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BAAL UND DIE KANAANÄISCHE GÖTTERWELT: IM RHYTHMUS VON MENSCH UND NATUR

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Baal und die kanaanäische Götterwelt: Im Rhythmus von Mensch und Natur
 
Wie alle altorientalischen und antiken Glaubensvorstellungen stehen auch die der kanaanäischen Religion in einem unmittelbaren Bezug zu den natürlichen Gegebenheiten, die die Lebenswirklichkeit der Menschen prägen: Syrien-Palästina war seit der frühen Bronzezeit, das heißt spätestens seit dem Anfang des 3. Jahrtausends v. Chr., ein intensiv genutztes Agrarland; Anfänge des Regenfeldbaus sind noch einmal etwa 3000 Jahre älter. Regen sowie im Bergland und vor allem auf dem Libanon auch Schnee gibt es freilich fast nur zwischen November und Mai. Aber auch der Winterregen ist im südlichen Palästina, der Wüstenlandschaft Negev, nicht ergiebig. Er fällt vorwiegend in und vor den Gebirgen; östlich der Gebirge wird die Regenmenge erheblich geringer. Wo jenseits des Jordangrabens das Hochland nach Osten hin abfällt, ist dauernder Ackerbau nicht mehr möglich. Hier befand sich schon im 2. Jahrtausend v. Chr. der Lebensbereich der Nomaden; sie waren Viehzüchter, die nur gelegentlich Ackerbau betrieben, mit den sesshaften Dörflern und Städtern im Kulturland aber dauernd Güter austauschten. Die Versteppung des Ostens wurde zusätzlich durch die im 3.Jahrtausend beginnende Entwaldung bewirkt, die der wachsende Bedarf an Holz als Brennstoff für das Schmelzen von Metallen nach sich zog.
 
Das Lebensrisiko der Bauern und der von ihnen abhängigen Gewerbe war durch Unregelmäßigkeiten des Winterregens bestimmt. Ungenügende Regenmengen hatten Missernten, Teuerungen und Hungersnöte zur Folge, die in den wirtschaftlich entwickelteren kanaanäischen Stadtstaaten zunehmend auch soziale und politische Auswirkungen zeigten: Die Verelendung von Bevölkerungsgruppen führte über Kreditaufnahme und Besitzverlust zur Versklavung oder Abwanderung in das noch unsicherere Nomadendasein in den östlichen Steppen. Daher waren die Hoffnungen und Sorgen der Menschen - und damit auch deren Gottesvorstellungen - eng auf Fruchtbarkeit bezogen. Die Hauptaufgabe der kanaanäischen Götter bestand deshalb darin, die Fruchtbarkeit zu garantieren, vor allem also den Regen, für den der Gott Baal (»Herr«, »Besitzer«) zu sorgen hatte.
 
Dass später der Gott Israels, Jahwe, dem phönikischen Baal diese Funktion als »Regenspender« abtrotzen musste, indem er ihn - wie man im Alten Testament in den Geschichten über den Propheten Elias (vor allem 1. Könige 18) nachlesen kann - in einem regelrechten Wettbewerb als Regenmacher besiegte, zeigt, dass die kanaanäische Religion den natürlichen Hintergrund der Religion Israels bildete. Das Alte Testament zeichnet vom Glauben der Israeliten freilich ein Idealbild, wie es sich aufgrund prophetischer Kritik an den realen Glaubensverhältnissen vor allem aus der Sicht der Zeit des frühjüdischen Exils und der Periode danach seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. ergab. In dieser Zeit wurden die kanaanäischen Elemente der Religion aus vorexilischer Zeit als heidnisch heruntergespielt, wenn nicht gar verleugnet. Da auch archäologische Zeugnisse meist keine eindeutigen Auskünfte bieten, sind wir für die tatsächlichen religionsgeschichtlichen Verhältnisse des älteren Israel auf inschriftliche Belege angewiesen, die sich in den letzten Jahrzehnten vermehrt gefunden haben. Im Lichte dieser Informationen lässt aber auch das Alte Testament mehr oder weniger verwischte Spuren seiner kanaanäischen Wurzeln erkennen. Die religionsgeschichtliche Bedeutung der kanaanäischen Religion besteht jedoch auch darin, dass viele ihrer Überlieferungen durch die Phöniker und Punier in den Westen gelangten und zum Teil über Griechen und Römer in Anverwandlungen vor allem an das Christentum der westlichen Mittelmeerwelt weitergegeben wurden.
 
Entsprechend der Bedeutung der Fruchtbarkeit in der Natur waren die religiösen Vorstellungen des kanaanäisch-phönikischen Glaubenskreises offenbar eng mit dem Wechsel der Jahreszeiten verbunden: Denn Baal kämpft, unterstützt von seinen Partnerinnen Anat und Astarte, einerseits gegen Mot (»Tod«), die göttlich-dämonische Verkörperung der Sommerdürre, wie sie in Syrien-Palästina alljährlich im späten Frühling und danach bis in den Herbst erfahren wurde; andererseits ist sein Gegner zuvor schon Jamm, das ebenfalls göttlich-dämonisch vorgestellte »Meer«, also vermutlich die jährlichen Überschwemmungen, die zwar nicht bei den Kanaanäern, wohl aber in Mesopotamien trotz einer raffinierten Kanalisierung oft erhebliche Verwüstungen anrichteten. Angesichts dieser einander entgegengesetzten Gefahren musste Baal die klimatischen Lebensbedingungen für die Menschen sichern. Als sich deren Gesellschaften jedoch ausformten und in der hierarchischen Gliederung ein als göttlich geltender König an die Spitze trat, auf den sich das ganze politische und soziale Leben hinordnete, wurde der zunächst im Lebensalltag so gegenwärtige Gott Baal in der Religion der Phöniker zunehmend zum »Baal des Himmels«; damit rückte er aber auch in die Ferne und machte im religiösen Alltag anderen, bislang geringeren Göttern wie dem Vegetationsgott Adonis Platz.
 
Die Mythen von Baal sind erhalten durch eher gelegentliche Anspielungen in phönikisch-punischen Inschriften, farbiger und vitaler allerdings in Texten aus Ugarit. Sie gaben den Menschen in ihrer ständigen Angst vor den Unbeständigkeiten der Natur Rückhalt und Sicherheit; dank der Götter mit ihren Liebesverhältnissen und Anfeindungen, ihren Kämpfen um Leben und Tod, blieb der Mensch in einem stabilen Rhythmus der Natur geborgen. Freilich beschränkte sich die Wirksamkeit Baals ebenso wenig wie die seiner Verehrer auf das Natürliche. In einer unlängst in Kuntillet Adschrud im äußersten Süden Palästinas aufgefundenen, fragmentarisch erhaltenen phönikischen Inschrift des 9. oder 8. Jahrhunderts v. Chr. heißt es in Bezug auf die beiden altkanaanäischen Hauptgötter: ». .. als El aufschien, zerflossen die Berge. .. Gepriesen sei Baal am Kriegstage. .. um des Namens Els willen am Kriegstage«. Die Götter treten also offenbar am Schauplatz kriegerischer Not ihrer Verehrer auf, El und Baal bringen die Wende »am Kriegstag«, so wie es auch das Alte Testament von Jahwe am Schilfmeer, beim Auszug Israels aus Ägypten, erzählt (2. Mose 13,17-15,21). Am Aufgesang eines alten Heldenepos vom heiligen Krieg wird im Buch der Richter (5,4f.) dieses Motiv vom Kommen und rettenden Eingreifen eines Gottes im Kampf auf den Gott Israels übertragen. Wie es im 2. Buch Mose (15,20f.) zur Ehre Jahwes durch Mirjam geschieht, werden also auch phönikische Götter für ihre Hilfe gelobt. Dem »Kriegstag« entspricht auch »der (Kampf-)Tag der Araber«, bei dem Allahs Hilfe erwartet wurde; Israel hat den »Tag Jahwes« weithin ins Endzeitliche versetzt.
 
Wenn dem kanaanäischen Baal die Göttin Astarte als Partnerin zugesellt wird, die in Ugarit sowie in der sidonischen Grabinschrift für den phönikischen König Eschmunasar II. (5. Jahrhundert v. Chr.) bescheiden als Verkörperung des »Namens Baals« und ein andermal als »Abbild des Baal« erscheint, so wird damit ein Vorstellungsmuster verwirklicht, das im ganzen Alten Orient - aber auch darüber hinaus - Welt, Götter und Menschen in eine umgreifende Ordnung fügt: Der Gott und die Göttin, die letztlich für Himmel und Erde eintreten, vollziehen eine heilige Hochzeit, die der Welt den Fortbestand, den Menschen - wie auch dem Vieh und dem Acker - Segen und somit Fruchtbarkeitskräfte zuwendet. Auch im Volksglauben des vorexilischen Israel hatte Jahwe in der Göttin Aschera eine solche Partnerin, wie wiederum südpalästinische Inschriften des 9./ 8. Jahrhunderts v. Chr. bezeugen. Der Umgang zwischen Mann und Frau wird darüber zu einer Nachahmung der Götterliebe, ja zur »sakramentalen« Handlung, die den Menschen in die Götterwelt einbindet. Beispielhaft dafür ist der Beischlaf im Tempel, die (allerdings von einigen alttestamentlichen Propheten, etwa Hosea, gescholtene) Tempelprostitution. Die Heiligkeit des Lebens wird dabei in der Sexualität erfahren, was innerhalb des Alten Testaments allenfalls im Hohen Lied eine Entsprechung findet.
 
Eine jährliche Grunderfahrung des syrisch-palästinischen Menschen ist das sommerliche Dahinwelken der Vegetation, das religiös als Tod des jugendlich-schönen Fruchtbarkeitsgottes erlebt wird. Dem Tod des mesopotamischen Vegetationsgottes Dumuzi - im Buch des Propheten Ezechiel (8,14) erscheint er als der von Frauen beweinte Tammuz - entspricht im phönikischen und griechisch-römischen Raum das Schicksal des Vegetationsgottes Adonis. In einer dieser zahlreichen Überlieferungen wird er nach einer Affäre mit der Liebesgöttin Aphrodite (= Astarte) von dem Kriegsgott Ares bei Aphaka im Libanon getötet; sein Blut fließt in die Quelle des Adonisflusses (des Orontes) und färbt diesen bis weit über seine Mündung hinweg rot. Die mit Selbstminderungsexzessen verbundenen Klagefeiern für Adonis waren schon um 600 v. Chr. der griechischen Dichterin Sappho bekannt. Eine szenische Schilderung der Adonisfeiern im ägyptischen Alexandria bietet der hellenistische Dichter Theokrit in einem seiner Gedichte (15. Eidyllion): Danach war das letzte Beilager des Adonis mit Aphrodite von einer Blumenfülle umgeben; am Ende trugen Frauen das Bild des Gottes unter lauten Traueräußerungen vor die Tore Alexandrias an das Meer, worin es versenkt wurde. Die Auferstehung des Adonis deutet spöttisch erst im 2. Jahrhundert n. Chr. Pseudo-Lukian in seinem Werk »De Syria Dea« (»Von der syrischen Göttin«) an. Das Motiv der Auferstehung des Gottes soll wohl lediglich begründen, warum dieser in jedem Jahr wieder neu beweint werden kann; es ist kein ursprüngliches Element des Adonismythos. Mit der heftigen Klage um den toten Gott bewirken die Menschen das Wiedererstehen der Vegetation im kommenden Frühjahr. Sie leisten damit zugleich ein Stück eigener Sterblichkeitsbewältigung; heilig wie der Tod des Gottes wird so auch der des Menschen.
 
An den Tod des nun mit Christus identifizierten Fruchtbarkeitsgottes Adonis erinnern die in Sardinien und dem übrigen Mittelmeergebiet gepflegten »Adonisgärten«, die bereits der griechische Philosoph Platon (in seiner Schrift »Phaidros«) und das Buch des Propheten Jesaja (17,10f.) erwähnen. Es handelt sich um Topfpflanzungen, die - nach einem nun christlichen Brauch - in der Passionszeit aufgezogen werden, um sie von Gründonnerstag bis Karsamstag beim »Heiligen Grab« in der Kirche aufzustellen, zum Teil mit dem Kruzifix ausgeschmückt; danach werden sie - als fruchtbarkeitsfördernd - in das Haus zurückgebracht, in der Erde vergraben oder in Quellwasser geworfen. Auf Zypern wird dazu in einem Spiel ein »Lazarusknabe« - ein weiterer Nachfahre des Adonis - zu Grabe getragen. In der muslimischen Welt findet Adonis noch heute als Al Khadr (»der Grüne«) einen Folklorekult; in Syrien wird Al Khadir als Quellheiliger verehrt: Wo er seinen Fuß hinsetzt, wird es grün; so wie er auf Erden Fruchtbarkeit schafft, vermag er auch Luft und Meer mit Segen zu erfüllen.
 
Obwohl weder der ugaritische Baalsmythos noch die Adonismythen es ausdrücklich sagen, spielen diese Göttergeschichten in einer vorgeschichtlichen, die Welt begründenden Urzeit. Denn da nach Ansicht der Menschen »am Anfang« alles viel besser gewesen sei, hat jede nachfolgende Zeit das Bedürfnis, in den Spuren jener Urzeit zu gehen und auf sie zurückzugreifen, um den Zufällen der Zeitläufte eine Notwendigkeit zu unterlegen. Ein ausdrücklich urzeitlicher phönikischer Weltschöpfungsmythos, der zumindest der Gattung nach mit der Schöpfungsgeschichte im Alten Testament vergleichbar ist, liegt aber nur in griechischer Überlieferung vor. Der (sicher zu Unrecht) auf Sanchunjaton von Berytos, einen sagenhaften Priester der phönikischen Frühzeit, zurückgeführte, von Philon von Byblos (* um 60, ✝ etwa 140) verfasste Text ist in der »Praeparatio evangelica« des Kirchenschriftstellers Eusebios von Caesarea (* um 260, ✝ 339 oder 340) erhalten. An eine Zeit, in der die Welt nicht mehr durch einen Mythos gedeutet wurde, dessen Gottheiten die natürlichen Mächte verkörpern, erinnern antike Materiebegriffe wie »Licht«, »Feuer«, »Flamme« und abstrakte Namen wie »Rechtschaffenheit« und »Gerechtigkeit«, die in diesem Text den Platz von Schöpfergöttern einnehmen.
 
Über die besondere Nähe der Könige zu den Gottheiten unterrichten uns die Sagen und Ritualtexte aus Ugarit. Auch der bauliche Zusammenhang von Tempel und Palast in Jerusalem zeigt, dass dem König als Aufgabe nicht nur die Verwaltung und Organisation von Gesellschaftsprozessen oblag, sondern dass er als ein Priester die Verbindung von Göttern und Menschen, dazu auch eine Einbindung der Gesellschaft in die vom Göttlichen durchdrungene Natur herzustellen hatte; diese Aufgaben und die Hoheitsbezeichnungen als »Sohn Gottes« (Psalm 2,7) und als »Göttlicher« (Psalm 45,7) dürften die Nachfolger König Salomos von ihren kanaanäischen Vorgängern aus Altjerusalem übernommen haben. Ein punischer Opfertarif auf dem Fragment einer Steinplatte aus Karthago, der unter anderem in einer ebenfalls karthagischen, in Marseille aufgefundenen Steininschrift eine enge Parallele hat, legt Abgaben fest, wie wir sie auch aus religiösen Gesetzen des Alten Testaments kennen. Opfer sollen Tischgemeinschaft mit deren göttlichem Empfänger bewirken, letztlich aber dessen Kraft, seinen Segen für die Steigerung einer allseitigen Fruchtbarkeit vermitteln. Entsprechend enden viele der zahlreichen phönikischen und punischen Weihinschriften mit einer Segensformel für den Spender der Weihgabe.
 
Prof. Dr. Hans-Peter Müller


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