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FARADAY: LEBEN UND ENTDECKUNGEN DES BRITISCHEN WISSENSCHAFTLERS

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Faraday: Leben und Entdeckungen des britischen Wissenschaftlers
 
Beim Namen Faradays denkt man vielleicht an einen faradayschen Käfig, an die Faraday-Gesetze der Elektrolyse oder allenfalls noch an die Einheit für die Kapazität von Kondensatoren, das Farad. Weitaus bekannter als in Deutschland ist Faraday in Großbritannien. Seine für Wissenschaftler auch dort ungewöhnlich große Popularität ist aber nicht neu. Schon zu seinen Lebzeiten war er weit über Fachkreise hinaus als großer Experimentator und Popularisator bekannt.
 
 Wissenschaft: Forschen und Vermitteln
 
Unter den wissenschaftlichen Arbeiten Faradays waren die zu Elektrizität und Magnetismus die innovativsten. In diesen Bereichen herrschte im frühen 19. Jahrhundert eine Aufbruchsstimmung. 1820 entdeckte der dänische Naturforscher Hans Christian ∅rsted, dass ein mit einem galvanischen Element verbundener Draht die Ausrichtung von in der Nähe befindlichen Kompassnadeln ändert. Dieser spektakuläre Befund löste eine Welle von Forschungsarbeiten in ganz Europa aus, deren herausragendstes Ergebnis der Entwurf einer neuen Theorie, der Elektrodynamik, durch den Pariser Mathematiker und Physiker André Marie Ampère war. Von einem ganz anderen Ansatz ausgehend gelang Faraday kurz darauf die Entdeckung der »magnetischen Rotation«, eines ersten Prinzips des Elektromotors.
 
10 Jahre später konnte er auf der Suche nach einer Umkehrung des ∅rstedschen Effektes zeigen, dass durch Bewegung von Magneten Elektrizität erzeugt werden kann. Dieser erstmalige Nachweis der elektromagnetischen Induktion rief großes Aufsehen hervor und stieß wichtige technische Entwicklungen an: Es wurden sehr rasch leistungsfähige Generatoren gebaut, und die alte Idee eines elektrischen Telegrafen erhielt erstmals eine funktionstüchtige Realisierung. Faraday erkannte die technische Bedeutung seiner Entdeckung, entschied sich aber dafür, dieses Feld anderen zu überlassen und stattdessen an grundsätzlichen Fragen weiterzuarbeiten. Im Laufe der nächsten 25 Jahre legte er eine Serie von Arbeiten zu Elektrizität und Magnetismus vor, die unter dem Titel Experimental-Untersuchungen über Elektricität erschienen und zu den einflussreichsten Veröffentlichungen in der Geschichte der Wissenschaften zählen. Nicht nur enthalten sie eine Reihe weiterer fundamentaler Entdeckungen; noch wichtiger sind die von Faraday eingeführten neuen Begriffe. Um die Bedingungen für Induktion möglichst allgemein anzugeben, stellte er die Verteilung der Kraft um einen Magneten durch ein System von Linien dar. Die Frage der physikalischen Existenz solcher Linien ließ er zunächst offen und gelangte erst im Laufe der nächsten Jahrzehnte zu einer positiven Antwort. Im Gegensatz zum Induktionseffekt selbst wurde diese Kraftliniendarstellung in der wissenschaftlichen Welt mit großer Skepsis aufgenommen. Zu sehr stand sie im Gegensatz zu gängigen Denkweisen. Das galt auch für die Einführung elektrischer Kraftlinien, zu der sich Faraday im Zuge seiner Arbeiten zur Elektrostatik veranlasst sah; in diesem Zusammenhang konstruierte er auch den berühmten, allseitig gegen äußere elektrische Einflüsse abgeschirmten »faradayschen Käfig«.
 
Angesichts der immensen theoretischen und technischen Bedeutung dieser Arbeiten treten Faradays Aktivitäten in der Chemie in den Hintergrund. Dabei verlief sein Weg in die Wissenschaft über die Chemie, und die einzige von ihm verfasste Monographie ist eine Anleitung zum chemischen Arbeiten im Labor. Seine Entdeckung der Chlorverflüssigung und seine analytischen Untersuchungen in Organik und Anorganik fanden weite Anerkennung. Weniger spektakulär, aber sehr zeitaufwendig waren die Arbeiten, die Faraday im öffentlichen und teils volkswirtschaftlichen Interesse unternahm. Außer mit der Verbesserung von Stahllegierungen und später von optischem Glas war er häufig mit Nachfragen zur Bestimmung der Zusammensetzung und Eigenschaften von Stoffproben befasst. In späteren Jahren waren es Gremien zur Verbesserung der Beleuchtungs- und Fokussierungssysteme von Leuchttürmen oder zur Konservierung von öffentlich ausgestellten Gemälden, zu denen er als Sachverständiger hinzugezogen wurde. Er sah solche Arbeiten als eine Ehrenpflicht der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft an.
 
Faradays Popularität beruhte wesentlich auf seiner öffentlichen Vortragsarbeit. Am Ort seiner Arbeit, der Royal Institution of Great Britain, führte er die »Freitagabendvorlesungen« ein, in denen für ein breites Publikum über den aktuellen Stand naturwissenschaftlicher Gebiete berichtet wurde. Er selbst übernahm im Laufe der Jahre über hundert Vorträge. Häufig referierte er über eigene Forschungsarbeiten, aber auch über ihm fern stehende Gebiete, die er sich zu diesem Zweck erarbeitete, wie astronomische Fotografie oder die Technik des Tunnelbaus unter der Themse. Er initiierte Vortragsreihen für Kinder und Jugendliche zur Weihnachtszeit, die ebenso wie die Freitagabendkurse großen Anklang fanden und zu einer feststehenden Einrichtung wurden. Ohne Übertreibung kann man Faradays wissenschaftliches Werk als eines der wichtigsten des 19. Jahrhunderts bezeichnen. Dabei waren sein Werdegang, sein privater Lebensraum und seine Arbeitsweise recht untypisch für die Wissenschaft im England seiner Zeit.
 
 Faradays Lehrjahre
 
Geboren in Newington (heute zu London) am 22. September 1791 erlebte Faraday seine Kindheit in einfachen Verhältnissen im Londoner Westen. Der eher dürftige Lohn, den sein Vater durch seine Arbeit als Grobschmied verdiente, musste für die ganze Familie — Faraday hatte drei Geschwister — ausreichen. Faradays Schulausbildung beschränkte sich auf das Elementarste; im Alter von 13 Jahren begann er, als Zeitungsjunge bei einem Buchhändler zu arbeiten. Dort nahm er ein Jahr später eine Lehre als Buchbinder auf. Schon während seiner siebenjährigen Lehrzeit machte sich Faradays Interesse an Naturwissenschaft bemerkbar. Er begann, in den Büchern, die er zu binden hatte, nach der Tagesarbeit zu lesen; darunter waren etwa ein Artikel in der »Encyclopedia Britannica« zur Elektrizität oder die populäre Darstellung der Chemie von Jane Marcet. Angeregt durch das Lesen begann er, kleine Experimente durchzuführen.
 
Sein gegen Ende der Lehrzeit stärker werdender Wunsch, einen Beruf in der Naturwissenschaft statt im Handwerk zu ergreifen, musste ihm selbst als ein unerfüllbarer Traum erscheinen. Im England des beginnenden 19. Jahrhunderts waren die Möglichkeiten, durch naturwissenschaftliche Arbeit den Lebensunterhalt zu bestreiten, außerordentlich rar. Die Royal Society of London besaß keine eigenen Laboratorien. Häufig waren es finanziell unabhängige »Gentlemen of Science«, die naturwissenschaftliche Forschung betrieben; Universitäten oder Institute mit diesem Ziel entstanden in London erst einige Jahrzehnte später. Allerdings war Faraday mit seinen naturwissenschaftlichen Interessen in der riesigen und rasch wachsenden Metropole nicht allein. Im Zuge einer breiten Bewegung zur Hebung des naturwissenschaftlichen und technischen Kenntnisstandes insbesondere der Handwerker wurden zunehmend Vortragsreihen angeboten, die gegen Entgelt jedem offen standen. Mit finanzieller Unterstützung seines Bruders nahm Faraday an solchen Vortragsreihen bei dem Silberschmied John Tatum teil. Aus den Gebieten Elektrizität, Galvanismus, Chemie, Hydrostatik, Optik, Wärmelehre, Geologie und Mineralogie stellte Tatum vor allem die experimentelle Seite vor; mathematische Formeln tauchten so gut wie nicht auf. Faraday fertigte Mitschriften an und arbeitete sie sorgfältig aus. Überdies bemühte er sich um Aufnahme in die City Philosophical Society, einer Eigeninitiative für Weiterbildung, die im Hause Tatums regelmäßige Treffen abhielt.
 
Entscheidend wurden für Faraday einige Vorträge, die er an der Royal Institution of Great Britain hörte. 1799 als private Stiftung gegründet, hat diese Einrichtung die allgemeine Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse zum Ziel. Im Gegensatz zur City Philosophical Society handelte es sich um eine philantropische Initiative gehobener Bevölkerungskreise, deren großzügige Spenden eine hervorragende Ausstattung der Einrichtung in einem eigenen Gebäude erlaubten. 1811 war die Einrichtung geprägt durch die Aktivitäten des Chemikers Humphry Davy, der den Ruf der Royal Institution auch als Zentrum der Forschung begründete. Durch geschenkte Eintrittskarten konnte Faraday an einigen Vorträgen Davys teilnehmen. Diese bestärkten ihn in seinem Berufswunsch, und er wandte sich mit der Bitte um eine wie auch immer geartete Anstellung an die Royal Society of London und ebenso an Davy; ihm sandte er auch eine gebundene Ausarbeitung der eben gehörten Vorträge. Während die Royal Society auf diesen ungewöhnlichen Schritt nicht reagierte, wurde Davy auf Faraday aufmerksam. Einige Monate später bot er Faraday, der inzwischen als Buchbindergeselle arbeitete, die überraschend frei gewordene Stelle eines Laborassistenten an. Mit Faradays Zusage verlegte sich sein Lebensschauplatz im Alter von 21 Jahren in das Gebäude der Royal Institution, wo er für viele Jahrzehnte blieb.
 
Schon nach wenigen Monaten machte Davy Faraday das Angebot, ihn auf einer Reise durch den europäischen Kontinent als Assistent zu begleiten. Trotz des Krieges in Europa — nach der Katastrophe im Russischen Feldzug rüstete sich Napoleon erneut, und England war durch die Kontinentalsperre isoliert — erhielt Davy, der wenige Jahre zuvor einen von Napoleon ausgesetzten wissenschaftlichen Preis gewonnen hatte, eine Sondererlaubnis zur Einreise nach Frankreich. Die über 18 Monate dauernde Reise durch alle wissenschaftlichen Metropolen Europas, u. a. Paris, Florenz, Rom und Genf, war für Faraday ein eindrucksvolles Erlebnis. Man traf die wichtigsten Naturforscher der Zeit und arbeitete an offenen wissenschaftlichen Fragen. Obgleich Faraday dabei in der Randfunktion als Laborassistent auftrat, ergaben sich wichtige persönliche Kontakte.
 
Zurück in London wurde Faraday intensiv in die Forschungen Davys eingebunden, der sich neben der Entwicklung einer Grubensicherheitslampe vor allem mit Fragen der chemischen Analytik befasste. Dabei entstanden auch Faradays erste eigene Forschungsarbeiten. In der City Philosophical Society hielt er, nun als Mitglied, eine Reihe von Vorträgen. Zwar war er noch nicht sehr bekannt und seine Stellung an das schwankende Wohl der Royal Institution gebunden; zugleich allerdings stand ihm das bestausgestattete Labor Englands zur Verfügung, zu dessen Direktor er schließlich 1825 ernannt wurde.
 
 Leben im kleinen Kreis und in der Öffentlichkeit
 
Als 29-Jähriger heiratete Faraday die neun Jahre jüngere Sarah Barnard. Kurz darauf wurde er — wie schon sein Vater — Mitglied der kleinen Sekte der Sandemanier, deren wesentlichstes Ziel es war, den ihr zu weltlich und leer erscheinenden Lebensweisen der anglikanischen Staatskirche ein Leben nach dem unmittelbaren Gebot der Bibel entgegenzusetzen. In der Gemeinde gab es keine Priester. Wichtige Entscheidungen traf ein Gremium von Ältesten. Ganz im Gegensatz zur britischen Gesellschaft der Zeit spielten Standesunterschiede keine Rolle; es waren fast alle Bevölkerungskreise außer der Aristokratie vertreten. Das Leben der kleinen Sekte — in ganz England hatte sie nie mehr als tausend Mitglieder — war durch einen enorm engen Zusammenhalt und gegenseitige Hilfeleistung geprägt. Viele wichtige Lebensbeziehungen kamen innerhalb des kleinen Kreises zustande und wurden dort gepflegt. Auch Sarah Faraday gehörte der Gemeinde an.
 
Faradays Leistungen in der Wissenschaft wurden wesentlich durch die Bereitschaft Sarah Faradays zur traditionellen Aufgabenverteilung in ihrem gemeinsamen Leben ermöglicht, und nicht nur im Hinblick auf die Haushaltsführung wurde sie zu seiner wesentlichen Stütze. Ihre Ehe blieb kinderlos, aber es wurden nacheinander zwei von Faradays Nichten in den Haushalt aufgenommen. Wie durch kaum etwas anderes war der Lebensalltag durch die Zugehörigkeit zur Sandemanischen Gemeinde und durch die dort geknüpften engen sozialen Bande geprägt. Die Pflichten der Predigt und die sozialen Aufgaben, die Faraday aus seinen zeitweilig übernommenen Gemeindeämtern als Diakon und als Ältester erwuchsen, nahm er sehr ernst; so ließ er, um einen Kranken pflegen zu können, eine angekündigte Freitagabendvorlesung ausfallen. Diesem Leben in kleinem Kreis, oft bewusst außerhalb der üblichen Gesellschaftsnormen, stand Faradays zunehmende Popularität gegenüber. Schon 1823 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Académie des Sciences in Paris ernannt, 1824 zum Mitglied der Royal Society of London; viele andere akademische Gesellschaften folgten. Bisweilen fanden sich Mitglieder des Königshauses unter den Zuhörern seiner Vorträge, und er war dort wiederholt zu Gast. Von dem mit solchen Ehrungen einhergehenden wissenschaftspolitischen Einfluss allerdings machte er nur wenig Gebrauch. Die ihm angetragene Präsidentschaft der Royal Society — damals immer noch eine der einflussreichsten Positionen der britischen Wissenschaft — lehnte er ebenso ab wie die Präsidentschaft der Royal Institution. Diese Zurückhaltung war Ausdruck seines Bestrebens nach Konzentration seiner Kräfte auf wenige Ziele. Anderes wurde dabei bewusst beiseite gelassen.
 
 Eine ungewöhnliche Arbeitsweise
 
Faradays Arbeitsgebiete würden wir heute der Chemie und der Physik zuordnen. Er selbst bezeichnete sich allerdings lieber als »natural philosopher« — als »Naturforscher« — denn als Physiker oder Chemiker. Dies war tief in seinem Verständnis vom Ziel wissenschaftlicher Arbeit und einer damit zusammenhängenden besonderen Arbeitsweise begründet.
 
Auf dem Gebiet der Elektrizität und des Magnetismus bemühte er sich wesentlich darum, die Bedingungen ausfindig zu machen, unter denen ein bestimmter Effekt, z. B. die elektromagnetische Induktion, stattfindet. Das gelang nur durch ein immens breites Experimentieren, bei dem systematisch möglichst viele Bedingungen der Versuchsanordnung variiert wurden. Die allgemeinen Regeln, die er auf diese Weise erhielt, hatten typischerweise die Form eines Wenn-dann-Satzes: Immer wenn diese oder jene Bedingungen vorliegen, dann stellt sich dieser oder jener Effekt ein. Faraday versuchte überdies, Versuchsanordnungen zu finden, die nur noch die unbedingt notwendigen Bedingungen aufweisen, und sprach dann von »einfachen« oder »elementaren« Fällen, aus denen sich die »komplizierten« ableiten lassen. In diesem Kontext arbeitete er die Begriffe heraus, die er als die angemessenen ansah, insbesondere auch das Kraftlinienkonzept. »Erklärungen« von zuvor unverstandenen Erscheinungen bestanden dann typischerweise im Einordnen in ein System von wenigen allgemeinen Regeln. Eine solche Arbeitsweise, die sich keinesfalls nur bei Faraday findet, die er aber in ungewöhnlicher Ausdauer und Konsequenz durchführte, unterscheidet sich wesentlich von anderen wissenschaftlichen Bestrebungen der Zeit, z. B. den Bemühungen, chemische Prozesse durch Atomhypothesen zu erklären oder elektrische und magnetische Erscheinungen durch Annahme unsichtbarer Fluida oder fernwirkender Ätherpartikel. Faradays Verhältnis zu solchen Erklärungsansätzen war eher reserviert als grundsätzlich ablehnend; bisweilen ging er auf solche Überlegungen ein und argumentierte mit experimentellen Befunden für oder gegen bestimmte Theorien. In der Elektrostatik entwarf er selbst eine Mikrotheorie der Polarisation. Ganz entschieden aber wies er solchen Überlegungen einen nachgeordneten Rang in der Forschungsarbeit zu. Wie wichtig ihm die Beweglichkeit der begrifflichen Fundierung war, zeigte sich auch an seinem (gelungenen) Bemühen, für die Elektrochemie eine neue, an den experimentellen Gegebenheiten orientierte und von Theorien unabhängige Terminologie einzuführen.
 
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass Faraday meist qualitativ arbeitete. Den wenigen quantitativen Arbeiten, etwa zur Elektrolyse oder in der Elektrostatik, gingen umfangreiche Untersuchungen voran, in denen er sich darüber klar wurde, welche Größen denn für eine Messung interessant waren. Eine mathematische Darstellung in Formeln verwendete er nie. Neben seiner fehlenden mathematischen Ausbildung lag dies auch daran, dass ihm für die Suche nach den rechten Begriffen die Mathematisierung unfruchtbar erschien. Im Vordergrund stand das Experiment. Faradays Labortagebuch, in dem er alle Versuche chronologisch verzeichnete und durchnummerierte, umfasste schließlich an die 20 000 Einträge, häufig mit Querverweisen auf Experimente, die schon viele Jahre früher durchgeführt wurden. Es gibt in der Geschichte der Wissenschaften nicht viele Beispiele für solch einen beweglichen Umgang mit riesigen Datenmengen.
 
Bei der Laborarbeit hatte er seit den späten 1820er-Jahren einen technischen Mitarbeiter, der die Gerätschaften instand hielt und Faraday beim Experimentieren zur Hand ging. Davon abgesehen arbeitete Faraday stets allein. Er »experimentiere und denke gleichzeitig« und fühle sich nicht imstande, »in Gemeinschaft zu arbeiten und seine Überlegungen zugleich zu erklären«, lautete seine Antwort auf eine Anfrage zur Aufnahme eines Mitexperimentators ins Labor. Dass er keine akademischen Schüler heranbildete, ist deshalb nicht verwunderlich.
 
 Der bescheidene »Schüler der Natur«
 
Faradays wissenschaftlicher Erfolg verdankte sich wesentlich seiner Souveränität gegenüber etablierten wissenschaftlichen Denkgewohnheiten seiner Zeit, seiner anhaltenden begrifflichen Flexibilität und seiner starken Betonung einer breiten empirischen Grundlage. Wesentliches dazu trugen seine umfangreichen und wohlgeübten handwerklichen Fähigkeiten, sein unakademischer Werdegang und die schon früh auf die begrifflichen Grundlagen gerichtete Aufmerksamkeit bei. Nicht absehen lässt sich von seiner religiösen Einstellung, die zwar keine einzelnen inhaltlichen Vorgaben bereitstellte, aber doch eine prägende Grundhaltung des Forschers ausmachte. Im Umgang mit Gottes Schöpfung sei zuallererst Ehrfurcht und Bescheidenheit erforderlich, so betonte Faraday in einem Vortrag. Man habe die Begriffe, in denen die Natur gedacht wird, immer beweglich zu halten und ständig auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Das setze ein möglichst breites empirisches Arbeiten voraus. Ein wissenschaftliches Credo dieser Art, verbunden mit einem hohen moralischen Anspruch an den Naturforscher in seiner täglichen Arbeit, war im 19. Jahrhundert doch eher die Ausnahme.
 
Die letzten Jahre Faradays waren durch einen fortschreitenden geistigen Verfall geprägt, hinter dem man eine Quecksilbervergiftung aufgrund seiner Labortätigkeit vermutet; 1862 legte er seine Direktorenstelle nieder und zog sich nach Hampton Court in seine von Königin Victoria gewährte Ehrenwohnung zurück, wo er am 25. August 1867 starb. Zur Zeit von Faradays Tod hatte sich die Lebenswelt der meisten Europäer tief greifend verändert. Man telegrafierte über den Atlantik und eine breite Nutzung der Elektrizität war in den Bereich des Machbaren gerückt. Auch im naturwissenschaftlichen Denken waren grundlegende Umwälzungen im Gange. So gelang es dem schottischen Physiker und Mathematiker James Clerk Maxwell, Faradays Kraftlinienvorstellung mathematisch zu fassen und damit für einen größeren Kreis von Physikern zugänglich zu machen.
 
Es gibt in der Wissenschaftsgeschichte nur wenige Gestalten, die zu solch nachhaltigen Veränderungen in unserer Alltagswelt und unserem Weltverständnis den Anstoß gegeben haben wie Michael Faraday. Dabei war es ihm, wie er in ungekünstelter Bescheidenheit wiederholt betont, nur darum zu tun, in richtiger Weise in die »Schule der Natur« zu gehen.
 
Friedrich Steinle
 
Literatur:
 
Jost Lemmerich: Michael Faraday. 1791-1867. Erforscher der Elektrizität. München 1991.
 Geoffrey Cantor: Michael Faraday. Sandemanian and scientist. Neudruck Basingstoke 1993.
 Geoffrey Cantor u. a.: Michael Faraday. Atlantic Highlands, N.J., 1996.


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