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ARMUTSSTREIT: ARME ODER REICHE KIRCHE?

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Armutsstreit: Arme oder reiche Kirche?
 
Im 12. und 13. Jahrhundert entstand in Europa eine Vielzahl religiöser Bewegungen gerade unter Laien. Einen hohen Stellenwert besaß dabei die Forderung nach persönlicher Armut in der Nachfolge Jesu und der Apostel, die bereits Zisterzienser und Prämonstratenser beeinflusste. Dabei bestand zwischen der Armut als religiösem Ideal und der Armut als bitterer Lebensrealität für weite Teile der Bevölkerung eine widersprüchliche Spannung.
 
Zunehmend konnte die Kirche die neuen Orden einbinden, zumal auch deren Gründer häufig die offizielle Bestätigung suchten. Schließlich zählte man vier große Bettel- oder Mendikantenorden: die Dominikaner aus eher traditioneller Wurzel, die außerhalb der Amtskirche entstandenen Franziskaner, die aus der kirchlich betriebenen Vereinigung bestehender italienischer Einsiedlerorden erwachsenen Augustinereremiten und die ursprünglich in Palästina ansässigen Karmeliter.Andere, aber nicht alle Orden mit gleichfalls weiterer Verbreitung löste 1274 das zweite Lyoner Konzil entsprechend den Beschlüssen des Laterankonzils von 1215 auf. Außer der Tatsache, dass die Bettelorden Unruhepotenzial banden, besaßen sie für die römische Zentrale den Vorteil, dass ihre Mitglieder vom Papst direkt an der bestehenden kirchlichen Hierarchie vorbei für bestimmte Zwecke eingesetzt werden konnten. Die Stellung der Beginen und Begarden innerhalb der Amtskirche blieb dagegen unsicher, der Häresieverdacht, d. h. der Vorwurf der Ketzerei, lag stets nahe.
 
 Dominikaner und Franziskaner
 
Schon die Gründer lassen die Unterschiede beider Orden erkennen: Dominikus war Regularkanoniker, bevor er im Languedoc gegen Albigenser wirkte und schließlich als Wanderprediger agierte. Seiner 1215 gegründeten Gemeinschaft verlieh der Papst 1216 zunächst eine modifizierte Augustinerregel, 1217 folgte dann die Ausweitung zum allgemeinen Orden durch Dominikus. Auf dem ersten Generalkapitel in Bologna 1220, neben Paris Ordenszentrum, beschloss man vollkommene Armut sowie Bettel- und Predigttätigkeit der Mönche. Dagegen löste sich Franz von Assisi von seiner Kaufmannsfamilie und beschloss 1208, gemeinsam mit anderen in Armut und Heimatlosigkeit zu leben und durch das eigene Vorbild zur Buße aufzurufen. Bereits 1210 erkannte Papst Innozenz III. die gemeinsame Lebensführung an und integrierte so diese Laienbewegung. Der Lebensunterhalt sollte mit (Hand-)Arbeit, erst in zweiter Linie mit Almosen bestritten werden. Schon 1230 konnte die zunächst untersagte Annahme von Geld durch die Einschaltung von Treuhändern ermöglicht werden. 1212 schloss sich Klara von Assisi der Bewegung an. Die schnell wachsende Gemeinschaft führte letztlich zu ordensähnlichen Strukturen, auch wenn die erste, bis 1219 entstandene Ordensregel erst dank deutlicher Modifizierungen 1223 Anerkennung fand, nachdem sich Franz von Assisi bereits weitgehend aus der Ordenspolitik zurückgezogen hatte. Die Klerikalisierung und Akademisierung des Ordens — wie bei den Dominikanern legte man Wert auf eine umfassende theologische Ausbildung — beschränkte die Handarbeit zunehmend auf die Laien, das Betteln trat in den Vordergrund.
 
In dem vom Papst verworfenen Testament des Franz von Assisi plädierte dieser dafür, zu der Gemeinschaft der frühen Zeit zurückzukehren; er vertrat einen engen Armutsbegriff und beeinflusste den strengeren Teil der Mitglieder, die Fraticelli oder Franziskanerspiritualen. Gegen den Widerstand des Weltklerus konnten die Bettelorden mit päpstlicher Unterstützung ihre Predigttätigkeit und die Abnahme der Beichte Mitte des 13. Jahrhunderts durchsetzen, auch Lehrstühle an der Pariser Universität sprach ihnen Rom zu. Einen weiteren gemeinsamen Gegensatz zum traditionellen Mönchtum bildete die Stadtsässigkeit der neuen Orden. Zu einem zentralen Wirkungsbereich der Dominikaner entwickelte sich die 1231 vom Papst übertragene Inquisition zunächst im deutschen Regnum, in Frankreich, in Oberitalien und im Languedoc.
 
Neu und radikal war Franz von Assisis Forderung nach Ausdehnung der Armut vom einzelnen Mitglied auf den Orden als solchen: Das sollte zu Konflikten innerhalb der Gemeinschaft selbst und mit der Amtskirche führen. Der Besitz von Kirchen und Konventen war den Orden als materielle Basis der Predigttätigkeit bereits im 13. Jahrhundert zugesprochen worden. Dass die Dominikaner bereits 1276 und 1303 bis 1304 mit Innozenz V. und Benedikt XI. zwei Päpste stellen konnten, beweist ihre feste Einbindung in kuriale Strukturen. Dementsprechend fehlen auf ihrer Seite zugespitzte Auseinandersetzungen mit der Papstkirche. Das schnelle Wachstum der Bettelorden zeigt zunächst eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung, auch wenn Kritik wegen des Widerspruchs von Anspruch und Wirklichkeit bald folgen sollte.
 
Mit den Zweiten Orden entstanden in allen Bettelorden Frauenkonvente. Bei den Franziskanern bildete die Frauengemeinschaft der Klara von Assisi die Keimzelle, unter Gregor IX. wurden andere Gruppierungen mit dieser vereinigt und bereits 1263 Güterbesitz und »Dienerinnen« zugelassen. Dominikus wandte sich sogar entschieden der Organisation von Frauengemeinschaften zu. Laien, die ohne den Orden beizutreten ganz oder teilweise entsprechend den Regeln leben wollten, standen die Dritten Orden (Terziare) offen.
 
 Wer soll arm sein?
 
Innerhalb des Franziskanerordens entzündete sich der praktische Armutsstreit, die Frage nach dem Grad der Armut von Mitgliedern und Orden, wobei nur ein kleinerer Teil des mittlerweile hierarchisch verfassten Ordens an den Forderungen des Gründers festhielt, die zudem durch Rezeption und Interpretation der Schriften Joachims von Fiore teilweise unter Häresieverdacht gerieten. Zwar konnte unter dem Generalminister Bonaventura auf dem Generalkapitel von Narbonne 1260 bei Anpassung der Ordensregeln eine Spaltung vermieden werden, da man auch extremere Armutsformen zuließ. Doch gelang es in der Folgezeit, Eigentum im juristischen Sinne zu umgehen: Das Eigentum an überlassenen Sachen und Immobilien fiel 1279 an den Papst bei Ausdehnung der Gebrauchsrechte des Ordens an diesen. Im Orden forderte besonders Petrus Johannis Olivi eine strengere Befolgung der Armutsregel und konnte seine Vorstellungen 1287 in Montpellier rechtfertigen; noch war die Situation also relativ offen. Zu Beginn des folgenden Jahrhunderts ging allerdings die Kommunität des Ordens verstärkt gegen die Spiritualen vor und 1309 gelangte der Streit vor die Kurie. Mit dem Amtsantritt von Johannes XXII. 1316 veränderte sich die Situation dann grundlegend. Gemeinsam mit dem Generalminister Michael von Cesena ging er gegen die Spiritualen vor und forderte deren bedingungslosen Gehorsam. Bereits 1318 ließ man in Marseille vier Spiritualen verbrennen, die anders als mitangeklagte Franziskaner bis zuletzt an ihrer Überzeugung festgehalten hatten. Auch wurden Teile der Schriften der Spiritualen für häretisch erklärt.
 
Eine neue Qualität gewann der Streit um die Armut mit der Verteidigung der These eines Begarden durch den Franziskaner Berengar von Talon gegenüber dem dominikanischen Inquisitor Johannes von Bela 1321, die besagte, dass Christus und die Apostel arm und ohne jeglichen individuellen oder gemeinsamen Besitz gewesen seien. Dies markiert den Beginn des theoretischen Armutsstreites. Der Papst zog den Fall an die Kurie, denn bei positivem Entscheid wären weder der Reichtum der Kirche noch ihre weltliche Macht weiterhin zu rechtfertigen gewesen. Führende Franziskaner verteidigten die Ansichten Berengars, Bonagratia von Bergamo als Prokurator des Ordens und entschiedener Gegner der Spiritualen versuchte den Konflikt mit unterschiedlichen Formen des Besitzes zu erklären: Jesus und seine Jünger hatten Gemeineigentum an den Dingen, ohne sich diese aneignen zu wollen. Das Kardinalskollegium war in der Antwort auf die Frage gespalten, reagierte aber mit dem Verzicht auf das Eigentum des Ordens und traf diesen damit an zentraler Stelle. Bonagratia legte Protest ein, wurde aber schließlich von Papst Johannes inhaftiert. 1323 beendete Johannes seinerseits den Konflikt, indem er verkünden ließ, die Auffassung der persönlichen Armut von Christus und den Aposteln sei häretisch. Auch Thomas von Aquino hatte Johannes kurz zuvor kanonisiert, der im Gegensatz zur Patristik Privateigentum im Rahmen des standesgemäßen Lebens uneingeschränkt als positiv bewertete; Gleiches galt für Ordensbesitz in beschränktem Umfang.
 
Johannes XXII. zitierte Michael von Cesena 1328 nach Avignon und warf ihm schließlich häretische Ansichten vor. Michael legte eine geheime Appellation gegen alle Maßnahmen des Papstes ein, bevor er mit Bonagratia von Bergamo, Wilhelm von Ockham und anderen über Aigues Mortes nach Oberitalien floh, wo sie den deutschen König Ludwig IV. und in seiner Begleitung den vor der Inquisition geflohenen Marsilius von Padua trafen. So hatte der Konflikt eine politische Dimension erreicht: Die Geflohenen, 1329 exkommuniziert, unterstützten in einem Zweckbündnis das deutsche Königtum in seinem Konflikt mit der Kurie, während die Mehrheit der Ordensmitglieder sich den päpstlichen Anweisungen fügte.
 
Dennoch lebten die Forderungen nach einer Kirchenreform fort, zumal die Kurie mehr und mehr kritisiert wurde; diese Entwicklung wurde forciert durch das avignonesische Papsttum und das Schisma (Kirchenspaltung). Eine Rückkehr zu den Ursprüngen der Bettelorden war aber kaum mehr möglich, auch wenn im 15. Jahrhundert die dem Armutsideal näher stehenden Observanten Anerkennung erfuhren.
 
Prof. Dr. Ulf Dirlmeier, Dr. Bernd Fuhrmann
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Avignonesisches Exil (1309 bis 1376): Die Päpste in Avignon
 
Literatur:
 
Balthasar, Karl: Geschichte des Armutsstreites im Franziskanerorden bis zum Konzil von Vienne. Münster 1911.
 
Handbuch der Kirchengeschichte, herausgegeben von Hubert Jedin, Band 2 und 3. Sonderausgabe Freiburg im Breisgau u. a. 1985.
 Feld, Helmut: Franziskus von Assisi und seine Bewegung. Lizenzausgabe Darmstadt 1996.


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