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DARWIN: DIE EVOLUTION DER LEBENSFORMEN

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Darwin: Die Evolution der Lebensformen
 
Im Laufe des 18. Jahrhunderts ging nicht nur der Glaube an die Abgeschlossenheit des Universums verloren, sondern auch seine zeitliche Überschaubarkeit. Zwar gewährte die Idee von der Einmaligkeit der Schöpfung noch den Zusammenhalt ihrer einzelnen, in ungeheurer Vielfalt bekannt gewordenen Glieder (Elemente, Minerale, Pflanzen, Tiere, Menschenrassen), doch auch das hörte mit dem Ende des Jahrhunderts auf. Vor allem durch die Entdeckungen der letzten Jahrhunderte, die die europäische Welt durch zahlreiche neue Welten in allen Teilen des Erdballs ergänzt hatte und bis dahin unbekannte Tier- und Pflanzenarten bekannt machte, war die Vorstellung von einer einheitlichen Schöpfung ins Wanken geraten. Hinzu kam die Annahme bewohnter Welten außerhalb der Erde beziehungsweise ihres Sonnensystems - schon Giordano Bruno hatte die Fixsterne als Sonnen vergleichbarer Planetensysteme angesehen. Dabei war anfangs nicht der Zweifel an Gottes Schöpfungsplan das intellektuelle Problem gewesen, sondern die sich nun ergebende Möglichkeit, dass alle Arten lebendiger Geschöpfe die biblische Sintflut überlebt haben müssten.Obwohl bereits 1559 Johann Butco in seiner Schrift »Über die Arche Noah, ihre Form und ihr Fassungsvermögen« geschlossen hatte, dass vor der Sintflut nur einige Hauptarten der Tiere gelebt hätten, aus denen die heute lebenden (rezenten) Tierarten erst später entstanden seien, hielt man doch bis ins 19. Jahrhundert innerhalb einer allumfassenden »Scala naturae« (Seinskette) an der Konstanz der von Gott erschaffenen Arten fest.
 
Den Zeitfaktor als zusätzliches Ordnungs- und Erklärungsprinzip des Weltenlaufes führte erstmals 1755 Immanuel Kant in die Kosmologie ein, die damit zur Kosmogonie umgeformt wurde. Sie setzte einen Urzustand lückenlos verteilter Materie voraus, die über den gesamten Raum verteilt war und aus der sich (im Sinne René Descartes') diskrete, aber notwendig bewegte Körper und Körpersysteme »mit der Zeit« gebildet hätten und weiterhin bildeten - in Millionen und »Bergen von Millionen« Jahren. Am Ende des Jahrhunderts stellte Pierre Simon de Laplace dann eine »Nebularhypothese« auf, wonach das Sonnensystem durch Erkalten eines Gasnebels entstanden sei. Sie griff Anregungen von William Herschel auf, der die unterschiedlichen Formen der Tausende von »Nebeln«, die er entdeckt hatte, entwicklungsgeschichtlich deutete. Danach würde der Himmel die Sternindividuen wie Pflanzen in einem »Gewächshaus« in unterschiedlichen Stadien darbieten.
 
Der Purismus der professionellen Astronomie ließ allerdings solche kosmogonischen Ideen neben der reinen Himmelsmechanik lange Zeit nicht zu. Anders verhielt sich die Wissenschaft im Falle des Individuums »Erde«. Bereits Georges Louis Leclerc de Buffon war 1749 von einem mindestens 75 000 Jahre währenden Abkühlungsprozess der ursprünglich glühenden Erde ausgegangen. In diesem Zusammenhang hatte er die sechs Tage des Schöpfungsberichts zu sechs »Epochen« der Erdgeschichte ausgedehnt, die einer kontinuierlichen, durch die Abkühlung bedingten linearen »Entwicklung« der Erdoberfläche einschließlich des Entstehens ihrer Bewohner unterlagen. Diese Idee beeinflusste bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Theorien der Biologie und Geologie, auch in Auseinandersetzung mit theologischen Einwänden, die sich am Wortlaut des biblischen Schöpfungsberichts orientierten. Ab 1775 führten die mineralogischen Beobachtungen von Abraham Gottlob Werner zu dem ersten Versuch einer (»neptunistischen«) Entstehungsgeschichte der Minerale und geologischen Schichtentheorie, wonach sämtliche Gesteine beziehungsweise Gesteinsschichten - außer den vulkanischen Sekundärbildungen - durch allmähliche Ausfällung und Ablagerung aus dem ursprünglich alles überflutenden Urmeer (Sintflut) entstanden sind.
 
Im Wettstreit mit der Theorie, nach der alle Gesteine vulkanischen Ursprungs seien, und Georges Cuviers Katastrophentheorie, nach der es mehrere gottgewollte sintflutartige Naturkatastrophen mit teilweiser Vernichtung des Tierbestandes und nachfolgenden Neuschöpfungen gegeben habe, entstand im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts auf experimenteller Basis die zwischen beiden Vorstellungen vermittelnde Wissenschaft der Geologie. Sie lehnte die Katastrophentheorie im Sinne von Gott veranlasster Einschnitte in das Geschehen an der Erdoberfläche völlig ab. Stattdessen legte sie nun eine aktuale Sichtweise zugrunde, wonach die gegenwärtigen Naturgesetze die gleichen sind wie in früheren Zeiträumen. Dies führte zwangsläufig zu der Annahme unvorstellbar großer Zeiträume für kleinste Veränderungen - man spricht seither auch in übertragenem Sinne von »geologischen Zeiträumen«. Für die Wohnstatt der Lebewesen war der enge Rahmen des biblischen Schöpfungsberichtes damit endgültig gesprengt; räumliche und zeitliche Unendlichkeit schienen sich aufzutun.
 
Anfangs hatte man die Fossilien als »Spiele der Natur« gedeutet. Im 17. und frühen 18. Jahrhundert sah man dann in ihnen Versteinerungen von Individuen, die seit der Schöpfung zu den auf der Erde befindlichen Arten gehören. Dementsprechend musste im Falle einer Abweichung von bekannten Tieren entweder davon ausgegangen werden, dass diese Tiere heute in noch unentdeckten Teilen der Erde leben, oder, als dies durch die Entdeckungsreisen weitgehend ausgeschlossen werden konnte, angenommen werden, dass die Fossilien von ausgestorbenen Arten stammen. Da auch das frühe 19. Jahrhundert noch von der Unveränderlichkeit der Arten ausging, schien nur die Möglichkeit einer Vernichtung ganzer Tierarten durch die Sintflut und einer zumindest partiellen Neuschöpfung danach gegeben. Mit der wachsenden Zahl bekannt gewordener unterschiedlicher Fossilien musste dann allerdings auch die Anzahl der hierfür erforderlichen sintflutartigen Katastrophen erhöht werden, zuletzt bis zu 80 angenommenen, was die Theorie selbst ad absurdum führte. Ein weiteres Problem hatte sich im Zuge der romantischen Auffassung ergeben, die die Urwelt in der Vergangenheit entdeckt hatte. Konnten die »wilden« Ureinwohner Asiens, Amerikas und Australiens wirklich in dieselbe Menschheitsgeschichte eingestuft werden wie die ihnen (vermeintlich) überlegenen christlichen Europäer? Für eine unterschiedliche geistige Entwicklung aus einem gemeinsamen Urzustand heraus gab das Sintflutgeschehen keine Deutungsgrundlage, zumal dann alle Menschen inzwischen den Stand der christlichen Europäer hätten erreicht haben müssen. So blieb einerseits nur die Vorstellung von einer partiellen Degeneration, wie sie sich etwa durch die Deutung des von Gott verfluchten Sohns Noahs, Ham, als Stammvater der »Wilden« auch biblisch untermauern ließ. Oder man musste andererseits auch für die Menschen eine Mehrfachschöpfung annehmen, welche die Unterschiede allerdings von vornherein wieder in konstanten Arten festgeschrieben hätte.
 
Dies war die Diskussionslage, als Charles Darwin auf der Vermessungsfahrt der »Beagle« von 1831 bis 1836 seine wichtigste Forschungsreise unternahm. Vor allem seine Beobachtungen auf den vom Festland isolierten Galapagosinseln, zum Beispiel an den nach ihm benannten »Darwin-Finken«, verarbeitete er zu einer Abstammungslehre. Diese ging nun von einer prinzipiellen Gleichwertigkeit aller Geschöpfe aus und davon, dass sich Einzelne im Überlebenskampf durchsetzen. 1859 erschien sein Werk »Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl, oder die Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampf ums Dasein«. Seine dort begründete Selektionstheorie beruhte bei diesem Kampf ums Überleben auf dem Durchsetzen ökologisch geeigneteren Eigenschaften, die durch Zufall erworben, also keineswegs auf etwas hin gerichtet sein sollen. Damit wandte er sich strikt gegen das lineare System Jean-Baptiste de Lamarcks, bei dem die Lebewesen aufgrund ihres Strebens nach dem Vollkommeneren immer wieder (generationsweise) durch Vererbung gewonnene Eigenschaften aufsteigend durchschreiten. Darwin hatte ursprünglich ganz bewusst den Menschen nicht in seine Theorie einbezogen; doch war das sofort von anderen Naturforschern nachgeholt worden, bevor er selbst seine Theorie in »Die Abstammung der Arten« (1871) entsprechend erweiterte: Menschen und Affen stammen danach ebenso wenig wie »verwandte« Tiere voneinander, sondern von gemeinsamen Vorfahren ab.
 
Die häufig bewusst missverstandene Einbeziehung des Menschen in das Evolutionsgeschehen machte die naturwissenschaftlich begründete Evolutionstheorie Darwins zu den (auch gesellschaftlich) umstrittensten Theorien des 19. und 20. Jahrhunderts. Zumal sie Erklärungslücken aufwies, zum Beispiel hinsichtlich des Erwerbs und der Vererbung der für die Selektion wirksamen Eigenschaften. Sie konnten erst durch die mit den Versuchen Gregor Mendels einsetzende Vererbungslehre geschlossen werden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich dann nach langen Auseinandersetzungen mit dem ursprünglich als atheistischem Materialismus bekämpften Darwinismus auch für das christliche Denken die Möglichkeit ergeben, die im naturwissenschaftlichen Bereich bereits weitgehend anerkannte Theorie zu akzeptieren. Dazu trug sowohl die Ausweitung zu einem Sozialdarwinismus als auch die theologische Umdeutung der Selektionsprozesse als gottgewollte bei. Ließ sich der Schöpfungsakt evolutionär deuten, dann konnte man den christlichen Europäer wieder als Zweck und Ziel des in der Schöpfung mit angelegten Selektionsprozesses ansehen. Damit ließen sich aber auch praktische Konsequenzen eines strikten Sozialdarwinismus wie Eugenik (Rassenhygiene) und Euthanasie scheinbar »naturwissenschaftlich« begründen.
 
Prof. Dr. Fritz Krafft
 
Literatur:
 
Wuketits, Franz M.: Eine kurze Kulturgeschichte der Biologie. Mythen — Darwinismus — Gentechnik. Darmstadt 1998.


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