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ELISABETHANISCHES THEATER: EINE BÜHNE FÜR ALLE STÄNDE

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elisabethanisches Theater: Eine Bühne für alle Stände
 
London war während der Herrschaft Elisabeths I. (1558 - 1603) und Jakobs I. (1603 - 1625) Schauplatz eines einmaligen Theaterbooms. Die Londoner Bühnen in jener Epoche florierten gänzlich ohne öffentliche Subventionen und fast ohne mäzenatische Zuwendungen. Diese Theater waren kommerziell organisierte Unternehmen, die Gewinne abwerfen mussten, um gegen heftige Konkurrenz überleben zu können: die Geburt der Tragödie (und Komödie) aus dem Geist - nicht der Musik, sondern des Kapitalismus.
 
Der kommerzielle Erfolg vor allem des elisabethanischen Theaters war nur möglich, weil es den Zuspruch breiter Volksschichten fand und nicht auf die Gunst kleiner gesellschaftlicher Gruppen angewiesen war: Von den etwa 150 000 bis 200 000 Einwohnern der Hauptstadt zu Anfang des 17. Jahrhunderts besuchten nicht weniger als 25 000 wöchentlich eins der damaligen sechs öffentlichen Theater, die jeweils 2000 bis 3000 Zuschauern Platz boten. Die großen Mengen regelmäßig wiederkehrender Zuschauer machten einen schnellen Wechsel im Repertoire erforderlich.So brachten in gewaltiger Kraftanstrengung am Ende des 16. Jahrhunderts allein die drei Londoner Theatertruppen jährlich fast siebzig neue Stücke auf die Bühne - darunter bis heute bewunderte Meisterleistungen eines Shakespeare: die Geburt des Erfolges aus dem Geist des Wettbewerbs.
 
Bemerkenswert ist die Unbefangenheit, mit der man in jener Zeit das Theater betrachtete. Es war nicht etwa ein besonderer Kunstgenuss, dem man sich in festlicher Kleidung näherte und in stiller Andacht hingab, sondern Unterhaltung, Show, Spektakel. Die Theaterbesucher aßen, tranken und plauderten. Man suchte hier Zerstreuung wie in den benachbarten, ebenfalls meist auf dem südlichen Themseufer liegenden Tierarenen - ganz zu schweigen von den fast dreißig Bordellen dieser Bankside, des Londoner Vergnügungsviertels außerhalb der City, das heißt: außerhalb der Reichweite des gestrengen, puritanisch beherrschten Londoner Magistrats.
 
Galten die Theater nicht als hehre Musentempel für Kunstbeflissene, sondern als Stätten des Vergnügens für jedermann, so bewertete man die dort aufgeführten Schauspiele - etwa im Vergleich zur zeitgenössischen Versdichtung - als Kunstwerke minderen Rangs. Dementsprechend gering war zunächst auch die gesellschaftliche Stellung der Schauspieler, die kaum höher eingeschätzt wurden als Artisten oder Zauberer. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts stieg ihr gesellschaftliches Ansehen: Die durchaus bürgerliche Karriere Shakespeares liefert dafür das eindrucksvollste Beispiel.
 
Die theaterfeindliche Haltung des Londoner Magistrats ist nicht nur auf die grundsätzliche Vergnügungsfeindlichkeit der dort tonangebenden Puritaner zurückzuführen. Nicht ganz zu Unrecht galten ihnen die Theater als Brutstätten des Aufruhrs, des Verbrechens und der Pest, die England immer wieder heimsuchte, besonders im dicht besiedelten London zahlreiche Opfer forderte und die Behörden öfter zur Schließung der Theater bewog. Darüber hinaus waren die damaligen Theatergebäude in hohem Maße brandgefährdet. Sie wurden aus Holz errichtet und - zumindest teilweise - mit einem Strohdach versehen. Ein Kanonenschuss während der Premiere von Shakespeares »Heinrich VIII.« am 29. Juni 1613 legte das »Globe Theatre« in Asche.
 
Dem behördlichen Verbot aus dem Jahre 1574, Theater in der City zu errichten, entzogen sich pfiffige Unternehmer, indem sie Spielstätten in den Vororten Londons erbauten: nördlich oder südlich auf der gegenüberliegenden Seite der Themse. 1576 errichtete James Burbage in Shoreditch das erste derartige, eigens für Theateraufführungen errichtete Gebäude, dem bald weitere folgten: 1577 das »Curtain«, 1587 »The Rose«, 1595 »The Swan«, 1599 das von Shakespeares Truppe bespielte »Globe« und so weiter. Diese Theatergebäude lösten als Spielstätten die Innenhöfe zahlreicher Londoner Gasthäuser ab. Den früheren Spielorten verdankten die neu gebauten Theater einen wesentlichen Teil ihrer architektonischen Konzeption. Im offenen Hof eines runden oder achteckigen Gebäudes von etwa 12 Metern Höhe und 25 Metern Durchmesser wurde eine Plattformbühne errichtet, die etwa 12 Meter breit und 1,50 Meter hoch war und 8 Meter in die Hofmitte hineinragte. Den Zuschauern stand es frei, sich entweder mit einem billigen Stehplatz rund um die Bühne für einen Penny zu begnügen oder sich einen teureren Platz in einer der drei umlaufenden Galerien für etwa sechs Pence zu leisten. (Ein Arbeiter verdiente etwa zwei Pence am Tag.) In diesen Theatern fanden sich zwar alle sozialen Gruppen ein - vom Lehrling bis zum Adligen -, doch spiegelte sich hier augenfällig die gesellschaftliche Hierarchie: die kleinen Leute unten, die anderen oben. Trotz dieser sozialen Abstufung muss die Atmosphäre ungemein packend gewesen sein, da die dicht gedrängten Zuschauer hautnah am dramatischen Geschehen teilhaben konnten, ja oft genug durch Zurufe teilnahmen. Dass eine derartige Theaterstruktur eine entsprechend effektvolle, temporeiche Dramaturgie provoziert, liegt auf der Hand. Ein Spiel der leisen Töne und feinen Nuancen war in diesen Theatern nicht angebracht.
 
Bei aller gesellschaftlichen Offenheit des elisabethanischen «Volkstheaters«: Hocharistokratie ließ sich dort selten blicken. Sie konnten sich - die Königin an der Spitze - Aufführungen in ihren Residenzen leisten, wo die eigens verpflichteten Schauspieltruppen spielten. Die Förderung des elisabethanischen Theaters durch Herrscherin und Adlige diente vor allem der Befriedigung der eigenen theatralischen Bedürfnisse.
 
Glückliche Symbiose: Durch ein seit 1572 geltendes Gesetz war für die Schauspieltruppen das Patronat eines Adligen erforderlich. Gemäß diesem »Act for the Punishment of Vagabonds« wären sie sonst wie Landstreicher behandelt und bestraft worden. Dementsprechend wurden die Truppen benannt - die beiden erfolgreichsten hießen beispielsweise »Lord Admiral's Men« und »Lord Chamberlain's Men«. Die Tradition dieser königlichen und aristokratischen »Residenztheater« setzte sich teilweise fort in den »privaten« Theatern, die seit dem Ende des 16. Jahrhunderts aufkamen. Diese boten Aufführungen in geschlossenen, bis zu 500 Personen fassenden Räumen für ein zahlungskräftiges Publikum: Zwischen sechs Pence und zwei Shillings (= 24 Pence) - also bis zu zwei Wochenlöhnen - mussten als Eintrittspreis entrichtet werden. Zu den wichtigsten dieser Theater gehörten das auch von Shakespeares Truppe bespielte »Blackfriars« (ab 1596), das »Whitefriars« (ab 1608) oder das »Cockpit« (ab 1617). Den »privaten« Theatern gehörte die Zukunft. In ihnen konnte unabhängig von Wetter und Jahreszeit gespielt werden, und ihre Räumlichkeiten erlaubten den stärkeren Einsatz bühnentechnischer Mittel. Daher sollte dieser Theatertyp das generelle Theaterverbot durch die Puritaner im Jahre 1642 überleben, während das glorreiche englische »Volkstheater« mit dem Verbot unterging.
 
Prof. Dr. Theo Stemmler
 
Literatur:
 
Brauneck, Manfred: Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters, auf mehrere Bände berechnet. Stuttgart u. a. 1993ff.
 
Englische Literaturgeschichte, herausgegeben von Hans Ulrich Seeber. Stuttgart u. a. 21993.
 Schirmer, Walter F.: Geschichte der englischen und amerikanischen Literatur. 2 Bände. Tübingen 61983.
 
Shakespeare-Handbuch. Die Zeit. Der Mensch. Das Werk. Die Nachwelt, herausgegeben von Ina Schabert. Stuttgart 31992.
 Suerbaum, Ulrich: Das elisabethanische Zeitalter. Neudruck Stuttgart 1996.


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