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EVOLUTION: DIE ENTWICKLUNG DER SÄUGETIERE

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Evolution: Die Entwicklung der Säugetiere
 
Das Känozoikum, das Zeitalter, das die letzten 65 Millionen Jahre der Erdgeschichte umfasst, wird auch als das Zeitalter derjenigen Tiere bezeichnet, die nach dem Aussterben der großen Reptilien zur beherrschenden Wirbeltiergruppe auf der Erde wurden, der Säugetiere. Fossile Reste, die der Klasse Mammalia oder Säugetiere zugerechnet werden, liegen allerdings auch schon aus dem vorausgegangenen Mesozoikum, dem Erdmittelalter oder Zeitalter der Reptilien, vor, und ihr Nachweis reicht über 200 Millionen Jahre bis in die Obertrias zurück. Dies bedeutet, dass das so bezeichnete Zeitalter der Säugetiere nur ein Drittel der Zeitspanne umfasst, aus der die Klasse Mammalia dokumentiert ist.
 
 Langer Anlauf zu großer Karriere
 
Anders als die Evolution der zeitgleichen Dinosaurier spielte sich diejenige der mesozoischen Säugetiere oder Säuger gleichsam im Verborgenen ab.Im Verlauf der Trias waren in bestimmten Reptiliengruppen zunehmend Säugermerkmale aufgetreten, und bei manchen Formen der späten Trias ist es schwierig zu entscheiden, ob es sich noch um ein säugerähnliches Reptil oder bereits um einen Säuger handelt.
 
Säuger haben sich aus säugerähnlichen Reptilien, den Therapsiden, entwickelt, und innerhalb der Therapsiden nahmen sie ihren Ausgang von deren fortschrittlichsten Vertretern, den Cynodontiern. Allen diesen Formen ist gemeinsam, dass sie klein, meist räuberisch und wahrscheinlich nachtaktiv waren. Die Säugetiere behielten das gesamte Erdmittelalter über geringe Körpergrößen bei, die etwa denen heutiger Spitzmäuse oder Hörnchen entsprachen, und diese Kleinheit dürfte eine der Ursachen für ihre bescheidene Fossildokumentation sein; sie sind im Wesentlichen aus ihren Zähnen bekannt. Im Schatten der Entfaltung mächtiger Reptiliengruppen vervollkommneten sie jedoch ihre ausgeklügelte Physiologie und ihre komplexen Fortpflanzungs-, Brutpflege- und Verhaltensstrategien.
 
Merkmale
 
Weil der Übergang vom Reptil zum Säuger durch eine »mosaikartige« Herausbildung neuer Merkmale gekennzeichnet ist, muss jeder systematischen Grenzziehung zwischen beiden etwas Künstliches anhaften. Hinzu kommt, dass sich solche Grenzziehungen nur auf fossil erhaltungsfähige Teile — Knochen und Zähne — beziehen können.
 
Als wesentliches diagnostisches Säugerkriterium wird der Erwerb des sekundären Kiefergelenks angesehen: der zahntragende Knochen des Unterkiefers, das Dentale, gelenkt mit dem Squamosum am Schädel. Aus den ursprünglichen reptilischen Gelenkelementen Articulare (am Unterkiefer) und Quadratum (am Schädel) werden die Gehörknöchelchen Hammer (Malleus) und Amboss (Incus) im Mittelohr der Säuger. Weitere kennzeichnende Säugermerkmale am Schädel sind: beiderseits ein großes Schläfenfenster, das innen von Frontale (Stirnbein) und Parietale (Scheitelbein) und außen vom Jochbogen begrenzt wird; der sekundäre knöcherne Gaumen, der die Nasen- von der Mundhöhle trennt; der relativ große Hirnschädel; paarige Gelenkhöcker zur Verbindung mit der Halswirbelsäule; die Differenzierung des Gebisses in Schneide-, Eck- und Backenzähne; Mehrspitzigkeit der Backenzähne; zwei Zahngenerationen (Milch- und Dauerzähne).
 
Viele Neuerwerbungen der Säuger stehen mit der wirkungsvolleren Erschließung der Nahrung in Verbindung und weisen damit auf einen höheren Grundumsatz und Aktivitätsgrad hin.
 
Ursprünge
 
Der Rekonstruktion der Stammesgeschichte heutiger Säugetiere liegt nicht nur ein allgemeines Interesse an unseren eigenen frühesten Wurzeln zugrunde. Es gilt auch zu erfahren, wann und in welcher Form biologische Strategien sichtbar werden, die den stammesgeschichtlichen Erfolg der modernen Säuger einleiten. Derartige Fragestellungen erfordern das Auffinden vollständig und gut erhaltener Fossilien, was aber gerade in kritischen Entwicklungsphasen der Säuger eher die Ausnahme darstellt.
 
Es ist dem Spürsinn und dem Durchhaltevermögen des Berliner Paläontologen Bernard Krebs zu verdanken, dass ein solches Schlüssel-Fossil 1976 geborgen und 1991 wissenschaftlich beschrieben werden konnte. Das winzige, nur spitzmausgroße Skelett von Henkelotherium guimarotae wurde in der Kohlengrube Guimarota bei Leiria in Portugal entdeckt. Es stammt aus dem oberen Jura und ist das erste Säugerskelett im anatomischen Verband aus dem Jura überhaupt. Die Gattung Henkelotherium gehört zur Ordnung Eupantotheria, aus der die modernen Säugetiere hervorgegangen sind. Wenn diese Gattung auch nicht der unmittelbaren entwicklungsgeschichtlichen Linie der modernen Säugetiere zuzurechnen ist, so repräsentiert sie doch eine Organisationsstufe, die die Vorfahren der modernen Säuger in ihrer Evolution durchlaufen haben müssen.
 
Krebs konnte nachweisen, dass Henkelotherium im Bauplan seines Skeletts, insbesondere auch des Schultergürtels, sehr fortschrittlich war und bereits weitgehend heutigen generalisierten, also in Körperbau und Gestalt verallgemeinerten Säugetieren entsprach. Dagegen zeigt das Gebiss noch altertümliche Züge. Das lässt ahnen, wie fragwürdig Rekonstruktionen der Stammesgeschichte sein können, wenn sie nur auf Zahnmerkmale gegründet sind.
 
Henkelotherium besitzt zahlreiche Skelettmerkmale, die auf einen Krallenkletterer mit langem Steuerschwanz und damit auf einen Baumbewohner ähnlich den heutigen Eichhörnchen hindeuten. Dies stützt von paläontologischer Seite die klassische Hypothese, dass sich die modernen Säuger in einem baumbestandenen Milieu entwickelt haben.
 
Beuteltiere und Plazentatiere
 
Als moderne oder höhere Säuger werden die beiden fortschrittlichsten Gruppen der Unterklasse Theria (Echte Säugetiere), die Beuteltiere (Teilklasse Metatheria oder Marsupialia) und die plazentalen Säuger oder Plazentatiere (Teilklasse Eutheria oder Placentalia), bezeichnet. Die heute auf die australische Region beschränkten Eier legenden Säuger in Gestalt von Schnabeltier und Schnabel- oder Ameisenigeln (Ordnung Monotremata oder Kloakentiere) gehören zu der urtümlichen und sehr alten Unterklasse Prototheria (Nontheria).
 
Fossile Eierleger waren bis vor kurzem lediglich durch vereinzelte, in der frühen Kreidezeit beginnende Funde aus Australien bekannt. Erst jüngst kam der Fund eines Schnabeltiers aus dem Paleozän von Patagonien, Argentinien, hinzu, der zwar das frühere Vorkommen der Eierleger auf einem andern Teilbereich des einstigen Super-Südkontinents Gondwana belegt, nicht jedoch eine tertiäre Radiation dieser Gruppe.
 
Beuteltiere und Plazentatiere sind nicht, wie früher vermutet, voneinander abstammende Organisationsstufen unterschiedlicher Ranghöhe. Sie sind vielmehr Schwestergruppen, die sich weit zurück in der Kreidezeit aus gemeinsamen Vorfahren in einer stammesgeschichtlichen Aufspaltung getrennt haben.
 
Diagnostisches Merkmal dieser modernen Therier ist das tribosphenische Kauflächenmuster der hinteren Backenzähne (Molaren): An den oberen Zähnen bilden jeweils ein Innenhöcker (Protoconus) und zwei Außenhöcker (Para- und Metaconus) ein Dreieck (Trigon), und an den unteren Zähnen formieren jeweils ein Außen- (Protoconid) und zwei Innenhöcker (Para- und Metaconid) ein Dreieck (Trigonid), dem ein hinterer beckenförmiger und mehrhöckriger Absatz, das Talonid, angegliedert ist. Beim Kraftschluss während des Kauvorgangs scheren komplementäre Kanten und Facetten der Zähne gegeneinander und zerschneiden und zerreiben die Nahrung. Die kaumechanische Effizienzsteigerung durch den Erwerb des tribosphenischen Bauplans hat sicher wesentlichen Anteil am entwicklungsgeschichtlichen Erfolg der modernen Säugetiere.
 
Die Geschichte der tribosphenischen Säuger reicht zurück bis in die frühe Kreidezeit von Europa (England), Innerasien (Mongolei) und Nordamerika (Texas). Da Beuteltiere und Plazentatiere naturgemäß immer ähnlicher werden, je mehr wir uns ihrer gemeinsamen Wurzel nähern, und da von ihnen fast nur Kieferfragmente und Einzelzähne bekannt sind, spricht man bei den frühen Formen von »Theriern der Beutler-Plazentalier-Stufe«. Die ältesten unzweifelhaften Beutler- und Plazentalierzähne sind ungefähr 100 Millionen Jahre alt und stammen aus der mittleren Kreidezeit von Nordamerika und Zentralasien.
 
Zahnformeln
 
Unspezialisierte Beuteltiere und Plazentatiere lassen sich an Gebiss und Unterkiefer unterscheiden. Der Winkelfortsatz (Processus angularis) des Unterkiefers der Beuteltiere ist nach innen abgewinkelt, bei Plazentatieren verläuft er mehr in der Ebene des Kieferknochens. Beuteltiere besitzen je Kieferhälfte 5 obere und 4 untere Schneidezähne, einen Eckzahn, 3 Prämolaren (vordere Backenzähne) und 4 Molaren (hintere Backenzähne), während die ursprüngliche Plazentalier-Zahnformel in jeder Ober- und Unterkieferhälfte 3 Schneidezähne, einen Eckzahn, 4 Prämolaren und 3 Molaren umfasst. Der Zahnwechsel von den Milchzähnen zu den Dauerzähnen der Beutler ist auf den dritten Prämolar in Ober- und Unterkiefer begrenzt, während Plazentalier eine komplette Milchzahngeneration besitzen, die urprünglich alle Zahnpositionen mit Ausnahme der Molaren umfasst. Die oberen Backenzähne von Beutlern zeichnen sich durch einen breiten Außenschelf mit mehreren kräftigen rundlichen Außenhöckern aus, und an den unteren Molaren sind in kennzeichnender Weise der Hinter- und der letzte Innenhöcker (Hypoconulid und Entoconid) eng zusammengeschlossen.
 
Beuteltiere
 
Es gibt Hinweise darauf, dass die Beuteltiere in Nordamerika entstanden. Bereits in der frühen Oberkreide waren sie dort recht vielgestaltig. Es sind primitive nordamerikanische Therier-Formen bekannt, die als Ausgang beginnender Beutler-Radiationen in Betracht kommen; die alttertiären Beutler der Südkontinente könnte man grundsätzlich von bestimmten nordamerikanischen Gattungen herleiten.
 
Das Vorkommen der Beuteltiere ist heute auf die australische Region bis nach Sulawesi und Timor sowie auf Süd- und Nordamerika begrenzt. Im Tertiär kamen sie noch auf allen Kontinenten vor. In Europa lebten Beuteltiere über den überraschend langen Zeitraum vom Beginn des Eozäns vor etwa 54 Millionen Jahren bis zum Miozän vor etwa 15 Millionen Jahren. In den Zeitraum des Miozäns fällt auch ihr Aussterben in Nordamerika, das heißt in eine Zeit, bevor das Opossum vor etwa 3 Millionen Jahren über die Panama-Landbrücke den Kontinent von neuem besiedeln und sich gegen die Konkurrenz plazentaler Säuger bis nach Südkanada ausbreiten konnte. Afrika und Asien galten bis vor kurzem als beuteltierfrei, doch kennt man inzwischen mehrere, jeweils durch spärliche Gebissreste belegte Gattungen von dort. In Asien sind es Asiadidelphis aus dem Unteroligozän und Obereozän von Kasachstan, unbenannte Formen aus dem Unter- bis Mitteleozän Chinas und der Türkei sowie Siamoperadectes aus dem Mittelmiozän von Thailand. Aus Afrika kennen wir Kasserinotherium und Garatherium aus dem Untereozän von Tunesien beziehungsweise Algerien sowie Qatranitherium aus dem Unteroligozän von Ägypten und Oman. Antarctodolops, die Gattung aus dem Obereozän von Seymour Island, Antarktische Halbinsel, repräsentiert den ersten Fossilnachweis eines Landsäugetiers aus der Antarktis.
 
Alle diese Formen gehören dem wenig auffallenden, unspezialisierten biologischen Anpassungstyp »Beutelratte« an. Sie gleichen nicht den hoch spezialisierten, teilweise bizarren oder riesenhaften Formen, die aus den australischen und südamerikanischen Beutler-Radiationen hervorgingen. Solche Entfaltungen waren auf Dauer nur in Gebieten möglich, die von Plazentaliern kaum besiedelt sind (zum Beispiel Australien, wo sich konvergente Entsprechungen zu vielen Plazentalier-Spezialisationen herausbildeten), und sie hielten nicht dem breiten Vordringen plazentaler Säuger Stand (zum Beispiel in Südamerika).
 
Ein Bild vom Aussehen und der Biologie europäischer alttertiärer Beutelratten vermitteln die hervorragend erhaltenen, knapp 50 Millionen Jahre alten Fossilfunde aus der Grube Messel bei Darmstadt. Alle bislang gefundenen Arten sind klein und im Skelettbau unspezialisiert. Die größte Art (Gattung Amphiperatherium) ist mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 15,5 cm und einer Schwanzlänge von 17 cm für Beutelratten auffallend kurzschwänzig und dürfte vorzugsweise am Boden gelebt haben. Im Unterschied dazu weist eine weitere Art (Gattung Peradectes) bei einer Kopf-Rumpf-Länge von nur 8,5 cm einen 16,5 cm langen Schwanz auf und dürfte ein Kletterer in dünnem Geäst gewesen sein, der den langen Schwanz als zusätzliches Klammerorgan benutzte.
 
Die einstige und jetzige Verbreitung der Beuteltiere und ihre Ausbreitungswege über die Erde beschäftigt die Paläontologen seit Georges Cuvier, dem Begründer der Wirbeltierpaläontologie, der im Jahr 1804 das erste fossile Beuteltier aus den Gipsen des Montmartre von Paris beschrieben hatte. Die frühere Annahme einer stabilen Lage der Kontinente in der Erdgeschichte erschwerte Erklärungsversuche zunächst erheblich. Heute gehen wir von einem mobilistischen Bild der Erde aus, von der Drift der Kontinente und einer späten Entstehung der heutigen Ozeane, und diese gut belegten Theorien eröffnen neue und plausiblere Deutungsmöglichkeiten.
 
Radiation im Alttertiär
 
Vor etwa 65 Millionen Jahren geht die Kreidezeit und mit ihr das Erdmittelalter zu Ende, und die Erdneuzeit bricht mit dem Tertiär an. Im Paleozän und Eozän, den beiden frühesten Epochen des Tertiärs, treten bereits Angehörige nahezu aller heutigen Säugetier-Ordnungen auf. Da die meisten der modernen Gruppen plötzlich — und auch noch zu mehreren gleichzeitig — auftauchen, spricht man gern von explosionsartiger Entfaltung der Säuger und sucht die Ursachen im Aussterben der großen Dinosaurier (obwohl für die gemeinsame Zeit des vorausgegangenen Mesozoikums eine Konkurrenz jedweder Art zwischen den winzigen Säugern und diesen Reptilien schwer vorstellbar ist).
 
Sobald man jedoch die Lückenhaftigkeit der kreidezeitlichen Fossildokumentation in Rechnung stellt und die neueren Ergebnisse von Plattentektonik und Kontinentaldrift miteinbezieht, verliert dieses Szenario an Dramatik, und die vermeintliche alttertiäre Initialzündung wandelt sich für viele Ordnungen zu einem kontinuierlicheren und weiter in die Erdgeschichte zurückreichenden Evolutionsprozess ab.
 
Das Erbe der Kreidezeit
 
Eine erste Vorstellung von den Radiationen der plazentalen Säuger gewinnt man ab der späten Kreidezeit. Allerdings bestehen teilweise erhebliche systematische Probleme, sodass die Zuordnung dieser oberkreidezeitlichen Säuger recht kontrovers gehandhabt wird. Die Fossilfunde bestehen in der Regel — wie auch schon in den vorangegangenen Zeitabschnitten — aus Zähnchen, und systematisch verwertbare Differenzierungen lassen sich nur als Nuancen eines gemeinsamen primitiven Gebissbauplans erkennen.
 
Nimmt man Europa als Beispiel, so sind aus der Oberkreide derzeit lediglich 18 (teilweise nur fragmentarisch erhaltene) Einzelzähnchen bekannt, die von vier Fundstellen in Portugal, Spanien und Südfrankreich stammen. Einige dieser Funde sind möglicherweise auf Beuteltiere zu beziehen, andere weisen auf Plazentaliergruppen hin, die wir dann auch im Alttertiär finden. Jedenfalls deuten sie trotz ihrer Spärlichkeit an, dass die europäische Säugerfauna im ausgehenden Erdmittelalter recht vielgestaltig gewesen sein muss.
 
Unser Wissen über die Säugerfaunen der Oberkreide beruht im Wesentlichen auf Funden aus der Mongolei, aus Mittelasien und aus Nordamerika. Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Ursprung aller tertiären und heutigen Plazentaliergruppen ausschließlich in diesen Bereichen der Nordkontinente zu suchen ist, wie es manche Stammbaumdarstellungen suggerieren könnten. Nachweise oberkreidezeitlicher plazentaler Säuger auf den Südkontinenten sind auf Südamerika und Indien beschränkt und fehlen bislang in Afrika, Australien und der Antarktis. Zwar muss die Oberkreide als eine Zeit nicht unbedeutender Radiationen von Plazentaliern angesehen werden, doch bleibt — trotz einer vergleichsweise guten Fossildokumentation aus den genannten Gebieten der Nordkontinente — der Ursprung vieler der modernen Ordnungen, die plötzlich im Alttertiär erscheinen, völlig im Dunkeln. Fossilfunde von Teilen des früheren Gondwana, besonders aus Afrika, werden mit Gewissheit die tertiäre »Säugetier-Explosion« relativieren und Licht in viele der offenen stammesgeschichtlichen Fragen bringen. Die Lage dieser Landmassen in den niederen Breiten mit ihren günstigen und stabilen klimatischen Verhältnissen über lange erdgeschichtliche Zeiträume hinweg bestärkt diese Annahme.
 
Erste fossile Bezüge auf heutige Plazentatiere
 
Im Maastrichtium, der letzten Epoche der Kreidezeit, tauchen erstmals Formen auf, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auf heutige Plazentaliergruppen zu beziehen sind. Es ist jedoch zu betonen, dass es sich dabei um reine »Zahntaxa« mit zahlreichen Primitivmerkmalen handelt und dass auch andere systematische Interpretationen möglich sind. Die recht vielgestaltige Plazentalierfauna, die im westlichen Kanada und in den Vereinigten Staaten gefunden wird, schließt etliche konservative Gattungen ein, die sicher nicht den Ursprung bestimmter moderner Gruppen markieren. Bei der Gattung Paranyctoides könnte es sich aber um den frühesten Nachweis der Insektenfresser handeln.
 
Eine große Vielfalt zeigen archaische Huftiere, die sich im Bau ihrer Zähne von den andern Plazentatieren bereits deutlich absetzen. Die am besten bekannte Gattung ist Protungulatum: Die Zähne sind mehr stumpfhöckrig (bunodont), das Höckerrelief und das Trigonid sind niedriger, am letzten unteren Molar ragt der hintere Höcker (Hypoconulid) nach hinten vor, und die Kronenumrisse sind mehr rechteckig. Dieser Merkmalskomplex ist charakteristisch für Pflanzenfresser. Derartige primitive Huftiere werden vielfach als Urhuftiere (Ordnung Condylarthra) klassifiziert, doch bestehen erhebliche Zweifel an der systematischen Zusammengehörigkeit der so vereinten Formen. Protungulatum ist der primitivste bekannte Angehörige der Huftiere (Ungulata), denen in der heutigen Tierwelt so unterschiedliche Gruppen wie Paarhufer, Wale, Unpaarhufer, Schliefer, Seekühe und Elefanten angehören.
 
Es ist überraschend, dass die Plazentatiere die Kreide-Tertiär-Grenze offensichtlich ohne Einschnitte überschreiten konnten und dass sie nicht von dem katastrophalen Ereignis (K / T-Ereignis) betroffen waren, mit dem das Massenaussterben großer terrestrischer und mariner Tiergruppen erklärt wird. Dies verdeutlichen vor allem die Plazentalierfaunen aus dem Maastrichtium und Paleozän Kanadas und der Vereinigten Staaten.
 
Kauapparat, Nahrungsspektrum, Stoffwechsel
 
Wenn auch der Erfolg der Säugetiere auf mehreren Faktoren beruht, so sind doch die weitere Effizienzsteigerung und neue Spezialisationen des Kauapparats von ausschlaggebender Bedeutung. Sie ermöglichten es, das nahezu unerschöpfliche pflanzliche Nahrungsreservoir zu erschließen und Strategien der Allesfresser- und Pflanzenfresser-Ernährung zu entwickeln. An den Backenzähnen bildeten sich zusätzliche Höcker (in erster Linie der hinter dem Protoconus der oberen Molaren gelegene Hypoconus) und Kanten aus, die Höckerflanken flachten sich ab, und die Anzahl der Facettenpaare auf den Zahnoberflächen nahm zu, die flächenhaft scherendes Kauen ermöglichten. Die Entwicklung solcher scherender Molaren mit erhöhtem Quetschdruck erleichterte das mechanische Aufschließen pflanzlicher Stoffe. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig darauf hinzuweisen, dass mit Beginn der Oberkreide das Zeitalter der Bedecktsamer (Angiospermen) begann, in dem sich die modernen krautigen ein- und zweikeimblättrigen Pflan- zen entfalteten. Beides — die Spezialisation des Kauapparats und das erweiterte Nahrungsspektrum — ermöglichten das hochaktive Stoffwechselgeschehen, das letztendlich die biologische Karriere der Säugetiere bedingte.
 
Das Paleozän, der Zeitbereich vor ungefähr 65 bis 54 Millionen Jahren, war eine Epoche lebhafter stammesgeschichtlicher Entfaltungen. Es bildeten sich bedeutende Gruppen archaischer Pflanzenfresser heraus, die sich von Blättern, Früchten, Wurzeln, Knollen ernährten. Die Herden grasender Huftiere traten erst im Oligozän und Miozän nach dem Aufkommen ausgedehnter Grasfluren auf. Die paleozänen Pflanzenfresser zeigten eine Vielfalt gleichsam experimenteller Stammeslinien, deren verwandtschaftliche Beziehungen untereinander und zu jüngeren Gruppen häufig unklar sind. Jetzt traten auch erstmals größere — zunächst etwa schafsgroße — herbivore Formen auf, und mit den gut nashorngroßen Uintatheriern des späten Paleozäns Nordamerikas und Asiens lagen die ersten wirklichen Großformen vor. Sie zeichneten sich ebenso wie andere paleozäne Säuger durch auffallend kleine Gehirne aus. Die größeren paleozänen Fleischfresser hatten Wolf- bis Bärengröße; sie gehörten allerdings nicht zur systematischen Kategorie der Raubtiere, der Carnivoren, sondern zu den Urhuftieren.
 
In Europa stammt unser Wissen von nur wenigen Fundstellen in Belgien, Frankreich — hier vor allem aus dem Pariser Becken — und Walbeck in Deutschland. Die dort gewonnenen Informationen tragen aber kaum zum Verständnis der Stammesgeschichte der heutigen erfolgreichen Säugergruppen bei. Es handelt sich nämlich vielfach um archaische Gruppen, die noch im Verlauf des Alttertiärs oder sogar des Paleozäns verlöschten — etwa 80 % der oberpaleozänen Gattungen sind nicht mehr aus dem nachfolgenden Untereozän bekannt, und nur sehr wenige der im Untereozän neu auftretenden Gattungen lassen sich von bekannten paleozänen Vorfahren herleiten. Die paleozänen europäischen Säuger waren kleine bis zu knapp bärengroße Formen, die unter warm-feuchten Klimaverhältnissen ausgedehnte Niederungs- und Küstenwälder besiedelten. Von den heutigen Ordnungen waren die Insektenfresser mit ihrer basalen Gruppe, den Igelartigen (Unterordnung Erinaceomorpha), vertreten.
 
Einige der archaischen »Oldtimer« spielten aber über das Paleozän hinaus auf den Nordkontinenten eine bedeutsame Rolle. Da sie einerseits im Bau ihrer Gebisse viele Primitivmerkmale aufweisen, werden sie häufig als Stammgruppen von späteren Plazentaliern angesehen; da sie anderseits ungewöhnliche, ja bizarre Spezialisationen der Skelette zeigen können, weiß man gewöhnlich nicht, wessen Vorfahren sie nun eigentlich sein könnten. Es dürfte sich jeweils um eigenständige Entwicklungslinien handeln, die in hochrangigen systematischen Kategorien — vor allem Ordnungen — unterzubringen sind. Keineswegs sollten sie, wie allzuoft gehandhabt, den Insektenfressern zugeschlagen werden, die dann zu einem nicht mehr definierbaren und auch gewiss nicht natürlichen Sammel-Taxon würden.
 
Invasion im Eozän
 
Zu Beginn des Eozäns vor etwa 54 Millionen Jahren kam es zu der einschneidendsten und dramatischsten Umschichtung in der gesamten Geschichte der Säugetiere. In dieser Zeit erfolgte die Invasion einer modernen Fauna nach Europa, und diese Einwanderungswelle legte den Grundstock für die Entwicklung der heutigen Tierwelt. Zum ersten Mal überhaupt auf der Erde finden wir jetzt beispielsweise Fossilien von Paarhufern, Unpaarhufern und Fledermäusen.
 
Entscheidende Beiträge zur Fossilgeschichte dieser Zeit kommen aus der Grube Messel bei Darmstadt. Eine grabenartige Senke (nach neuerer Ansicht ein Maar, also vulkanischer Entstehung) wurde dort im Eozän von einem See erfüllt, in dem sich dunkle, bituminöse, fein geschichtete Tone (»Ölschiefer«) ablagerten, die früher abgebaut und zur Gewinnung von Rohöl verschwelt wurden. Die in den Faulschlamm am Grund des Sees eingeschwemmten Tierkadaver und Pflanzenreste wurden dank dem Sauerstoffmangel hervorragend konserviert. Es handelt sich hier um eine »Grabgemeinschaft« (Thanatozönose) aus Organismen sehr unterschiedlicher Lebensräume mit einem sub- bis randtropischen Klima. Der See lag damals über 1000 km weiter südlich, etwa auf der heutigen Breite von Sizilien. Die Fossilfundstätte, die längst Weltruhm erlangt hat, wurde 1995 in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen.
 
Die Fossilien aus Messel stammen aus dem unteren Mitteleozän und sind knapp 50 Millionen Jahre alt. Die Fauna ist also etwas jünger als der Faunenumbruch, aber noch deutlich davon geprägt. Messel repräsentiert einen Zeitbereich, in dem noch die »Oldtimer« aus dem Paleozän und schon die später so erfolgreichen »Newcomer« existierten. Die herausragende Fossilerhaltung, buchstäblich mit Haut und Haaren, gestattet verlässliche Rekonstruktionen des Aussehens und der Biologie dieser Tiere. Europa nahm — anders als heute — zu dieser Zeit eine zentrale geographische Lage ein, und die Fauna belegt interkontinentale Austauschvorgänge. Das glückliche Zusammentreffen dieser Faktoren lässt Messel zum frühesten Fenster in die Geschichte heutigen Säugerlebens auf der Erde werden.
 
Oldtimer und Newcomer in der Grube Messel
 
Drei Gattungen sollen als Beispiele für Messeler »Oldtimer« dienen. Heterohyus (Ordnung Apatotheria) besaß enorm verlängerte zweite und dritte Finger und vergrößerte, stark gekrümmte Schneidezähne und war sicherlich, wie das heutige Fingertier (Daubentonia) von Madagaskar, für die Erbeutung von Holzinsekten spezialisiert. Buxolestes (Ordnung Proteutheria) dürfte nach Skelettmerkmalen der Hinterbeine und des Schwanzes ein semiaquatisch lebender Fischräuber ähnlich heutigen Fischottern gewesen sein. Leptictidium (Ordnung Proteutheria) repräsentiert einen Spezialisationstyp, für den es heute keine Entsprechung mehr gibt. Es waren räuberische Tiere mit verlängerten Hinterextremitäten und extrem langem Schwanz, die ihre Beute in wendigem, zweibeinigem Spurt jagten. — Apatotheria und Proteutheria überlebten das Alttertiär nicht.
 
Die Faunenmodernisierung ist in Messel mit einer überwältigenden Fülle von Beispielen belegt. Pferde der Gattung Propalaeotherium hatten ein Stockmaß von nur 30 bis 60 cm, trugen an den Vorderbeinen noch vier und an den Hinterbeinen je drei Hufe, ähnelten in der Körperhaltung heutigen Duckerantilopen und ernährten sich von Laub und Früchten. Der Paarhufer Messelobunodon gehört zur Familie Dichobunidae, die als Stammgruppe aller Paarhufer gilt. Es waren leichtfüßige, etwa dackelgroße Tiere, die in der Laubstreu des Waldbodens nach Nahrung stöberten. Moderne Raubtiere sind mit den Gattungen Paroodectes und Miacis vertreten, kleinen Kletterern mit Kopf-Rumpf-Längen von gut 10 bis gut 20 Zentimeter. Sie sind der Stammgruppe aller modernen Raubtiere, der Familie Miacidae, zuzurechnen. Die vier dokumentierten Messeler Nagetierarten weisen Gesamtlängen von 1/4 bis 1 m auf und waren blatt- und fruchtfressende Baumbewohner. Sie gehören zur Familie Paramyidae, die sich durch Primitivmerkmale des Kauapparats auszeichnet und die älteste bekannte Nagergruppe ist. Fledermäuse zeigen mit sieben Arten der Familien Archaeonycteridae, Palaeochiropterygidae und Hassianycteridae eine beachtliche Vielfalt, und auch ihre Ernährungs- und Jagdstrategien waren bereits breit gefächert, ähnlich heutigen tropischen Kleinfledermausfaunen. Einzelne Arten besaßen sogar schon die Fähigkeit zu aktiver Echoortung. Insektenfresser sind mit ihrer zentralen Gruppe, den Igelartigen, vertreten. Die drei Arten aus der Familie Amphilemuridae waren in ihren Überlebensstrategien hoch spezialisiert und teilweise extravagant. Sie setzten auf wendige Flucht oder wirkungsvolle Schutzeinrichtungen, und Macrocranion tenerum verfügte sogar über ein Stachelkleid ähnlich dem heutiger Igel. Die heute auf die altweltlichen Tropen beschränkten Schuppentiere treten mit zwei Arten der Gattung Eomanis auf. Die Tiere besaßen bereits die kennzeichnende Körperbedeckung mit großen Hornschuppen sowie die bemerkenswerten Sonderanpassungen an das Fressen von Ameisen und Termiten.
 
Ein ausgesprochener Exot in der Messeler Fauna ist der Ameisenbär Eurotamandua, der zur Ordnung Xenarthra (Nebengelenktiere) zählt, die heute mit Ameisenbären, Faultieren und Gürteltieren auf die Neue Welt beschränkt ist. Wie auch Eomanis zeigt er Spezialisationen für die Ameisen- und Termitenkost, zum Beispiel einen röhrenförmigen zahnlosen Schädel und die Umwandlung der Vorderextremitäten zu Grabhacken.
 
Auch unsere nächsten Verwandten, die Primaten (sie werden hier, unter Ausschluss der archaischen Plesiadapiformes, auf die Ordnung Euprimates begrenzt), treten mit mindestens drei Arten auf. Am besten bekannt ist Europolemur koenigswaldi, ein lemurenartiger Halbaffe, den echte Greifhände und plattnageltragende Hände und Füße als Primaten kennzeichnen. Er war ein Baumbewohner, der etwa halbe Hauskatzengröße erreichte.
 
Die Bühne für das heutige Säugerleben auf der Erde war im Mitteleozän bereitet. Von den 18 heutigen Plazentalier-Ordnungen sind allein 9 in der einzigen Lokalität Messel vertreten, und fast alle restlichen sind zur gleichen Zeit von andern Fundstellen und andern Kontinenten bekannt. Was sich nun entwicklungsgeschichtlich anschließt, ist die adaptive Radiation im Bereich von Familien, Gattungen und Arten. Viele Ordnungen tauchen im Untereozän erstmals auf, und sie zeichnen sich schon durch ihre Schlüsselmerkmale aus (darunter »fertige« Fledermäuse). Ein langer Entwicklungsweg muss hinter ihnen liegen, der aber vielfach im Dunkeln — wohl vor allem der Südkontinente — verborgen ist.
 
Dr. Gerhard Storch, Frankfurt am Main
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Säugetiere: Merkmale, Lebensräume, Systematik
 
Literatur:
 
Carroll, Robert L.: Paläontologie und Evolution der Wirbeltiere, bearbeitet von Wolfgang Maier u. a. Aus dem Englischen. Neuausgabe Stuttgart u. a. 1996.
 
Messel. Ein Pompeji der Paläontologie, herausgegeben von Wighart von Koenigswald und Gerhard Storch. Sigmaringen 1998.
 
Messel. Ein Schaufenster in die Geschichte der Erde und des Lebens, herausgegeben von Stephan Schaal und Willi Ziegler. Frankfurt am Main 21989.
 Thenius, Erich: Die Evolution der Säugetiere. Eine Übersicht über Ereignisse und Probleme. Stuttgart u. a. 1979.
 Thenius, Erich: Phylogenie der Mammalia. Stammesgeschichte der Säugetiere (einschließlich der Hominiden ). Berlin 1969.


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