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FICHTE: DIE WISSENSCHAFTSLEHRE

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Fichte: Die Wissenschaftslehre
 
In jeder Epoche haben die Philosophen bei der Erarbeitung einer Metaphysik einen eigenen Schwerpunkt gesetzt. Ihre Forschung ist dabei von den Fragen nach dem Ursprung und Wesen des Wissens, dem gemeinsamen Wesen der Dinge und einem sinnvollen Ansatz des philosophischen Denkens geleitet worden. Einen ganz neuen Anfang versuchte Johann Gottlieb Fichte, der als Sohn eines armen Bandwebers aus Rammenau bei Bischofswerda am Fuß des Lausitzer Berglandes seine akademische Laufbahn dem Patronatsherrn seiner Heimat verdankte. Als dieser nämlich eines Sonntags sehr verspätet in das Dorf kam, um die Predigt zu hören, erzählte ihm ein Bauer, dass ein elfjähriger Gänsehirt manchmal auf dem Feld für sich allein die Predigt vom Vormittag aus dem Gedächtnis wiederhole. Der Herr ließ den Jungen kommen und war beeindruckt von seinem Gedächtnis. Er ließ den Gänsejungen gegen den Widerstand der Mutter auf die Lateinschule und zum Studium gehen. Es dauerte aber noch einige Zeit, bis Fichte dann 1794 als Philosophieprofessor in Jena und später an der neu gegründeten Berliner Universität vor allem durch seine revolutionären Reden an die deutsche Nation als kraftvoller Rhetor der neuen Epoche zum Durchbruch verhelfen konnte.
 
Das Jahrhundert Fichtes war das Jahrhundert der großen Revolution in Frankreich, und in der Philosophie breitete sich in Deutschland eine zunächst enthusiastisch begrüßte Umwälzung aus.Schließlich drückte sich dieser Enthusiasmus in einem neuen Namen für die Erste Philosophie aus; 1794, ein Jahr nachdem in Frankreich der König enthauptet worden war, ersetzte Fichte, dem die kritische Philosophie Kants zu wenig revolutionär war, die Philosophie durch eine neue Wissenschaft. »Über den Begriff der Wissenschaftslehre oder der Philosophie« hieß die kleine Programmschrift, die der junge Jenaer Philosophieprofessor seinen ersten Studenten zur Vorbereitung aushändigte. Die Wissenschaftslehre Fichtes - seine Philosophie - will Wissen vom Wissen sein und bereits ihr Name soll diesen Anspruch bekunden. Wenn auch Fichtes Nachfolger wieder zum alten Namen für die Philosophie zurückkehren sollten, so hielten sie doch an den Grundgedanken der Wissenschaftslehre fest.
 
Sie blieb trotz allen Fleißes das unvollendete Werk ihres Erfinders, das er in unzähligen Neuansätzen auszusprechen und nach allen Seiten hin zu einer Systematik auszugestalten versuchte. Ihr wesentlicher Gedanke beruht auf einer philosophischen Vertiefung in das Wörtchen »Ich« und die damit unablösbar verbundenen Erkenntnisse: Zunächst verbindet sich mit dem Aussprechen des Wörtchens »Ich« eine - wie Fichte sie nannte - »Tathandlung«. Fichtes Vorgänger Karl Leonhard Reinhold hatte noch von einer »Tatsache« gesprochen, um den Inhalt, der mit dem Ich gegeben wird, zu bezeichnen. Aber ist der Inhalt wirklich eine »Sache«? Fichte verneinte diese Frage von vornherein. Er entdeckte den Handlungscharakter des Ichs. Der Inhalt des Ichs ist keine Sache, sondern eine Handlung. Das Ich vollzieht eine Tathandlung in jedem Moment, in dem es ins Bewusstsein erhoben wird. Begründete die alte Metaphysik, die das statische, unwandelbare Sein zum Gegenstand hatte, die theoretische Philosophie, so bedeutete die Hinwendung zur Tätigkeit - durch die mit jedem Denkakt vollzogene Tathandlung - eine Wendung der Philosophie vom Theoretischen ins Praktische. Schon Kant hatte vom Primat der praktischen Philosophie gesprochen, den er selbst jedoch nicht einzulösen vermocht hatte.
 
Fichte wurde es nicht müde, seine Studenten zu ermuntern, den philosophischen Inhalten des Ichs nachzuspüren. Zu sagen »Ich bin« bedeutet nicht mehr als »Ich« zu sagen, weil das Ich notwendig den Vollzug seiner Existenz beinhaltet. Das Ich setzt also gleichzeitig das Sein der Person, die es sagt - dies bringt auch der Begriff der Tathandlung zum Ausdruck. Subjekt und Prädikat fallen in diesem einen Satz immer schon zusammen, sodass der Satz auf das Wort »Ich« verkürzt werden kann. »Ich« offenbart eine unumstößliche Gewissheit, ein erstes Wissen. Dieses Wissen begleitet jedes andere Wissen. Fichte stößt im Ich auf die Produktivität des Denkens. Denken ist - erfahren durch das Ich - kein Denken von etwas, das diesem Denken äußerlich wäre, sondern es erzeugt seinen eigenen Inhalt. Indem dem Denken hier ganz offensichtlich eine Vorrangstellung vor dem materiellen Sein eingeräumt wurde, steigerte sich der Idealismus in Fichtes Wissenschaftslehre zu einer nie da gewesenen Reichweite. Fichtes Vorrang des Subjekts, repräsentiert durch das Ich, erklärt sogar die Materie zum Produkt des Denkens: »Das Ich setzt sich ein Nicht-Ich entgegen«, lautet es immer wieder in den verschiedenen Entwürfen zur Wissenschaftslehre. Das Nicht-Ich ist die Natur; im Denken ist die Natur als das Andere des Denkens von diesem Denken abgeleitet.
 
Fichte war freilich nicht jemand, der glaubte, die Welt sei verschwunden, wenn er die Augen zumache. Auch behauptete die Wissenschaftslehre nicht eine reale Genese der Natur aus dem Denken, sondern dass zumindest für das Denken das Ich das Erste ist und hier von etwas weiß, das es nicht ist, nämlich von der Natur. Dadurch werde die Sache nicht einfacher, werden ihm seine Kritiker vorwerfen; das Denken müsse, so etwa ein gegen Fichte gerichteter materialistischer Standpunkt, auch dem Sachverhalt gerecht werden, dass etwas schon da war, bevor das Denken durch das Ich in die Welt gekommen ist. Zwar scheute Fichte keine Mühe, seine Kritiker mit größtem Scharfsinn davon zu überzeugen, dass seiner Wissenschaftslehre dieser Einwand zu Unrecht gemacht werde, war aber zugleich berauscht von seiner Idee, von seinem Idealismus. In der Frage, ob das Ich die Natur erzeuge oder ob die Natur das Ich erzeuge, kann es immer nur einen Standpunkt geben, der den jeweils anderen ausschließen wird; Fichte entschied sich für das Ich und gab der Natur den Laufpass. Seine Nachfolger sollten der Natur dann wieder auf die Sprünge helfen, bis eine völlig neue Epoche der Philosophie die ganze Alternative zum Schein erklärte. Zunächst jedoch erreichte die Bewusstseinsphilosophie ihren vorläufigen Höhepunkt. Es war die Philosophie, die vom mentalen Paradigma oder Bewusstseinsparadigma alle philosophischen Fragen abzuleiten versuchte. Dieses löste das ontologische Paradigma ab. Das ontologische Paradigma hatte das Sein ins Zentrum der Philosophie gestellt, das Fichte mit dem Ichbewusstsein besetzte.
 
Für Fichte war das Ich so voller Leben, dass es ihm fern lag zuzugeben, eine tote Natur könne das Ich bestimmen. Er wurde beherrscht von der Gewissheit, dass alles Sein Wissen sei. Leben und Freiheit, Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung, die großen Leitworte einer neuen Epoche, scheinen vereint in Fichtes Entdeckung. Sein und Freiheit treten zusammen im Ich, denn dieses ergreift sich selbst, es bedarf keines Anstoßes von außen. Das Ich, von dem Fichte sprach, ist nicht das geduldige, ruhende, ausharrende und beherrschbare, sondern Durchdringung eigener Kräfte und selbstmächtiger Impulse eines erwachenden Individuums. In gleicher Weise verschwindet der passive Charakter des Seins der alten Metaphysik, das in Ewigkeit unveränderlich ausharren sollte. Sein als Bewusstsein bedarf der Handlung für seine Existenz, und seine Existenz ist Handlung. Sein wird beweglich, wird sehend. Das Sein als Bewusstsein ist eben Selbstbewusstsein; es weiß von sich, und nur solange es weiß, ist es; es schaut sich selber an, während es handelt. Dies alles bürdete Fichte dem kleinen Wörtchen »Ich« auf.
 
Dr. Klaus-Jürgen Grün
 
Literatur:
 
Gamm, Gerhard: Der deutsche Idealismus. Eine Einführung in die Philosophie von Fichte, Hegel und Schelling. Stuttgart 1997.
 
Geschichte der Philosophie im 19. Jahrhundert. Positivismus, Linkshegelianismus, Existenzphilosophie, Neukantianismus, Lebensphilosophie, herausgegeben von Ferdinand Fellmann. Reinbek 1996.
 Röd, Wolfgang: Der Weg der Philosophie von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Band 2: 17. bis 20. Jahrhundert. München 1996.


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