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BÜNDNERROMANISCH

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Bündnerromanisch: übersetzung

Rätoromanisch; Romanisch (umgangssprachlich)

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Bụ̈ndnerromanisch,
 
auch Graubụ̈ndnerisch, weniger präzise Rätoromanisch oder Romanisch genannt, Eigenbezeichnung: Romontsch, Rumantsch, in der Form des Rumantsch Grischun eine der vier Amtssprachen der Schweiz (seit 1996; davor hatte das Bündnerromanische seit 1938 bereits den Status einer Nationalsprache). Bündnerromanisch wird in Teilen des Kantons Graubünden gesprochen, und zwar in fünf schriftsprachlich verwendeten Dialekten: Surselvisch im Bündner Oberland zwischen Oberalppass und Flims mit dem Kulturzentrum Disentis/Mustér (rd. 16 500 Sprecher), Sutselvisch (rd. 4 800 Sprecher; mit den Mundarten des Plaun, Heinzenberg, Domleschg und Schams) und Surmeirisch/Oberhalbsteinisch (rd.4 300 Sprecher; mit dem Bergünischen) in Mittelbünden, Unterengadinisch/Vallader (rd. 6 100 Sprecher) und Oberengadinisch/Putér (rd. 3 000 Sprecher) sowie Münstertalisch im Engadin und Münstertal. Davon haben die beiden engadinischen Varianten eine in das 16. Jahrhundert, das Surselvische eine in das 17. Jahrhundert zurückreichende Tradition, Sutselvisch und Surmeirisch wurden erst im 20. Jahrhundert kodifiziert.
 
Innerhalb der romanischen Sprachen zeichnet sich das Bündnerromanische durch Archaizität (z. B. Bewahrung von nachkonsonantischem l gegenüber Vokalisierung im Italienischen oder Bewahrung von Resten der Deklination) und starke Beeinflussung durch das Deutsche (besonders im Surselvischen, das auch die deutsche Wortstellung nachahmt) aus. Mit der Herauslösung aus dem kirchlichen Einflussbereich Mailands im Jahre 843 zerbrachen alle tiefer greifenden Bindungen an Norditalien, und das Bündnerromanische machte eine eigenständige sprachliche Entwicklung durch. Die Gemeinsamkeiten mit dem Französischen sind größtenteils durch die gemeinsame vulgärlateinische Basis, nicht durch gegenseitige oder einseitige Entlehnungen bedingt. Das Gepräge des Bündnerromanischen (2. Person Singular der Verben auf -s, Pluralbildung der Nomina auf -s, Sonorisierung der intervokalischen Verschlusslaute) ist insgesamt eher westromanisch. Trotz der Kleinheit und Zerrissenheit des Sprachgebietes ist das Bündnerromanische als eigenständige romanische Kleinsprache anzusehen. Die Ähnlichkeiten mit dem Dolomitenladinischen und dem Friaulischen, die seit dem 19. Jahrhundert zur Annahme eines einheitlichen, vom Gotthard bis zur Adria reichenden Sprachgebietes geführt hatten, werden heute eher als Bewahrung von einst ganz Oberitalien umfassenden Sprachständen und als Sonderentwicklungen auf der Grundlage ähnlicher Ausgangspunkte gesehen.
 
Die bündnerromanische Literatur, die angesichts der Vielfalt der schriftsprachlichen Idiome keine Einheit, sondern nur regionale Sonderentwicklungen kennt, beginnt als Frucht von Reformation und Gegenreformation. Die Bibelübersetzungen von J. Bifrun (oberengadinisch), D. Chiampel (unterengadinisch) und Luci Gabriel (*1597, ✝ 1663; surselvisch) sowie die religiösen Schriften und Lieder der von Disentis ausgehenden Gegenreformation (surselvisch) charakterisieren die Literatur bis zum 19. Jahrhundert: religiöse Ausrichtung, oft Übersetzungen. Im 19. Jahrhundert entstand eine auf die Bewahrung traditioneller Werte (Glaube, Bauerntum, Dorfleben, Brauchtum) gerichtete Heimatliteratur unter dem Einfluss der (deutschen) Romantik, die sich bis weit in das 20. Jahrhundert hinein fortsetzte; die engadinische Literatur ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gegenüber italienischen Einflüssen offen. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts gelang teilweise ein Überwinden der überkommenen Formen und Themen; Anschluss an neuere literarische Strömungen gewinnen z. B. G. Deplazes, T. Halter, Vic Hendry (* 1920), H. Spescha (surselvisch), Cla Biert (* 1920, ✝ 1981), Andri Peer (* 1921, ✝ 1985), J. Semadeni, L. Famos (engadinisch); die Literatur in den kleineren Idiomen vermag sich weniger vom Traditionalismus zu lösen.
 
Bündnerromanische Zeitungen gibt es in der Surselva seit 1836, im Engadin seit 1843. 1919 schlossen sich die örtlichen Sprachvereine zur »Lia Rumantscha/Ligia Romontscha« zusammen.
 
Ausgaben: Annalas da la Società Retorumantscha (1886 ff.); Rätoromanische Chrestomathie, herausgegeben von C. Decurtins u. a., 12 Bände und Registerband (1888-1919, Nachdruck Chur 1982-85, 14 Bände).
 
Literatur:
 
G. Calgari: Die vier Literaturen der Schweiz (a. d. Ital., Olten 1966);
 I. Camartin: Rätoroman. Gegenwarts-Lit. in Graubünden (Disentis 1976);
 R. R. Bezzola: Litteratura dals Rumauntschs e Ladins (Chur 1979);
 R. H. Billigmeier: Land u. Volk der Rätoromanen (a. d. Engl., Frauenfeld 1983);
 M. Iliescu u. H. Siller-Runggaldier: Rätoroman. Bibliogr. (Innsbruck 1985);
 
Raetia antiqua et moderna, hg. v. G. Holtus u. K. Ringger (1986);
 
Die vier Literaturen der Schweiz, Beitrr. v. I. Camartin u. a. (Zürich 1995).


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