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CHINESISCHE DICHTKUNST UND IHR HÖHEPUNKT IN DER TANGDYNASTIE

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chinesische Dichtkunst und ihr Höhepunkt in der Tang-Dynastie
 
Die Dichtkunst bildete zusammen mit der Geschichtsschreibung einen der beiden großen, einander ergänzenden Ströme der traditionellen chinesischen Literatur. Während die Historiographie die Wirklichkeit in Zeit und Raum festzuhalten und als Lehre für die politisch-soziale Gegenwart zu nutzen suchte, bemühte sich die Dichtkunst eher darum, die Realität zu überschreiten und ihr einen höheren Sinn abzugewinnen. Diese etwas abgehobene Grundtendenz führte sicher auch dazu, dass sie den einzigen Bereich der klassischen Literatur bildete, in dem Frauen - die ja weitgehend von den Entscheidungen im äußeren gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen waren - von Anfang an kontinuierlich eine wichtige Rolle spielten.
 
Die Dichtkunst war nicht immer, aber doch überwiegend, festen formalen Regeln unterworfen. Dazu gehörte in erster Linie die Beachtung bestimmter Reimschemata. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie die Veränderungen der Sprache über die Jahrhunderte hinweg entweder gar nicht oder nur mit großer Verzögerung nachvollzogen. Während sich also die Aussprache eines Wortes - was dem dazugehörigen Schriftzeichen nicht anzusehen war - völlig geändert haben konnte, sodass es mit einem korrespondierenden Wort, das eine andere Entwicklung genommen hatte, nicht mehr reimte wie ehedem, wurden trotzdem die alten Reime auch bei neuen Gedichten oft weiter beachtet, was ihnen dann, je mehr die Zeit fortschritt, eine gewisse Künstlichkeit verlieh.Da das Dichten mit zum zentralen Bildungskanon gehörte (es konnte auch Teil von Beamtenprüfungen sein), machten »Reimlexika« (also nach gemeinsamem Auslaut der Stichwörter angeordnete Wörterbücher) einen ganz wesentlichen Anteil unter den Nachschlagewerken aus. Ein weiteres, sich erst seit etwa dem 4. Jahrhundert n. Chr. formierendes, dann besonders in der Tang-Zeit geltendes Regelsystem in der Dichtkunst bezog sich auf die Worttöne, die ja die chinesische Sprache kennzeichnen. Es legte eine bestimmte tonale Struktur nicht nur für die Endwörter einer Zeile fest, sondern theoretisch auch für die Wörter in deren Innerem. Dabei gab es allerdings viele Ausnahmen oder vielleicht besser gesagt Freiheiten, die von vornherein mit einkalkuliert waren.
 
Die frühesten Anfänge der Dichtung bilden die etwa im 7. Jahrhundert v. Chr. gesammelten Gedichte des vom Konfuzianismus zu einem kanonischen Werk erhobenen »Shijing«, des »Buchs der Lieder«. Sie wurden sicher ursprünglich nach (inzwischen verlorenen) Melodien gesungen, ihr Rhythmus in gereimten Strophen von üblicherweise vier Zeilen mit je vier (oder zumindest einer geradzahligen Anzahl von) Wörtern beziehungsweise Schriftzeichen setzte das älteste formale Modell. Am interessantesten in der Sammlung sind die 160 Stücke (von insgesamt 311 Stücken), die auf Volksliedern basieren und einen aufschlussreichen Einblick in das tägliche Leben der Zeit vermitteln. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass im Volk gesungene Lieder traditionsgemäß unter bestimmten Bedingungen als eine Art »Volkes Stimme« galten, in denen sich der Wille des Himmels kundtun konnte.
 
Sehr viel freier sowohl in der wechselnden Länge der Zeilen und Strophen als auch in der Vernachlässigung des Reims war demgegenüber die zweite große poetische Sammlung der Frühzeit, nämlich die der »Chuci«, der »Elegien von Chu«, die bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. zurückreicht. Sie spiegelt eine völlig selbstständige südliche Tradition wider. Die erste, längste und stilbildende dieser Elegien wird dem später zum Nationalhelden avancierten Dichter Qu Yuan zugeschrieben, der von seinem Herrscher aufgrund von Verleumdungen als Minister entlassen und in den Selbstmord getrieben wurde. Die Elegie schildert autobiographisch in dichterischer Überhöhung die Gefühle des Autors, seine imaginäre Reise durch den Himmel, wo er zu seiner Enttäuschung überall zurückgewiesen wird, sodass ihm am Ende nur der freiwillige Tod in den Wellen übrig bleibt. Diese sehr persönlich gestimmten, mit einem reichen Vokabular ausgestatteten Elegien regten in der Han-Zeit die Herausbildung eines noch freieren, als »Prosagedicht« eingestuften Genres von Fu (Rhapsodien) an, die in gewähltem Stil innere Gefühle wie äußere Schönheiten von Natur und Kunst schilderten.
 
In den beiden letzten Jahrhunderten v. Chr. bemühte sich der Staat in einem eigenen Yuefu (Musikamt) um die Sammlung volkstümlicher Lieder, die teilweise zu rituellen Hymnen umgestaltet und später in einem eigenen Gedichtstil, der dann den Namen Yuefu trug, als Kunstpoesie imitiert und weiterentwickelt wurde. In einem sehr komplizierten Zusammenspiel verschiedener Entwicklungen, bei dem auch fremde, über die Musik verlaufende Einflüsse aus dem Norden und Westen angenommen werden können - Nordchina war ja zwischen dem Beginn des 4. und und dem Ende des 6. Jahrhunderts von Fremddynastien beherrscht - setzte sich allmählich als wesentliche Neuerung in der Dichtung der ungeradzahlige Rhythmus von fünf (etwas später auch von sieben) Wörtern je Zeile durch, der sich dann während der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends zuerst in oft sehr langen, balladenartigen, dann auch in wiederum verkürzten Stücken fest etablierte.
 
Im Glanz der Dichtkunst während der Tang-Dynastie erlebten die vorangegangenen langen, vielschichtigen Entwicklungen ihren Höhepunkt. Anknüpfend an frühere Vorbilder entwickelte die Tang-Lyrik feste Schemata sowohl für die Reime als auch für den Gebrauch der Worttöne. Vollendet manifestierten sie sich in dem nicht zufällig so bezeichneten Regelgedicht (»lüshi«) mit acht Zeilen zu je fünf (oder sieben) Wörtern, ebenso wie in dem davon abgeleiteten Kurzgedicht (»jueju«, wörtlich = abgebrochener Vers) mit nur vier Zeilen von derselben Art. Diese höchste formale Konzentration im Äußeren bei einem ganz geringen Umfang erzwang auch höchste Konzentration im Inhaltlichen und wurde so zu einer hohen Schule poetischer Selbstzucht. Die Zahl dieser Art von Gedichten ist schier unübersehbar (eine spätere Sammlung aus dem Jahr 1707 enthält mehr als 48 000 von über 2200 Dichtern), den besten Überblick vermittelt aber eine berühmte frühe Anthologie mit 300 Stücken. Da die Gedichte wegen ihrer Kürze gewöhnlich auf kulturspezifisches Beiwerk weitgehend verzichten mussten, ließen sie sich in ihrer Unmittelbarkeit meist auch noch in Übersetzungen relativ leicht wiedergeben. Seit dem frühen 18. Jahrhundert wurden sie daher auch in westlichen Übertragungen und Nachdichtungen berühmt. Unter den Dichtern der Tang-Zeit des 8./9. Jahrhunderts ragten hervor, um nur einige wenige zu nennen, der strenge, melancholische Du Fu, der bohemienhafte, weinselige Li Bai der einfühlsame, buddhistisch gestimmte Wang Wei sowie der genialische, individualistische Bai Juyi. In ihren Gedichten spiegelt sich die gesamte Epoche wider, die mit der Tang-Metropole Chang'an, der größten Stadt der damaligen Welt, über die Kolonien in Zentralasien und den Buddhismus als einem alle alten geistigen Grenzen sprengenden Gedankensystem eine Offenheit und Urbanität erreicht hatte, wie sie China in dieser Fülle kaum je wieder erreicht hat.
 
In das Ende der Tang-Dynastie fallen auch bereits die ersten Anfänge der Ci-Gedichte (Liedtext-Gedichte), die auf populäre Lieder etwa aus Teehäusern zurückgingen, von ihnen aber nur die komplizierte Reimstruktur übernahmen, ohne die Melodien selbst zu beachten. Die Musik wurde also gleichsam ausgeblendet und lediglich ihr formales Gerüst übernommen. Diese manchmal sehr langen Liedtext-Gedichte verbreiteten sich seit der Song-Dynastie mehr und mehr und verdrängten allmählich die Regel- und Kurzgedichte der älteren Tang-Zeit. In ihnen konnte sich das spezifisch chinesische Bildungsbewusstsein, das unter den konfuzianisch gesinnten Song besonders gepflegt wurde, besser entfalten. Unter den hervorragenden Dichtern, die es auch in dieser bis in die neuere Zeit gern verwendeten Form gegeben hat, nahm die Dichterin Li Qingzhao in der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Spitzenstellung ein. Spätere, ebenfalls von der Musik ausgehende Gedichtformen seit Ende der Song-Zeit wie zum Beispiel die Guci (Trommellieder), vermochten es nicht mehr in demselben Maß, Eingang in die höhere Literatur zu finden. Man blieb formal bis ins 20. Jahrhundert hinein eher bei der Nachahmung der alten Modelle, was das Auftreten hervorragender Dichter wie etwa Yuan Mei (* 1716, ✝ 1796) keineswegs ausschloss. Ein völliger Bruch erfolgte erst in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts mit der bewussten Schaffung einer völlig neuen Lyrik, die sich in Form und Inhalt radikal von der Vergangenheit lossagte und an westliche Vorbilder anlehnte.
 
Prof. Dr. Wolfgang Bauer (✝)
 
Literatur:
 
Schmidt-Glintzer, Helwig: Geschichte der chinesischen Literatur. Die 3000jährige Entwicklung der poetischen, erzählenden und philosophisch-religiösen Literatur Chinas von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bern u. a. 1990.


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