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EUROPA ZWISCHEN MITTELALTER UND NEUZEIT: DIE GLOBALISIERUNG EINES KONTINENTS

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Europa zwischen Mittelalter und Neuzeit: Die Globalisierung eines Kontinents
 
Zwischen dem 13. und dem 16. Jahrhundert vollzog sich in Europa ein epochaler Wandel. Das Wachstum der Bevölkerung, die Stadtentwicklung mit dem Aufkommen eines selbstbewussten Bürgertums, die globale Ausweitung des Handels, neue Techniken und nicht zuletzt ein zunehmend säkularisiertes Menschen- und Weltbild bildeten die Grundlage für diesen Umbruch. An seinem Ende stand die moderne Welt mit ihren neuen Vorstellungen von Philosophie und Religion, ihrer starken Hinwendung zu den Realitäten von Natur und Welt, ihren vielfältigen Erfindungen und Entdeckungen, ihren veränderten politischen und wirtschaftlichen Systemen, ihren expansiven und progressiven Kräften.
 
Mit dem Aufbruch Europas im geistigen, wirtschaftlichen und technischen Bereich begann zugleich die europäische Ausbreitung über die Welt. Die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus 1492 und die Landung Vasco da Gamas in Indien 1498 markieren einen welthistorischen Wendepunkt.War den Europäern zu Beginn des 15. Jahrhunderts noch der weitaus größte Teil der Erde unbekannt, so setzte nunmehr eine Erweiterung des Gesichtskreises ein, die schließlich den gesamten Planeten umfasste.
 
Zunächst einmal vollzog sich in dieser Revolution das, was man den Umschlag vom Mythos zur Realität genannt hat. Gemeint sind hiermit das Ende der von Mythen, Legenden und biblischen Vorstellungen bestimmten Versuche in Antike und Mittelalter, die unbekannte Welt zu entschleiern, und die nunmehr systematisch und rational betriebene Erweiterung der geographischen Kenntnisse und des von der Kugelgestalt der Erde bestimmten Weltbildes. Zugleich wuchs das Bewusstsein globaler Zusammenhänge.
 
Diese Globalisierung der Weltgeschichte vollzog sich allerdings unter europäischen Vorzeichen. Auch wenn andere Kulturen neue Siedlungsräume erschlossen, kolonisierten und Reiche bildeten — der Expansionismus allein war kein schlechthin europäisches Phänomen — so haben letztlich doch nur die christlich-abendländischen Wert- und Zielvorstellungen eine derartige wirtschaftliche, technisch-militärische und geistige Dynamik freigesetzt. Weder Araber, Mongolen oder Türken, obgleich sie weit nach Europa vorstießen, noch Chinesen, die zu Anfang des 15. Jahrhunderts in mehreren Expeditionen bis zu den Küsten Ostafrikas vorgedrungen waren, prägten die Weltgeschichte, sondern das christliche Europa. Die Dynamik Europas war es, die alle Kontinente miteinander in Verbindung brachte.
 
Zentrale Voraussetzung für diesen expansiven Prozess war der Übergang von der Universalmonarchie des Mittelalters zu den nationalen Staatsformen der Neuzeit. Ihre Ausbildung auf der Basis einer sich formierenden Bürokratie und im Bündnis mit dem aufsteigenden Bürgertum gegen Klerus und Adel führten zu jenem modernen Staat, der Expansion als ein Mittel der Stabilität begriff.
 
Eine Folge der europäischen Expansion war das Ausgreifen europäischer Handelsinteressen auf die übrige Welt. Auch die Migration europäischer Siedler, die zur Entstehung »europagener Gesellschaften« in Nordamerika, Teilen Iberoamerikas, Südafrikas, Australiens, Neuseelands und Sibiriens geführt hat, gehört zu den Auswirkungen der europäischen Expansion. »Europäisierung der Erde« meint ferner die Ausbreitung europäischer Sprachen, Institutionen, Technologien und Produktionsweisen über Europa hinaus. Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts bereitete den Weg zur weltweiten Informationsgesellschaft. Auf diese Weise sind wiederum europäische Rechts- und Staatsvorstellungen, aber auch die modernen Individualitäts- und Menschenrechte außerhalb Europas bekannt geworden. Schließlich beinhaltete die Ausweitung Europas auch einen Prozess der geistig-kulturellen Expansion und »spirituellen Eroberung«; stand das europäische Abendland doch noch immer unter dem Weltbild des orbis christianus und einer — seit der Reformation — auch verinnerlichten Sendungsidee.
 
Freilich wäre es verfehlt, die Globalisierung der Erde einseitig unter europäischen Vorzeichen zu sehen. Andere Kontinente und fremde Kulturen haben ihrerseits auf Europa zurückgewirkt, angefangen von veränderten Ernährungsgewohnheiten über differenziertere Wirtschaftsstrukturen bis hin zu religiös-kulturellen Synkretismen (Verschmelzungen). Zudem waren auch nahezu alle von europäischem Kolonialismus, Imperialismus und abendländischer Zivilisation betroffenen Völker durchaus als Handelnde an den historischen Prozessen beteiligt, die sie in nicht geringem Umfang nach ihren Vorstellungen und Möglichkeiten zu gestalten wussten. Erst aus dieser wechselseitigen Beeinflussung und Befruchtung ist die moderne Welt hervorgegangen.
 
Prof. Dr. Horst Gründer
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Expansionismus Europas: Seine italienischen Anfänge im Spätmittelalter
 
Literatur:
 
Burckhardt, Jacob: Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Herausgegeben und mit einer Einführung von Walter Rehm. Neudruck Stuttgart 1994.


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