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AUFKLÄRUNG: DIE AUTONOMIE DER KUNST

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Aufklärung: Die Autonomie der Kunst
 
Das Zeitalter des Barocks, auf das das 18. Jahrhundert zurückblickte, war eine Zeit schrecklicher Kriege, gewaltsamer staatlicher Herrschaft, kirchlichen Zwangs und bitterer sozialer Not. Lange konnten sich die Institutionen dem geistig bereits vollzogenen Wandel widersetzen. Die Kirche und der Hochadel mit ihrem ungeheurem Grundbesitz behielten bis zur Französischen Revolution 1789 viel von ihrem Einfluss, wohingegen die Kultur während des 18. Jahrhunderts bürgerlich wurde und die Machtstellung von Geistlichkeit und Adel längst aushöhlte. In England war mit der »Glorious Revolution« 1688 ein politischer und sozialer Wandel vollzogen worden, der dem neuen Denken freie Bahn ließ. Hier bestimmten die mathematischen Prinzipien Sir Isaac Newtons und die philosophischen Lehren John Lockes die neue Form des Forschens und Argumentierens. Es sollte Voltaires kulturpolitische Kampfansage und den Einsatz vieler erfordern, um die im geistig freien England entstandenen Ideen auf dem Kontinent zu verbreiten.
 
Viele der bemerkenswerten und zukunftsvollen Werke entstanden aber gar nicht dort, wo eine liberale Atmosphäre herrschte, sondern im Widerspruch und Widerstand gegen fortbestehende, aber innerlich »unwahr« gewordene Zustände. Diese Einschätzung soll keineswegs gesellschaftliche Missstände in ein verklärendes Licht rücken. Es blieb ein Hemmnis für Frankreich und seine kulturelle Entwicklung und gleichzeitig einer der Gründe für die offene Gewaltsamkeit seiner Revolution, dass seine besten Denker nicht frei publizieren konnten: Voltaire blieb meist von Paris verbannt, und das Wichtigste von Denis Diderots Schriften fiel der Zensur zum Opfer. Ebenso war es für das Preußen Friedrichs II. ein bleibender Schaden, dass Johann Joachim Winckelmann und Gotthold Ephraim Lessing verkannt wurden und eine ignorante Kulturpolitik geistiges Leben in Berlin verhinderten.
 
Die großen Werke der Kunst und der Gelehrsamkeit waren nur den wenigsten zugänglich; sie schienen den Zustand der Gesellschaft, in der sie entstanden waren, nicht verbessern zu können. So blickte man mit Bewunderung auf die großen Männer, die das geschaffen hatten, und nahm sich vor, etwas für die Verbreitung, für die Anwendung des Wissens und der Werke zu tun. Die großen Institutionen waren schwer beweglich, das soziale Gefüge veränderte sich nur unmerklich, also musste man herabstufen, in die Breite wirken, das bisher Unzugängliche gefällig zu machen. Gedanken sollten für die Sinne zugänglich gemacht, ihr geistiger Gehalt in Personen und Leidenschaften anschaulich verkörpert werden. Das, was die großen Werke der Musik und der bildenden Kunst immer schon leisteten, und was das Theater für die dramatische Poesie leistet, stellte sich mit der Aufklärung als Aufgabe eines neuen Typus des Philosophen und Schriftstellers: Es galt Geist und Leidenschaft zu verbinden, den Gedanken durch Gefühle zu instrumentieren und ihm eine Stimme zu verleihen, die jeden Menschen anzusprechen vermag.
 
Doch das war nur eine Seite, und es wäre ungerecht, die neue Zeit ausschließlich darauf festzulegen. Aber das in lateinischen Folianten gespeicherte Wissen und Denken musste in eine verständlichere Sprache und in zeitgemäße Formen gebracht werden: Essays, Briefe, Zeitungsartikel oder Lehrgedichte für ein Publikum ohne tiefe Bildung entstanden. Dies war weder Herablassung noch das Werk von Leuten, die nichts anderes gekonnt hätten. Auf Bitte des Prinzen Eugen verfasste Gottfried Wilhelm Leibniz auf wenigen Seiten seine »Monadologie«, worin er die Prinzipien seines Denkens darlegte, Leonhard Euler erläuterte die Mathematik in den »Briefen an eine deutsche Prinzessin«, Immanuel Kant beantwortete die Frage »Was ist Aufklärung?« in einem Beitrag für die »Berliner Monatsschrift«, und mit »Nathan der Weise« verlagerte Lessing die Diskussion um die richtige Religion aus der Theologie auf das breitenwirksame Theater.
 
In aller Regel vollzogen die Autoren und Künstler im Zeitalter der Aufklärung also keine Wendung gegen Vergangenheit und Tradition. Denn sie waren zu tief durchdrungen von der Bedeutung der wirklich historischen Leistungen und machten selbst zu viele neue Entdeckungen im Überlieferten. Entscheidend wurde es aber, wahres Wissen von angemaßtem, falsche Lehren, die dogmatisch gestützt waren, von echter Erkenntnis und Forschung und vollkommene Kunst von bloßem Prunk und leerem Schein zu unterscheiden. Damit wurde »Kritik« zu einem Stichwort des 18. Jahrhunderts, von Pierre Bayles »Historischen und Kritischen Wörterbuch« (1696/97) an, das das wissenschaftliche und philosophische Denken aus der theologischen Bevormundung löste, bis hin zu Immanuel Kants drei Kritiken (»Kritik der reinen Vernunft« von 1781, »Kritik der praktischen Vernunft« von 1788, »Kritik der Urteilskraft« von 1790), die die Bedingungen der Möglichkeit unserer Erkenntnis klären wollten.
 
In der Literatur hielt die Hochachtung für den englischen Dichter John Miltonan, obwohl alle Versuche der Nachahmung scheiterten. William Shakespeare wuchs allmählich zu dem alles überragenden Dramatiker - in Deutschland seit den 60er-Jahren des 18. Jahrhunderts -, jedoch ohne dass er stilbildend wirkte. In Frankreich blieb der Einfluss der klassischen Tragödie während des 18. Jahrhunderts, vor allem durch Jean Racines überwältigende sprachliche Inszenierung der Leidenschaften, immer noch stark, obwohl die Theaterliteratur inzwischen ganz andere Wege und Interessen verfolgte. Der gebildete Europäer las immer noch Ariostos und TassosEpen im italienischen Original, gleichwohl gelang es nicht, das Versepos neu zu beleben. Voltaire folgte mit großem Erfolg der klassischen Tragödie - er verfasste 27 Tragödien -, obwohl er sie nicht mehr ganz ernst nehmen konnte. Denis Diderot und Lessing, die beide von großer analytischer Schärfe waren und als Ästhetiker Neuland erobern sollten, widmeten sich zeitweilig dem bürgerlichen Trauerspiel, das allerdings künstlerisch die theoretischen Zielen nicht zu erreichen vermochte.
 
In der bildenden Kunst hatte der italienische Kunstgelehrte Giovanni Pietro Belloribereits am Ende des 17. Jahrhunderts jene Umwertung vorgenommen, die durch Winckelmann den europäischen Klassizismus weiter bestimmen sollte: Sie führte von den Grotesken des Manierismus wieder zurück zum klassischen Vollkommenheitsideal der Renaissance. Bellori, der mit dem Maler Nicolas Poussin befreundet war, und Winckelmann der mit Anton Raphael Mengs Freundschaft geschlossen hatte, formulierten in ihren Theorien das Programm ihrer Malerfreunde.
 
Bei all dem aber änderte sich die Stellung des Künstlers. Auch hier hatte die italienische Renaissance mit ihrem Ideal der Einheit von Kunst und Wissenschaft, der Erkenntnis im Medium der Gestalt vorgearbeitet und neben dem Selbstbewusstsein des schaffenden Künstlers auch seinen sozialen Status verändert. Schon damals hatte er nicht mehr den Zünften angehört, sondern war als Genius und Schöpfer schöner Werke von den Fürsten umworben worden. Im Zeitalter der Aufklärung festigte sich seine neue Rolle durch die neue Bewertung seiner Arbeit: Der Künstler schafft nicht nur prachtvolle Werke und entlockt der Natur die zuvor verborgenen Gesetze der Schönheit, sondern er stiftet als Einziger Bleibendes, während die Eroberungen der Könige und die Reichsgründungen sich als vergänglich erweisen. Der Künstler ist der gültige Zeuge für vergangene Epochen und ihren Stand der Kultur - so stellte es sich in den einflussreichen Geschichtswerken von Voltaire dar, und so formulierte es der britische Historiker Edward Gibbon in seiner »Geschichte des Verfalls und Untergangs des Römischen Reiches«.
 
In der bildenden Kunst entstand ein Widerspruch zwischen Werken von leerer Theatralität, die für die Aufnahme in die Akademie oder als offizielle Historienmalerei angefertigt wurden, sowie religiösen Bildern einerseits, und den Arbeiten einer intimen Subjektivität, eines belebenden Schwungs oder einer künstlerisch beherrschten Sinnlichkeit, die mit überkommenen Themen nicht mehr zu vereinbaren war, andererseits. Die Religiosität des Künstlers zeigte sich in der vollkommenen Darstellung und nicht in einer besonderen Thematik: Johann Sebastian Bachs Cello-Sonaten sind nicht weniger religiös als seine Oratorien. Umgekehrt lenkte politische oder religiöse Diskussionen um die Kunst von ihrer eigentlichen Entwicklung ab; über der »Querelle des bouffons«, dem Streit über Vorzüge der italienischen oder der französischen Oper, wurden die innermusikalischen Ereignisse, sei es Jean-Philippe Rameaus bedeutende Harmonielehre von 1722 oder Franz Joseph Haydns Entwicklung der Sonate und des Streichquartetts, vergessen.
 
Die Philosophie tat sich lange schwer sowohl mit der Erkenntnis des Schönen, die sie einem unteren Erkenntnisvermögen zuwies, oder - wie Kant - nicht der Erkenntnis, sondern dem Urteil des Gemeinsinns; und noch schwerer tat sie sich mit der schöpferischen Erfahrung des Künstlers. Es bedurfte eigener künstlerischer Erfahrung, um die Ästhetik von der psychologischen oder moralischen Wirkung des Kunstwerks, die lange die Diskussion bestimmt hatte, auf die im künstlerischen Schaffen sich vollziehende Selbstreflexion zu lenken. Das geometrische Weltbild musste durch ein organisches erweitert, der starre Substanzbegriff durch einen dynamischen ersetzt werden und das reduktionistische Modell mathematischer Erkenntnis durch eines, das es mit dem Individuellen und den scheinbaren Widersprüchen seiner und der geschichtlichen Entwicklung aufzunehmen vermochte. Dies hat Diderot in seinen Werken bewerkstelligt, die vom Schönen weniger sprechen als es vielmehr hervorbringen.
 
Zur gleichen Zeit ließ Winckelmann die manieristische und allegorische Kunstauffassung hinter sich; er begriff das zeitlose Ideal klassischer Schönheit als geschichtlich und in seiner organischen Entstehung aufgrund der günstigen Bedingungen politischer Freiheit als vollendet: »Dieser Begriff der Schönheit ist wie ein aus der Materie durchs Feuer gezogener Geist, welcher sich sucht ein Geschöpf zu zeugen nach dem Ebenbilde der in dem Verstande der Gottheit entworfenen ersten vernünftigen Kreatur.« Lessingordnete in seiner kritischen Untersuchung »Laokoon oder Über die Grenzen der Mahlerey und Poesie« (1766) die Künste nach den Kategorien Raum und Zeit: Während sich der Malerei die Darstellung von Bewegung verbietet und sie allein die körperliche Schönheit in ihrer gültigen Form zur Aufgabe hat, eignet sich die Poesie zur Entwicklung fortschreitender Handlung in der Zeit. Lessing begründete ein aufs eigene Schaffen gestütztes literarisches Urteilsvermögen, das sich an Homer und Shakespeare orientierte und von. Christoph Martin Wieland, Johann Gottfried von Herder und Goethe in wahrhaft kosmopolitischer Weite ausgearbeitet wurde.
 
In Gesprächen mit Goethe in Rom entwickelte Karl Philipp Moritz in seiner ästhetischen Schrift »Über die bildende Nachahmung des Schönen« (1788) eine Kunstanschauung, die über Kant hinaus auf Schellings Konzeption der Kunst als Erkenntniswerkzeug und auf Hegels »Phänomenologie des Geistes« (1807) weist, aber auch Rousseaus Ahnungen der zerstörerischen Energien der Kunst artikuliert. In einer anthropologischen Konzeption der gesamten, in sich ungleichen Kräfte des Menschen, das Schöne zu empfinden, es hervorzubringen oder zu zerstören, gibt die Vollkommenheit den Maßstab vor; sie verurteilt den Urheber des nicht ganz Gelungenen zur Verzweiflung, den Dilettanten zu Höllenqualen und den Meister zur Überbietung des in äußerster Anstrengung einmal Geschaffenen. Nach Jean-Jacques Rousseau bildet die künstlerische Tätigkeit nicht anderes ab, sondern ist Gleichnis des sich schaffenden und durch Zerstörung sich verjüngenden Ganzen, das auch mit seinen gefährlichen Energien um seiner selbst willen da ist; hier kann der Mensch sich erkennen und den höchsten Gedanken, dass er ist, denken. In der Erfahrung des Schönen im Kunstwerk ist der Mensch, so hatte Lessing einen Gedanken des antiken Philosophen Longinus erneuert, stärker als sonst seiner eigenen Existenz bewusst. Nun vollzog sich in der Erkenntnis des Schönen nicht eine begrenzte oder untere, sondern die vollständige und höchste Erkenntnis der Welt, des Menschen und seines Daseins.
 
Die Werke der Kunst sind demnach nicht nur Zeugnis der Zeit ihrer Entstehung, sondern Medium stets gegenwärtiger Erkenntnis. Diesen Gedanken wird nach der Romantik etwa Charles Baudelaires Theorie der Moderne aufnehmen. Mit den Erfahrungen der Moderne wird sich erst eine Philosophie der Kunst bilden und in eine Philosophie der Geschichte münden. Der Gedanke der am Bilden und Zerstören des Schönen zu begreifenden Geschichte wird zur Theorie der modernen Zeit, der Künstler zum Gleichnis der gefährdeten Existenz des Individuums werden.
 
Prof. Dr. Horst Günther
 
Literatur:
 
Starobinski, Jean: Die Erfindung der Freiheit. Aus dem Französischen. Frankfurt am Main 1988.


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