens einmischt. Für Byzanz gilt jedoch eine solche strenge Zweiteilung nicht; es gibt aufgrund der anders verlaufenen historischen Entwicklung kein strenges Gegenüber von »Kirche« und »Staat«, wohl aber Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss zwischen Personen, etwa zwischen Kaiser und Patriarch.
 
Seit Konstantin I.(324-337), unter dessen unmittelbaren Nachfolgern die christliche, sich jeweils als orthodox definierende Kirche zur Staatsreligion wurde, nahm der Kaiser von vornherein die Stellung der höchsten Instanz in Fragen der Glaubensorganisation ein, ohne selbst getauft, geschweige denn Priester zu sein. Konstantin berief das 1. Ökumenische Konzil 325 nach Nikaia zur Schlichtung eines dogmatischen Streites um die Lehre des Arius ein, präsidierte auch dem Konzil und übernahm als Herr der staatlichen Gewalt die Durchführung der Beschlüsse; diese allerdings fällte nicht der Kaiser, sondern das Konzil. Der Kaiser garantierte hinfort die Orthodoxie und Einheit der Kirche, deren Teil er selbst war. Er ernannte den Patriarchen von Konstantinopel - zeitweise auch diejenigen von Antiochia und Jerusalem - und dessen Stellvertreter, den Synkellos, er kontrollierte das Kircheneigentum, bestimmte die Kirchenorganisation, etwa die Zuordnung von Bistümern oder ganzen Kirchenprovinzen, und führte später die Verhandlungen über die Kirchenunion. Er hatte auch gewisse liturgische Vorrechte. Er konnte zwar nicht die Messe zelebrieren, nahm aber verschiedene liturgische Funktionen im Altarraum wahr und kommunizierte auch nicht wie die anderen Gläubigen, sondern wie ein Priester. Ihn umgab als Stellvertreter und Abbild Gottes auf Erden eine entsprechende Aura, die in vielfacher Weise, nicht zuletzt im höfischen Zeremoniell, zum Ausdruck kam. Der Kaiser selbst und alles, was unmittelbar mit ihm zu tun hatte, war »göttlich« beziehungsweise »heilig«; auf Abbildungen zeichnet den Kaiser wie die Heiligen ein Nimbus aus, bei Prozessionen huldigte man ihm mit Hymnen, Weihrauch und Kerzen.
 
Das Verhältnis des einzelnen Kaisers zur Kirche, zu seinem Patriarchen, zu den Glaubensinhalten hing jedoch weitgehend von der jeweiligen Person und der historischen Konstellation ab. Es gab mächtige Kaiser, die sich anders als Konstantin I. auch selbst theologisch engagierten und in ideologische Auseinandersetzungen der Kirche etwa mit eigenen Abhandlungen eingriffen, etwa Justinian I. im 6. Jahrhundert mit seinen dogmatischen Schriften. Wenn auf irgendeinen Kaiser, so trifft auf ihn der Begriff »Cäsaropapismus« noch am ehesten zu. Doch steht Justinian I. in der Geschichte des Byzantinischen Reiches nicht allein; auch Konstantin V. im 8. Jahrhundert mit seiner bilderfeindlichen theologischen Schrift, auch Manuel I. im 12. Jahrhundert mit seinen Schreiben zur Auslegung der Stelle »Der Vater ist größer als ich« (Johannes 14,28), auch Johannes VI. Kantakuzenos im 14. Jahrhundert mit seinen polemischen Schriften gegen die Antipalamiten und gegen den Islam sowie Manuel II.zu Beginn des 15. Jahrhunderts mit Schriften gegen den Islam und gegen die Lateiner haben sich als Theologen betätigt und damit direkten Einfluss auf die Bestimmung dessen, was als orthodox zu gelten hat, genommen.
 
Auf der anderen Seite wussten Patriarchen und andere Angehörige der Kirche in Klerus und Mönchtum sehr wohl, ihre Rechte, ihre Stellung und ihre dogmatische Linie gegen Eingriffe seitens der Kaiser zu verteidigen. Im Bilderstreit von 730 bis 843, als die Kaiser, insbesondere Konstantin V., versuchten, ihre Auffassung mithilfe staatlicher Polizeigewalt durchzusetzen, haben letztlich ihre Gegner, die in Teilen der kirchlichen Hierarchie und in Teilen des Mönchtums den größten Halt hatten, obsiegt. Weltliche Funktionen (Gerichtsbarkeit, administrative Maßnahmen in Zeiten der Not wie bei Belagerungen) wurden oft und im Lauf der Zeit zunehmend von den lokalen Bischöfen wahrgenommen. Die Kirche, hier vor allem die Klöster, wurden zu Großgrundbesitzern und gehörten damit zu den »Mächtigen« im Staat; den Kampf, den die Kaiser im 10. Jahrhundert gegen diese Entwicklung mit gesetzgeberischen Maßnahmen führten, haben sie verloren. Außerdem haben sich Kirche und Orthodoxie als Institutionen erwiesen, die das byzantinische Kaisertum weit überlebt haben. All das und anderes mehr gilt es zu berücksichtigen, wenn man vom »Cäsaropapismus« in Byzanz spricht.
 
Wie es auf der einen Seite im Lauf der byzantinischen Geschichte Höhepunkte der Kaisermacht gegeben hat, gab es auf der anderen Seite auch starke Patriarchen, die sich gegen ihre Kaiser durchgesetzt haben. Der Kaiser war erwählt durch die Gnade Gottes, also konnte er dieser Gnade auch verlustig gehen, und es hat mehrfach Konstellationen gegeben, in welchen die Patriarchen bei der Abdankung von Kaisern eine Rolle gespielt haben.
 
Prof. Dr. Diether R. Reinsch
 
Literatur:
 
Das byzantinische Herrscherbild, herausgegeben von Herbert Hunger. Darmstadt 1975.
 Ostrogorsky, Georg: Byzantinische Geschichte, 324—1453. Sonderausgabe München 1965. Nachdruck München 1996.


T: 36