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AFROAMERIKANISCHE MUSIK

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afroamerikanische Musik,
 
Sammelbezeichnung für die Musik der hauptsächlich aus Westafrika als Sklaven auf den amerikanischen Kontinent verbrachten Afrikaner. Unter dem Einfluss der musikalischen und kulturellen Traditionen der europäischen Kolonialmächte entwickelten sie hier auf der Basis der ihnen eigenen Musiziergewohnheiten eine relativ eigenständige Musikpraxis, die wesentlich von den unmenschlichen Lebensbedingungen, denen sie als Haus und Feldsklaven ausgesetzt waren, geprägt worden ist. Begonnen hatte der Sklavenhandel bereits unmittelbar nach der Entdeckung Amerikas, um die durch Verfolgungen, Zwangsarbeit und Hunger dezimierte, schließlich nahezu völlig ausgerottete indianische Bevölkerung zu ersetzen. Ab 1517 wurde so eine ständig wachsende Zahl von Afrikanern gewaltsam in die gerade eroberten spanischen und portugiesischen Kolonien wie etwa Brasilien, Kuba, Haiti und Jamaika verschifft. In den englischen Kolonien Nordamerikas trafen die ersten Sklaven dagegen erst 1619, ein reichliches Jahrhundert später, ein.
 
Trotzdem ist mit dem Begriff »afroamerikanische Musik« in der Regel die Musikpraxis der in Nordamerika lebenden Bevölkerungsminderheit afrikanischer Abstammung gemeint, die vor dem Hintergrund zunächst des angelsächsischen Systems der Sklavenhaltung und dann der militanten Rassentrennung hier eine Sonderentwicklung genommen hat, während in den spanischen, französischen und portugiesischen Kolonien das afrikanische Erbe in der lateinamerikanischen Musik assimiliert worden ist.Diese Unterschiede, die bis hinein in die den Sklaven gewährten sozialen Lebensformen reichten, resultierten daraus, dass die Schwarzen in den süd und mittelamerikanischen Kolonien mit ihrer romanischkatholischen Tradition auf ganz andere kulturelle und religiöse Bedingungen trafen als im angelsächsischprotestantischen Nordamerika. Das gilt auch für die französische Kolonie Louisiana in Nordamerika, die sich entlang des Mississippi bis an den Golf von Mexiko erstreckte, 1763 zwischen England und Spanien aufgeteilt wurde, mit dem spanischen Teil 1800 teilweise an Frankreich zurückging und 1803 von Napoleon schließlich endgültig an die USA verkauft worden ist. Das von den Franzosen praktizierte romanische System der Sklaverei hat so auch in Teilen Nordamerikas, vor allem um das MississippiDelta herum, einschließlich New Orleans — Gebiete, die für die afroamerikanische Musik später von großer Bedeutung waren (Mississippi-Blues, New-Orleans-Jazz, Creole Jazz) —, bis ins frühe 19. Jahrhundert eine Entwicklung ermöglicht, in der wichtige Seiten der afrikanischen Tradition noch längere Zeit bewahrt werden konnten. Während nämlich der Katholizismus der Spanier, Franzosen und Portugiesen die traditionelle Stammeshierarchie und Familienorganisation der Afrikaner als soziale Kontrollinstanz auszunutzen versuchte, wurden in den angelsächsischen Kolonien die Stammes und Familienbindungen der Sklaven und damit die soziale Basis ihrer ursprünglichen Kultur systematisch zerstört, um sie, herausgerissen aus ihrem gewohnten sozialen Zusammenhang, leichter beherrschen zu können. Das hat hier die Herausbildung einer eigenständigen, nicht mehr afrikanischen Form des Musizierens geradezu erzwungen. An die Stelle der traditionellen, an die Stammeskulturen gebundenen Musikformen der Afrikaner, wie sie etwa für die lateinamerikanische Musik zu einer Grundlage geworden sind, trat in Nordamerika, viel ausgeprägter als in Süd und Mittelamerika, ein neuer Typ des schwarzen Musizierens, der durch eine afrikanisierende Aneignung europäischer Musiktraditionen gekennzeichnet war und die afrikanischen Musiziergewohnheiten auf jene Musikformen und Instrumente übertrug, mit denen die Schwarzen seitens der Europäer konfrontiert wurden.
 
Eine große Rolle spielten dabei die militanten Missionierungsversuche an den afrikanischen Sklaven durch Puritaner, Anglikaner, Methodisten, Baptisten und untergeordnete Sekten, die in Nordamerika schon frühzeitig einsetzten und über das Absingen von Psalmen und Hymnen den Afrikanern auch das ganz anders geartete europäische Musiksystem aufzuzwingen trachteten. Diese verbanden die Eigenarten der ihnen fremden Musik — Funktionsharmonik, Diatonik, Monometrik, melodische Entwicklung, geschlossene Form usw. — mit ihren eigenen Musiziergewohnheiten, die durch den polymetrischen und polyrhythmischen Aufbau der afrikanischen Musik, die ihr zugrunde liegenden nichtdiatonischen Tonsysteme, das responsoriale Antiphonieprinzip (Call and Response) sowie ein völlig anderes Form und Funktionsverständnis geprägt waren. So bildeten sich allmählich die Charakteristika einer neuen Form des Musizierens heraus, die in Intonation, Rhythmik, Harmonik und Melodik Elemente und Eigenheiten der afrikanischen Musiktradition bewahrte, indem sie diese auf das europäische Musiksystem übertrugen. Die additive Rhythmik der afroamerikanischen Musik ist ein Resultat dessen. Sie projiziert den polymetrischen, perkussiven Rhythmusaufbau des afrikanischen Musizierens auf die europäische Monometrik, löst anstelle der Schichtung unterschiedlicher Metren das Taktmetrum durch rhythmische Teilung der Grundschläge in mehrere Schichten auf (Viertel, Achtel, Sechzehntel) und erzeugt auf diesen dann durch OffbeatAkzente oder OffbeatPhrasierung (offbeat) die eigentümlichen Spannungen der Parallelität unterschiedlicher melodischrhythmischer Ebenen. Gleiches gilt für die Bluestonalität, eine Angleichung des diatonischen DurMollSystems an die pentatonischen Leiterbildungen afrikanischer Musik, für die OffpitchnessIntonation (off pitchness) und die Dirty Tones, für das Wechselspiel von Call and Response als Melodiebildungsprinzip der afroamerikanischen Musik oder das improvisierende Musizieren mit Patterns wie der Bluesformel.
 
Dahinter steht freilich ein langer historischer Entwicklungsprozess, in dem sich die Grundlagen des afroamerikanischen Musizierens allmählich herausbildeten und verfestigten. Seine erste Phase im 17. Jahrhundert, die zunächst noch durch ein sehr langsames Anwachsen der Zahl der Sklaven in Nordamerika gekennzeichnet war, gab den Schwarzen kaum Gelegenheit zur Ausbildung stabiler eigenständiger Musikformen. Neben dem Absingen von Psalmen und Hymnen innerhalb der christlichen Kirche waren sie vereinzelt auch zum Spielen von Tanzmusik für ihre weißen »Besitzer« angehalten, kamen so in Kontakt mit der Fiedel und den schottischirischen Tänzen wie der Jig oder dem Reel, was ihre eigene Musikpraxis später nachhaltig beeinflusst hat. Schwarze Fiedler und Negrojigs gehörten auch zu den ersten Formen des afroamerikanischen Musizierens. Das 18. Jahrhundert brachte mit der Ende des 17. Jahrhunderts durch die Einführung der Black Codes erfolgten offiziellen juristischen Sanktionierung der Sklaverei als Institution in allen nordamerikanschen Kolonien ein sprunghaftes Ansteigen der Zahl der Sklaven. Sie wurde 1770 auf insgesamt 462000 geschätzt, während etwa in Virginia 1549 auf 15000 weiße Kolonisten noch lediglich 300 Sklaven kamen. Ihre gruppenweise Unterbringung ließ nun auch die Ausbildung eigener Musizierpraktiken zu. So entstanden in Anlehnung an die afrikanische Tradition der Arbeitsgesänge die Worksongs und Fieldhollers; für die wenigen den Schwarzen erlaubten Feiertage und Feste bildete sich auf der Basis von Jig und Reel ein Tanzmusikrepertoire heraus; mit den Ring-Shouts wurde die afrikanische Tradition religiösritueller Tanzformen reaktiviert; im Rahmen der Begräbniszeremonien entwickelten sich die an alte afrikanische Riten anknüpfenden Klagegesänge, die Moans. Zur Entfaltung dieser ersten Ansätze einer eigenständigen afroamerikanischen Musikpraxis kam es jedoch erst, als nach der Unabhängigkeitserklärung von 1776 im beginnenden 19. Jahrhundert die Südstaaten zu den arbeitskraftintensiven BaumwollMonokulturen übergingen und riesige Sklavenheere auf den Plantagen konzentriert wurden. Sie bildeten soziale Organismen, die in ihrer künstlichen Isolation voneinander zur Grundlage der afroamerikanischen PlantagenKulturen wurden, in denen auch das Musizieren seinen festen Platz hatte und zu stabilen Formen fand. Mit der formellen Aufhebung der Sklaverei 1865 in ganz Nordamerika kamen dann die bis dahin in den isolierten PlantagenKulturen getrennt voneinander entwickelten Musizierweisen in Kontakt, verschmolzen zu einer ganzheitlichen afroamerikanischen Kultur, deren Eigenständigkeit durch die 1890 in den Südstaaten erlassenen Segregationsgesetze (Rassentrennungsgesetze) zwangsläufig noch unterstützt wurde. Auf dieser Basis entstanden neue musikalische Ausdrucksformen wie der Blues und die von ihm abgeleiteten Instrumentalversionen (Barrelhouse-Piano), zu dessen Trägerschicht herumziehende Wandermusikanten wurden. In den seit Beginn des 19. Jahrhunderts aktiven unabhängigen schwarzen Kirchen (African Methodist Episcopal Church, gegründet 1794; African Methodist Episcopal Zion Church, gegründet 1796) entstanden mit den Jubilees und Spirituals afroamerikanische Formen religiöser Musik, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wesentlich zur Herausbildung eines afroamerikanischen Kulturbewusstseins im bürgerlichen Sinne beitrugen. Die 1871 stattfindende erste KonzertTournee der Fisk Jubilee Singers (Jubilee) war ein Anzeichen dafür, dass sich ein neues Selbstverständnis von afroamerikanischer Kultur herauszubilden begonnen hatte, das den mit der einsetzenden sozialen Differenzierung unter den Afroamerikanern sich herausbildenden schwarzen Mittelschichten entsprach. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts der KlavierRagtime (Ragtime) als erste komponierte Form der afroamerikanischen Musik nach dem Modell bürgerlicher Kunstpraxis. In den Städten des Südens wurde im Zusammenhang mit den sich wandelnden Freizeitbedürfnissen, der wachsenden Bedeutung von Kneipen und Tanzmusik, ebenfalls gegen Ende des 19. Jahrhunderts das RagtimeMusizieren zum Ausgangspunkt für den Jazz. In den entstehenden Großstädten brachte die Gettoisierung der Afroamerikaner auch unter den veränderten Bedingungen städtischer Lebensweise — der hier ganz anderen Kommunikationsformen, der sich herausbildenden Massenmedien, neuerer Organisationsformen und Institutionen des Musizierens — die Eigenständigkeit der afroamerikanischen Kultur nicht zum Erlöschen. Zu ihrer musikalischen Basis wurden nun einerseits der Jazz, andererseits der Blues und schließlich die in den Straßenkirchen entstandenen Gospels. Schallplattenproduktionen afroamerikanischer Musik (Racerecords), die sich durchsetzende Unterhaltungsfunktion und die in den Vierzigerjahren aufkommenden Radiostationen für schwarze Musik (Rhythm & Blues) erwiesen sich dabei trotz der mit ihnen verbundenen Kommerzialisierungstendenz als nachhaltige Entwicklungsimpulse. Bis in die Gegenwart hinein brachten diese drei grundlegend gewordenen Säulen der afroamerikanischen Musikpraxis — Blues, Jazz und Gospel — immer wieder neue Formen hervor, entstanden aus ihrer Kombination immer neue Typen des Musizierens; so in den Vierzigerjahren der Rhythm & Blues, in den Sechzigerjahren die Soulmusik (Soul), Ende der Sechzigerjahre Funk und mit der Ausbreitung der Discokultur in den Siebzigerjahren der Rap, Electrofunk, Housemusic und HipHop dann in den Achtzigerjahren. Sie haben trotz des immensen Einflusses auf die Entwicklung der populären Musik nicht nur in den USA, der weltweiten kommerziellen Verbreitung, ihre Eigenständigkeit im Rahmen der afroamerikanischen Kultur nie vollständig verloren. Bewahrt wurde diese nicht zuletzt durch das sich seit den Vierzigerjahren immer nachdrücklicher artikulierende politische Selbstverständnis der Afroamerikaner, das im Bebop das erste Mal musikalisch manifestiert war. Gegen die kommerzielle Vereinnahmung der afroamerikanischen Kultur wurde deren politische Funktion in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die soziale Gleichberechtigung der farbigen Bevölkerungsminderheiten in den USA mobilisiert. So blieb die afroamerikanische Musik lebensfähig auch unter den Bedingungen der kommerziellen Massenproduktion von Musik, so ist sie mit ihrem unerschöpflichen künstlerischen Reichtum zu einer ständigen Quelle für die populäre Musik der Gegenwart geworden, ohne die die Rock und Popmusik ebenso wenig möglich wären wie die hochdifferenzierten Formen des zeitgenössischen Jazz.


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