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BAROCKARCHITEKTUR: KLASSIZISTISCHE TENDENZEN

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Barockarchitektur: Klassizistische Tendenzen
 
Die Architektur in Frankreich und im protestantischen Nordeuropa unterscheidet sich in einer Reihe künstlerischer Gestaltungsmittel deutlich vom Barock der südlichen Länder: Die Baukörper sind vergleichsweise präzise umrissen und bestechen durch geometrische und stereometrische Klarheit. Auf kurvierte Grundrisse sowie auf dynamisierte Flächen und Räume wird weitgehend verzichtet. Die plastische Bauzier bleibt in den tektonischen Zusammenhang eingebunden. Die kühle Eleganz lässt eine rationale Entwurfsleistung erkennen. Bei aller Vielfalt steht hinter den einzelnen Lösungen aber immer ein strenges Regelwerk. Zu den bevorzugten Vorbildern zählen die klassische Antike, die römische Renaissance und die Formensprache Andrea Palladios. Die Stilgeschichte prägte für diese Architektur den Begriff des »Barockklassizismus«. Im Gegensatz zum Klassizismus um 1800 sah sich die Baukunst des 17. und frühen 18. Jahrhunderts aber noch in einer Tradition, die über die Renaissance auf das klassische Altertum zurückreicht; sie begegnete der Antike daher noch nicht im Bewusstsein historischer Distanz.
 
Der zielgerichtete Aufbau der absolutistischen Monarchie in Frankreich, der sich auch einer dirigistischen Kunstpolitik bediente, begann 1589 unter Heinrich IV.: In Paris entstanden regelmäßig bebaute Plätze mit einheitlichen Fassaden, darunter als besonderer städtebaulicher Akzent die Place Dauphine, der gegenüber in der Mitte des Pont Neuf das erste neuzeitliche Königsdenkmal aufgestellt wurde.Die französische Klassik begründeten Neuerungen im Schlossbau, etwa das Palais du Luxembourg in Paris, das Salomon de Brosse für Maria von Medici, die Witwe Heinrichs IV., errichtete. Anregungen für die barocken Schlösser boten auch die Hôtels, die palastartigen Wohnsitze des Adels in den Städten, mit ihren prächtigen Hof- und Gartenanlagen und ihrer Raumgliederung, die einer verfeinerten Wohnkultur entsprach.
 
Ein Schlüsselwerk der französischen Architektur wurde dann die Ostfassade des Louvre, ab 1667 nach einem Entwurf von Claude Perrault, Louis Le Vau und Charles Le Brun errichtet. Nachdem die bedeutendsten Künstler Europas, zuletzt Bernini, Pläne für die Gestaltung der Stadtseite des Pariser Königsschlosses vorgelegt hatten, wählte man eine nationale Lösung, in der die Vorbilder - das französische Schloss und der römische Barockpalast - in eine neuartige Architektur von zeremonieller Vornehmheit überführt werden: Eine abschließende Horizontale fasst alle Bauteile zusammen, die Fassade ist klar in Risalite und Trakte gegliedert, die königliche Zone über dem schlichten Sockel wird ausgezeichnet durch elegante Doppelsäulen, die hier zudem nach Art antiker Tempel frei stehen. Auch die Denkmalplätze, die dem König in Paris und den großen Städten des Landes gewidmet wurden, zeigten einheitliche Fassaden nach diesem Muster.
 
Noch während der Arbeiten am Louvre wandte König Ludwig XIV. sein Interesse dem Ausbau von Versailles zu. Vaux-le-Vicomte, das Schloss seines entmachteten Finanzministers, galt mit der Architektur Le Vaus, der Innendekoration Le Bruns und der Gartenanlage André Le Nôtres als Vorbild für die Einheit aller Künste; alle drei genannten Künstler zeichneten auch für Versailles verantwortlich. Nach dem Schema der Ostfassade des Louvre ummantelte Le Vau zunächst das alte Schloss, das dann Jules Hardouin-Mansart ab 1678 nochmals beträchtlich erweiterte. Vom Louvre - aber auch von der gotischen Sainte-Chapelle - unmittelbar inspiriert ist das Innere der 1710 von Robert de Cotte fertig gestellten Schlosskapelle, in der erstmals eine Kolonnade die Wölbung trägt. Den durch Le Vau, Perrault und Hardouin-Mansart geprägten französischen Hofstil entwickelte dann in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem Ange-Jacques Gabriel weiter, dessen Spätwerk schon den Frühklassizismus vorbereitete.
 
Kunst war also im Zeitalter des Absolutismus eine öffentliche Angelegenheit. Architektur wurde von der königlichen Akademie überwacht, nach ästhetischen Normen gelehrt, gelernt und beurteilt. Ein Gebäude sollte demnach die Bauaufgabe und den Rang des Bauherrn sichtbar machen. Einzelformen und ihre Kombination sowie die Proportionen und die Komposition der Bauteile waren weitgehend durch ein Regelwerk festgelegt, das trotz aller künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten eine gestalterische Einheitlichkeit und ein seither kaum wieder erreichtes allgemeines Qualitätsniveau garantierte.
 
Die französischen Kirchen dieser Zeit waren zumeist basilikale Richtungsbauten. Ihre Gesamtanlage und Wölbung zeugen noch vom Nachwirken der Gotik, während sich die Einzelformen antikisierend in der Manier des römischen Frühbarock geben. Weitaus interessanter sind die wenigen überkuppelten Zentralbauten, unter denen der 1706 nach Entwürfen Hardouin-Mansarts fertig gestellte »Invalidendom« herausragt. Klassisch streng erscheint sein kubischer Unterbau, klassisch auch die korrekte Ausbildung der Säulenordnungen. Doch deren dramatische Steigerung zur Mitte hin und die bewegte, mit römischen Vorbildern wetteifernde Kuppel führen barocke Elemente ein.
 
Verglichen mit Frankreich, erweist sich die englische Architekturszene geradezu als pluralistisch: In England setzte die Akademisierung erst ein, als sich auf dem Kontinent die klassische Doktrin bereits auflöste. Auch lehnte die anglikanische Staatskirche die Prachtentfaltung, die die Gegenreformation kennzeichnet, ab. Zudem spielte der Hof, dessen Machtstellung in den englischen Revolutionen des 17. Jahrhunderts zugunsten des Parlaments beschnitten wurde, keine beherrschende Rolle. Gleichwohl orientierte sich der königliche Palast von Hampton Court, der ab 1689 durch Christopher Wren errichtet wurde, an Versailles. Hier gelang dem bedeutendsten englischen Architekten der Zeit um 1700 eine Synthese aus französischer Klassik, gemäßigten Tendenzen des römischen Barock, einheimischer Tradition und niederländischen Elementen, die sich vor allem in der virtuosen Gestaltung von Backsteinbauten mit Hausteingliederungen zeigen.
 
Die ganze Breite seiner Kunst entfaltete Wren in seinen Kirchenentwürfen nach dem großen Stadtbrand Londons von 1666. Sein Programm gipfelte im 1675 begonnenen Neubau von Saint Paul's Cathedral. Kirchenpolitisch und typologisch konkurriert dieser Kuppelbau, der Anleihen bei Michelangelo und Bernini macht, mit Sankt Peter in Rom. Der Stil, insbesondere die Vorliebe für Kolonnaden, ist aber ohne Wrens Begegnung mit der französischen Klassik kaum zu erklären. Gleiches gilt für das ab 1694 von Wren errichtete Royal Naval Hospital in Greenwich, dessen symmetrisch gestaffelte Baukörper das Queen's House in die Mitte nehmen, das Inigo Jones, der Begründer des englischen Palladianismus, zwischen 1616 und 1635 erbaut hatte.
 
Eine Generation jünger als Wren waren John Vanbrugh und Nicholas Hawksmoor, die dessen klassizistische Variante des Barock zu einem kühnen Eklektizismus erweiterten, der mit überkommenen Formen und Stilmerkmalen, darunter auch denen der Gotik, überaus frei umging. Vanbrughs Schlossbau Blenheim Palace ist nach Umfang und Anspruch aber eher ein Einzelfall in der englischen Architektur, denn hier wurden Villen und Landsitze bestimmend. Als Vorbild dienten besonders die Werke des Renaissancearchitekten Andrea Palladio in Venetien, in denen das antike Landhaus wiedererstanden und in gültige Gestalt gebracht schien. Die Hauptvertreter des Palladianismus waren Colen Campbell, Richard Boyle, Earl of Burlington und William Kent. Mit der palladianischen Bauweise formulierten die gesellschaftliche Oberschicht und die intellektuelle Elite geradezu einen liberalen Gegenentwurf zum französischen Absolutismus. Entsprechend wurde der englische Landschaftspark mit seiner Abfolge bildhafter, wie naturwüchsig gestalteter Situationen das programmatische Gegenmodell zum formalen französischen Schlossgarten mit seiner rigiden Geometrie.
 
In Brandenburg-Preußen standen um 1700 barocke Baugedanken süddeutsch-italienischer Prägung - man denke an Andreas Schlüters Entwürfe für das Schloss in Berlin - neben Lösungen nach dem Muster der französischen Klassik. Erst unter Friedrich II., dem Großen, dominierten im Außenbau französische Gestaltungsmerkmale, etwa in den von Friedrich und seinem Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff entworfenen Kolonnadengängen in Schloss Rheinsberg, am Stadtschloss in Potsdam und in Sanssouci. Zugleich orientierte man sich auch am englischen Palladianismus, wie es am deutlichsten das Berliner Opernhaus zeigt. Für Innendekorationen hingegen favorisierte der König das Rokoko - selbst dann noch, als es schon aus der Mode geraten war.
 
Das Barock erreichte auch europäische Kunstlandschaften, die bislang von klassischen Architekturformen weitgehend unberührt geblieben waren. Schwedens bedeutendster Architekt, Nicodemus Tessin der Jüngere, war durch Studienreisen sowohl mit dem Barock als auch mit der französischen Klassik vertraut. In Russland bildete das 1703 von Zar Peter I., dem Großen, gegründete Sankt Petersburg das Tor für die kulturelle Öffnung nach Westen. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts bestimmten Barock und Rokoko mittel- und südeuropäischer Prägung die Architektur der neuen Hauptstadt und der umliegenden Schlösser. Erst unter Katharina II., der Großen, führten die engen künstlerischen Beziehungen zu Frankreich einen Wechsel der Leitbilder herbei. Der importierte spätklassische Stil in der Art Gabriels leitete unmittelbar über zu den Prachtbauten des Klassizismus um und nach 1800.
 
Prof. Dr. Michael Hesse
 
Literatur:
 
Bauer, Hermann: Barock. Kunst einer Epoche. Berlin 1992.
 
Die Kunst des Barock. Architektur, Skulptur, Malerei, herausgegeben von Rolf Toman. Köln 1997.
 
Die Kunst des 17. Jahrhunderts, bearbeitet von Erich Hubala. Beiträge von Per Bjurström u. a. Sonderausgabe Berlin 1990.
 Middleton, Robin und Watkin, David: Klassizismus und Historismus. 2 Bände. Aus dem Italienischen. Stuttgart 1987.
 Summerson, John: Die Architektur des 18. Jahrhunderts. Aus dem Englischen. Stuttgart 1987.


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