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AUFKLÄRUNG: IHRE GRUNDGEDANKEN

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Aufklärung: Ihre Grundgedanken
 
»Aufklärung« bezeichnet zunächst eine Tätigkeit und kein Zeitalter. Anders als Periodenbegriffe wie »Mittelalter« und »Altertum« kann »Aufklärung« nur einzelne Bestrebungen und Tendenzen in einer weithin unaufgeklärten Welt umfassen. Die Aufklärung erweckte ihr Jahrhundert, das noch keineswegs ein aufgeklärtes Jahrhundert sein konnte, aus einer Nacht des Grauens. Unablässige Kriege, religiöse Streitigkeiten, soziales Elend, gewaltsame, jedes Recht beugende Herrschaft über Menschen und ein Zwang der Gewissen - das war die Bilanz des künstlerisch und geistig glanzvollen 17. Jahrhunderts. Die Geschichte überhaupt musste als ein Gemälde des menschlichen Jammers erscheinen.
 
Die äußeren und inneren Reformbestrebungen der Kirchen hatten Kriege, Verfolgungen und Ketzerverbrennungen, den Streit zwischen Lutheranern und Kalvinisten, zwischen Jesuiten und Jansenisten, zwischen Staatskirchen und mystischen Erneuerungsbewegungen hervorgerufen und damit den Glauben insgesamt diskreditiert. Eine Religion der Liebe, die Hass hervorbringt, und eine Kirche, die ihre Heiligen verfolgt, hatten nur noch wenig Glaubwürdigkeit. Dagegen galt es jetzt, sich auf die Kräfte der Vernunft zu besinnen; Moral durfte nicht auf die Auslegung der Offenbarung, sondern musste auf klare Prinzipien der Vernunft gegründet werden. Aller Glauben, der anderen nicht zum Schaden gereicht, sollte seine Freiheit haben.
 
Die alten Institutionen bestanden jedoch nach wie vor. Die Kirchen beaufsichtigten die Universitäten, die Schulen und die Buchzensur; sie besaßen ungeheueren Grundbesitz, den sie nicht immer gut verwalteten, und sie ernährten einen ansehnlichen Teil der Bevölkerung, ohne ihm die modernen Werte der Bildung und des beruflichen Ethos zu vermitteln. Ihre dogmatischen Schriften waren ein Gemisch von Scharfsinn und Spekulation, von bezwingender Logik und haltlosem Aberglauben. Da alle Bildung aber zunächst im Umkreis der Religion erworben werden musste und allein dort Anstellungen zu finden waren, trennten sich die Bereiche von Religion und Wissen nicht scharf. Es gab selbstverständlich auch innerkirchliche Opposition, so wie es in den gelehrten Orden solide und auch hervorragende wissenschaftliche Arbeit gab; schließlich bot sich allein hier die Chance kontinuierlicher geistiger Arbeit. Die Aufklärer stießen sich vor allem an der Verquickung von Wissen und Macht, der gewaltsamen Aufrechterhaltung falscher Behauptungen, Theorien und Methoden.
 
Wenn der christliche Glauben den Aberglauben, kirchlichen Ausschließlichkeitsanspruch, Verfolgung und Gewissenszwang mit sich führte, so war umgekehrt zu fragen, ob Juden, Muslime, Andersgläubige und selbst Atheisten nicht moralisch handeln können und in einem christlichen Staat zu dulden seien. Gotthold Ephraim Lessing beantwortete diese Frage, angeregt durch den befreundeten Moses Mendelssohn, durch seinen »Nathan« mit einem Plädoyer für die religiöse Toleranz. Da die Staaten seit zwei Jahrhunderten in blutige und unlösbare Religionsstreitigkeiten verwickelt waren, die durch Unterdrückung, Verfolgung und Ausweisung von Minderheiten nicht gelöst worden waren, lag die Frage nahe, ob der Staat seine Grundlagen nicht auf etwas anderes als auf die Religion bauen sollte. Die neuen aufklärerischen Entwürfe der Ethik und Staatslehre waren also aus der konkreten Notwendigkeit entstanden, das bestehende Übel zu lindern. Anlass war etwa die Aufhebung des Edikts von Nantes 1685, das den Protestanten annähernd 90 Jahre Sicherheit und Schutz vor Verfolgung gewährt hatte. Durch den Verlust dieses Schutzes sahen sich viele Hugenotten gedrängt, Frankreich zu verlassen, womit dem Land eine in Gelehrsamkeit und Gewerbe besonders qualifizierte Minderheit unwiederbringlich verlorenging.
 
In England hatte die »Glorious Revolution« dem häufigen Wechsel und sogar dem Streit der Konfessionen ein Ende bereitet. Der neue Staat gründete seine Existenz und das Wohl seiner Bürger auf die Tolerierung aller. Der Gedanke der Toleranz war also kein Wagnis mehr; mit seiner bisher geringen Bevölkerungszahl, die im 18. Jahrhundert sprunghaft von sechs auf neun Millionen stieg, blühte das Inselreich auf, und es bildete Kolonien. Das große und vermeintlich einheitliche Königreich Frankeich mit 24 Millionen Einwohnern konnte derlei Erfolge nicht aufweisen. Es besaß kluge Köpfe, die alle Fehler analysierten, aber niemanden, der zum Handeln in der Lage war: Montesquieus aufklärerische staatsphilosophische Gedanken etwa zur Gewaltenteilung wurden zuerst in den USA umgesetzt. In England entwickelte sich zudem die überlegene Wissenschaft. Die Methoden von Newton und Locke beherrschten die Vorstellungswelt der Aufklärung. Newtons naturwissenschaftliches Erbe wurde propagiert und gegen jede Kritik verteidigt. Leibniz in Deutschland dagegen kümmerte sich um die Publikation seiner eigenen Schriften kaum, und die Schulphilosophie, die sich später auf ihn berufen sollte, war nicht an seinen fruchtbaren Gedanken interessiert. In seinem Artikel »Leibnitzianisme« in der »Encyclopédie« rühmte Diderot Leibniz als einen Denker, der Platon, Aristoteles und Archimedes in einer Person sei, dessen Schriften aber kaum publiziert seien; Letzteres blieb nahezu bis heute wahr. Leibniz sollte aber dennoch Anreger sein.
 
Wie die Religion mit der Moral und dem wissenschaftlichen Denken in Widerstreit geriet so auch der Staat mit dem Selbstbewusstsein der Bürger, ihrem ökonomischen Handeln und aufklärerischen Denken. Voltaire etwa drohte aufgrund seiner Schriften in Frankreich immer wieder die Verhaftung, sodass er die meiste Zeit seines Lebens außer Landes verbrachte. Der überkommene Ständestaat mit seiner absoluten Monarchie beruhte nicht auf der Übereinkunft seiner Bürger, und er redete ihnen überall hinein. So durchzog das Jahrhundert der Aufklärung das Bemühen des Bürgertums, die Grundlagen der Gesellschaft und des Staates neu zu ordnen. Eine bürgerliche politische Ökonomie sollte den mittlerweile ineffizienten Merkantilismus und damit die unaufhörlichen Eingriffe des Staates in die Wirtschaft ablösen.
 
Die Wissenschaften öffneten sich der empirischen Beobachtung. Mit der Zeit genügte es jedoch nicht mehr, das Material wie in der frühen Neuzeit kunstvoll zu klassifizieren; das methodische Ideal verlangte, es systematisch zu erfassen und das System aus Prinzipien abzuleiten. Die Künste reagierten rasch auf den gesellschaftlichen Wandel. Statt der Schicksale von Königen wollte man auf der Bühne das bürgerliche Leben dargestellt sehen. Diderot und Lessing erprobten das aus England eingeführte bürgerliche Trauerspiel. Aber die »Ständeklausel« war nicht entscheidend für die neue Literatur. Vielmehr ging es darum, einen beweglicheren Stil zu entwickeln, der mit Gefühl und mit Gedanken auf die vielfältiger erfasste und in ihren Widersprüchen wahrgenommene Welt reagieren konnte. Der Brief, der Essay sowie der Dialog wurden zu solchen Gattungen des leichten und geschmeidigen Darstellens auch schwerer Gedanken. Das philosophische Märchen wurde erfunden, um einfache, aber umstrittene Wahrheiten in den unglaublichsten Situationen experimentell vorzuführen. Eine feinere Psychologie beobachtete nun, wie die Seelenzustände oder Motivationen ineinander übergehen. Sie äußerte sich im Ideal der Musik auf dem jetzt bevorzugten Cembalo, bald dem Klavier, und in der eigenartigen Stimmung von Festlichkeit und verhaltener Trauer auf Watteaus Gemälden.
 
Der Wechsel der Darstellungsformen weist auch auf einen tiefer liegenden Wechsel der Denkmodelle, der Paradigmen. Das geometrische Weltbild erwies sich als ungenügend, die neuen Erfahrungen vor allem aus den »Wissenschaften vom Leben«, besonders der Biologie seit dem Gebrauch des Mikroskops, zu verarbeiten. Ein organisches Modell würde diesen Mangel beheben können. Unser Bewusstsein agiert viel widersprüchlicher, als es sich die Empiristen dachten, und im vermeintlich ruhigen Körper spielen sich Prozesse ab, die das Mikroskop langsam sichtbar machte, für die es aber noch keine schlüssige Erklärung gab. Die künstlerische Fantasie musste nachhelfen, wo die wissenschaftliche Begriffsbildung noch scheiterte, wie in Diderots Schrift »D'Alemberts Traum« (1796) beispielhaft vorgeführt. Die Philosophie der Aufklärung thematisierte immer wieder den Menschen, der nicht in starre Formeln zu fassen ist, weder als Naturgeschöpf in seiner Entwicklung noch in seinem die Grundbedürfnisse überschreitenden Tun. Sie untersuchte die selbstreflexive Sprache des Menschen, sein Kultur und Gesittung schaffendes geselliges Handeln und seine Arbeit, die Selbstverwirklichung bedeuten kann und in Kunst und Philsosophie Werke und Welten erschafft, in denen der Mensch sich selbst zu erkennen vermag. Gegenüber den großen systematischen Leistungen der Philosophie des vorangegangenen Jahrhunderts, von Descartes, Hobbes, Spinoza und Leibniz, erschien dies zunächst tastend, unfertig und sekundär. Die Fragen waren vielfältiger und schwieriger geworden, die Einwände komplexer, und die Lösungen lagen in weiter Ferne. Die philosophischen Antworten der Aufklärung unterschieden sich also von denen früherer Zeit; aber sie gehören, wie die Werke der Literatur und Kunst des 18. Jahrhunderts, zum kostbaren Besitz der Menschheit.
 
Prof. Dr. Horst Günther
 
Literatur:
 
Geschichte der Philosophie, herausgegeben von Wolfgang Röd, Band 8: Die Philosophie der Neuzeit, Teil 2. Von Newton bis Rousseau. München 1984 - 89.
 Röd, Wolfgang: Der Weg der Philosophie von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Band 2: 17. bis 20. Jahrhundert. München 1996.
 Starobinski, Jean: Die Erfindung der Freiheit. Aus dem Französischen. Frankfurt am Main 1988.


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