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AGRARWIRTSCHAFT DER VORINDUSTRIELLEN EPOCHE: VON DER HAND IN DEN MUND

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Agrarwirtschaft der vorindustriellen Epoche: Von der Hand in den Mund
 
Die Gesellschaften Europas im Mittelalter und in der frühen Neuzeit waren nahezu ausschließlich Agrargesellschaften. So selbstverständlich diese Feststellung erscheint, so schwer fällt es doch, gewöhnt an die Vielfalt des heutigen Nahrungsangebots in den westlichen Industrieländern, uns die Dürftigkeit der Nahrungsversorgung, die Beschränkungen in Menge und Qualität, die Beschwerlichkeit der Produktionsbedingungen, die Abhängigkeit von Klima und Wetter in früheren Jahrhunderten wirklich vorzustellen.
 
Erschwert wird der Zugang dadurch, dass die Quellen für diesen Bereich nicht sehr auskunftsfreudig sind. Der chronische Mangel ist nur dann eine Nachricht wert, wenn er in Zeiten besonders schwerer Missernten und Hungersnöte das alltägliche Maß überschreitet: »In diesem Jahr (820) hatten die anhaltenden Regengüsse und die überaus feuchte Luft große Übel im Gefolge. Unter Mensch und Vieh wütete weit und breit eine Seuche mit solcher Heftigkeit, dass es kaum einen Strich Landes gab im ganzen Frankenreich, der von ihr verschont geblieben wäre. Auch das Getreide und das Gemüse ging bei dem andauernden Regen zugrunde und konnte entweder nicht geerntet werden oder es verfaulte in den Scheuern.Nicht besser stand es mit dem Wein, der in diesem Jahr einen höchst spärlichen Ertrag gab und dabei noch wegen fehlender Wärme herb und sauer wurde. In einigen Gegenden aber war, da das Wasser von den ausgetretenen Flüssen noch in der Ebene stand, die Herbstsaat ganz unmöglich, sodass vor dem Frühjahr gar kein Korn in den Boden kam.« Noch im folgenden Jahr 821 — so berichten die Fränkischen Reichsannalen weiter — hielt die feuchte Witterung an, sodass die Herbstsaat in vielen Gegenden wiederum ausfallen musste. Die Situation ist typisch für die frühmittelalterliche Landwirtschaft. Angesichts der spärlichen Erträge schon in guten Jahren bedeutete eine Nässe- oder Dürreperiode gleich über Jahre andauernde Not. »Von Pest, Hunger und Krieg erlöse uns, o Herr« — der Hunger zählte zu den schrecklichsten Heimsuchungen der Menschen, die sie in ihren Gebeten immer wieder beschworen.
 
Nachrichten über Hungerkatastrophen werden im hohen Mittelalter seltener. Das heißt nicht, dass der Hunger allgemein besiegt war. Aber das stetige, bald sprunghafte Wachstum der Bevölkerung in Europa von knapp 40 Millionen auf über 70 Millionen wäre nicht erklärbar ohne eine einigermaßen stabile Ernährungslage vom 11. bis zum 13. Jahrhundert. Pollenanalysen und Jahresringmessungen ergaben für diesen Zeitraum optimale klimatische Bedingungen in West- und Mitteleuropa. Sie begünstigten die Fortschritte durch Landesausbau und neue Agrartechniken und ermöglichten einen Produktionszuwachs, der Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig veränderte. Aber selbst am Ende des Mittelalters, nach der Erschließung weiter Kulturlandschaften, dem Ausbau der Städte, der Differenzierung der Wirtschaftsräume, lebten noch immer über 80 Prozent der Bevölkerung, einschließlich großer Teile des kleinstädtischen Bürgertums, unmittelbar von der Landwirtschaft. Dies entspricht etwa dem Anteil in der heutigen Türkei. Der Pflug und nicht das Werkzeug des Handwerkers oder das Rechenbrett des Kaufmanns prägte das Leben des Europäers bis weit in die Neuzeit.
 
 Der schollenwendende Pflug
 
Fortschritte in der Pflugtechnik waren es auch, die eine intensivere Bodenbearbeitung und dadurch eine Steigerung der Ernteerträge ermöglichten. Zwar wurde der Räderpflug mit eiserner Pflugschar und Streichbrett schon in karolingischer Zeit vereinzelt eingesetzt; aber erst im Hochmittelalter erfuhr der technisch aufwendige Eisenpflug eine allgemeinere Verbreitung und verdrängte allmählich den antiken Hakenpflug. Dieser — mehr Grabstock als Pflug — hatte den Ackerboden nur an der Oberfläche aufgerissen, was auf den trockenen Böden Südeuropas ausreichend und nützlich war, da Furchen mit geringer Tiefe eine Austrocknung des Bodens verhinderten. Um die schweren, feuchten Böden in West- und Mitteleuropa intensiv zu bearbeiten, war der hölzerne Pflug zu schwach. Die eiserne Pflugschar grub den Boden tief auf, die Scholle wurde gewendet und neben der Furche aufgeworfen; der Boden wurde auf diese Weise gründlich aufgelockert, durchlüftet und die Nässe abgeleitet. Zu voller Wirkung kam der schollenwendende Pflug durch das entsprechende Gespann. Während der Hakenpflug von zwei Ochsen gezogen wurde, kamen beim schweren Räderpflug vier bis acht Ochsen zum Einsatz. Das Pferd wurde erst als Zugtier genutzt, als mit dem Kummet (ebenfalls schon im Frühmittelalter bekannt, aber erst seit dem 12. Jahrhundert verbreitet) eine artgerechte Anschirrung möglich war. Jetzt allerdings war die Arbeitskraft des Pferdes, auch aufgrund seiner höheren Wendigkeit und Schnelligkeit, der des Ochsen weit überlegen. In den reichen Agrarlandschaften Nordfrankreichs wurden wohl zuerst im 13. Jahrhundert Pferde vor den Pflug gespannt. Freilich waren sie in der Haltung erheblich kostspieliger. Während die Ochsen das Brachland oder die Stoppelfelder abweideten, musste für die Pferde Hafer angebaut werden, und sie mussten beschlagen werden, um die nässeempfindlichen Hufe zu schonen. Wegen der aufwendigen Haltung hat das Pferd den Ochsen in der Landwirtschaft bis in die Neuzeit nicht völlig verdrängt.
 
Beim alten Hakenpflug kam es auf die Pflugrichtung nicht an; der Acker wurde mehrmals kreuz und quer durchpflügt. Der schollenwendende Pflug verlangte, dass jede Furche gerade neben der anderen gezogen wurde. Es gab nur Längsfurchen, an den Querseiten des Ackers wurde der Pflug umgewendet. Dadurch entstanden anstelle unregelmäßiger Ackerflächen die lang gezogenen Streifenfluren, die noch heute viele Agrarlandschaften prägen. Manchmal haben die Flurstreifen eine S-förmige Krümmung: So wurde zu den Schmalseiten hin schon im Pflügen die Biegung eingeleitet, um dem schweren Gespann — zumal mit Ochsen — eine scharfe Wendung zu ersparen. Nach zwei- oder dreimaligem Pflügen mussten die Schollen vor der Aussaat in einem zusätzlichen Arbeitsgang mit der Egge eingeebnet werden. Die Egge, die auch zur Unkrautbekämpfung benutzt wurde, erforderte mehr als der Pflug eine gleichmäßig zügige Gangart des Gespanns, wie sie Pferde besser leisten konnten.
 
 Dreifelderwirtschaft
 
Dank der effizienteren Pflugtechnik konnte der Bauer in der gleichen Zeit eine größere Ackerfläche bearbeiten. Die Antike kannte die Zweifelderwirtschaft, die durch die Römer auch nördlich der Alpen verbreitet war. Angebaut wurde nur auf einer Hälfte der Ackerfläche, im Mittelmeerraum Wintergetreide, im kälteren Norden Sommergetreide. Nach der Ernte wurden die Stoppelfelder abgebrannt oder vom Unkraut überwuchert und blieben unter mehrfachem Pflügen ein Jahr lang brach liegen. Inzwischen wurde die zweite Hälfte des Ackerlandes bestellt. Die Zweifelderwirtschaft blieb im Süden und Norden Europas das vorherrschende, weil dem Klima angemessene Anbausystem.
 
Im gemäßigten Klima Mitteleuropas waren zwei Ernten im Jahr möglich. Schon die großen karolingischen Klostergrundherrschaften arbeiteten, wo die natürlichen Bedingungen es zuließen, mit dem fortschrittlichen Dreifeldersystem. Aber wieder erst im hohen Mittelalter konnte diese Anbaumethode mithilfe der verbesserten Geräte flächendeckend praktiziert werden. Das Ackerland wurde in drei Fluren unterteilt, für Wintersaat, Sommersaat und Brache. Im Dreijahresturnus wurde im ersten Jahr im Herbst Winterfrucht (Roggen oder Weizen) gesät und im nächsten Frühsommer geerntet; im dritten Jahr trug dasselbe Feld Sommerfrucht (Hafer oder Flachs oder Ölfrüchte wie Lein, Raps, Mohn) — Aussaat im Frühjahr, Ernte im Spätsommer — und blieb dann ein gutes Jahr unbebaut bis zur nächsten Wintersaat im vierten Jahr. Die Vorteile der Dreifelderwirtschaft sind offensichtlich: 1) Die jeweils genutzte Anbaufläche wurde von der Hälfte auf zwei Drittel des Ackerlandes erhöht, der Ertrag entsprechend gesteigert. 2) Die Feldarbeit wurde gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt. 3) Zwei Reifeperioden im Jahr verminderten das Risiko von Missernten; ging die Wintersaat infolge schlechter Witterung nicht auf, konnte der Bauer sie unterpflügen und zusätzlich Sommergetreide säen. 4) Der Fruchtwechsel und die lange Brachzeit verbesserten die Qualität des Bodens und damit auch der Ernte. In den besonders fruchtbaren Landschaften der Toskana, der Lombardei und in Flandern verzichtete man seit dem 13. Jahrhundert auf die Brache, indem man auf dem dritten Feld systematisch Weideflächen anlegte oder Futterpflanzen anbaute.
 
Das Dreifeldersystem erforderte genaue Absprachen unter den Bauern über die Einteilung und eine koordinierte Bearbeitung der Felder. Die Bauernversammlung setzte die Flurordnung fest und sorgte für deren Einhaltung, »dass ein Nachbar mit den andern solle pflügen, säen, ernten, keiner vor den andern, bevor ein Tag gesetzet, in der Brake zu pflügen anfangen, und endlich derjenige, welcher nachpflüget, seines Nachbarn Acker schone und darauf nicht ohne Not mit Pflug und Wagen kommen« (so noch 1700 im holsteinischen Dorf Langwedel); streng verboten war es, Pferde oder Vieh zu weiden, solange noch eine einzige Garbe auf dem Feld stand. Bei Verstößen gegen die Flurordnung drohten empfindliche Strafen, Bußen im Wert von einer Tonne Bier. Die Verfassungshistoriker betonen zu Recht, dass die Dreifelderwirtschaft mit ihrem Zwang zur Einigung und Kooperation (Flurzwang) die Entwicklung zur selbst verwalteten Dorfgemeinde im späten Mittelalter entscheidend gefördert hat.
 
Der Wandel der hochmittelalterlichen Agrartechnik und Bodenbewirtschaftung brachte komplexe Umgestaltungen der Agrarlandschaft mit sich. Die Ertragssteigerungen waren deutlich spürbar. Auf den karolingischen Gütern betrug das Verhältnis von Aussaat zu Ernte etwa 1:2, im günstigsten Falle bis zu 1:3. Man war also froh, wenn der Ertrag des Vorjahres erreicht wurde und für die Aussaat wieder dieselbe Saatmenge zur Verfügung war. Mit der intensiveren Bodenbearbeitung stiegen die Erträge immerhin auf 1:3—5; in Nordfrankreich wurde im 14. Jahrhundert beim Hafer fast das Siebenfache der Aussaat erzielt. (Eine ergiebige Ernte liegt heute nicht unter 1:30; der Ertrag pro Hektar Anbaufläche lag 1996 in Deutschland bei 62, im Mittelalter bei etwa 5 Doppelzentnern.) Geerntet wurde mit der Sichel, nicht mit der Sense, die nur in der Heumahd verwendet wurde. Denn der Schwung der Sense hätte die spärlichen Körner aus den Ähren gelöst. Das Korn wurde zumeist kurz unterhalb der Ähren geschnitten; die Halme blieben stehen und wurden abgeweidet oder zur Düngung untergepflügt. Erst im späten Mittelalter bevorzugte man — ähnlich wie heute und zum Teil schon mit der Sense — den bodennahen Schnitt, um das Stroh mit einzubringen. Es wurde als Winterfutter benötigt, mit Mist zu Strohdung vermengt oder als Strohlehm im Hausbau verarbeitet. Durch den tiefen Halmschnitt ging dem Boden viel Biomasse verloren, sodass jetzt vermehrt Dünger zugesetzt werden musste.
 
 Expansive Getreidewirtschaft
 
Nicht die intensivere Wirtschaftsweise allein, sondern mehr noch die Ausdehnung der bebaubaren Flächen durch die Kultivierung neuen Ackerlandes brachte den nötigen Ertragszuwachs, um den seit dem 11. Jahrhundert steigenden Nahrungsbedarf zu decken. Freilich waren die Bauern erst durch die effizientere Technik des hohen Mittelalters in der Lage, mehr Land als früher unter den Pflug zu nehmen. Jetzt wurden die schwer zugänglichen Mittelgebirgsregionen, die Küstensümpfe und die Schwemmgebiete der großen Flüsse für Siedlung und Landwirtschaft erschlossen: im Poitou, in der Bretagne und der Normandie, im Zentralmassiv, im Schwarzwald und im Alpenvorland, in Holland und Friesland, an Weser und Elbe, in Cornwall und im Fennland von Cambridgeshire und Lincolnshire im Osten Englands. Die deutschen Siedlungen in Ost- und Südosteuropa haben in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung. Überall wurde Ackerland für den Getreideanbau neu gewonnen, durch Rodung, Trockenlegung und Eindeichung, sodass man die hochmittelalterliche Ausbauperiode als »Vergetreidung« beschrieben hat. Sie verwandelte die Landschaften Europas in einer Weise wie nie zuvor durch Menschenhand und erst viel später noch einmal im Zuge der Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert.
 
Vorherrschend war der Roggen, nur auf besseren Böden konnte der empfindlichere Weizen gedeihen. Durch den extensiv betriebenen Roggenanbau trat besonders in Mangeljahren immer wieder Mutterkornvergiftung (»Antoniusfeuer«, Ergotismus) auf. Mutterkorn befällt hauptsächlich Roggen und verursacht bei längerem Verzehr von mutterkornhaltigem Mehl Krampfanfälle, brennende Schmerzen (»Mutterkornbrand«) bis zum Schwarzwerden und Abfallen der Glieder. Gelangte Mutterkorn ins Saatgut, konnte die Vergiftung bei Pflanze und Mensch rasch epidemische Ausmaße annehmen. Die spezialisierte Landwirtschaft war schon früh den Anfälligkeiten der Monokultur ausgesetzt, freilich ohne dass der Zusammenhang zwischen Ernährung und Krankheit erkannt worden wäre.
 
Die verbreiteten Getreidesorten, neben Roggen und Weizen vor allem Dinkel, Gerste und Hafer, in den Mittelmeerländern auch Hirse, bildeten die Hauptnahrungsgrundlage. Die Ausdehnung des Getreideanbaus drängte im 12. und 13. Jahrhundert die Viehwirtschaft zurück. Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen und Linsen ergänzten das Nahrungsangebot. Pflanzenöl aus Raps und Mohn, aber auch aus Walnüssen gepresst, fand nicht nur als Speiseöl Verwendung, sondern auch als Leuchtstoff und Schmiermittel. Die kapitalintensive Olivenwirtschaft in Italien und Spanien lieferte teures Olivenöl, das im Norden als Luxus galt. Flachs und Hanf, zur Verarbeitung im Textilgewerbe und in der Seilerei, gedeihen in jedem Klima und wurden in ganz Europa angebaut. Ebenfalls in der Tuchherstellung wurden Farbpflanzen gebraucht, Waid (für Blau) aus Nordfrankreich und dem Rheinland, Krapp (Färberröte) aus Flandern, Safran (für Gelb), auch als Gewürzpflanze, aus dem Mittelmeerraum.
 
Die wichtigste regionale Sonderkultur stellte gewiss der Wein dar. Überall als Messwein benötigt und als Genussmittel geschätzt, wurde er schon im frühen Mittelalter über weite Entfernungen gehandelt. Besonders beliebt und teuer waren süße Weine aus Spanien und Griechenland. Erschwinglicher und seit dem 11. Jahrhundert kommerziell verbreitet waren italienische, französische und deutsche Weine. Durch Terrassenanbau und Veredelung der Reben wurden die Anbauflächen erweitert und hochwertige Sorten kultiviert. Berühmt waren schon im 12. Jahrhundert die französischen Weinbaugebiete in der Champagne, in Burgund, an der Loire sowie im Südwesten um Bordeaux; zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden jährlich 20000 Fässer Wein von Bordeaux nach England verschifft.
 
 Agrardepression und Wüstung
 
Die europäische Landwirtschaft des 12. und 13. Jahrhunderts zeichnete sich durch ein geradezu boomartiges Wachstum aus. Um 1300 waren die Grenzen des Ausbaus erreicht. Die große Pest, die 1347 bis 1352 in ganz Europa wütete, war nicht allein Ursache für die Agrardepression des 14. Jahrhunderts; allerdings verschärfte sie dramatisch die seit der Jahrhundertwende schleichende Krise. Erosion und Erschöpfung der Böden und auch schon Mangel an den natürlichen Ressourcen waren die Folgen der extensiven Bodennutzung auf Kosten von Wald, Gras- und Torfland. Lange Winter und kalte, nasse Sommer kündigten das Ende der günstigen Klimaperiode an. Ein allgemeiner Temperaturabfall um ungefähr 1,5º Celsius im Jahresmittel brachte langfristig erhebliche Verschiebungen im Vegetationsgefüge und in der Landwirtschaft. Schlechte Ernten in den Jahren 1315 bis 1317 und infolgedessen Nahrungsknappheit in weiten Teilen Mitteleuropas waren noch Vorboten. Bezeichnender ist, dass im 14. Jahrhundert der Weinanbau in England praktisch aufgegeben wurde, an der Nordseeküste der ansteigende Meeresspiegel besiedeltes Land auf Dauer überspülte und die alpine Besiedelung sich in gemäßigtere Lagen zurückzog.
 
Der Bevölkerungsschwund durch die Pest traf zwar die ländlichen Gebiete nicht in gleichem Maße wie die Städte. Weil aber der Getreideabsatz von der städtischen Nachfrage abhing, brach der Getreidemarkt zusammen (während gleichzeitig die Preise für die gewerbliche Produktion stiegen), mit katastrophalen Folgen für die bäuerliche Bevölkerung. Höfe und Fluren, ganze Dörfer wurden verlassen. Von etwa 170000 Dörfern im deutschen Siedlungsraum (in den Grenzen von 1937) existierten am Ende des 15. Jahrhunderts 40000 nicht mehr. In anderen Ländern, insbesondere dort, wo im 12. und 13. Jahrhundert der Landesausbau energisch vorangetrieben worden war, ist das Bild ähnlich. Gerade die jungen Siedlungen, die in schwierigem Sumpf- und Rodungsland neu gegründet worden und nicht immer rentabel waren, wurden zuerst wieder aufgegeben. In Frankreich trafen zudem die Kriege des 14. und 15. Jahrhunderts die Landwirtschaft schwer. Im fruchtbaren Pariser Becken fielen die Erträge um mehr als die Hälfte. In vielen Landschaften Europas mündete der Siedlungsprozess des hohen Mittelalters in den Wüstungsprozess des Spätmittelalters. Entsprechend breitete sich in den Wüstungszonen der Wald wieder aus (während im Umland der großen Städte durch verordnete Aufforstungs- und Hegemaßnahmen dem Raubbau am Wald gegengesteuert werden musste).
 
 Felder werden zu Weiden
 
Die spätmittelalterliche Landwirtschaft passte sich an die veränderte Konjunkturlage an. Der Getreideanbau wurde stark eingeschränkt; an seine Stelle traten lohnendere Spezialkulturen oder weniger arbeitsintensive Weidewirtschaft. Denn die Städte, die aus der demographischen Katastrophe wirtschaftlich gestärkt hervorgingen, hatten enormen Bedarf an anspruchsvolleren Nahrungsprodukten wie Fleisch und Milcherzeugnissen und an Rohprodukten zur gewerblichen Weiterverarbeitung. Der Flachsanbau zog sich von Irland über Nordwestfrankreich und Flandern bis nach Westfalen und Sachsen, in den Moselraum und nach Schwaben. Gemüse und Obst wurden vermehrt angebaut, ebenso wie Futterpflanzen (Wicken, Futterrüben), da bei intensivierter Viehzucht die natürliche Weide nicht ausreichte.
 
Radikal, ja zum Teil gewaltsam war der Strukturwandel in der englischen Landwirtschaft. Das profitable Wollgeschäft veranlasste die Grundherren, nicht nur verlassene Fluren, sondern sogar Gewinn bringendes Ackerland rücksichtslos in Weideland für Schafe umzuwandeln. Ganze Siedlungen verschwanden in den Midlands, in Yorkshire und Lincolnshire, ein Viertel aller Dörfer in England. »Die Schafe fressen die Menschen auf«, hieß es im 16. Jahrhundert nicht ohne Polemik: Sheep have eaten up our meadows and our downs, / Our corn, our wood, whole villages and towns. Tatsächlich konnten die Millionen von Schafen — an Zahl das Dreifache der Bevölkerung Englands — die durch sie mittellos gewordenen und entwurzelten Ackerbauern in Angstzustände versetzen. Im Zuge der expansiven Schafwirtschaft entstanden die Einhegungen der Weiden und Felder mit Hecken, Mauern und Gräben (enclosures), die in den ländlichen Gebieten Englands bis heute zum typischen Bild gehören. England, dessen Wolle schon im 12. Jahrhundert in Flandern und Brabant verarbeitet wurde, blieb das Hauptexportland für Wolle und belieferte die gesamte europäische Tuchindustrie. Erst danach folgte Spanien, das dank des Merinoschafs im 14. Jahrhundert ebenfalls Wollausfuhrland wurde. Auch hier waren die hohen Wollpreise ausschlaggebend dafür, dass die Schafzucht den Ackerbau zurückdrängte.
 
 Differenzierung der Getreidenachfrage — Fruchtwechselwirtschaft
 
Umstürzende Veränderungen erfuhr die frühneuzeitliche Agrartechnik bis zur Industrialisierung nicht mehr. Wohl aber wurden die im Mittelalter angeeigneten Methoden und Techniken weiterentwickelt und verfeinert, und natürlich blieb die Landwirtschaft auch weiterhin an die allgemeine Konjunktur gekoppelt. Das Preisniveau des Getreides reagierte stets unmittelbar auf die Bevölkerungszu- oder -abnahme. Um nur die gesamteuropäischen Entwicklungen zu nennen, wobei viele regionale Besonderheiten unberücksichtigt bleiben: Ab dem späten 15. Jahrhundert bis nach 1600 nahm die Bevölkerung zu, die Getreidepreise stiegen schneller als die Preise für tierische Produkte und die Löhne. In der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts kam es zu Preisverfall und Agrardepression infolge des Bevölkerungsschwundes. Seit etwa 1750 nahm die Landwirtschaft analog zur steil ansteigenden Bevölkerungskurve wieder rasanten Aufschwung. Die Viehwirtschaft verhielt sich in der Regel antizyklisch zum Getreideanbau: Der spätmittelalterliche Trend zu Viehzucht und Spezialkulturen — extrem ist der »Tulpenboom« in Holland — hielt im Ganzen bis ins 18. Jahrhundert an; erst dann konnte die Getreidewirtschaft wieder an Boden gewinnen.
 
Es gab stets nur relative Nachfrageschwankungen. Getreide blieb das Hauptnahrungsmittel auch in der frühen Neuzeit. Roggen und Weizen für Brot, Gerste für Bier, das in Nordeuropa ein wichtiger Bestandteil der täglichen Ernährung war, und Hafer als Pferdefutter. Roggen wurde hauptsächlich in Nord- und Osteuropa angebaut, während im Süden der Weizen vorherrschte. Überall aber bevorzugten der Adel und allgemein die gehobenen Schichten das hellere Weizenbrot, sodass der Weizen geradezu zum sozialen Indikator wurde. In England überwog der Weizenverbrauch in den Städten, in großbäuerlichen Familien und im Süden des Landes, während der ärmere Norden und insbesondere die kleinbäuerliche Bevölkerung sich in der Hauptsache von Roggen und Gerste (von Letzterer auch als Brotgetreide) ernährten. Wenn um 1700 der Weizenanteil gegenüber Roggen, Gerste und Hafer nur 38 Prozent ausmachte, am Ende des Jahrhunderts aber über 60 Prozent, so ist dies ein Indiz für den Aufschwung der englischen Landwirtschaft im 18. Jahrhundert. Im agrarwirtschaftlich rückständigen Schottland war noch bis ins 19. Jahrhundert der Hafer das Hauptnahrungsmittel für den größten Teil der Bevölkerung.
 
Angebaut wurde in einem verbesserten Dreifeldersystem, bei dem die Brache durch Futteranbau ersetzt wurde, oder im komplizierteren Fruchtwechsel, der sich von Flandern und Brabant über ganz Europa ausbreitete. In vierjähriger Rotation, besonders erfolgreich in England betrieben (Norfolk-System), folgten nacheinander Weizen oder Roggen, Rüben, Gerste und Klee als Grünfutter, oder im sechsjährigen Wechsel Weizen, Gerste, Rüben, Hafer, Futterklee bis zum Sommer, danach Winterweizen. Da die Brache entfiel, musste mit Mist oder Mergel gedüngt werden. Weniger belastend für den Boden war es, wenn nach jedem Zyklus ein Brachjahr eingeschoben wurde.
 
 Internationaler Agrarmarkt
 
Mit dem Ausbau der europäischen Städtelandschaften im hohen Mittelalter war Getreide zur bedeutenden Handelsware geworden, die zunächst kleinräumig vom Umland in die nächste Stadt, bald aber schon über große Entfernungen aus Überschussgebieten in Mangelgebiete geliefert wurde. Dies galt nicht nur in Zeiten akuter Nahrungskrise, wie 1590/91 in Norditalien, als Getreide kurzfristig aus Holland, England und Danzig geordert werden musste. Die großen Städte in den Ballungsgebieten Flanderns und der Lombardei führten regelmäßig, zumeist auf dem Seeweg, Getreide ein. Die Hauptachse des Handels verlief von den Anbauregionen der Ostseeländer zu den Märkten in West- und Südeuropa, von Danzig nach Amsterdam. Die Zollregister protokollieren von 1497 bis 1660 im Jahresdurchschnitt 2500 Schiffspassagen durch den Sund, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sogar über 4000 Durchfahrten im Jahr. Amsterdam war die Hauptdrehscheibe des Getreidehandels; hier wurden im 17. und 18. Jahrhundert die europäischen Getreidepreise »gemacht«. Gemessen am Gesamtbedarf der Bevölkerung war das Handelsvolumen freilich eher gering; der Import baltischen Getreides ernährte weniger als eine Million Menschen. Hauptlieferanten waren also nach wie vor die lokalen Erzeuger. Amsterdam selbst bezog mehr Getreide aus seinem »Hinterland«, aus Flandern, Nordfrankreich und dem Rheinland, als über den Ostseehandel.
 
Dagegen hing die Fleischversorgung der Städte ganz wesentlich von ausländischen Importen ab. Seit dem späten Mittelalter wurden Rinder aus den Aufzuchtgebieten in Dänemark, Südschweden, Schleswig-Holstein, Polen, Böhmen und Ungarn zu den westlichen Märkten getrieben. Über viele Hundert Kilometer kamen die Viehtriften in jedem Jahr aus den nördlichen Erzeugerländern in die Niederlande und nach Norddeutschland bis nach Köln, aus den südöstlichen Gebieten nach Frankfurt und weiter nach Süden bis in die oberitalienischen Städte. Um 1600 wanderten jährlich allein 40000 dänische Mastochsen auf die norddeutschen und niederländischen Märkte.
 
Die Verflechtung der Agrarmärkte ließ die regionalen Profile umso deutlicher hervortreten. Von flandrischen Viehzüchtern profitierten die nördlichen Mast- und Milchwirtschaften, von holländischen Gartenbauexperten die Gemüsegärtnereien im Umland der Großstädte; berühmt waren die Gemüseplantagen vor Amsterdam und Paris sowie die südenglischen Gärtnereien, die den Londoner Gemüsemarkt (seit 1671 am Covent Garden) mit einer einzigartigen Produktvielfalt belieferten. In einigen Gegenden wurden im späten 18. Jahrhundert, ausgehend von Irland, schon Kartoffeln angepflanzt. Als Konkurrenz zum Getreide zunächst abgelehnt, wurde der Kartoffelanbau in Deutschland durch die Hungersnot 1771/72 beschleunigt.
 
Die wachsende Produktivität der Landwirtschaft und der international ausgreifende Handel mit Agrargütern trugen insgesamt dazu bei, dass seit der Mitte des 18. Jahrhunderts der Hunger in Europa allmählich seinen früheren Schrecken verlor. England war zum modernsten, schon kapitalistisch geprägten Agrarland aufgestiegen. Hier waren vor 1800 die ersten Sämaschinen im Einsatz, die Mäh- und die Dreschmaschine eben in der Entwicklung, Vorboten eines neuen Zeitalters, in dem die Maschine auch die Landwirtschaft revolutionieren würde.
 
Dr. Arnold Bühler, Frankfurt
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Bauern: Das Leben der Landbevölkerung im Mittelalter
 
Agrarreformen in Europa zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Von Bauernschutz und Landflucht
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Gesellschaftsordnung des Mittelalters: Die geistigen Grundlagen mittelalterlicher Ordnung
 
Literatur:
 
Abel, Wilhelm: Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter. Hamburg u. a. 31978.
 Ennen, Edithund Janssen, Walter: Deutsche Agrargeschichte. Vom Neolithikum bis zur Schwelle des Industriezeitalters. Wiesbaden 1979.
 
Europäische Wirtschaftsgeschichte, herausgegeben von Carlo M. Cipolla. Band 1 und 2. Aus dem Englischen. Neuausgabe Stuttgart u. a. 1983.
 Rösener, Werner: Agrarwirtschaft, Agrarverfassung und ländliche Gesellschaft im Mittelalter. München 1992.


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