Camus
[ka'my],
1) Albert, französischer Schriftsteller und Philosoph, * Mondovi (heute Deraan, bei Annaba, Algerien) 7. 11. 1913, ✝ (Autounfall) bei Villeblevin (Département Yonne) 4. 1. 1960; studierte Philosophie in Algier, war Journalist (1938-40 am »Alger républicain«), arbeitete für das Theater, siedelte nach dem Verbot des »Alger républicain« 1940 nach Paris über, hatte Kontakte zur Résistance (Mitarbeit an deren Zeitung »Combat«), lernte 1944 J.-P. Sartre kennen. Im Algerienkrieg unternahm er zahlreiche Vermittlungsversuche. 1957 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
Camus' literarischem Werk liegt die Philosophie des Absurden zugrunde, der Widerspruch zwischen dem vom Menschen angestrebten sinnvollen Handeln und seiner angenommenen Unerreichbarkeit. Aus dieser Spannung entwickelt sich die Revolte (»L'étranger«, Roman, 1942; deutsch »Der Fremde«), im ständigen Aufbegehren gegen die Sinnlosigkeit findet der Einzelne den Weg über sich selbst hinaus zur Solidarität mit den Mitmenschen, exemplarisch in dem Roman »La peste« (1947; deutsch »Die Pest«).Die Revolte gegen die Absurdität der Welt und des Lebens und das Annehmen dieser Absurdität bedeuten zugleich die Überwindung des Absurden (»Le mythe de Sisyphe«, Essay, 1942; deutsch »Der Mythos von Sisyphos«). Sie hat ihren Grund in der Erkenntnis menschlicher Werte, und sie macht (in Abwandlung des Satzes von Descartes »ich denke, also bin ich«) die Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung des Menschen erst möglich (»ich empöre mich, also sind wir«). Diese Sicht der Revolte (»L'homme révolté«, Essay, 1951; deutsch »Der Mensch in der Revolte«) führte Camus' Bruch mit J.-P. Sartre herbei, der, anders als Camus, seine existenzialistische Weltanschauung mit einer Auffassung der Revolte als Revolution im Sinne des Marxismus verband. Der hohe moralische Anspruch Camus' zeigt sich auch in seiner letzten Erzählung, »La chute« (1956; deutsch »Der Fall«), einer Kritik menschlicher und bürgerlicher Selbstgerechtigkeit. Der Maßlosigkeit in jeder Form stellte er das »mittelmeerische Denken« gegenüber, eine an Maß, Schönheit und der menschlichen Natur ausgerichtete Sehweise, die in zahlreichen Bildern und einer klassischen Sprache ihren Ausdruck fand. Der erst 1994 aus dem Nachlass veröffentlichte Text »Le premier homme« (deutsch »Der erste Mensch«) ist das Fragment eines autobiographischen Romans über die Kindheit in Algerien.
Weitere Werke: Romane und Erzählungen: L'exile et le royaume (1957; deutsch Das Exil und das Reich); La mort heureuse (herausgegeben 1971; deutsch Der glückliche Tod).
Dramen: La révolte dans les Asturies (1936); Caligula (1944; deutsch); Le malentendu (1944; deutsch Das Mißverständnis); L'état de siège (1948; deutsch Der Belagerungszustand); Les justes (1950; deutsch Die Gerechten).
Bearbeitungen für die Bühne: La dévotion à la croix (1953; nach »La devoción de la cruz« von Calderón); Les possédés (1959; deutsch Die Besessenen; nach »Besy« von F. M. Dostojewskij).
Essays: L'envers et l'endroit (1937; deutsch Licht und Schatten); Noces (1938; deutsch Hochzeit des Lichts); Le minotaure (1939; deutsch Minotaurus); Lettres à un ami allemand (1945; deutsch Briefe an einen deutschen Freund); Actuelles, 3 Bände (1950-58); L'été (1954; deutsch Heimkehr nach Tipasa); Réflexions sur la peine capitale (1957).
Tagebücher: Carnets, 3 Bände (herausgegeben 1962-89; deutsch Tagebuch); Journaux de voyage (herausgegeben 1978).
Ausgaben: Œuvres complètes, herausgegeben von R. Grenier, 9 Bände (1983-84). - Gesammelte Erzählungen, übersetzt von G. G. Meister (147.-152. Tausend 1981); Dramen, übersetzt von G. G. Meister (Neuausgabe; 147.-149. Tausend 1993); Kleine Prosa (234.-236. Tausend 1995).
Literatur:
R. Quilliot: La mer et les prisons (Paris 1956);
G. Brée: A. C. (a. d. Amerikan., 1960);
J. Cruickshank: C. and the literature of the revolt (New York 1960);
J.-C. Brisville: C. (Neuausg. Paris 1969);
L. Pollmann: Sartre u. C. (31976);
H. R. Schlette: A. C., Welt u. Revolte (1980);
J. Hengelbrock: A. C. (1982);
A. Pieper: A. C. (1984);
M. Rath: A. C. Absurdität u. Revolte (1984);
A. C. Œuvre fermée, œuvre ouverte? (Paris 1985);
H. R. Lottmann: C. Eine Biogr. (a. d. Amerikan., 1986);
B. Sändig: A. C. Eine Einf. in Leben u. Werk (31992);
B. Sändig: A. C. (1995);
M. Lebesque: A. C. (a. d. Frz., 200.-201. Tsd. 1995).
2) Jean-Pierre, französischer Theologe und Schriftsteller, * Paris 3. 11. 1584, ✝ ebenda 26. 4. 1652; u. a. Bischof von Belley und Arras sowie Generalvikar von Rouen. Er war Schüler des heiligen Franz von Sales, dem er ein Erinnerungsbuch widmete (»L'esprit de Saint François de Sales«, 6 Bände, 1639-41; deutsch »Die Weisheit des Franz von Sales«) und von dem seine geistlichen Schriften beeinflusst sind. Daneben verfasste er zahlreiche Romane mit moralisierender Tendenz.
3) Marcel, französischer Filmregisseur, * Chappes (Département Ardennes) 21. 4. 1912, ✝ Paris 13. 1. 1984; hatte großen Erfolg mit »Orfeu negro« (1959), einer in Brasilien spielenden Version des Orpheus-und-Eurydike-Mythos; ferner: »Paradiesvogel« (1962); »Vivre la nuit« (1968).