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ADEL: SEINE ROLLE IN EUROPA IM WANDEL DER JAHRHUNDERTE

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Adel: Seine Rolle in Europa im Wandel der Jahrhunderte
 
In fast allen Formen des menschlichen Zusammenlebens vor dem Beginn des bürgerlichen Zeitalters kam es zur Aussonderung einer Schicht erblich bevorrechteter Familien, deren deutsche Bezeichnung »Adel« von dem althochdeutschen Wort »adal« oder »adol« herrührt, was so viel wie Geschlecht, Abstammung bedeutet. Die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen in verschiedenen Zeiten und Räumen führten zu einem differenzierten Erscheinungsbild des Adels, jedoch lassen sich als Hauptmerkmale gegenüber anderen sozialen Schichten, Ständen oder Klassen seine Teilhabe an der Machtausübung und seine materielle Versorgung durch Untergebene und Unterworfene feststellen. Zumindest im größten Teil des mittelalterlichen Europa kam zu der Herrschaft über Menschen noch die Verfügungsgewalt über Grund und Boden.
 
Abgesehen von diesen Hauptmerkmalen war der Adel nie ein sozial einheitliches Gebilde, sondern zerfiel in eine in sich wiederum nach Macht und Reichtum abgestufte regierende Oberschicht, den Hochadel, und den Kleinadel, der in verschiedenen Ämtern und Rangstufen dem Hochadel bzw.einem Zentralherrscher in der Verwaltung, im Heer oder bei Hofe diente. Der niedere Adel war die wichtigste Quelle für die Selbstergänzung des Hochadels, während der Adel insgesamt durch den Einstieg von Gruppen oder Einzelpersonen nichtadliger Herkunft erweitert und modifiziert wurde.
 
 Entstehung des Adels
 
Im Widerspruch zu Auffassungen, die eine Trennung von Herrschern und Beherrschten als immer gegeben behaupten, konnte aus der Analyse archäologischer und schriftlicher Quellen sowie aus der ethnographischen Erforschung ökonomisch zurückgebliebener Bevölkerungsgruppen in einigen Gegenden Afrikas, Amerikas und Australiens die Entstehung adliger Herrscherschichten in den Grundzügen nachvollzogen werden.
 
Die entscheidende Voraussetzung für diesen Prozess waren die Vorgänge in der neolithischen Revolution, die wohl der bisher tief greifendste Umbruch in der Menschheitsgeschichte war. Über Jahrhunderttausende hinweg hatten sich die Menschen die zum Lebensunterhalt notwendigen Nahrungsmittel und Gegenstände als Sammler, Jäger und Fischer verschafft. Sie vermochten gerade das zu gewinnen, was sie zum Leben unbedingt brauchten, und dies war allein durch gemeinsame Arbeit und organisiertes Zusammenwirken in den Sippen, also den Gentes, möglich, die die auf Blutsverwandtschaft beruhende Lebensgemeinschaft der Urgesellschaft waren.
 
Aus diesem Zwang zur kollektiven Sicherstellung der Existenz ergab sich die Art der Verteilung der Arbeitserträge. Alle Angehörigen einer Gemeinschaft wurden gleichermaßen versorgt. Nicht nur das gemeinsam Gewonnene, sondern auch das individuell Erjagte bzw. Gesammelte kam der Gemeinschaft zugute, auch wenn die Anteile der Einzelnen am Gewonnenen ungleich waren. Notwendige Führungsaufgaben, zum Beispiel bei Jagden, Wanderungen und bei Verkehr oder Auseinandersetzungen mit anderen Gentes wurden von gewählten Anführern, Vorstehern oder Häuptlingen wahrgenommen. Dazu erkor die Gemeinschaft Mitglieder, die durch Fähigkeiten, Erfahrungen und erbrachte Leistungen besonders geeignet schienen. Diese konnten aber jederzeit von anderen Gentilgenossen abgelöst werden. Die grundsätzliche Gleichheit aller blieb erhalten; auf Dauer hätte sich niemand gegen den Willen der Gesamtheit behaupten können.
 
Im Neolithikum, das heißt in der Jungsteinzeit, vollzog sich der Übergang vom Jagen und Sammeln zu Ackerbau und Viehzucht, von der periodischen Wanderung in einem bestimmten Revier zur Sesshaftigkeit. Dieser Übergang von der Aneignung naturgegebener Nahrungsquellen zur bewussten Herstellung pflanzlicher und tierischer Produkte, die »neolithische« oder »agrarische« Revolution — beide Begriffe wurden von dem britischen Archäologen Vere Gordon Childe (1892—1957) eingeführt —, war für die weitere Entwicklung der Menschheit ein Vorgang von außerordentlicher Tragweite. Er begann im 9. und 8. Jahrtausend v. Chr. im vorderasiatischen Raum und strahlte von dort um 6000 v. Chr. nach Europa aus, wo er gegen Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. vollendet war.
 
Die wirtschaftlichen Umwälzungen der neolithischen Revolution befähigten die Menschen, mehr zu produzieren, als zum Lebensunterhalt unbedingt nötig war. Das so gewonnene Mehrprodukt war die Voraussetzung dafür, dass es zu sozialen Differenzierungen innerhalb der Gentes und der sich bildenden größeren Lebensgemeinschaften, der Stämme, kommen konnte. Zugleich erforderten die komplizierter werdenden Produktionsstrukturen, der Tauschhandel, das Entstehen größerer, zum Teil schon stadtähnlicher Siedlungen und die Behauptung gegenüber anderen Stämmen neue »Leitungsstrukturen«. Man benötigte eine Art zentraler Gewalt, die das Stammesleben garantierte. Diese Aufgabe nahmen Häuptlinge und Priester wahr, denen gewisse Vollmachten übertragen wurden, die aber zunächst unter der Kontrolle der Gemeinschaft blieben. Ganz allmählich kam es jedoch zu einer ungleichmäßigen Verteilung zugunsten der Häuptlinge, die sich aus der Masse der Stammesmitglieder herauszuheben begannen. So wurden sie wegen ihres Amtes zumindest teilweise von der unmittelbaren Produktion freigestellt und von dem erarbeiteten Mehrprodukt unterhalten; als Kriegsführer erhielten sie einen höheren Beuteanteil; als Priester kamen sie in den Genuss der Opfergaben. Eine wichtige Veränderung war die Einführung der Erblichkeit des Häuptlingsamtes innerhalb bestimmter Familien.
 
Die grundlegenden Veränderungen der neolithischen Revolution führten in der Bronzezeit, das ist, bezogen auf Europa, die Zeit zwischen dem Beginn des 2. Jahrtausends und dem 8. Jahrhundert v. Chr., zu einem gesellschaftlichen Zustand, für den der Amerikaner Lewis Henry Morgan (1818—81) den Begriff »militärische Demokratie« prägte, der aber in der Urgeschichtsforschung nicht unumstritten ist. Grundlage der Verfassung der militärischen Demokratie blieb der Stamm, der seine wichtigsten Angelegenheiten nach wie vor durch die Volksversammlung und den Stammesrat regelte. Neu kam hinzu, dass in dieser Entwicklungsphase der Krieg wachsende Bedeutung gewann. Waren kriegerische Handlungen früher zumeist Rache- oder Vergeltungsakte für die Verletzung des Stammesgebietes, so nahmen sie jetzt mehr und mehr den Charakter von Raubkriegen zur Aneignung des von anderen Stämmen erzeugten Mehrprodukts an. Die Organisation des Krieges wurde für den Stamm eine für sein Überleben unabdingbare Aufgabe. Der Heerführer war unentbehrlich und sein Amt eine ständige Einrichtung, die dem Stammesrat und der Volksversammlung verpflichtet war.
 
Heerführer und Häuptlinge begannen, waffentüchtige Männer um sich zu scharen, die zumeist aus den angesehensten Familien des Stammes kamen. Diese Gefolgschaften wurden zu einem bewaffneten Organ der gentilen Oberschicht, das neben der Masse der Stammeskrieger stand und zunehmend der Kontrolle der Volksversammlung entzogen wurde. Die Gefolgschaften, anfangs Kampfgenossenschaften zum Zwecke der Beutegewinnung und Bereicherung, bildeten den Kern des entstehenden Adels.
 
 Der Adel in der Antike
 
Sowohl in der griechischen als auch in der römischen Antike war das Gefolgschaftswesen der Ausgangspunkt für die Entstehung adliger Oberschichten. In den poleis, den griechischen Stadtstaaten, setzten sich die Aristokraten als die zur Herrschaft geborenen »alten Geschlechter« vom Volke ab. Innere und äußere Krisen führten zu Reformen, die die formelle Beteiligung der nichtaristokratischen Freien an politischen Entscheidungen brachten, letztlich aber die Führung der Polisdemokratie durch die Aristokraten sicherten.
 
Das römische Patriziat ging wahrscheinlich aus dem berittenen Gefolge der etruskischen Könige in Rom hervor. Nach der Überlieferung wurde der letzte König, Tarquinius Superbus, 509 v. Chr. vertrieben. Das Patriziat brachte in der 1. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. die Führung an sich und konnte sie in der frühen Republik als geschlossener Geburtsstand gegenüber der Masse der Römer (plebs) behaupten. Es beherrschte den Senat und besetzte die wichtigsten Ämter im Militär, in der Rechtsprechung und bei der Kultausübung.
 
Im Ergebnis der Ständekämpfe zwischen Patriziern und Plebejern im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. mussten die Patrizier Zugeständnisse machen, die auch Plebejern den Eintritt in den Senat und die Übernahme hoher Ämter ermöglichte. Auf diese Weise entstand eine neue Adelsschicht, die Nobilität. Die patrizisch-plebejische Nobilität übte die politische Macht aus und suchte die übrigen Römer durch gewisse soziale Absicherung zu befrieden. Die materielle Basis der Nobilität war die mit Sklavenarbeit betriebene Großgrundwirtschaft, die Latifundien. Der Großgrundbesitz wurde durch die Anlage von in Kriegen gewonnenen Reichtümern ständig erweitert. Die Nobilität schloss sich nach außen ab, sodass es nur noch selten Aufsteigern gelang, in sie einzudringen.
 
Mit der Ausweitung der römischen Herrschaft über Italien erfolgte die Aufnahme italischer Geschlechter in den Senatorenstand. Der Aufstieg Roms zur Weltmacht ließ eine in sich abgestufte Reichsaristokratie entstehen. Während die Zugehörigkeit zum Ritterstand (ordo equester) persönlich zu erwerben war, blieben für den in der frühen Kaiserzeit von Augustus bis Antoninus Pius, das heißt von 27 v. Chr. bis 161 n. Chr., auf 600 Personen angewachsenen Senatorenstand Latifundienbesitz, Ämtermacht und hohes Ansehen als erbliche Merkmale kennzeichnend. In der Kaiserzeit bestimmte die kaiserliche Zentrale die Geschicke Roms, der Senat geriet mehr und mehr in die Rolle eines bloßen Bestätigungsgremiums. Die Senatorenaristokratie und die führenden Familien des Ritterstandes fällten nun nicht mehr selbst die politischen Entscheidungen, übten aber als Staatsbeamte alle wichtigen zivilen und militärischen Ämter aus.
 
 Der Adel im europäischen Mittelalter
 
Die Entstehung und Entwicklung des Adels im europäischen Mittelalter war in fast allen Gebieten im Wesenszug gleich, erfuhr aber zahlreiche regionale Ausprägungen, die hier nicht im Einzelnen verfolgt werden können. Daher sollen nur zwei Entwicklungsstränge — die vom Fränkischen Reich und der Kiewer Rus ausgehenden — im Mittelpunkt der Betrachtung stehen, während einige Sonderfälle nur kurz gestreift werden.
 
Im Mittelalter war der Adel der politisch herrschende Stand. Aus seinen Reihen kamen die Monarchen und in der Regel auch die Kirchenführer. Der grundbesitzende Adel besaß lange Zeit auch die wirtschaftliche Vormachtstellung, die erst im Hochmittelalter durch die Entwicklung des Städtewesens, die arbeitsteilige gewerbliche Produktion und den Fernhandel des Bürgertums Einschränkungen erfuhr. Als Herrscher über Land und Menschen waren die Adligen »Ausbeuter« der Masse der unfreien bäuerlichen Bevölkerung; als politisch Herrschende hatten die Adligen den entscheidenden Anteil an der Entstehung, Organisation und Ausprägung der europäischen Feudalstaaten.
 
Die soziale und politische Ordnung des Fränkischen Reiches entstand dadurch, dass spätantike Verhältnisse im römischen Gallien und die in Auflösung begriffene Gentilordnung der Franken aufeinander prallten und miteinander verschmolzen. Aus dieser Synthese ging auch die adlige Herrscherschicht des Fränkischen Reiches hervor.
 
Als der fränkische Teilkönig Chlodwig I. 486 bei Soissons den römischen Statthalter Syagrius schlug und in den folgenden Jahren seinen Machtbereich schnell nach Süden ausdehnte, traten bei den Franken deutliche Erscheinungen einer sozialen Differenzierung auf. Träger des Stammesverbandes war der wirtschaftlich unabhängige, persönlich freie und politisch vollberechtigte Bauer. Jedoch bestand bereits ein durch Reichtum, Macht und Ansehen abgehobener Stammesadel, der über Gefolgschaften verfügte und selbst nicht mehr an der Produktion materieller Güter teilnahm. Aus den Heerführern hatte sich die Institution des Königtums entwickelt.
 
Der fränkische Stammesadel verschmolz mit den großen gallorömischen Grundeigentümern, deren Oberschicht sich aus Mitgliedern des Senatorenstandes zusammensetzte, sowie dem neuen Dienstadel der fränkischen Könige. Die Umwandlung des Grund und Bodens in Allod, also frei verfügbares Eigengut, ermöglichte es dem fränkischen Stammesadel, sich das bäuerliche Land anzueignen. Die Begegnung mit dem gallorömischen Großgrundeigentum beschleunigte diesen Prozess. Der König, durch die Besitznahme der römischen Fiskalgüter selbst zum größten Grundeigentümer geworden, beförderte die Entstehung adligen Großgrundeigentums durch umfangreiche Schenkungen. Die ehemals freien fränkischen Bauern wurden allmählich zu persönlich Unfreien herabgedrückt, die Dienste und Abgaben leisten mussten. Sie wuchsen mit den spätantiken Kolonen, ursprünglich Sklaven, die selbstständig ein Stück Land bewirtschafteten, zur neuen sozialen Schicht der feudalabhängigen Bauern zusammen. Dieser Prozess fand Anfang des 7. Jahrhunderts im Kerngebiet des Merowingerreiches seinen Abschluss.
 
Die Ausprägung des Fränkischen Reiches zu einem »Feudalstaat« und die Entstehung des Feudaladels wurde vollendet durch Veränderungen im Kriegswesen, die in der 1. Hälfte des 8. Jahrhunderts einsetzten und zur Entstehung des Lehnswesens führten. Da das Aufgebot freier Bauern nicht mehr existierte und das Gefolgschaftswesen den neuen Anforderungen nicht mehr gerecht wurde, war eine Neuorganisation des Militärwesens nötig. Männern, die bereits Grundherren waren, wurde weiterer Grund und Boden — zunächst beneficium, dann feudum genannt — verliehen. Der Akt der Lehnsübertragung, die Kommendation, begründete ein gegenseitiges Verpflichtungsverhältnis: Mittels Handreichung und Treueids gelobte der Empfänger des Lehens, der Vasall, berittenen Kriegsdienst zu leisten. Der Lehnsherr schuldete ihm dafür Schutz und Hilfe. Auf diese Weise kam es zum Aufbau einer sozialen und politischen Rangordnung, zu einer Lehnspyramide, an deren Spitze der König stand. Die hohen staatlichen Ämter, zum Beispiel Königsboten, Grafen, Markgrafen, und die kirchlichen Ämter wurden ausschließlich mit Adligen besetzt.
 
Die dieser Entwicklung innewohnenden Probleme und Widersprüche konnten nur durch konzentrierte politische und militärische Gewalt bewältigt werden, die zur Großreichbildung führte. Kaum waren die neuen Verhältnisse gefestigt, begann der Zerfall des Großreichs, da die Interessen der feudalen Grundherren nun auf überschaubare, effektivere und besser nutzbare politisch-militärische Strukturen gerichtet waren. Fast analog zum fränkischen Großreich verlief später die Entwicklung in Großmähren, Bulgarien, Polen, Dänemark und die in der Kiewer Rus.
 
Nach der Eingliederung der Alamannen, Baiern, Thüringer, Westgoten und Sachsen in das Fränkische Reich kam es zu einer weitgehenden Übertragung fränkischer Verhältnisse und einer Symbiose des Adels der unterworfenen Stämme mit den in das Land gesandten fränkischen Adligen. Die führenden Adelsgeschlechter fanden Eingang in die fränkische Reichsaristokratie, aus der sich durch verwandtschaftliche Beziehungen zum Königshaus und den Ausbau regionaler Machtpositionen ein kleiner Kreis bedeutender Adelsfamilien absonderte, die zur Wurzel der späteren Fürstenhäuser in Frankreich und Deutschland wurden.
 
Im Gebiet des heutigen Frankreich und Deutschland — beide Staaten gingen aus dem fränkischen Großreich hervor — entstand vom 10. bis 13. Jahrhundert eine neue Adelsschicht, als die zahlenmäßig große Gruppe nichtadliger Dienstleute und Krieger hoher Herren und des Königs Anschluss an den Adel fand. Bis zum 13. Jahrhundert erfolgte eine weitgehende Gleichstellung dieser Ministerialen mit den kleinen adligen Vasallen, die nun gemeinsam den Ritterstand bildeten. Der Aufstieg der Ministerialität zum niederen Adel führte zu einem bedeutenden Anwachsen des Adelsstandes sowie zu seiner Stärkung im gesamten Gesellschaftsgefüge und trug wesentlich dazu bei, dass der Adel in einer Zeit, in der sich die Städte entwickelten und die Emanzipationsbestrebungen der bäuerlichen Bevölkerung wuchsen, seine herrschende Stellung behaupten konnte.
 
Die Ritterschaft entwickelte eine hauptsächlich an französischen Vorbildern orientierte Kultur. Kern der ritterlichen Ethik waren Zucht und Maßhalten in allen Lebenslagen, Frauendienst und Minne. Als ritterliche Lebensprinzipien galten ferner: Treue gegenüber dem Lehnsherren, Schutz von Witwen, Waisen und Bedrängten, christlicher Lebenswandel, Beherrschen des Waffenhandwerks und kriegerische Tüchtigkeit. Die Ritter nahmen auch das Recht des Burgenbaus für sich in Anspruch, das ursprünglich nur dem Königtum, dem Herzogtum und der Kirche, dann auch den Grafen zustand.
 
Die Integrierung der breiten Schicht der Ministerialen in den Adel und die infolge regionaler Zentralisation wachsende Bedeutung der Fürstenhöfe führten insgesamt zu einer Veränderung im geistig-kulturellen Leben des Adels. In den Zentren der Herrschaftsausübung, an den Höfen des Kaisers bzw. Königs und der Fürsten entstand ein gesteigertes Bedürfnis nach Repräsentation und Geselligkeit, das seinen Ausdruck in den Palasbauten der Kaiserpfalzen und größeren Adelsburgen fand, die den Rahmen für politische, festliche und gesellige Zusammenkünfte boten.
 
Dort fanden auch die zuerst in Frankreich entwickelten Formen und Inhalte höfisch-ritterlicher Kultur Eingang. In der Minnelyrik und höfischen Epik traten Angehörige des hohen und niederen Adels selbst als Dichter auf, wodurch die Geistlichkeit ihre Führungsrolle im literarischen Bereich verlor. Die adligen Dichter pflegten ein Ideal der Liebe, in der die Sinnlichkeit gebändigt ist und der Minnedienst für die unerreichbare Herrin als höchste Vollendung angesehen wird. Die »hohe Minne« sollte zur sittlichen Veredelung der Liebenden führen und wurde hoch über die auf Befriedigung sinnlicher Lust gerichtete Liebe des einfachen Volkes gehoben. Die bleibende Bedeutung der höfisch-ritterlichen Dichtung besteht vor allem darin, dass sie die nur auf Erringung des Seelenheils ausgerichtete Geistlichendichtung überwand. Sie vertrat ein Menschenbild, in dem die Bewährung in der irdischen Welt und die Vervollkommnung der Persönlichkeit entscheidend waren. Dies führte zu einer teilweisen Säkularisierung in der Bewertung des menschlichen Lebens.
 
Die bis zum Hochmittelalter in Deutschland eingetretene Differenzierung fand ihren Niederschlag in der um 1200 entstandenen Heerschildordnung, die auf der Lehnshierarchie aufbaute und die Befugnis, Vasallen aufzubieten, reichsrechtlich fixierte. Nach dem Schwabenspiegel gehörte der erste Schild dem König, der zweite und dritte den geistlichen und weltlichen Fürsten, die unmittelbare Vasallen des Königs waren und edelfreie Vasallen unter sich hatten, die den vierten Schild bildeten, der wiederum den Grafen und Herren zukam. Die kleineren Vasallen des Herrenstandes bildeten den fünften, die Ministerialen den sechsten Schild. Am Fuße der Pyramide standen die Vasallen, die selbst keine Vasallen mehr aufbieten konnten.
 
Nach dem Zerfall des fränkischen Großreiches Ende des 9. Jahrhunderts kam es in Frankreich zum Erstarken regionaler und lokaler Adelsherrschaften und zu einer starken Dezentralisation der Staatsmacht. Die größeren französischen Fürstentümer waren faktisch selbstständige Staatswesen; der nominell über ihnen stehende König hatte nur ein sehr begrenztes Gebiet zwischen Paris und Orléans unter Kontrolle. In langwierigen und wechselvollen Auseinandersetzungen, die bis zum 16. Jahrhundert dauerten — der letzte Widerstand des Hochadels wurde erst im 17. Jahrhundert mit der Niederwerfung der Fronde gebrochen —, gelang es jedoch den französischen Königen, den französischen Hochadel zu entmachten und einen zentralisierten Staat zu schaffen. Das deutsche Königtum hatte aufgrund anderer innerer Voraussetzungen in dem aus dem ostfränkischen Teilreich hervorgegangenen deutschen Königreich eine starke Position, die es ihm erlaubte, eine aktive Ost- und Italienpolitik zu betreiben. Die Italienpolitik und der Erwerb der Kaiserkrone im Jahre 962 in Rom durch Otto I. führten dazu, dass das deutsche Königtum mit dem Kaisertum verbunden war. Die Kaiserpolitik lenkte die Zentralgewalt in Deutschland von innenpolitischen Aufgaben ab und begünstigte die staatliche Dezentralisation. Seit der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts und dann besonders im 12. Jahrhundert vollzog sich auf deutschem Boden die Bildung territorial geschlossener Herrschaftskomplexe in hartem Konkurrenzkampf zwischen Königtum und Fürsten. Die Zentralgewalt unterlag in diesem Ringen, sodass in Deutschland die staatliche Entwicklung auf territorialer Ebene stehen blieb. Das Königtum wurde nicht wie in Frankreich und England Kristallisationspunkt eines entstehenden Nationalstaates. Die Fürsten betrieben vielmehr in ihren Territorien eine energische Zentralisationspolitik und versuchten, auch die reichsunmittelbaren Adligen und Städte zu mediatisieren, das heißt der Landeshoheit zu unterwerfen, was zu einer Fülle von Konflikten führte.
 
Im ausgehenden 13. und im frühen 14. Jahrhundert trat in Frankreich wie in Deutschland an die Stelle des Lehnsstaates der Ständestaat. Diese Entwicklung vollzog sich mit gewissen zeitlichen Verschiebungen in den meisten europäischen Staaten. Typisch für den Ständestaat war das Auftreten einer Ständevertretung, die teils neben, teils gemeinsam mit dem Herrscher die Regierungsführung beeinflusste. Ansatzpunkt für die Entstehung von Ständevertretungen war die schon lange bestehende Gepflogenheit, dass Könige und größere Fürsten bei wichtigen politischen Fragen mächtige Vasallen zur Beratung in den »großen Rat« oder auf Hoftage einluden. In der Regel waren Geistlichkeit, Adel und Städte in den Ständeversammlungen vertreten. Da die hohen Kleriker fast ausschließlich Adlige waren und als Herrscher über Territorien gegenüber dem Fürsten ähnliche Interessen hatten wie der Adel, besaß der Adel in den Ständevertretungen zumeist ein Übergewicht und konnte seine Wünsche nachdrücklich zur Geltung bringen.
 
Die Wirkungsmöglichkeiten der Ständevertretungen insgesamt hingen aber von der Stärke der Zentralgewalt ab. So vermochte die ständische Vertretung in Frankreich, die Generalstände, aufgrund der Festigkeit der königlichen Verwaltungsorganisation nur begrenzt ihre Interessen gegen das Königtum durchzusetzen. Dagegen wurde im erstmals im Jahre 1468 so bezeichneten »Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation« die Zentralgewalt zunehmend durch die Übermacht der Fürsten gelähmt, die sich ihrerseits mit den Landständen auseinander zu setzen hatten, in denen fast durchweg der Adel dominierte.
 
Im Unterschied zu der vom fränkischen Großreich ausgehenden Entwicklung, die weite Teile West- und Mitteleuropas geprägt hat, erfolgte die Herausbildung des Feudalstaates und eines Feudaladels in der Kiewer Rus nicht unter direkter Berührung und Einflussnahme antiker Verhältnisse. Hingegen war auch in Altrussland die druschina, also die Gefolgschaft, der Ausgangspunkt für die Entstehung einer adligen Oberschicht. Eine Besonderheit bestand darin, dass skandinavische Gefolgschaften, hier Waräger genannt, bei diesem Prozess eine wichtige Rolle spielten. Wahrscheinlich zu Beginn der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts begründeten warägische Gefolgschaftsführer in Nowgorod und Kiew ihre Herrschaft über slawische Stämme, bei denen die Auflösung der Gentilordnung bereits eingesetzt hatte. Kiew wurde zum Zentrum eines ostslawischen Großreiches, das unter der Herrschaft der schnell slawisierten Nachkommen der warägischen Eroberer stand.
 
Aus der anfangs wenig differenzierten Gefolgschaft entstanden zwei Gruppen von Gefolgsleuten mit unterschiedlichem politischem und sozialem Gewicht. Die Angehörigen der »älteren Gefolgschaft« (starschaja druschina), die »guten Männer« (dobryje muschi), »besten Männer« (ljepschije muschi), die schließlich Bojaren genannt wurden, bekleideten die wichtigsten Funktionen in der fürstlichen Verwaltung, besaßen einen eigenen Hof mit eigener Verwaltung und verfügten über eine eigene Gefolgschaft. Aus ihnen ist das russische Bojarentum hervorgegangen, mit dessen gesellschaftlicher und politischer Kraft die Fürsten stets zu rechnen hatten. Aus den Mitgliedern der »jüngeren Gefolgschaft«, den Jungen (junie), »Schwertträgern« (metschniki), die seit der Mitte des 12. Jahrhunderts Dworjanen (Hofleute) hießen, entstand der niedere Adel.
 
Seit dem 11. Jahrhundert traten zunehmend Zersetzungserscheinungen des Großreiches der Kiewer Rus auf, die schließlich zu seiner faktischen Auflösung in mehrere Fürstentümer führte. Eine eigenartige Erscheinung innerhalb der Rus war die oligarchisch bestimmte Stadtrepublik Nowgorod, in der eine Stadtaristokratie, die sich aus Bojaren, ehemaligen Dworjanen und Fernkaufleuten gebildet hatte, die wichtigsten Ämter besetzte und den Fürsten auf die Rolle eines vertraglich gebundenen Heerführers und Gerichtsherren begrenzte.
 
Während der Tributherrschaft der Mongolen, die im 1. Drittel des 13. Jahrhunderts begann und bis zum Ende des 15. Jahrhunderts andauerte, hat sich die soziale Struktur der russischen Teilfürstentümer kaum geändert. An der Spitze der Gesellschaftspyramide standen die aus dem Rurikidenhaus stammenden Fürsten. Diese verfügten über unterschiedliche wirtschaftliche und politische Macht, waren aber als Personen im Rahmen der Senioratsverfassung ursprünglich gleichberechtigt. In einigen nordöstlichen Fürstentümern setzte sich allerdings die Erblichkeit jeweils innerhalb einer Linie der Rurikiden durch, sodass diese größere Stabilität gewannen und eine Vorrangstellung erlangen konnten. Daher ist es kein Zufall, dass die Vereinigung Russlands unter Führung des Moskauer Fürstentums begann und im 16. Jahrhundert ihren Abschluss fand.
 
Der unter den Fürsten stehende Adel zerfiel weiterhin in die beiden Hauptgruppen der hochadligen Bojaren und der kleinadligen Dworjanen. Die Bojaren verfügten über erblichen Grundbesitz, der sie vom Fürstendienst unabhängig machte. Die Dworjanen besaßen dagegen in der Regel nur ein Dienstgut (pomestje). Verließ der pomeschtschik den Fürstendienst, so wurde sein Gut wieder eingezogen.
 
Durch das in Russland herrschende Prinzip permanenter Erbteilungen war der Adel insgesamt zunehmend auf den Fürstendienst als Erwerbsquelle angewiesen. Als mit dem Aufstieg Moskaus der Dienst beim Großfürsten immer attraktiver wurde, traten auch Rurikiden als »Dienstfürsten« in den großfürstlichen Dienst, wodurch sich der Konkurrenzkampf um einträgliche Ämter verschärfte. Diese Entwicklung führte am Ende des 15. Jahrhunderts zum System des mestnitschestwo, das in diesem Zusammenhang etwa Rangordnung bedeutet: Jedem Adligen sollte ein fester Platz innerhalb der Gesamtheit des Adels zugewiesen werden, wobei Abstammung, Verdienste der Vorfahren und eigene Verdienste die ausschlaggebenden Kriterien für die Einordnung waren. Bei den endlosen Streitigkeiten, die aus diesem System erwuchsen, trat der Großfürst als Schlichter und Schiedsrichter auf. Unter dem mestnitschestwo konnten daher keine Voraussetzungen für die Herausbildung eines machtpolitischen Gegengewichts des Adels gegenüber dem Fürsten entstehen. Die nur aus Vertretern des Hochadels bestehende Bojarenduma, die von den Großfürsten und später den Zaren ziemlich regelmäßig einberufen wurde, übte zwar zuweilen nicht unerheblichen Einfluss auf die Herrscher aus, war aber keine ständische Vertretungskörperschaft, sondern ein reines Beratungsgremium.
 
Eine weitere Besonderheit des Adels im mittelalterlichen Russland war, dass er nur eine begrenzte Herrschaft über Untertanen ausübte. Die Bauern auf Gutsbesitzer-, Kirchen- oder Klosterland hatten zwar Leistungen in Form von Natural- und Geldabgaben und Spann- und Handdiensten zu erbringen, waren aber keine hörigen oder gar leibeigenen Untertanen, sondern persönlich frei. Sie konnten jederzeit ihren Hof und den Grundherren verlassen, wenn sie bis dahin ihren Verpflichtungen nachgekommen waren. Erst im 15. Jahrhundert kam es zu Einschränkungen des Abzugsrechts der Bauern auf bestimmte Tage, dann auf nur einen Tag, den Sankt-Georgs-Tag im Herbst.
 
 Der Adel in der frühen Neuzeit
 
Die frühe Neuzeit, die etwa den Zeitraum von Ende des 15. bis Ende des 18. Jahrhunderts umfasste, war in Europa eine Epoche tief greifender Widersprüche und Umbrüche in Politik und Wirtschaft sowie in sozialer, rechtlicher und geistig-kultureller Hinsicht, die den Übergang zum bürgerlich-kapitalistischen Zeitalter vorbereitete. Der im Mittelalter politisch herrschende und wirtschaftlich lange Zeit vorherrschende Adel unterlag dabei — durch den Zwang zur Anpassung oder im Ergebnis sozialer Auseinandersetzungen, die in den Niederlanden, England und Frankreich in Revolutionen mündeten — einem erheblichen Umwandlungsprozess.
 
Das im Ständestaat gesicherte politische Mitbestimmungsrecht des Adels erfuhr durch neue Formen politischer Machtausübung zum Teil weitgehende Einschränkungen. Der dualistische Ständestaat konnte den neuen Anforderungen nicht gerecht werden, und in fast allen europäischen Staaten machte sich zumindest die Tendenz zur Beseitigung des Dualismus und der Konzentration der politischen Macht bei einer der beiden staatstragenden Kräfte bemerkbar. Fast überall in Europa führte dies zur Stärkung der monarchischen Komponente und zur Entstehung absolutistischer Staaten. Es war aber auch möglich, dass die monarchische Komponente weitgehend eingeschränkt wurde, so in England nach der Revolution des 17. Jahrhunderts, oder gar ausgeschaltet, so in den Niederlanden nach der Revolution des 16. Jahrhunderts.
 
Der Absolutismus, der seine klassische Ausprägung im Frankreich Ludwigs XIV. erhielt, führte in der Regel zur Beseitigung der zentralen Ständeversammlungen und zur Vereinigung von Legislative, Exekutive und Judikative in den Händen des Herrschers, dessen wichtigste Stützen die Armee, ein Beamtenapparat und die Kirche waren. Das Absolute im Absolutismus ist allerdings zu relativieren, weil nirgends — auch in Frankreich nicht — alle Möglichkeiten ständischer Aktivität und Einflussnahme auf den Herrscher aufgehoben waren. Auf provinzieller Ebene und in noch darunter liegenden regionalen Einheiten, zum Beispiel in den preußischen Kreisen, bestanden zumindest für den Adel ständische Körperschaften fort, die ihm die Möglichkeit zur Selbstvergewisserung, Meinungsbildung und zur Akzentuierung seiner Interessen gegenüber dem Herrscher boten. Die unmittelbare Mitwirkung des Adels an der Gesetzgebung, das Steuerbewilligungsrecht und die Mitbestimmung in der Außenpolitik gingen jedoch im absolutistischen Staat verloren.
 
Beinahe überall leistete der Adel Widerstand gegen die Einschränkung seiner politischen Privilegien: In Spanien musste Karl I. — als Kaiser Karl V. — die aristokratische Opposition der Granden, des spanischen Hochadels, zähmen, die zeitweise mit dem Aufstand der comuneros (1519—23), eines Zusammenschlusses kastilischer Städte, der vor allem die Interessen des städtischen Bürgertums und des Handwerks vertrat, sympathisierten; die niederländische Revolution (1566—88) wurde am Anfang durch den adligen Widerstand gegen absolutistische Bestrebungen Philipps II. von Spanien geprägt; in Frankreich musste die antiabsolutistische Opposition des Parlaments in der Parlamentsfronde (1648/49) und die des Hochadels in der Prinzenfronde (1650—53) niedergeschlagen werden.
 
Der absolutistische Staat war aber trotz der Verdrängung des Adels aus zentraler politischer Verantwortung und trotz der Übernahme neuer, zum Teil bürgerlicher Elemente in die Herrschaftspraxis ein Staat des Adels. Die Herrschaft des Adels über seine Untertanen, seine sozialen und wirtschaftlichen Privilegien wurden gesichert; Versuche durch Joseph II. von Österreich und Friedrich II. von Preußen, diese Privilegien einzuschränken, blieben im Ansatz stecken. Im Grunde sicherte der Absolutismus durch die Anpassung des Staates an veränderte Verhältnisse die gesellschaftliche Führungsposition des Adels. Die bestehende Ordnung wurde auch mit militärischen Mitteln gewahrt, Beispiele sind die Unterwerfung der großen Bauernaufstände in Frankreich, England und Russland vom 16. bis 18. Jahrhundert.
 
Der niedere Adel war an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit in eine krisenhafte Situation geraten. Durch das Aufkommen der Söldnerheere schwand seine Bedeutung als Kriegerstand und die Durchsetzung der Ware-Geld-Wirtschaft minderte den Wert der seit langem festgeschriebenen bäuerlichen Abgaben. Wegelagerei und Raubrittertum waren zeitweise die Folgen dieser Entwicklung. Im ostelbischen Europa fand er eine Lösung durch den Einstieg in den Getreidehandel, der bei dem wachsenden Bedarf in westeuropäischen Ländern ein einträgliches Geschäft wurde. Der Drang, selbst zum Großproduzenten für Getreide zu werden, führte zum Bauernlegen, zur Entstehung großer Gutswirtschaften, zur Steigerung der bäuerlichen Frondienste und zur vollen Durchsetzung der Hörigkeit bzw. Leibeigenschaft der Bauern im östlichen Deutschland, in Polen und in Russland.
 
 Der Adel im bürgerlichen Zeitalter
 
Das 19. Jahrhundert führte zu grundlegenden Änderungen in der gesellschaftlichen Stellung des europäischen Adels. In einigen Ländern waren allerdings schon vorher durch evolutionäre Entwicklungen oder jähe Eingriffe Wandlungen erfolgt. In der Republik der Niederlande waren die nach der Revolution des 16. Jahrhunderts weiterexistierenden Adelsfamilien zwar nicht ohne Ansehen und Einfluss, spielten aber im politischen Leben keine entscheidende Rolle mehr. Dies änderte sich auch nicht nach dem Wiener Kongress 1815 in der Monarchie. In England vertrat der seit dem Ende des 15. Jahrhunderts entstandene Neuadel bei Wahrung aristokratischer Lebensformen ähnliche Interessen wie das Großbürgertum. In Frankreich hatte die Revolution von 1789 bis 1795 den alten Feudaladel vernichtet. Die im 19. Jahrhundert durch den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg des Bürgertums verursachten Reformen führten mehr und mehr zum Abbau adliger Privilegien und zur Beseitigung seiner Herrschaft über Menschen. In diesem Zusammenhang ist an die Preußischen Reformen nach 1807, die Ergebnisse der Revolution von 1848/49 und die Aufhebung der Leibeigenschaft in Russland 1861 zu erinnern.
 
Der Adel vermochte aber in den meisten europäischen Staaten bis in das 20. Jahrhundert hinein politischen Einfluss und wichtige Führungspositionen zu behaupten. Dies gelang ihm unter anderem durch die Nutzung seit langem ausgeprägter Fähigkeiten und Talente, durch von den Familienverbänden getragene Protektion, durch die Anpassung an die neue kapitalistische Wirtschaftsweise und durch die Verschmelzung mit dem Großbürgertum.
 
In den Ländern, die am Ende des Ersten Weltkriegs von Revolutionen erfasst wurden, erfolgte zumeist die Aufhebung des Adels als Stand, in einigen Ländern, zum Beispiel Österreich, wurde auch die Führung von Adelstiteln verboten. In Russland wurden in der Oktoberrevolution von 1917 alle Standesunterschiede und Titel aufgehoben, die Adelsgüter enteignet, in Staatsbesitz genommen und an Bauern und die landarme Dorfbevölkerung aufgeteilt. In den ehemaligen sozialistischen Staaten verfuhr man nach 1945 mit dem Adel in der Regel nach dem Vorbild Sowjetrusslands.
 
Prof. Dr. Klaus Vetter
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Bürgertum: »Elite« zwischen Adel und Proletariat
 
Literatur:
 
Adel, in: Lexikon des Mittelalters, herausgegeben von Robert-Henri Bautier u. a., Band 1. München u. a. 1980.
 
Der Adel an der Schwelle des bürgerlichen Zeitalters. 1780-1860, herausgegeben von Armgard von Reden-Dohna u. a. Wiesbaden u. a. 1988.
 Bosl, Karl und Mommsen, Hans: Adel, in: Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft, herausgegeben von Claus Dieter Kernig, Band 1. Freiburg im Breisgau u. a. 1966.
 Childe, V. Gordon: The dawn of European civilization. London 51950.
 Childe, V. Gordon: Der Mensch schafft sich selbst. Aus dem Englischen. Dresden 31959.
 
Europäischer Adel 1750-1950, herausgegeben von Hans-Ulrich Wehler. Göttingen 1990.
 Morgan, Lewis H.: Ancient society. Or researches in the lines of human progress from savagery, through barbarism to civilization. London 1877.
 Roßbach, Johann Joseph: Geschichte der Gesellschaft, Band 1: Die Aristokratie. Würzburg 1868.


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