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BERLINER MAUER: WIR SIND DAS VOLK!

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Berliner Mauer: Wir sind das Volk!
 
Die Demonstration politischer und materieller Unzufriedenheit in der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik nahm sprunghaft zu, als die Ergebnisse der Kommunalwahlen vom Mai 1989 vielerorts gefälscht erschienen. Oppositionelle Gruppen verlangten grundsätzliche Reformen, die sich auch an der Entwicklung in der Sowjetunion orientieren sollten. Dort hatte der Generalsekretär der Kommunistischen Partei (KPdSU) und Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets, Michail Gorbatschow, aus der Erkenntnis einer ohne westliche Hilfe nicht zu lösenden ökonomischen Krise des Ostblocks »Glasnost« (Offenheit) und »Perestroika« (Umbau) zur Parole politischer Erneuerung gemacht. Er beabsichtigte damit, nicht nur die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Innern des Landes zu verbessern, sondern zugleich die Spannungen gegenüber dem Westen abzubauen. Gorbatschow räumte schwere politische Fehler der sowjetischen Führung bis in die jüngste Vergangenheit ein und sorgte für eine umfassende politische Rehabilitation lebender und verstorbener »Staatsfeinde«.Damit stellte er sich in deutlichen Gegensatz zur Linie der chinesischen Kommunisten, die im Juni 1989 die Pekinger Studentendemonstrationen blutig beendeten und Abweichungen von der politischen Linie verfolgten.
 
 Dissidenten, Demonstranten, Ausreisewillige
 
Zwar hatte Gorbatschow westliche Skepsis gegenüber seinen Aussagen und Plänen zu überwinden, doch gewann er vor allem die Dissidenten in den Staaten des Ostblocks, auch die der DDR. Dort verfolgten Angehörige und Informanten des Staatssicherheitsdienstes (Stasi) jedes öffentliche Bekenntnis zur Gedankenfreiheit, das sich auf die 1919 ermordete Rosa Luxemburg oder auch auf Gorbatschow berief. Die Führung der DDR war bekannt für ihre Unfähigkeit, die materiellen Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen und für sie den Lebensstandard der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen; sogar ein weiteres Absinken der Produktion und zunehmende Verknappung der Versorgungsgüter waren zu erwarten. Die DDR-Führung wies jedoch alle entsprechenden Hinweise als Verleumdung zurück und lehnte für den eigenen Staat Glasnost und Perestroika ab. Wie 1970, als Walter Ulbricht zurücktreten musste, beharrten jetzt Erich Honecker und seine Mitarbeiter auf der Richtigkeit ihres Wegs und versuchten Distanz gegenüber der Politik des »Bruderstaats« Sowjetunion zu wahren, auch wenn diese als Schutzmacht gegenüber dem westlichen Ausland und insbesondere gegenüber Westdeutschland angesehen wurde. Wohl hatte es in den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR staatliche und humanitäre Verbesserungen gegeben, doch mit den Feiern zum 40. Jahrestag der Republikgründung Anfang Oktober sollte der dauerhafte Fortbestand der deutschen Zweistaatlichkeit unterstrichen werden. Diese rigorose Haltung fand in der Bevölkerung nur geringe Zustimmung. Zwar hatte sich die DDR seit der Errichtung der Berliner Mauer am 13. August 1961 konsolidiert und in den 70er-Jahren auch einen ökonomischen Aufschwung erlebt, doch blieben die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik für die Masse der Bevölkerung ein Idealbild, während Regierung und Staatspartei am »Feindbild« der kapitalistischen Gesellschaft festhalten wollten.
 
Unter dem Eindruck der Unzufriedenheit im Jahr 1989 wuchs die Opposition in der DDR an; die Dissidentengruppen nahmen zu, obwohl sie von der Stasi bespitzelt und unter Druck gesetzt wurden. Das Verlangen, den eigenen Willen zu bekunden und ihm gegenüber der Staatsmacht und ihren Institutionen Ausdruck zu verleihen, schlug sich in den Bemühungen nieder, politische Gruppierungen zu bilden, die der Ideologie der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) ablehnend gegenüberstanden. Eine weitere Folge war die wachsende Zahl von Einzelpersonen und Familien, die über Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn einen Weg in die Bundesrepublik suchten. Die Jubiläumsfeiern standen unter dem Eindruck, dass Tausende von DDR-Bewohnern die Reise in den Westen ertrotzten, während vor allem in Leipzig regelmäßig der Ruf der nach Tausenden zählenden Demonstranten erklang: »Wir sind das Volk!« Von Gorbatschow und der Sowjetunion war keine Unterstützung mehr zu erwarten, sodass nun das Zentralkomitee der SED Honecker und seine nächsten Vertrauten zum Rücktritt veranlasste. Ihnen folgte bis Mitte November die bisherige Führungselite der DDR; andere Prominente erklärten von sich aus den Rücktritt.
 
 Das Hämmern und Meißeln der Mauerspechte
 
Inzwischen hatte eine lebhafte Diskussion um Ausreiseerleichterungen eingesetzt, und es gab kein Halten mehr, als am 9. November das Mitglied des Zentralkomitees, Günter Schabowski, auf einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz einfließen ließ: »Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin (West) erfolgen.« Unter dem Eindruck der Menschenmenge in Ostberlin und an der Grenze der Bundesrepublik gab die Grenzpolizei den Weg in den Westen frei und löste damit auch dort Jubel aus. Noch am gleichen Abend begannen in Berlin die »Mauerspechte« mit Hämmern, Feilen und Meißeln ihre Tätigkeit. Dieser »Fall der Mauer« in Berlin und das Öffnen der Grenze zum Westen beschleunigten den Untergang der DDR bereits zu einem Zeitpunkt, als noch weithin, auch bei der Bundesregierung, ein Fortbestehen der Zweistaatlichkeit erwartet wurde. Der neue Ministerpräsident der DDR, Hans Modrow, der auch die Führung der SED übernahm, versuchte durch Ausschluss allzu belasteter Parteigrößen, dann, im Dezember, durch Umbenennen der SED in PDS (Partei des Demokratischen Sozialismus) Reformbereitschaft zu signalisieren. Doch unterdessen gab es neben der Vielzahl bisheriger Dissidentengruppen die am 7. Oktober neu gegründete Sozialdemokratische Partei (SDP) der DDR sowie die nun unabhängigen Parteien, die wie die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDUD), die Liberaldemokratische Partei Deutschlands (LDPD), die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Bauernpartei bisher einen politischen »Block« mit der SED gebildet hatten. Auf spontanen Massenveranstaltungen wurde auf Regierungsbeteiligung in Koalitionsform und regelmäßige politische Beratungen am »runden Tisch« gedrängt. Damit war der Fall der Mauer zugleich ein Fall der bisherigen Staatsordnung, auch wenn die DDR noch ein knappes Jahr weiter bestehen sollte.
 
 Der Zerfall des osteuropäischen Staatensystems
 
Dies war ein Signal an die anderen Staaten des bisherigen Ostblocks. Vor allem in Polen, in der Tschechoslowakei und in Ungarn traten nun bisherige Dissidenten und Gegner einer moskauhörigen Politik in die Regierungsverantwortung oder erkämpften sie sich wie in Rumänien gegen den Widerstand der bisherigen Machtträger. Die baltischen Staaten, die 1940 von Stalins Soldaten besetzt worden waren, setzten ihre Unabhängigkeit gegen eine in Auflösung begriffene Sowjetunion durch. Gorbatschow, dessen Politik die osteuropäischen Staaten in die Unabhängigkeit entlassen hatte, musste zusehen, wie die Sowjetunion in eine Vielzahl von Einzelstaaten zerfiel, die bald in Grenzkonflikte gerieten. In Deutschland war die Revolution friedlich verlaufen und langsam begannen die Vorbereitungen zur Wiederherstellung staatlicher Einheit. Damit wurde der Wille der DDR-Bevölkerung erfüllt, sodass die Mehrzahl der Flüchtlinge, die im Sommer und Herbst 1989 die DDR verlassen hatten und in der Bundesrepublik in Notunterkünften zusammengefasst waren, zurückkehrten.
 
Der Fall der Berliner Mauer und die Öffnung der Grenze zwischen Bundesrepublik und DDR war ein Ergebnis lang währenden politischen Unmuts und einer schweren wirtschaftlichen Krise. Die politische Eskalation ging weitaus schneller voran als erwartet und ebenso überraschend kam der Zusammenbruch des osteuropäischen Staatensystems. Allerdings entstanden durch die veränderten politischen Verhältnisse bald neue Konfliktherde, während die Vereinigten Staaten allein als Weltmacht agierten.
 
Prof. Dr. Martin Vogt


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