Значение слова "CARL FRIEDRICH GAUß" найдено в 1 источнике

CARL FRIEDRICH GAUß

найдено в "Universal-Lexicon"
Carl Friedrich Gauß: übersetzung

Carl Friedrich Gauß
 
Breite und Tiefe der Arbeiten von Gauß zu fast allen Gebieten der Mathematik sowie seine Beiträge zu Astronomie, Geodäsie und Physik reihen ihn unter die bedeutendsten Mathematiker und Naturforscher ein, die die Menschheit hervorgebracht hat. Sein Wirken hat während des 19. Jahrhunderts weite Teile von Mathematik und Naturwissenschaften geprägt und noch heute hält sein Einfluss auf den Fortgang der Wissenschaften an.
 
 Ausbildung und Promotion
 
Gauß stammt aus beengten kleinbürgerlichen Verhältnissen. Er wurde am 30. April 1777 in Braunschweig geboren. Der Vater Gebhard Dietrich Gauß (1744-1808) hatte verschiedene Berufe ausgeübt, war Gassenschlächter, Gärtner und Maurer gewesen und übte später, da er gut rechnen konnte, kaufmännische Tätigkeiten aus. Die Mutter Dorothea (1743-1839), Tochter eines Steinhauers und Häuslers, war 1769 nach Braunschweig gekommen und hatte den verwitweten Gebhard Dietrich Gauß geheiratet.
 
Carl Friedrich blieb das einzige Kind. Die Mutter hatte bei den damaligen schlechten Bildungsmöglichkeiten keine Schulbildung erhalten und konnte kaum lesen und schreiben, bewies aber viel Umsicht in schwierigen Verhältnissen und starb, völlig erblindet, in hohem Alter im Haushalt ihres zu großer Berühmtheit gelangten Sohnes.Die ungewöhnliche vielseitige Begabung des jungen Gauß wurde früh erkannt. Verständnisvolle Lehrer - unter ihnen Johann Christian Martin Bartels (1769-1836), der es vom Sohn eines Zinngießers zum Professor der Mathematik in Russland brachte - förderten den jungen Gauß, überzeugten den Vater, dass der Junge, vom abendlichen Flachsspinnen befreit, Bücher lesen und eine weitergehende Schulbildung erhalten müsse, und bemühten sich um finanzielle Unterstützung.
 
1788 wurde Gauß ins Gymnasium aufgenommen und erhielt eine Freistelle am Collegium Carolinum in Braunschweig, einer höheren, im Geiste der Aufklärung betriebenen Bildungsanstalt, an der unter anderem Eberhard August Wilhelm Zimmermann (1743-1815) als Professor der Mathematik und der Naturlehre wirkte. Zimmermann stellte den vierzehnjährigen Gauß 1791 dem regierenden Herzog von Braunschweig, Karl Wilhelm Ferdinand, vor und erwirkte dessen großzügige finanzielle Unterstützung, die es Gauß ermöglichte, 1795 das Studium in Göttingen aufzunehmen.
 
Bereits im jugendlichen Alter, noch vor Studienbeginn, machte sich Gauß mit den Werken von Isaac Newton (1643-1727), Leonhard Euler (1707-1783) und Joseph Louis Lagrange (1736-1813) bekannt und stieß aus eigener Kraft zu Forschungsergebnissen vor, die sich unter anderem auf die Primzahlverteilung, die Grundlagen der Geometrie, die Methode der kleinsten Quadrate und die Theorie der quadratischen Reste beziehen.
 
Hatte Gauß anfangs zwischen dem Studium klassischer Sprachen und dem der Mathematik geschwankt, so machte er am 29. (oder 30.) März 1796 eine geradezu sensationelle mathematische Entdeckung (Konstruierbarkeit des Siebzehnecks mit Zirkel und Lineal) und entschloss sich zum Studium der Mathematik.
 
Nach Abschluss des Studiums 1798 konnte sich Gauß, weiterhin vom Herzog finanziell unterstützt, ohne äußere Verpflichtung in Braunschweig seiner wissenschaftlichen Arbeit widmen. Im Sommer 1799 promovierte Gauß bei Johann Friedrich Pfaff (1765-1825) in Helmstedt, wiederum mit einer Arbeit (Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra) zu einem Thema von herausragender Bedeutung. Aus angestrengten zahlentheoretischen Studien ging 1801 die Monographie »Disquisitiones arithmeticae« hervor, die den erst vierundzwanzigjährigen Autor unter die führenden Mathematiker seiner Zeit einreihte. Joseph Louis Lagrange und Pierre Simon Laplace in Paris äußerten sich begeistert.
 
 Die Zeit in Göttingen
 
Nach dem Tode des Herzogs, der 1806 in der Schlacht von Jena und Auerstedt gegen Napoleon auf preußischer Seite kämpfend tödliche Verwundungen erlitten hatte, verlor Gauß die finanzielle Unterstützung und nahm nun eine schon früher ausgesprochene Berufung nach Göttingen als Professor der Astronomie und Direktor der Göttinger Sternwarte an. Inzwischen hatte er sich mit seinen Berechnungen der Bahn des Planetoiden Ceres auch als Astronom einen herausragenden Ruf erworben. Trotz ehrenvoller Angebote von anderen Universitäten, unter anderem aus St. Petersburg, Dorpat, Berlin und Leipzig, blieb Gauß Göttingen treu.
 
Im Jahre 1820 ordnete der damalige Landesherr von Göttingen, König Georg VI. von England und Hannover, endgültig die Vermessung des Königreiches Hannover an, um den Anschluss an das entstehende europäische Grad- und Vermessungsnetz herzustellen. Gauß wurde mit der wissenschaftlichen Leitung der Vermessung beauftragt, übernahm die organisatorische Vorbereitung, hielt sich von 1821 bis 1825 selbst bei Wind und Wetter im Gelände auf, erfand zweckmäßige Vermessungsgeräte (wie das Heliotrop, eine Art Theodolith mit Spiegel zur Reflexion des Sonnenlichtes, das Signale über große Entfernungen ermöglichte) und leistete die mathematische Auswertung des riesigen Zahlenmaterials. Die 1848 abgeschlossene Vermessung war für die damalige Zeit musterhaft hinsichtlich Genauigkeit und Effektivität.
 
Ende der 1820er-, Anfang der 1830er-Jahre wandte sich Gauß verstärkt der Physik zu, zum Teil unter dem Einfluss von Alexander von Humboldt (1769-1859), den er 1828 auf der »Berliner Versammlung Deutscher und Skandinavischer Naturforscher« persönlich kennen gelernt hatte. Humboldt wusste Gauß für Studien zum Erdmagnetismus zu begeistern und machte ihn unter anderem mit dem Dänen Hans Christian Œrsted (1777-1851), dem Entdecker des Elektromagnetismus, und dem jungen Physiker Wilhelm Eduard Weber (1804-1891) bekannt, der dann 1831 auf Veranlassung von Gauß nach Göttingen berufen wurde.
 
Die Zusammenarbeit von Gauß und Weber gestaltete sich überaus fruchtbar, wurde aber nach dem Verfassungsbruch (1837) des hannoverschen Königs Ernst August unterbrochen, da Weber als einer der »Göttinger Sieben« seines Amtes enthoben wurde und Göttingen verlassen musste. Zwar hat Gauß den Bruch der liberalen Verfassung bedauert, hat sich aber nicht offen zugunsten der Protestierenden verwendet.
 
 Private Wege
 
Gauß galt, zumal im fortgeschrittenen Alter, als unpersönlich und unnahbar. Im Briefwechsel jedoch, insbesondere mit seinen Freunden, wie etwa den Astronomen Heinrich Wilhelm Matthias Olbers (1758-1840) und Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) und seinem ungarischen Studienfreund Farkas (Wolfgang) Bolyai (1775-1856), tritt uns ein empfindsamer, warmherziger Mensch entgegen, der tiefer Freundschaft und echter Zuneigung fähig war und schwer unter Schicksalsschlägen gelitten hat.
 
Gauß war in seiner ersten Ehe mit Johanna, geborene Osthoff, sehr glücklich; leider starb sie an den Folgen der Geburt des dritten Kindes. Die zweite Ehe mit Minna, geborene Waldeck, litt unter deren Kränklichkeit und Reizbarkeit. Auch mit seinen Kindern hatte Gauß nicht nur ungetrübte Freude. Aus der ersten Ehe gingen zwei Kinder hervor, der Sohn Joseph und die Tochter Wilhelmine. Das dritte Kind, Ludwig, starb bald nach dem Tod der Mutter. Joseph wurde Artillerieoffizier und Eisenbahningenieur, Wilhelmine heiratete den Göttinger Professor Ewald für Orientalistik (einer der Göttinger Sieben), starb aber jung an Tuberkulose. Aus der zweiten Ehe stammten drei Kinder, die Söhne Eugen und Wilhelm und die Tochter Therese, die dem (1831) zum zweiten Mal verwitweten Vater den Haushalt führte. Eugen, hochbegabt, vermochte sich nicht einzuordnen, entzweite sich während des Studiums endgültig mit den Eltern und wanderte in die USA aus, wo er nach unsteten Anfangsjahren im Militärdienst die Bibel in die von ihm beherrschte Sprache der Sioux übersetzte und schließlich ein sehr erfolgreicher Kaufmann wurde. Wilhelm erlernte die Landwirtschaft, wanderte ebenfalls in die USA aus und wurde ein wohlhabender Farmer und Händler.
 
 Ein Universalgelehrter
 
Gauß beherrschte Latein und Griechisch sowie mehrere europäische Sprachen. Er war mit klassischer und schöner Literatur ebenso wohl vertraut wie mit Philosophie, ohne sich aber einer Richtung anzuschließen. Er war von tiefer Gläubigkeit im Sinne des Deismus erfüllt, hielt aber die Glaubenssätze des Christentums keineswegs Wort für Wort für wahr. Scharf waren seine Äußerungen gegen Aberglauben, Spiritismus und Mesmerismus.
 
Gauß hatte keine besondere Neigung zur Lehrtätigkeit; es war ihm leid um die Zeit, die er vor wenig begabten Zuhörern zubringen musste, statt forschen zu können. Im engeren Sinne hat er keine mathematische Schule begründet, doch hat er mit Richard Dedekind (1831-1919) und Georg Friedrich Bernhard Riemann (1826-1866) noch zwei Schüler finden können, die als Mathematiker Weltbedeutung erlangten. Erst im Alter wurde Gauß von ernsten Krankheiten heimgesucht. Er starb an den Folgen einer Herzerweiterung am 23. Februar 1855 in Göttingen und wurde auf dem Friedhof der St.-Albani-Gemeinde beigesetzt.
 
 Leistungen
 
Das mathematische Werk
 
Zu Anfang der Studienzeit, am 29. (oder 30.) März 1796, löste der knapp Neunzehnjährige ein Problem, das seit der Antike, seit mehr als 2 000 Jahren, nicht abschließend hatte behandelt werden können. Die Hinwendung zur Mathematik war nun endgültig und Gauß eröffnete mit einer entsprechenden Eintragung sein wissenschaftliches Tagebuch. Beim »angestrengten Nachdenken« über die Wurzeln der Kreisteilungsgleichung fand Gauß, dass auch das reguläre Siebzehneck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist. Die Konstruktionen vom gleichseitigen Dreieck und vom Quadrat sind trivial; also sind das Dreieck, das Viereck und, nach Winkelhalbierung, Sechseck, Zwölfeck,. .. und das Achteck, Sechzehneck. .. auf einfache Weise konstruierbar.
 
Das regelmäßige Fünfeck ist ebenfalls mit Zirkel und Lineal konstruierbar; dies hatten schon im 5. Jahrhundert vor Christus die Pythagoreer zeigen können. Dann ist, durch Kombination, zum Beispiel auch das regelmäßige Fünfzehneck konstruierbar. Übrigens hat das regelmäßige Fünfeck auch kulturgeschichtlich eine bedeutsame Rolle gespielt, zum Beispiel als Ordenszeichen der Pythagoreer und als so genannter Drudenfuß im Mittelalter. Goethe lässt im »Faust« durch eine Ratte eine Ecke des auf der Türschwelle von Fausts Studierzimmer befindlichen Drudenfußes abnagen; so erlangt der gefangene Mephistopheles seine Freiheit wieder.
 
Gauß fand nun, dass auch das regelmäßige Siebzehneck mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist. Schon am 1. Juni 1796 machten Gauß und Zimmermann die neue Entdeckung im Druck bekannt und verwiesen auf eine allgemeine Aussage, die alle konstruierbaren regelmäßigen Polygone angibt.
 
Der von Gauß gefundene herausragende Satz verbindet Algebra mit Geometrie. Die Konstruktion eines regelmäßigen n-Ecks ist gleichwertig mit der Aufgabe, einem Kreis ein regelmäßiges Polygon mit n Ecken einzubeschreiben, und dies ist wiederum äquivalent mit der Tatsache, dass alle Wurzeln der Gleichung xn - 1 = 0 auf einem Kreis um den Ursprung mit dem Radius 1 liegen. Da man aber nur Quadratwurzeln mit Zirkel und Lineal konstruieren kann, erhebt sich die Frage, für welche n sich die Wurzeln der Gleichung xn - 1 = 0 durch Schachtelung von Quadratwurzeln darstellen lassen. Für alle diese n ist dann das regelmäßige n-Eck mit Zirkel und Lineal konstruierbar. Gauß konnte alle diese n angeben.
 
Aus dem Tagebuch von Gauß (er nannte es »Notizenjournal«), das erst 1898 aufgefunden wurde, erfahren wir von seinen Entdeckungen während und nach der Studienzeit: Reziprozitätsgesetz der quadratischen Reste, Studien zur Lemniskate und zu den Grundlagen der Geometrie. Seit 1798/99 war Gauß im Besitz des Zugangs zur Theorie der elliptischen Funktionen, die etwa 30 Jahre später in einem grandiosen Wettlauf zwischen dem Norweger Niels Henrik Abel (1802-1829) und Carl Gustav Jacob Jacobi (1804-1851) ausgearbeitet wurde, von Gauß aber aus Zeitmangel nicht weiter verfolgt worden war.
 
Im Tagebuch finden sich ferner für die »Disquisitiones arithmeticae« bestimmte Entdeckungen notiert, die, verzögert durch Schwierigkeiten bei der Drucklegung, endlich im Sommer 1801 erschienen. Mit diesem Werk wurden die zahlreichen Einzelergebnisse zur Zahlentheorie und höheren Arithmetik auf eine sichere Grundlage gestellt und systematisch dargeboten. Die »Disquisitiones arithmeticae« münden in eine Fülle neuer Sätze, die auch im Methodischen weit in die Zukunft wiesen. Die »Disquisitiones« enthalten drei Hauptteile und behandeln die Theorie der Kongruenzen, die quadratischen Formen und die Theorie der Kreisteilung.
 
In der Zwischenzeit (1799) hatte Gauß auf Wunsch des Herzogs promoviert. Wiederum löste Gauß eine schwierige, seit Jahrhunderten behandelte, aber unerledigt gebliebene Problemstellung. Zwar hatte schon Albert Girard (1595-1632) im Jahre 1629 den Satz ausgesprochen, dass eine algebraische Gleichung n-ten Grades genau n Wurzeln besitzt, und d'Alembert (1717-1783) hatte 1746 einen weit reichenden Beweisversuch dieses zentralen Satzes unternommen, aber erst Gauß schloss mit seiner Dissertation die Lücken, indem er bewies, dass jede ganze algebraische Gleichung n-ten Grades, wie der Titel seiner Dissertation ausweist, in reelle Faktoren ersten oder zweiten Grades zerlegt werden kann, woraus schließlich die Existenz von genau n Wurzeln folgt. Dies ist der Inhalt des so genannten Fundamentalsatzes der Algebra. - Gauß ist auf diesen Themenkreis noch mehrfach zurückgekommen und hat 1815, 1816 und 1849 (zum goldenen Doktorjubiläum) drei weitere Beweise des Fundamentalsatzes gegeben.
 
Der dritte Beweis von 1816 benutzt explizit komplexe Zahlen. Die entscheidende Arbeit - zur Theorie der biquadratischen Reste - stammt aus dem Jahr 1831 und enthält die geometrische Darstellung der komplexen Zahlen in der so genannten gaußschen Zahlenebene. Ähnliche Grundgedanken, wie sie bereits 1792 von dem norwegischen Geodäten Caspar Wessel (1745-1818) und 1806 von dem Franzosen Jean Robert Argand (1768-1822) publiziert worden waren, waren ohne Resonanz geblieben.
 
Das astronomische Werk
 
Noch während der Zeit der Drucklegung der »Disquisitiones arithmeticae« hatte sich Gauß der Astronomie zugewandt. Sein astronomisches Werk macht weit mehr als die Hälfte seiner Publikationen aus.
 
Am 1. Januar 1801, hatte der italienische Astronom Giuseppe Piazzi (1746-1826) einen sich bewegenden Stern achter Größe entdeckt. Es konnte sich um einen schweiflosen Kometen oder aber um einen kleinen Planeten handeln. Doch war das Objekt wegen der ungünstigen Lichtverhältnisse nur bis zum 11. Februar zu beobachten und ging wieder verloren. Die Nachrichten vom neuen Himmelskörper erreichten im Frühsommer 1801 Deutschland; die wenigen verfügbaren Beobachtungsdaten reichten aber bei den bekannten Verfahren nicht aus, die Bahn des Sterns zu berechnen. Gauß machte sich im Herbst 1801 an die Arbeit. Gestützt auf Methoden des Fehlerausgleichs von Beobachtungsdaten entwickelte er vereinfachte, durchgreifende neue Methoden der astronomischen Bahnbestimmung, die dem geringen Datenmaterial angepasst waren. Und tatsächlich konnte die Ceres - so hatte man den Planetoiden benannt - fast genau an der von Gauß berechneten Stelle wieder gefunden werden.
 
Ein Großteil der astronomischen Arbeiten von Gauß galt den von den großen Planeten auf die Planetoiden Pallas, Juno und Vesta ausgeübten Störungen. Die Berechnung der Bahnstörungen von Pallas konnte Gauß 1815 vollenden, die von Ceres blieb unvollendet.
 
Als Krönung der theoretisch-astronomischen Tätigkeit von Gauß erschien 1809 die Monographie »Theoria motus corporum coelestium. ..«, in der sich außerordentliche Rechenfertigkeit mit höchster Abstraktionskraft verbindet und die gelegentlich als »Gesetzbuch der rechnenden Astronomie« bezeichnet worden ist. Gauß dürfte über Monate und Jahre hinaus Tag für Tag rund 4 000 Ziffern niedergeschrieben haben!
 
In Verbindung mit der Methode der kleinsten Quadrate zum Fehlerausgleich fand Gauß das Fehlerverteilungsgesetz, das die Häufigkeit der bei einer großen Anzahl von Messungen durch den Zufall verursachten Fehler angibt. Die grafische Darstellung liefert glockenähnliche Kurven.
 
Im Zusammenhang mit astronomischen Studien hat Gauß auch herausragende Beiträge zur Analysis geleistet. Dazu gehören Überlegungen zur Reihenkonvergenz mit einem strengen Konvergenzbegriff, zur hypergeometrischen Reihe (1813) und damit zusammenhängenden transzendenten Funktionen sowie zur Theorie der Funktionen komplexer Variabler. So kannte Gauß bereits 1811 den von Augustin Louis Cauchy (1789-1857) erst 1825 veröffentlichten Hauptsatz der Funktionentheorie.
 
Nichteuklidische Geometrie
 
Wir wissen, dass der erst Fünfzehnjährige schon über die Grundlagen der Geometrie nachgedacht hat. Seit der Antike war das fünfte der von Euklid aufgestellten Postulate Gegenstand der Diskussion gewesen, da es nicht wie die anderen vier eine auf den ersten Blick einleuchtende Feststellung fixierte. Insbesondere gegen Ende des 18. Jahrhunderts gab es zahlreiche Versuche, das fünfte Postulat mithilfe der anderen vier zu beweisen, und zwar in einer zu ihm äquivalenten Formulierung, wonach es zu einer Geraden durch einen nicht auf ihr liegenden Punkt genau eine Parallele gibt. Doch stellten sich alle diese angeblichen Beweise als Fehlschlüsse heraus.
 
Gauß hat frühzeitig erkannt, dass es einen Unterschied zwischen dem durch den Augenschein täglich bekräftigten Sachverhalt und einer mathematischen, auf Axiome und Beweise gegründeten Gewissheit gibt, hielt schon 1799 eine andere als die euklidische Geometrie für möglich und war 1815/16 sicher, dass das fünfte euklidische Postulat nicht mithilfe der anderen vier beweisbar ist und dass daher eine andere, nichteuklidische (hyperbolische) Geometrie aufgebaut werden kann, wenn man anstelle des fünften Postulats ein davon abweichendes zugrunde legt. Wie wir aus vertraulichen Briefen wissen, hat Gauß volle Einsicht in das Wesen der nichteuklidischen Geometrie besessen und verfügte schon über wichtige Sätze, hat jedoch, wohl aus Furcht vor unliebsamen philosophischen Auseinandersetzungen, nichts darüber publiziert. Immerhin galt die dreidimensionale euklidische Geometrie im System der damals vorherrschenden Philosophie Kants als schlechthin denknotwendig.
 
Die Zurückhaltung von Gauß bezüglich der nichteuklidischen Geometrie erhält noch dadurch eine besondere Note, dass ausgerechnet der Sohn Janos (Johann) Bolyai (1802-1860) seines Jugendfreundes Farkas (Wolfgang) Bolyai im Jahre 1832 mit Untersuchungen zur nichteuklidischen Geometrie hervortrat. Der in Kasan tätige Nikolai Iwanowitsch Lobatschewski (1792-1856) hatte indessen schon 1826 und dann wieder 1829 und 1840 wesentliche Ergebnisse zur nichteuklidischen Geometrie veröffentlicht, die, von Gauß voll akzeptiert, auf seinen Vorschlag hin zur Aufnahme von Lobatschewski in die Göttinger Akademie führten.
 
Vom Beginn der 1820er-Jahre an verbanden sich die geometrischen Interessen von Gauß mit seinen geodätischen Arbeiten, besteht doch das Grundproblem der Kartographie darin, die gekrümmte Erdoberfläche möglichst getreu in der Papierebene wiederzugeben. Nach großen Mühen erschien im Herbst 1827 ein weiteres Meisterwerk aus der Feder von Gauß, die »Disquisitiones generales circa superficies curvas«. Die »Flächentheorie« untersucht Flächen und Raumkurven mit den Mitteln der Differenzialgeometrie, die von Gauß als selbstständiges mathematisches Gebiet etabliert wurde und über das Studium von Differenzialformen bei Bernhard Riemann den Weg zum mathematischen Apparat der Relativitätstheorie von Albert Einstein (1879-1955) anbahnte.
 
Aus der bei Gauß typischen Verbindung von Theorie und Praxis entsprangen schließlich, als Folge seiner engagierten Vermessungstätigkeit, »Untersuchungen über Gegenstände der höheren Geodäsie« (1844 und 1847), die zum Ausgangspunkt der modernen Geodäsie wurden.
 
Zusammenarbeit mit Wilhelm Weber
 
Die Zusammenarbeit mit dem 1831 nach Göttingen gekommenen jungen Physiker Wilhelm Weber trug zahlreiche wissenschaftliche Früchte.
 
Im Jahre 1832 schlugen sie ein absolutes physikalisches Maßsystem vor, worin auch die magnetischen Größen wie Polstärke und Feldstärke auf die physikalischen Grundgrößen Länge, Masse und Zeit zurückgeführt wurden. 1833 wurde auf dem Gelände der Sternwarte ein eisenfreies Observatorium errichtet; alle fünf Minuten wurden die Änderungen des Magnetfeldes der Erde gemessen und protokolliert.
 
Von 1836/37 an gaben Gauß und Weber Hefte mit »Resultaten aus den Beobachtungen des magnetischen Vereins«, einer erdumspannenden losen Vereinigung von Forschern auf dem Gebiet des Erdmagnetismus, heraus. In diesem Zusammenhang publizierte Gauß 1838 eine »Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus«, die unter anderem eine Berechnung der Lagen der magnetischen Pole der Erde enthielt; sie wurden wenig später durch Schiffsexpeditionen bestätigt.
 
1839 folgte die Abhandlung »Allgemeine Lehrsätze in Beziehung auf die im umgekehrten Verhältnisse des Quadrates der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstoßungskräfte«, die wesentlich zur Herausbildung der Potenzialtheorie als einer mathematisch-physikalischen Disziplin beigetragen hat. Weitere physikalische Arbeiten von Gauß betreffen das so genannte gaußsche Prinzip des kleinsten Zwanges, Studien zur Optik (unter anderem ein achromatisches Doppelobjektiv) und die Theorie der Kapillarität. Gauß und Weber entwarfen und konstruierten 1832/33 eine Telegrafenlinie zwischen dem physikalischen Kabinett und der außerhalb der Stadt liegenden Sternwarte. Auf einer Strecke von fast zwei Kilometern wurden isolierte Drähte über die Dächer der Stadt verlegt und Stromstöße übertragen. Die entsprechenden Ausschläge eines Magnetstabes wurden auf der Empfängerseite als verabredete Buchstabenzeichen dechiffriert.
 
Der Telegraf war voll funktionsfähig, leicht zu bedienen und erregte weithin Aufmerksamkeit. Gauß und Weber erkannten die beträchtliche praktische Bedeutung und bemühten sich um die Verwendung im Eisenbahnwesen, jedoch war das Budget des physikalischen Kabinetts bei weitem zu gering, um in großem Maßstab experimentieren zu können. 1845 zerstörte ein Blitzschlag die Drahtleitung.
 
 Würdigung
 
Gauß ist mehr als fünf Jahrzehnte wissenschaftlich kreativ tätig gewesen. Auch dies gehört zu den Besonderheiten seines langen Gelehrtenlebens. Gemäß einem seiner Wahlsprüche »Pauca, sed matura« (Weniges, aber Ausgereiftes) publizierte Gauß erst, wenn er seinen Ergebnissen auch in der Darstellung eine meisterhafte Form verliehen hatte. Vieles, darunter Tiefgreifendes und weit in die Zukunft Reichendes, blieb so unveröffentlicht; manches davon findet sich in seinem von 1796 bis 1814 geführten Tagebuch oder auch im vertraulichen Briefwechsel mit Freunden. Das wissenschaftliche Werk von Gauß stellt sich als in sich geschlossen dar. Unverkennbar aber zeigt sich im chronologischen Ablauf eine Hinwendung vom Abstrakten zum Praktischen, von der Zahlentheorie über Astronomie und Analysis zu Geometrie, Geodäsie und Physik. Gegen Lebensende beschäftigte sich Gauß, vom großräumigen Eisenbahnbau fasziniert, mit der Sicherung des Eisenbahnverkehrs durch elektromagnetische Telegrafie.
 
Das wissenschaftliche Werk von Gauß hat schon zu seinen Lebzeiten höchste Bewunderung erweckt. Die noch im Todesjahr geprägte Gedenkmünze ist dem »MATHEMATICORUM PRINCEPS« (Fürst der Mathematiker) gewidmet.
 
Der belesene Gauß pflegte zur Bezeichnung der Motive seines Handelns mit besonderer Vorliebe nach Shakespeare (»King Lear«) leicht verändert die folgenden Verse zu zitieren:
 
Thou, nature, art my goddess; to thy laws my services are bound. (Du, Natur, bist meine Gottheit; deinen Gesetzen diene ich.)


T: 35